Vom Schenken und Beschenktwerden - Wilhelm Schmid - E-Book

Vom Schenken und Beschenktwerden E-Book

Wilhelm Schmid

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Beschreibung

Schenken ist nicht so einfach, wie es erscheint. Nicht selten fragen sich viele: Was schenke ich wem und wenn ja, warum? Ein paar Gedanken zur rechten Zeit bieten Gewähr dafür, dass das Schenken glücklich macht. Ansonsten drohen Notgeschenke oder Verlegenheitsgeschenke.

Wilhelm Schmid, Bestsellerautor (Glück, Gelassenheit), schildert die Freuden des Schenkens und benennt auch die Probleme, die es mit sich bringen kann. Dabei geht es nicht nur um materielle Geschenke, sondern auch um ideelle der Liebe, Freundschaft und der Gastfreundschaft. Was bedeutet es, Zeit und Aufmerksamkeit zu schenken, und wie wichtig sind Geschenke, die ein Mensch sich selbst macht? Der Höhepunkt des Schenkens ist erreicht, wenn sich der Schenkende auch selbst über seine Gabe freut und sich der Beschenkte mit dem Geschenk gemeint fühlt.

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Seitenzahl: 65

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Wilhelm Schmid

Vom Schenken und Beschenktwerden

Insel Verlag

Inhalt

Vorwort

1. Von der Kunst des Schenkens: Geben- und Nehmenkönnen

2. Liebe schenken: Hingabe und Hinnahme

3. Zeit und Aufmerksamkeit schenken: Blaue und andere Stunden

4. Freundschaft und Gastfreundschaft schenken

5. Geschenke für sich selbst: »Was mir guttut«

6. Sich Muße schenken: Langeweile und lange Weile

Vorwort

Großzügig zu sein beim Schenken: Eine gute Idee. Dachte ich und schenkte bei passender Gelegenheit einen großen Blumenstrauß. Ich war stolz darauf, endlich einmal nicht gespart, sondern richtig hingelangt zu haben. Die Reaktion fiel kurz und knapp aus: »Je größer der Blumenstrauß, desto schlechter das Gewissen!« Mit offenem Mund stand ich da und brachte kein Wort hervor, denn – es stimmte. Meine vermeintliche Großzügigkeit schrumpfte zum kleinlichen Kalkül, und ein für alle Mal war mir klar: Schenken ist schwierig.

Das ganze Jahr hindurch steht bei mehr oder weniger passenden Gelegenheiten die Frage im Raum: Was will ich wem schenken und warum? Und doch sind das vereinzelte Ereignisse, denen im Grunde die nötige Aufmerksamkeit gewidmet werden kann. Der Ernstfall des Schenkens hingegen ist Weihnachten: Alle auf einmal, und keiner darf benachteiligt werden. Weihnachten ist von Kindheitserinnerungen geprägt, die immer auch mit den Geschenken zu tun haben, die unter dem Baum lagen. Weihnachten ohne Geschenke erscheint daher widernatürlich. Viele Geschenke aber erzeugen Stress, den Stress des Schenkens (des Agierenmüssens) ebenso wie den des Beschenktwerdens (des Reagierenmüssens).

Schenken ist schön, macht aber viel Arbeit. Was Karl Valentin einmal für die Kunst formulierte, gilt auch für die Kunst des Schenkens. Die Arbeit beginnt lange vor dem Einpacken und endet mit dem Auspacken noch immer nicht, wechselt zwischendurch aber die Seiten: Vom Schenkenden zum Beschenkten (und mit der maskulinen Form ist in diesem Buch immer auch die feminine gemeint). Das Geschenkpapier gestaltet den Übergang, und da es sehr auf einen reibungslosen Ablauf ankommt, bereitet nicht nur die Auswahl des Geschenks, sondern auch die des Papiers einige Mühe. Dann aber kann der Schenkende das Geschenk, das im Moment noch seines ist, beim raschelnden Verpacken ein letztes Mal begutachten und die Vorfreude auf die Reaktion des Beschenkten auskosten. Diesem wiederum gewährt die umständliche Beschäftigung mit der Umhüllung beim Auspacken einen Moment der Verzögerung, um seine Gesichtszüge für alle möglichen Reaktionen bereitzuhalten, bevor er sie mit dem Eigentumsübergang endgültig bei einer ausgewählten Variante einrasten lassen muss.

Die Kunst des Schenkens ist eine von vielen Künsten, die dazu beitragen können, das Leben schöner und reicher zu machen. Wie alle Künste ist jedoch auch die des Schenkens auf ein Wissen und Können angewiesen. Das Wissen beruht darauf, Informationen zu sammeln und sich selbst Gedanken zu machen, Beobachtungen und Überlegungen anzustellen und sich umzusehen, welche möglichen Geschenke es gibt, um sie in Bezug zu dem Menschen zu setzen, der beschenkt werden soll: Ist das etwas für ihn, freut ihn das, kann er das brauchen? Das Können wiederum entsteht mit dem praktischen Tun, es endlich zu wagen, und mit der anhaltenden Bereitschaft, es immer wieder von Neuem zu versuchen. Übung macht den Meister, auch beim Schenken. Es kann schiefgehen, aber dann lässt sich etwas daraus lernen, das Wissen wird umfangreicher, das Gespür feiner, das Können gekonnter.

