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Maurice Maeterlincks Nekrolog zum Tod seines Hundes aus dem Jahr 1904 ist neben Thomas Manns Idyll "Herr und Hund "(1919) Sándor Márais Hunde-Roman "Csutora" (1932) und Virginia Woolfs Hundebiografie "Flush" (1933) einer der gewichtigsten Texte, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts über den Freund des Menschen geschrieben worden sind. Maeterlincks philosophischer Essay geht weit über eine Trauerrede hinaus und weist dem Tier eine einzigartige Stellung in der Welt des Menschen zu.
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Seitenzahl: 25
Veröffentlichungsjahr: 2018
Maurice Maeterlincks Nekrolog zum Tod seines Hundes aus dem Jahr 1904 ist neben Thomas Manns Idyll Herr und Hund (1919), Sándor Márais Hunde-Roman Csutora (1932) und Virginia Woolfs Hundebiografie Flush (1933) einer der gewichtigsten Texte, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts über den Freund des Menschen geschrieben worden sind. Maeterlincks philosophischer Essay geht weit über eine Trauerrede hinaus und weist dem Tier eine einzigartige Stellung in der Welt des Menschen zu. Der Name des Hundes, Pelléas, ist freilich eine Anspielung auf die gleichnamige Figur aus dem Drama Pelléas et Mélisande (1892) und deren gewaltsames Ende.
Dafür, dass Maeterlinck sich mit Hunden ausgekannt haben muss, dürfte das Buch der Schauspielerin und Opernsängerin Georgette Leblanc mit dem Titel Nos Chiens (1919) belegen. Leblanc, die dreiundzwanzig Jahre lang die Lebensgefährtin Maeterlincks war, erzählt darin von vier Hunden, mit denen das Paar bis 1918 lebte.
Sur la mort d'un petit chien erschien zuerst in einer Sammlung philosophischer Essays, Le double jardin (1904), und wurde im selben Jahr als Beim Tode eines jungen Hundes von Friedrich von Oppeln Bronikowski ins Deutsche übertragen. Der ungekürzte Text liegt hier in einer Neuübersetzung vor.
Klaus Bonn
Ich habe dieser Tage eine kleine Bulldogge verloren. Sie stand kurz vor der Vollendung ihres sechsten Monats in ihrem kurzen Leben. Sie hat keine Geschichte gehabt. Ihre klugen Augen haben sich aufgetan, um die Welt zu betrachten und die Menschen zu lieben, dann haben sie sich über den ungerechten Geheimnissen des Todes wieder geschlossen.
Der Freund, der mir den Hund geschenkt hat, hatte ihm vielleicht ironischerweise den ziemlich unerwarteten Namen Pelléas gegeben. Wozu hätte ich ihn umbenennen sollen? Würde ein armer, liebevoller Hund, treu und ergeben, den Namen eines Menschen oder eines imaginären Helden verunzieren?
Pelléas hatte eine hohe, gewölbte und kraftvolle Stirn, ganz ähnlich der von Sokrates, und unter einer kleinen, schwarzen Nase, die wie eine unglückliche Behauptung zurückgedrängt war, machten große hängende und symmetrische Lefzen aus seinem Kopf eine Art massiver, eigensinniger, nachdenklicher und dreiseitiger Bedrohung. Er war schön wie ein naturhaftes schönes Monster, das streng den Gesetzen seiner Spezies unterliegt. Und was für ein Lächeln achtsamer Zuvorkommenheit, unbestechlicher Unschuld, liebevoller Unterwürfigkeit, grenzenloser Dankbarkeit und vollkommener Hingabe brachte bei der geringsten Liebkosung diese reizende Maske der Hässlichkeit zum Leuchten! Woher genau kam dieses Lächeln? Von den treuherzigen, rührseligen Augen? Den zu den Worten des Menschen aufgerichteten Ohren? Von der Stirn, die sich aufheiterte, um zu verstehen und zu lieben? Von den vier winzigen Zähnen, weiß und abstehend, die auf seinen schwarzen Lippen vor ausgelassener Freude nur so strahlten, oder von dem Schwanzstummel, der, wie es bei der Rasse üblich ist, unversehens einen Knick erfährt und sich zur anderen Extremität hin abmüht, um die innige und leidenschaftliche Freude zu bestätigen, die ein kleines glückliches Wesen erfüllte, ein weiteres Mal der Hand und dem Blick des Gottes zu begegnen, dem es sich anvertraute?