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Mila Summers

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Beschreibung

Marc ist der ewige Junggeselle. Er liebt seine Freiheit und sein Surfbrett mehr als alles andere auf der Welt. Alles könnte so schön sein, wäre da nicht sein Dad, der ihm die Pistole auf die Brust setzt. Marc soll endlich Verantwortung übernehmen. Dieses Mal macht sein alter Herr Ernst. Sollte er nicht binnen eines Monats sein Lotterleben einstellen und eine Frau heiraten, wird er ihm den Geldhahn für immer zudrehen. Rosie steht das Wasser bis zum Hals. Ihr Ex hat sie mit den Schulden aus ihrer gemeinsamen Insolvenz im Stich gelassen und sich ins Ausland abgesetzt. Niemand leiht ihr noch Geld. Hilfesuchend schaut sie sich im Internet nach Stellenangeboten um. Da entdeckt sie eine Anzeige für einen stilvollen Escortservice. Betuchte Gäste suchen dort eine Frau, die sie zu Veranstaltungen und auf Geschäftsreisen begleitet. Mehr wird nicht erwartet. Schon gar nicht Liebe.

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Mila Summers

 

Von der Liebe überrascht

 

 

 

 

Über das Buch:

Von Entscheidungen, die das ganze Leben verändern – oder ist es doch der Zufall, der der Liebe auf die Sprünge hilft?

 

Marc ist der ewige Junggeselle. Er liebt seine Freiheit und sein Surfbrett mehr als alles andere auf der Welt. Alles könnte so schön sein, wäre da nicht sein Dad, der ihm die Pistole auf die Brust setzt. Marc soll endlich Verantwortung übernehmen. Dieses Mal macht sein alter Herr Ernst. Sollte er nicht binnen eines Monats sein Lotterleben einstellen und eine Frau heiraten, wird er ihm den Geldhahn für immer zudrehen.

Rosie steht das Wasser bis zum Hals. Ihr Ex hat sie mit den Schulden aus ihrer gemeinsamen Insolvenz im Stich gelassen und sich ins Ausland abgesetzt. Niemand leiht ihr noch Geld. Hilfesuchend schaut sie sich im Internet nach Stellenangeboten um. Da entdeckt sie eine Anzeige für einen stilvollen Escortservice. Betuchte Gäste suchen dort eine Frau, die sie zu Veranstaltungen und auf Geschäftsreisen begleitet. Mehr wird nicht erwartet. Schon gar nicht Liebe.

 

 

Über die Autorin:

Mila Summers, geboren 1984, lebt mit ihrem Mann und den beiden Kindern in Würzburg. Sie studierte Europäische Ethnologie, Geschichte und Öffentliches Recht. Nach einer plötzlichen Eingebung in der Schwangerschaft schreibt sie nun dramatische und humorvolle Liebesromane mit Happy End und erfreut sich am regen Austausch mit ihren LeserInnen.

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Bisher von der Autorin erschienen:

»Liebe ist«-Reihe

Liebe ist nur mit Dir

Liebe ist ein Glücksfall

Liebe ist ganz nah

Liebe ist ein Wunder

Liebe ist nicht nur ein Gefühl

 

»Geschichten aus Port Isaac«

Der erste Sommer mit dir

Zuckersüßer Sommer

Weihnachten in Cornwall

Frühlingsküsse in Cornwall

Sommerküsse in Cornwall

Winterküsse in Cornwall

 

»Manhattan Love Stories«

Irresponsible desire

Irrepressible desire

Irresistible desire

 

»Tales of Chicago«

Küss mich wach

Vom Glück geküsst

Ein Frosch zum Küssen

Küsse in luftiger Höhe

Zum Küssen verführt

 

»Social Media Love«

Instafame oder Gummistiefel in Acryl

Facebook Romance oder nach all den Jahren

Twinder oder die Irrungen und Wirrungen der Liebe

 

»Weihnachten im Ort der Wunder«

Küsse unter dem Mistelzweig

Liebe und andere Weihnachtswunder

 

Alle Teile sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden. Allerdings gibt es ein Wiedersehen mit den Protagonisten der vorhergehenden Bücher.

 

Weitere Bücher der Autorin:

Vielleicht klappt es ja morgen. Liebe in …

Rettung für die Liebe

Liebe lieber einzigartig

Auf einmal Liebe

Sommer, Sonne, Strand und Liebe – Nele & Josh

Ein zauberhaftes Weihnachtsgeschenk

Verloren sind wir nur allein

Ein Sommer in Schottland

Weihnachten in Cornwall

Mit dir bin ich unendlich

Weihnachten in den schottischen Highlands

Winterzauber in Columbia Falls

 

Wie das Leuchten von Bernstein

Dein Flüstern im Meereswind

(erschienen im Heyne-Verlag unter dem Pseudonym Nele Blohm)