Schenken ist pikant und kann prekär werden. Nicht durchweg ist es altruistisch, dem Anderen zugewandt, dem eine Freude gemacht werden soll. Es hat auch eine egoistische Seite: Mit der Freude, die der Schenkende dem Anderen macht, will er sich selbst gut fühlen. Einige Gedanken zur rechten Zeit erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass das Eine wie das Andere geschieht. Gedankenlosigkeit jedoch birgt die Gefahr von Notgeschenken in sich, die viel Unheil anrichten können. Oder von Verlegenheitsgeschenken, die nicht nur der Verlegenheit entstammen, nicht so recht zu wissen, was überhaupt geschenkt werden soll, sondern auch den Beschenkten in Verlegenheit stürzen, weil er nicht weiß, ob er dankbar sein soll.

Dass Schenken glücklich macht, ist vielfach zu lesen, und viele glauben daran. Aber es hilft nichts, nur die Freuden des Schenkens zu preisen, wichtig ist, auch die Probleme zu kennen, die es mit sich bringen kann, um ihnen nach Möglichkeit zu entgehen. Die Größenordnung des Schenkens ist skalierbar vom selbstgefundenen Flusskiesel bis zum Edelstein, die Probleme aber bleiben die gleichen. Es kann den Schenkenden unglücklich machen, wenn das Geschenk beim Beschenkten nicht »ankommt«. Der kann seinerseits unglücklich sein, wenn ihn das Geschenk in Schwierigkeiten bringt: Er sollte sich jetzt ungeheuer freuen, aber er freut sich nicht. Das Geschenk ist nicht das, was er sich wünschte. Vielleicht ist es ärgerlich oder, schlimmer noch, belanglos, nicht einmal des Ärgers wert. In manchen Fällen kann es sogar als Beleidigung empfunden werden, wenn es offenkundig gedankenlos ausgewählt worden ist.

Maßvolle Erwartungen tragen zum Gelingen bei: Der Höhepunkt des Schenkens ist erreicht, wenn der Schenkende sich über seine Großzügigkeit freuen kann und der Beschenkte nicht allzu schwer an den Folgen zu tragen hat. Dabei ist der Umgang mit materiellen Geschenken nur ein Übungsfeld für den Umgang mit Geschenken ideeller Art, die nicht nur für den Moment oder für eine Weile, sondern für das ganze Leben von Bedeutung sind. Liebe, Freundschaft und Gastfreundschaft zu schenken ist eine Freude für alle Beteiligten, stellt aber auch hohe Anforderungen an den Gebenden wie den Nehmenden. Was bedeutet es, Zeit und Aufmerksamkeit zu schenken, und wie wichtig und von welcher Art sind Geschenke, die ein Mensch sich selbst macht?

Schwer zu beantworten sind Fragen der Gerechtigkeit, die sowohl von ideellen als auch materiellen Geschenken aufgeworfen werden. Ist es gerecht, wenn alle, die beschenkt werden, gleich behandelt werden? Dann müssten die geliebten Kinder zu Weihnachten die gleiche Art von Schokolade bekommen, auch wenn nicht jedes Kind Schokolade mag. Sämtliche Freunde müssten auf gleiche Weise bedacht werden, obwohl sie nicht die gleichen Interessen haben. Und die Liebenden müssten ihr Verhältnis ständig daraufhin überprüfen, ob Liebe und Gegenliebe sich die Waage halten. Bald wird klar: Absolute Gerechtigkeit ist eine Illusion.

Angesichts der möglichen Missverständnisse und entstehenden Probleme beim Schenken taucht unweigerlich der Gedanke auf, wie ihnen zu entkommen wäre. Vielleicht durch eine einzige Maßnahme: Würde Abstinenz nicht alles besser machen? Aber in Bezug auf ideelle Geschenke würde der Verzicht aufs Schenken ein sinnentleertes Leben ohne Liebe, Freundschaft und Selbstfreundschaft zur Folge haben. In Bezug auf materielle Geschenke könnte der Verzicht sogar egoistisch erscheinen: »Ah, da will sich einer entziehen, am sozialen Leben nicht teilhaben, sich nicht nur die Ausgaben ersparen, die anfallen, sondern auch die Aufmerksamkeit für Andere, die er ihnen verweigert!«

Wenn also auch die Abstinenz nicht durchweg problemfrei ist, hat der Einzelne letztlich die Entscheidung zu treffen, welche Probleme beim Schenken er bevorzugt. Schenken ist ein Teil des Lebens, das ohne Probleme eben nicht zu haben ist. Die damit einhergehenden Herausforderungen offensiv anzugehen, erbringt wertvolle Erkenntnisse und verfeinert das Gespür für das Richtige. Einen zu großen Blumenstrauß habe ich nie wieder jemandem geschenkt. Ein fehlerfreier Schenkender bin ich dennoch nicht geworden. Muss ich auch nicht werden, habe ich irgendwann beschlossen. Es genügt völlig, die Fehlerquote langsam etwas abzusenken. Irren beim Schenken ist menschlich, nur Mut!

1. Von der Kunst des Schenkens: Geben- und Nehmenkönnen

Die Grundelemente einer Kunst des Schenkens gehörten in der Philosophie einst zu den großen Themen der Ethik. Aristoteles rühmte in der Nikomachischen Ethik (Buch 4) im 4. Jahrhundert v. Chr. den großzügigen, freigebigen Menschen, der Anderen eine echte Hilfe sein könne und dem daher viel Zuneigung zuteilwerde. Er müsse aber in der Lage sein, richtig zu schenken, »nämlich: an der richtigen Stelle, im richtigen Ausmaß, zur richtigen Zeit und so fort, was eben das richtige Geben charakterisiert«. Nicht wahllos solle er schenken und sich über die wichtigste Voraussetzung des Schenkens im Klaren sein: »Er wird aber das Seinige auch nicht verkommen lassen, denn es ist ja seine Absicht, Anderen damit zu helfen.«

Im 1. Jahrhundert n. Chr. mahnte Seneca in seinem kleinen Buch Vom glücklichen Leben