Vom glücklichen Leben - Lucius Annaeus Seneca - E-Book

Vom glücklichen Leben E-Book

Lucius Annaeus Seneca

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Beschreibung

Seneca richtet seine Schrift »Vom glücklichen Leben« an seinen Bruder Gallio. Als Mitglied der römischen Oberschicht verfügt Seneca über große Reichtümer. Wenn Seneca in »Vom glücklichen Leben« den Weg zum vollendeten Glück beschreibt, so geht es ihm vor allem um den inneren Widerstand gegen die Versuchungen von Gier und Äußerlichkeiten. Damit bekennt sich Seneca zum Stoizismus und grenzt sich von der hedonistischen Haltung Epikurs ab. Seneca nutzt die Schrift »Vom glücklichen Leben« auch zu einer Verteidigung seines eigenen Lebensstils. Ihm war vorgeworfen worden, mit seinem Reichtum selbst nicht den Anforderungen des tugendhaften stoischen Lebens zu genügen. Seneca legt dar, wie er ein Leben in Wohlstand mit den Werten der Stoiker in Einklang bringt.

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Seitenzahl: 59

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Vom glücklichen Leben

TitelseiteEinleitung des ÜbersetzersInhaltsübersichtVom glücklichen LebenImpressum

Lucius Annaeus Seneca

Vom glücklichen Leben

Vollständige deutsche Ausgabe

Einleitung des Übersetzers

Die Schrift ist gerichtet an seinen älteren Bruder Marcus Annaeus Novatus, der seit seiner Adoption durch Gallio, den Freund des Vaters, den Namen Gallio führte. Es ist derselbe, dem er bereits früher die drei Bücher über den Zorn gewidmet hatte.

Auf die Denkweise dieses von ihm sehr geschätzten Bruders, der es als Staatsmann bis zum Konsul gebracht hatte, scheint die Lehre Epikurs einen gewissen Eindruck gemacht zu haben. Daher die längeren Ausführungen über den Gegensatz der stoischen und Epikureischen Ansichten über das wahre Lebensglück. Der milde, halbwegs anerkennende Ton, in dem er von Epikur spricht, tritt hier, eben wohl mit Rücksicht auf seines Bruders Verhältnis zu Epikur, noch etwas stärker hervor als in anderen Dialogen. Allein die Anerkennung ist doch auch hier nur eine relative, insofern als sich die Lustlehre Epikurs, welche die Tugend zur unentbehrlichen Begleiterin der Lust macht, vorteilhaft unterscheidet von der unbedingten Lustlehre anderer. Er selbst, Seneca, ist und bleibt Stoiker, der in der Tugend allein die Gewähr eines glücklichen Lebens findet. Sie allein ist es, die uns gegen alle Tücke des Schicksals sichert.

Wenn man ihm entgegenhält, er selbst zeige in seiner Lebensführung doch nicht durchweg das Bild des vollendeten Weisen, so sei, meint er, damit der stoische Standpunkt durchaus nicht erschüttert; denn er selbst sei sich seiner Unvollkommenheit recht wohl bewusst und fühle sich durchaus nur als Strebender, nicht etwa als am Ziele bereits Angelangter. So wird die Abhandlung Hill er entschiedener zu einer Rechtfertigung der eigenen Lebensgestaltung in ihrem Verhältnis zu den Anforderungen des Stoizismus. Man kann Stoiker sein und bleiben, auch ohne dass man auf Reichtum und äußere Glücksgüter verzichtet; ja, man ist dann gerade in der besonders günstigen Lage, Geld und Gut nach vernünftigen Grundsätzen zugunsten der Mitwelt nach den verschiedensten Richtungen hin zu verwenden, statt es im Dienste der Lust zu vergeuden. Diese ebenso geschickt wie taktvoll durchgeführte apologetische Tendenz gibt dem zweiten Teile der Abhandlung einen besonderen Reiz.

Inhaltsübersicht

Glückseligkeit ist das Ziel, nach dem jedermann strebt; allein die Vorstellungen, die man sich von diesem Ziele macht, sind ebenso irrig wie die Wege, die man zu seiner Erlangung einschlägt. Man läuft blindlings der großen Menge nach, die sich durch reine Äußerlichkeiten bestimmen lässt, während das wahre Glück ganz nur von der Beschaffenheit unseres Inneren abhängt, Ziffer 1, 2.

Für das wahre Lebensglück kommt es auf eine Seelenstimmung an, die den äußeren Lebensverhältnissen, wie sie uns das Schicksal, sei es gewährt sei es auferlegt, keinen entscheidenden Einfluss einräumt. Eben darin besteht das Geheimnis wahrer Lebenskunst, dass man sich von des Schicksals Launen unabhängig zu machen weiß. In diesem Sinne wird von Seneca eine ganze Reihe von Definitionen der Glückseligkeit vorgeführt, die darin übereinstimmen, dass Sinnengenuss kein wahres Glück gewähre, dass vielmehr nur die gesunde Vernunft zur Grundlage dieses Glückes tauge. Ihr allein gebührt die Herrschaft, wenn sich auch ein großes Maß von Lust ihr zugesellen kann, ohne etwa unentbehrlich zu sein. Verträgt sich doch die Lust auch mit dem schändlichsten Leben. Ein solches Leben ist aber nichts weniger als naturgemäß. Nur das n a t u r g e m ä ß e Leben ist ein wahrhaft glückliches Leben; die Voraussetzung desselben ist aber die erlangte Seelenruhe, Ziffer 3-8.