Schneegestöber (Charity-Buchprojekt für die Stiftung Bärenherz in Wiesbaden)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

MILA

SUMMERS

 

 

Von der Liebe überrascht

 

Roman

 

 

 

 

Deutsche Erstauflage März 2022

Copyright © Mila Summers

Lektorat: Dorothea Kenneweg

Korrektorat: SW Korrekturen

Covergestaltung: Nadine Kapp

Covermotiv: Shutterstock ©nnnnae ©ecco, ©sabri deniz kizil, ©vellot

 

Impressum: D. Hartung

Frankfurter Str. 22

97082 Würzburg

 

 

Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder teilweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Personen und Handlungen sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Menschen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

 

[email protected]

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Epilog

Danksagung

Weitere Bücher der Autorin

Liebe ist – Reihe

Sommerromane

Winterromane

Weihnachtsromane

Mila Summers schreibt als Nele Blohm Ostseeromane

Kapitel 1

 

Rosie

 

Der Berg Rechnungen, der auf meinem Küchentisch wie ein Mahnmal prangte, geriet jedes Mal beachtlich ins Schwanken, wenn ich den Kühlschrank öffnete und wieder schloss. Was in letzter Zeit nicht besonders oft vorkam, da ohnehin nichts darin war außer einer Dose Coke und zwei Oreo-Packungen, die ich für den Notfall dort gebunkert hatte. Und dennoch …

»Hey, Mom.«

Ich rief meine Eltern nur noch sehr ungern an. Das lag unter anderem an der Tatsache, dass ich sie um eine beträchtliche Summe ihres hart verdienten Geldes erleichtert hatte. Auch wenn das alles Brians Idee gewesen war, änderte das letztlich nichts daran, dass ich ihnen unseren Businessplan für den Hunde-Spa wie das Geschäft des Jahrtausends angepriesen hatte.

Brian war Geschichte. Der Typ hatte sich abgesetzt und mich mit den Schulden einfach im Stich gelassen. So viel also zum Thema wahre Liebe. Ich hatte genug davon.

»Hey, meine Kleine. Wie geht es dir?«

Wider Erwarten ging Dad an Moms Telefon. Was nur bedeuten konnte, dass sie bei einer ihrer Freundinnen war und vergessen hatte, es mitzunehmen, im Garten arbeitete oder … Vielleicht wollte sie einfach nicht mit mir reden. Verständlich, dass sie über meinen Fehlgriff nicht so leicht hinwegsehen konnte. Ich hatte definitiv Mist gebaut.

»Mir geht es gut, Dad. Danke dir. Wie geht es dir?«

Ich verkniff mir die Frage nach Mom. Denn auch wenn ich mir gut vorstellen konnte, dass sie lieber nicht mit mir reden wollte, mochte ich keine Gewissheit. Das war ein bisschen wie die Sache mit dem Weihnachtsmann. Wer sagte einem denn, dass es ihn wirklich nicht gab?

»Oh, mir geht es auch gut, meine Kleine. Ron war vorhin da und hat sich meinen Aufsitzrasenmäher angesehen. Die Klingen waren stumpf. Aber jetzt sollte alles wieder seine Ordnung haben.«

Schön, wenn zumindest bei einem von uns alles nach Plan verlief. Mein Lebensplan war in Feuer aufgegangen, als die Insolvenz unausweichlich geworden war. Und nicht nur mein Lebensplan hatte sich plötzlich in Luft aufgelöst, sondern auch meine Beziehung mit Brian, der mit der ganzen Sache nichts mehr zu tun haben wollte.

Männer!

»Das hört sich gut an«, behauptete ich und kritzelte ein paar Schnörkel an den Rand meines Notizbuchs, in dem ich Alltagsbeobachtungen und Ideen für kleine Geschichten sammelte, während ich fieberhaft überlegte, wie ich auf den wahren Grund meines Anrufs zu sprechen kommen sollte. Kein leichtes Unterfangen, aber wenn ich es nicht tat, stand ich nächste Woche ohne Wasser und Strom da. Ich musste handeln, bevor es zu spät war.

»Aber sag mal, du rufst mich doch nicht an, um dir anzuhören, welche Probleme ich mit dem Aufsitzrasenmäher habe. Wie kann ich dir helfen?«

Dad war der liebenswürdigste und gutherzigste Mensch, den ich kannte. Er war freundlich, besonnen, nie gestresst und meist die Ruhe selbst. Das erste und bisher einzige Mal, dass er völlig aus der Haut gefahren war, war, als Brian sich vom Acker gemacht hatte und mich mit den Schulden hatte sitzen lassen.

»Woher wusstest du …?«

Dad lachte.

»Dass du Hilfe brauchst?«

Ich bejahte.

»Nun, ich mache den Job schon etwas länger. Schließlich bin ich jetzt seit fast dreißig Jahren dein Dad. Da lernt man so einiges. Vor allem hört man genauer hin und liest zwischen den Zeilen.«

Ich seufzte.