Lust ist von der Tugend nicht ausgeschlossen, ist aber keine unentbehrliche Beigabe derselben. Die Tugend trägt ihren Lohn in sich selbst, wenn sie auch das Vergnügen nicht grundsätzlich ausschließt. Nie aber wird der wahre Weise die Lust zum Bestimmungsgrund seiner Handlungen machen, Ziffer 9—11.

Epikur gehört nicht zu den unbedingten Lobrednern der Lust in dem Sinne, als sei Tugend und Lust dasselbe. Er fordert für die Lust Naturgemäßheit, wie es die Stoiker für die Tugend tun. Aber der Lust jagt doch jeder nach seinem besonderen Geschmack nach; sie geht ins Maßlose und Unbegrenzte, während die Tugend begrenzt ist. Hingabe an die Lust als an das oberste Ziel führt zum Verluste der Freiheit; die Lust kann sich nicht losmachen von dem Reiz des Äußerlichen; sie ist nicht auf sich selbst gestellt wie die Tugend, Ziffer 12-15.

Die Tugend bietet hinreichende Gewähr für das Lebensglück; sie ist nicht abhängig von den Launen des Schicksals. Dem gegenüber erhebt sich aber die Frage: Warum verzichtest du nicht auf die Fülle der Güter, die du dem Schicksal verdankst? Antwort: Man hat zu scheiden zwischen dem vollendeten Weisen und den erst im Aufstieg Begriffenen, zu denen er selbst, Seneca, sich rechnet, Ziffer 16—22.

Aber auch der der Weisheit bereits Teilhaftige wird die äußeren Güter nicht grundsätzlich von sich weisen, wohl aber sie nur im Sinne gesunder Vernunft verwenden. Er wird sich ihrer freuen dürfen als eines Mittels der Beförderung des Menschenwohls im Sinne uneigennütziger Menschenliebe. Was ihn von den Reichen gewöhnlichen Schlages scharf scheidet, ist der Umstand, dass er ohne Murren, wenn das Schicksal es so will, auf alle äußeren Güter verzichten wird. Ziffer 16—26.

Sokrates wird redend eingeführt als Zeuge für die Macht der Tugend und als Mahner für ihre dauernde Hochachtung, Ziffer 27, 28.

Vom glücklichen Leben

An Senecas Bruder Gallio

1. Wer, mein Bruder Gallio, wünschte sich nicht ein glückliches Leben? Aber um zu erkennen, was uns zum Lebensglück verhelfen kann, dazu fehlt uns der richtige Blick. Nichts ist schwerer als sich des glücklichen Lebens teilhaftig zu machen. Ja, je stürmischer man ihm zueilt, umso mehr entfernt man sich von ihm, wenn man den Weg verfehlt hat; führt dieser nach der entgegengesetzten Seite, so wird gerade die Eile der Grund, den Abstand zu vergrößern. Wir müssen uns also zunächst Klarheit verschaffen über Wesen und Beschaffenheit des Zieles; sodann gilt es, Umschau zu halten nach dem Wege, auf dem wir am schnellsten zu ihm gelangen können, wobei der Weg selbst, wenn er nur der rechte ist, uns zu der Erkenntnis verhelfen wird, wie viel wir täglich vor uns bringen und in welchem Maße wir dem Punkte näherkommen, nach dem uns unser natürliches Verlangen hintreibt.

Solange wir kreuz und quer umherschweifen und uns nicht von einem Führer leiten lassen, sondern lediglich von dem einander heillos widersprechenden Geschnatter und Stimmengewirr der Menge, schwindet das kurze Leben unter lauter Fehltritten dahin, mag man sich auch Tag und Nacht um vernünftige Einsicht bemühen.

Daher entscheide man sich über das Ziel und den Weg nicht ohne einen bestimmten Sachkundigen, der genau Bescheid weiß über die Richtung, in der wir uns vorwärtsbewegen. Denn hier steht es nicht so wie bei sonstigen Wanderungen: Bei diesen sichert uns irgendein Grenzweg, auf den man trifft, nebst der Nachfrage bei den dort Ansässigen, vor Irregehen, während hier gerade der betretenste und menschenreichste Weg am leichtesten täuscht. Auf nichts also müssen wir mehr achten als darauf, nicht nach Art des Herdenviehs der vorauslaufenden Schar zu folgen: Wir würden dann nur den meist betretenen, nicht aber den richtigen Weg wählen, und doch verwickelt uns nichts in größeres Unheil, als dass wir uns nach dem Gerede der Menge richten, in dem Wahne, das sei das Beste, was sich allgemeinen Beifalls erfreut und wofür sich uns viele Beispiele bieten, und dass wir nicht nach Maßgabe vernünftiger Einsicht, sondern des Vorganges anderer leben. Daher jene gewaltige Anhäufung stürzender Menschen, die einer über den anderen fallen.

Was man bei tödlichem Menschengedränge sieht, wo die Menge sich staut und sich selbst zerquetscht — niemand stürzt, ohne zugleich einen anderen mit zu Fall zu bringen, und die Vordersten ziehen die Folgenden mit sich —, das kann man durchgängig im Leben beobachten. Keiner irrt nur für sich, sondern gibt zugleich Grund und Veranlassung zum Irrtum anderer.