»Also?«, blieb er beharrlich. »Was ist passiert?«

Ein Stuhl wurde gerückt. Dad machte es sich offenbar am Esszimmertisch bequem. Er war wohl der Überzeugung, dass dieses Gespräch länger dauern würde als veranschlagt.

»Die Sache ist die … Wenn ich nächste Woche nicht den Scheck für Wasser und Strom einbezahlen kann, stellen die mir beides ab. Und ich … habe im Moment so meine Probleme, einen Job zu finden«, erklärte ich zähneknirschend.

In diesem Moment war ich dankbar dafür, dass Dad an Moms Handy gegangen war. Denn Mom hätte spätestens jetzt diesen leicht zischenden Ton von sich gegeben, der mit all der Enttäuschung gespeist war, die sie mir gegenüber empfinden musste.

Dabei hatte ich doch immer alles richtig machen wollen.

Schon als kleines Mädchen hatte ich mir vorgenommen, an die Uni zu gehen und zu studieren. Zuerst wollte ich Tierärztin werden. Oder Ingenieurin. Dann hatte ich zwei Semester Psychologie studiert. Mir war aber nicht klar gewesen, dass dieses Studium so viel Statistik beinhaltet. Auf halber Strecke war ich an mir selbst gescheitert. Meine Neugierde stand mir dabei ebenso im Weg wie das brennende Interesse für ein neues, bisher noch unerforschtes Thema. Dabei musste ich ständig neue Pläne schmieden. Eine angefangene Ausbildung zur Musicaldarstellerin folgte und endete wenig später. Dann kam Brian mit all seinen Ideen und Zukunftsplänen, und ich begrub meine Träume und ließ mich nur zu bereitwillig von seinen hochfliegenden Visionen mitreißen. Ständig hatte er neue Flausen im Kopf, von denen alle behaupteten, dass wir damit Schiffbruch erleiden würden. Was sollte ich sagen? Sie hatten recht behalten.

Nur, dass nicht wir Schiffbruch erlitten hatten, sondern ich ganz allein.

»Die Sache ist die …«, begann er ruhig und sachlich zu erklären.

Ich ahnte bereits, dass er mir gleich sagen würde, dass ich langsam, aber sicher wieder auf die Füße kommen musste.

Aber das sagte sich so leicht.

Mit fast dreißig hatte ich keine abgeschlossene Ausbildung vorzuweisen. Von den Jobs, die ich machen konnte, waren die meisten so unterbezahlt, dass ich nicht mal die Miete davon hätte aufbringen können. Ich hätte sie dennoch gerne gemacht, aber meist bekam ich die Stelle gar nicht, weil sich jemand fand, der es für noch weniger Geld tat. Ein Teufelskreis!

»Ich verstehe schon, Dad«, beeilte ich mich zu sagen.

»Wie viel brauchst du denn?«, lenkte er ein.

Ich fühlte mich so schlecht bei dieser Frage, dass ich am liebsten aufgelegt hätte.

Ruhelos lief ich von einem zum nächsten Zimmer und überlegte, was ich nun tun sollte.

»Ach, warte mal! Lustiger Zufall. Gerade kam eine Bestätigung für ein Probearbeiten rein«, log ich.

»Oh, das sind ja tolle Nachrichten«, sagte Dad.

Doch ich hörte den zweifelnden Unterton in seiner Stimme.

»Wenn du etwas brauchen solltest …«, begann er erneut.

Ich blockte ab.

»Nein, nein. Alles gut. Grüß Mom lieb von mir. Ja?«

Ich presste meine Lider so fest zusammen, dass meine Augen schmerzten.

Was tat ich da nur?

»Das mache ich sehr gerne, meine Kleine. Halt die Ohren steif und komm doch mal wieder sonntags zum Brunch vorbei. Deine Mom würde sich sehr freuen.«

Mein schlechtes Gewissen wuchs mit jedem seiner Worte stetig an. Anstatt meine Eltern mit Dankbarkeit zu überschütten, hatte ich sie seit fünf Monaten nicht besucht. Und das, obwohl wir nur knapp dreißig Meilen voneinander entfernt wohnten.

Aber ich ertrug die Vorstellung einfach nicht, ihnen in die Augen sehen und mir eingestehen zu müssen, wie sehr ich sie verletzt hatte.

Dabei war das mit der Insolvenz nur die Spitze des Eisbergs gewesen.

»Ich versuch’s«, beteuerte ich ehrlich.

»Bis bald, meine Kleine. Hab dich lieb.«

»Ich dich auch, Dad. Ich dich auch.«

Kapitel 2

 

Marc

 

»Na, Marc, wie sind die Wellen heute?«

Andrew, den ich nur vom Sehen kannte, kam in voller Montur und mit seinem Brett unterm Arm an den Strand gelaufen.

Wenn er hier war, dann würden auch schon bald die anderen Surfer kommen und die Wellen nicht mehr mir allein gehören. Die meisten Menschen gingen gerade von der Arbeit nach Hause oder eben an den Strand, um ihrem Hobby nachzugehen. Ganz im Gegensatz zu mir, der wie ein Fisch den ganzen Tag im Wasser verbrachte.

»Ich kann nicht klagen«, erwiderte ich knapp und schlug in die Hand ein, die er mir zum Gruß hinhielt.

Was war Andrew noch mal von Beruf? Investmentbanker? Oder doch eher Unternehmensberater? So oder so sah der Kerl ganz schön mitgenommen aus. Zehn Stunden täglich im Büro hinterließen längerfristig ihre Spuren. Da ließ ich mich doch lieber von der Sonne küssen, anstatt mich den ganzen Tag in ein dunkles Zimmer zu setzen und Zahlen hin und her zu schieben.

»Man sieht sich«, verabschiedete sich Andrew und war schon im nächsten Moment im Wasser.

Ich beobachtete ein wenig, wie er sich auf seinem Board machte, während ich meine Ausrüstung zusammenpackte. Mein Handy klingelte. Dad rief an. Mal wieder. Ich überlegte, den Anruf, wie die anderen zwanzig zuvor, nicht anzunehmen. Aber ich wusste auch, dass mein alter Herr irgendwann die Faxen dick haben und mir den Geldhahn zudrehen würde.

Das konnte ich auf keinen Fall riskieren. Nicht, da ich kurz davorstand, einen Sponsor für mich zu gewinnen. Ich war in Bestform, und das würde mich endlich an mein selbst gestecktes Ziel bringen. Ein Ziel, das ich mir nicht mit seinem Geld kaufen, sondern eigenständig erarbeiten wollte. Ein Ziel aber auch, für das mein Vater kein Verständnis zeigte, würde ich ihm davon erzählen.

Kaum dass ich den Anruf mit einem entspannten »Hey, Dad« entgegengenommen hatte, bereute ich meine Entscheidung auch schon wieder.

»Ja, sag mal, was erlaubst du dir denn, mich zu ignorieren? Mich, deinen Vater.«

Und da war er wieder: Dad in seiner Paraderolle des Alleinherrschers. Ihn mit Nichtbeachtung zu strafen, kam einer Gotteslästerung gleich.

»Bei mir war einiges los in letzter Zeit«, behauptete ich, ohne mich der Illusion hinzugeben, dass er mir Glauben schenken würde.

»Ach herrje! Was in aller Welt könnte in deinem Leben so zeitintensiv sein, dass du es nicht mal schaffst, zum Hörer zu greifen und deinen alten Herrn anzurufen?«

Dad war schon immer nachtragend gewesen. Als ich damals in seinem Büro das Modellauto beim Spielen kaputtgemacht hatte, musste ich wochenlang Vorhaltungen über mich ergehen lassen. Aber woher hätte ich denn bitte schön wissen sollen, dass das Teil mehrere tausend Dollar wert war? Ich war ein Kind, das aus Neugier ein Spielzeugauto in seine Einzelteile zerlegt hatte. Ein Kind.

»Hast du mich angerufen, um mir das zu sagen?«, wandte ich ein.

Mein Vater schnaubte verächtlich in den Hörer.

»Nein, ich wollte dich sprechen, da mir … so langsam die Puste ausgeht. Meine Ärzte, diese Idioten, kommen mir beinahe täglich mit apokalyptischen Prognosen. Auch wenn ich sie alle für Schwarzmaler halte, weiß ich doch, dass meine Tage hier auf Erden gezählt sind.«

Ein Stich durchfuhr mein Herz bei seinen Worten. Wir hatten Mom erst vor drei Jahren an den Krebs verloren. Sie war die Einzige, die uns als Familie hatte zusammenhalten können. Seit ihrem Tod hatte ich meinen Dad nur sehr selten gesehen. Er kam einfach nicht damit klar, dass ich mein Leben nicht so leben wollte wie er seins.

Mein Vater war ein Selfmade-Millionär. Als Eigentümer eines der größten Verlagshäuser des Landes hatte er öfter mal das richtige Näschen bewiesen und Autoren wie Marc L. Fowler oder Natalie Spring unter Vertrag genommen. Und das, obwohl sie vorher allesamt nur Absagen kassiert hatten. Doch mein Dad hatte etwas in ihnen gesehen, wovon die anderen Verleger nicht mal etwas ahnten. Manchmal fragte ich mich, warum er andere Menschen so gut verstand, während er von seinem eigenen Sohn keine Ahnung hatte. Aber das war eine andere Geschichte.

»Das tut mir leid, Dad.«

Und das war die Wahrheit.

»Ja, ja, ist schon gut. Ein bisschen Zeit bleibt mir noch. Und bis dahin kann ich hoffentlich davon ausgehen, dass du an dein Telefon gehst, wenn ich anrufe.«

Das war keine Bitte. Dad stellte wie immer seine Forderungen, und ich hatte zu parieren. Ob ich wollte oder nicht.

»Kann ich sonst noch etwas für dich tun?«, hakte ich nach.

In zwanzig Minuten war ich mit Cory im Club zum Essen verabredet. Mein bester Freund hatte im Gegensatz zu mir weit mehr Verpflichtungen im Leben, sodass wir uns nur sehr selten sahen.

Nach wie vor konnte ich nicht verstehen, warum er unbedingt hatte heiraten müssen. Vor wenigen Monaten war er zum ersten Mal Vater einer kleinen Tochter geworden. Allein die Vorstellung, in seiner Haut zu stecken, ließ mir einen Schauer über den Rücken gehen.

Das Familienleben kam mir eng vor mit all den Verpflichtungen, die es mit sich brachte. Ich liebte meine Freiheit und konnte mir nicht vorstellen, mich auf Dauer an ein und dieselbe Frau zu binden. Das war etwas für Menschen, die sich gerne bevormunden ließen. Also nichts für mich.

»Ja, mein Sohn, da gibt es etwas«, erwiderte er in geschäftigem Tonfall.

Ganz so, als hätte er nur darauf gewartet, dass ich ihn danach fragte.

»Schieß los!«, sagte ich mit Blick auf die Uhr.

Cory mochte es neuerdings gar nicht, wenn ich ihn warten ließ.

»Heirate!«

»Wie bitte?« Fast war ich versucht, meinen Dad zu fragen, ob ihm die Sonne zu Kopf gestiegen sein könnte.

»Du hast mich schon ganz richtig verstanden, Marc. Es ist langsam an der Zeit, dass du Verantwortung übernimmst. Du weißt, wie wichtig es deiner Mom war, dass du den Verlag eines Tages führst. Am Sterbebett musste ich ihr versprechen, dass du ihn bekommen wirst. Aber ich bin nicht gewillt, dir mein Lebenswerk auf dem Silbertablett zu servieren, während du nach wie vor wie ein Kind sorglos in den Tag hineinlebst.«

»Und deshalb soll ich also heiraten?«, schlussfolgerte ich.

»Du sollst heiraten, um Verantwortung für künftige Generationen der Familie Simmons zu übernehmen und um ein angemessener Repräsentant unseres Verlagshauses zu werden.«

Ich seufzte und verfluchte mich, dass ich seinen Anruf entgegengenommen hatte. Und das nicht nur, weil Cory mir eine Szene machen würde, wenn ich im Club ankam.

»Sonst noch etwas?«, hakte ich nach, während ich sein Ansinnen gedanklich schon in dem Ordner »Nie im Leben« abheftete.

»Oh, ja. Wenn du nicht auf meine Bedingungen eingehen möchtest, muss ich dir leider die Konten sperren. Und diesmal meine ich es genau so, wie ich es sage. Dein Apartment wird in diesem Fall verkauft werden. Du hast also keine flüssigen Finanzmittel und auch kein Dach mehr über dem Kopf, solltest du meinem Vorschlag widersprechen.«

Welcher Vorschlag?, fragte mich meine innere Stimme.

Dad hatte mir keinen Vorschlag unterbreitet, sondern mir eiskalt und ohne Rücksicht auf Verluste die Pistole auf die Brust gesetzt. So sah das aus. Und nicht anders.

»Wie genau stellst du dir das denn bitte schön vor? Soll ich die nächstbeste Frau fragen, ob sie mich heiraten möchte? So etwas braucht Zeit.« Zunächst versuchte ich meinen alten Herrn hinzuhalten, ohne auch nur ansatzweise mit dem Gedanken zu spielen, wirklich zu heiraten.

»Du hast exakt einen Monat Zeit, um vor den Traualtar zu treten. Das sollte genügen. Ihr jungen Leute seid doch immer so fix in allem. Wenn ich da nur daran denke, wie schnelllebig unsere Zeit mit den technischen Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte geworden ist. E-Mails, WhatsApp, SMS, Videotelefonie und all diesen Schnickschnack gab es noch gar nicht, als ich so alt war wie du jetzt.«

Er lachte süffisant auf.

»Einen Monat?« Wie stellte er sich das denn vor?

»So ist es. Und nun muss ich leider wieder los. Im Verlag gibt es heute Abend ein Dinner mit ein paar namhaften Autoren. Du solltest bei nächster Gelegenheit mal wieder nach New York kommen, um dich mit den Interna aus allen Abteilungen vertraut zu machen. Lange habe ich ja nicht mehr. Außerdem: Wird es nicht langsam langweilig in Florida? Ständig dieses gute Wetter. Keinerlei Abwechslung. Das stelle ich mir schrecklich eintönig vor.«

Dad wartete meine Meinung erst gar nicht ab, sondern verabschiedete sich und beendete das Gespräch.

Kapitel 3

 

Rosie

 

»Und Sie sind sich ganz sicher, dass der Job schon vergeben ist? Er wurde doch erst heute Morgen ins Netz gestellt«, blieb ich beharrlich.

Mittlerweile konnte ich ganz gut einschätzen, inwieweit mich die Leute anlogen.

»Ja, tut mir leid. Da war wohl jemand schneller als Sie. Beim nächsten Mal klappt es bestimmt«, behauptete der junge Mann mit der Basecap, die er mit dem Schild nach hinten trug.

»Ja, sicher doch«, erwiderte ich resigniert.

Das war schon der siebte Job, bei dem ich mich vorstellen wollte. Sieben Jobs, die vom Tellerwäscher bis zur Kellnerin gegangen waren. Nicht bis zum Millionär. Nein, das nicht.

Aber das hatte ich auch gar nicht erwartet. Ich wollte doch nur endlich Geld verdienen, um von meinem immens hohen Schuldenberg herunterzukommen. Wieder musste ich an die vielen Rechnungen und Mahnungen auf meinem Küchentisch denken. Wenn das so weiterging, würde man anfangen, mir das Wenige, was ich besaß, zu pfänden. Und dann sah es verdammt düster für mich aus. Düsterer als ohnehin schon. Wenn das überhaupt noch möglich war.

 

An der Promenade setzte ich mich auf eine Bank und schrieb eine kurze Notiz zu dem Basecap-Typen in mein Büchlein, dem ich eine Nacht in Polizeigewahrsam andichtete. Vielleicht war er bei einer Verkehrskontrolle – wenn auch fälschlicherweise – des Drogenbesitzes beschuldigt worden. Genau, das hatte er nun davon, mich so eiskalt abzuwimmeln. Meine Methode, unerfreuliche Erlebnisse zu verarbeiten, indem ich sie in meinem Büchlein mit weiteren Wendungen ausschmückte und so in das Reich der Fiktion verbannte, funktionierte leider nicht mit den großen Dramen in meinem Leben.

Seufzend zückte ich mein Handy. Bei den Ausschreibungen, die ich mir notiert hatte, war ich bereits gewesen. Es war gerade mal elf Uhr am Vormittag. Das konnte es doch hoffentlich noch nicht gewesen sein.

Anstatt mich der Frage zu stellen, was passieren würde, wenn ich ständig nur Absagen kassierte, besuchte ich die einschlägigen Seiten im Netz, um nachzuschauen, ob weitere Stellen ausgeschrieben worden waren. So schnell wollte ich auf keinen Fall aufgeben. Ich war bereit, so ziemlich alles zu machen, um endlich an Geld zu kommen. Noch ein Gespräch wie das vor einigen Tagen mit Dad wollte ich in absehbarer Zeit nicht mehr führen müssen. Das Einzige, was für mich zählte, war, schnellstmöglich wieder auf eigenen Füßen zu stehen. Und so schwer konnte das doch nicht sein. Ich hatte schließlich mal studiert. Auch wenn das schon wieder einige Jahre her war und ich keinen Abschluss besaß, war ich in der Lage, logisch zu denken. Oder?

Ich scrollte mich durch die Angebote, in denen Menschen mit Fachkenntnissen gesucht wurden, die eine entsprechende Ausbildung oder ein Studium vorweisen konnten. Da ich beides nicht hatte, durchforstete ich das Sammelsurium immer weiter.

Plötzlich prangte mitten auf der Seite eine Anzeige für einen Escortservice. Ich wollte schon weiterscrollen, doch die Tatsache, dass es sich um einen gehobenen Service für betuchte Kunden handeln sollte, hielt mich davon ab.

Auch nach ausgiebigem Studium der Anzeige war ich noch unschlüssig, was ich davon halten sollte. Angeblich wurden lediglich Gesellschafterinnen gesucht, die die meist männlichen Kunden zu Veranstaltungen oder auf Geschäftsreisen begleiteten. Mehr wurde ausdrücklich nicht erwartet. Aber inwieweit konnte ich mich darauf verlassen?

Ich tippte die Nummer bereits in mein Handy ein, als mir das Ganze plötzlich doch unheimlich wurde. Allein mit wildfremden Männern und womöglich sogar in ein und demselben Zimmer zu übernachten, erschien mir nicht unbedingt besonders erstrebenswert. Die Agentur konnte ja viel versprechen, aber würde sie diese Versprechen denn auch halten können? Schließlich verbrachten sie die Nächte ja nicht mit uns in einem Zimmer.

Bevor ich mich zu sehr an den Worten »außerordentlich guter Verdienst« festbeißen konnte, ließ ich schließlich von meinem Handy ab und entschied mich, erst mal eine Kleinigkeit zu essen zu kaufen. Ein Sandwich würde reichen.

Der Supermarkt war gerade mal zwei Straßen entfernt. Ich bezahlte an der Kasse mein Truthahn-Käse-Sandwich, da erblickte ich ein Schild an der Kasse, das darauf hinwies, dass eine Kassiererin gesucht wurde.

»Wen kann ich bezüglich der Stelle kontaktieren?«, fragte ich die Frau an der Kasse, die mir gerade mein Wechselgeld und den Bon reichte.

»Niemanden«, erwiderte sie.

Ich machte große Augen.

»Aber Sie suchen doch jemanden für die Kasse. Oder sehe ich das falsch?«

Die schätzungsweise Mittfünfzigerin mit den großen goldenen Kreolen in den Ohren und dem bunten Turban auf dem Kopf sah mich mit leicht zur Seite geneigtem Kopf an.

»Das ist kein Job für Sie, Liebes.«

Ihre Worte klangen einfühlsam und beinahe herzlich.

»Ach nein?«, erwiderte ich dennoch ziemlich schroff. »Und wie genau wollen Sie das wissen? Ich brauche diesen Job.«

Sie sah mich nach wie vor aus großen Augen an.

»Der Chef wird auch hierfür jemanden finden, der es für die Hälfte des üblichen Lohnes macht. Sie werden nicht mal in die engere Auswahl kommen. Nicht mal dann, wenn Sie mit ihm ins Bett gehen.«

Sie lachte laut auf.

Die Kunden, die hinter mir standen, wurden unruhig. Viele von ihnen trugen ein schickes Businessetuikleid oder einen Anzug. Sie waren nur kurz in den Laden gekommen, um sich etwas fürs Mittagessen zu holen. Eine Auseinandersetzung zwischen einer Kundin und der Frau hinter der Kasse kostete Zeit. Zeit, die sie allesamt nicht hatten, während ich daran erstickte.

Bevor ich vom wütenden Mob gelyncht werden konnte, schnappte ich mir mein Sandwich und ging hinaus auf die Straße. Unschlüssig, in welche Richtung ich mich wenden sollte, entschied ich mich, wieder zur Promenade zurückzukehren, um dort in Ruhe mein Sandwich zu essen.

Mit leerem Magen konnte man ohnehin nicht klar denken. Das wusste ich noch aus der Schulzeit. Die ersten Stunden waren dabei immer die schlimmsten gewesen, da ich gleich nach dem Aufstehen einfach nichts essen konnte. Oft gelang es mir erst, mich nach der ersten Pause zu konzentrieren.

Traurig blickte ich hinaus aufs Meer, während ich mich auf die Parkbank setzte und mein Sandwich aus der Verpackung nahm. Es roch gut und schmeckte ganz wunderbar, aber schon nach den ersten Bissen hatte ich keinen Hunger mehr. Die Sache mit der Insolvenz verdarb mir seit einigen Wochen zusehends den Appetit. Nicht mal die gute Seeluft konnte daran etwas ändern. Ganz im Gegenteil.

Während ich die Menschen beobachtete, die am Strand spazieren gingen, auf einem Handtuch lagen oder in den Wellen schwammen, wurde ich immer unglücklicher. Wann würde endlich der Zeitpunkt kommen, an dem ich aus diesem Albtraum erwachte? Das konnte so doch nicht weitergehen. Wann würde ich hier sitzen und den Augenblick einfach nur genießen können, anstatt mir über Gott und die Welt Sorgen machen zu müssen?

Resigniert stopfte ich das übrige Sandwich zurück in die Schachtel und legte es neben mich auf die Bank. Die Sonne schien mir ins Gesicht, und alles hätte so schön sein können, wären da nicht diese lästigen Zukunftsängste, die mich nicht nur tagsüber quälten, sondern mich auch nachts nicht schlafen ließen.

Wieder griff ich nach dem Handy in meiner Tasche und entsperrte das Display. Es waren keine neuen Nachrichten für mich eingegangen. Aber damit hatte ich auch gar nicht gerechnet. Welcher Arbeitgeber meldete sich schon auf eine Frage einer Interessentin, wenn er in der Zeit schon vier Arbeitskräfte einstellen konnte? War ich zu langsam? Oder war die Welt einfach viel zu schnell für mich geworden?

Wider besseres Wissen ging ich abermals die Stellenanzeigen des heutigen Tages durch. Und wieder erblickte ich die Anzeige des Escortservices für betuchte Kunden. Allein das Wort betucht führte dazu, dass ich an alte weiße Männer mit Bierbauch und Bart denken musste.

Abermals las ich die Zeilen ganz aufmerksam durch. Dabei sagte ich mir immer wieder, dass das für mich ohnehin nicht infrage käme.

Aber was wäre denn, wenn du dort das Geld verdienen könntest, das dich tagsüber das Meer genießen und nachts besser schlafen lassen würde?, säte meine innere Stimme den Keim der Hoffnung in mir.

Ein fataler Fehler! Denn nun begann ich mir ernsthaft Gedanken darüber zu machen. Ich konnte dem jeweiligen Auftraggeber ja von Anfang an klipp und klar sagen, dass ich nicht mit ihm ins Bett gehen würde. Aber zunächst einmal sollte ich mir die Agentur anschauen, um abzuchecken, ob sie auch seriös war. Schreiben konnte man in diesen Anzeigen viel, aber ob das letztlich alles so stimmte, war eine andere Frage.

Nervös kopierte ich die Nummer der Agentur und rief sie schließlich an. Es tutete mehrmals. Mit jedem weiteren Tuten überlegte ich mir, ob es nicht doch besser war, einfach aufzulegen und die Sache wieder zu vergessen. Ohnehin war das alles eine Schnapsidee gewesen. Wer sollte mich denn schon buchen wollen? Meine roten Haare und die blauen Augen waren sicher ganz nett anzusehen, aber ansonsten würde ich mich als ziemlich durchschnittlich bezeichnen.

Ich war durchschnittlich groß, wog durchschnittlich viel und damit meiner Durchschnittsgröße gemäß. Auch alles andere war ziemlich durchschnittlich an mir. Aber würde Durchschnitt denn ausreichen, um für eine Escortagentur für betuchte Kunden zu arbeiten?

Bevor mich die Zweifel vollends lähmen konnten, antwortete mir am anderen Ende der Leitung jemand.

»Escort-Service mit Niveau, mein Name ist Sandy. Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«

Ohne Sandy zu kennen, nahm ich den Klang ihrer Stimme als sehr angenehm wahr. Das half mir ein wenig dabei, Mut zu fassen und den Grund meines Anrufs zu nennen. Auch wenn ich viel lieber einfach wieder aufgelegt hätte. Aber Auflegen war keine Option.

Im Grunde genommen war das hier meine einzige verbliebene Chance. Wenn ich auch beim Escort-Service abblitzte, dann war’s das, und ich konnte mir schon mal einen passenden Pappkarton suchen, in dem ich, mit dem Wenigen, was mir verbleiben würde, auf der Straße hausen konnte.

»Hallo, mein Name ist Rosie. Ich melde mich auf die Anzeige, die ich bei nextjob.com entdeckt habe«, erklärte ich und bemühte mich dabei, meine Stimme souverän und stark klingen zu lassen.

Die Realität sah leider anders aus.

»Hallo, Rosie. Wie schön, dass du zu uns gefunden hast. Wann könntest du denn bei uns sein? Wir haben aktuell einen Kunden in New York, der dringend noch eine Begleitung für den heutigen Abend sucht. Kannst du in knapp einer Stunde bei mir sein? Dann lass ich dir alle Unterlagen raus und buche das Flugticket für dich.«

Sandy machte Nägel mit Köpfen, während ich noch mit mir haderte, ob ich das überhaupt wollte. Letztlich siegte meine Neugier, also stimmte ich zu und machte mich auf den Weg zu der Agentur, die sich leider genau am anderen Ende der Stadt befand.

 

»Hallo! Du musst Rosie sein.«

Noch ehe ich vollends zur Tür herein war, kam mir eine Frau mit langen blonden Haaren und schätzungsweise in meinem Alter entgegengelaufen.

Mit einem Lächeln auf den Lippen bedeutete sie mir, vor ihrem Schreibtisch Platz zu nehmen. Und schon im nächsten Moment redete sie ohne Punkt und Komma auf mich ein.

»Ich habe dir hier alle Details zu dem Job zusammengefasst. Es handelt sich um einen vermögenden Verlagschef, der ein wichtiges Dinner mit ein paar Autoren anberaumt hat und dafür eine nette Begleitung wünscht. Viel mehr weiß ich leider nicht darüber. Mehr Angaben wurden nicht gemacht. Es obliegt unseren Kunden, was sie uns mitteilen wollen und was nicht. Aber Mr. Simmons ist ein anständiger und sehr großzügiger Kunde. So viel sei schon mal gesagt. Und er hat keine besonderen Ansprüche, was das Aussehen anbelangt.«

»O-okay«, kam es mir etwas überrumpelt über die Lippen.

Dabei war rein gar nichts okay. Sollte ich nicht erst mal ein Vorstellungsgespräch führen und dabei schauen, ob mir das alles hier überhaupt zusagte? Vielleicht war ich ja gar nicht geeignet für den Job. Wie war das noch gleich bei Pretty Woman? Die Szene im Restaurant hatte mich nachhaltig geprägt. Und Schnecken hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht gegessen. Würde ich nun gezwungen sein, Schnecken zu essen und mich vor aller Welt zu blamieren?

Mir schwirrte der Kopf.

»Wie lautet denn dein Nachname, damit ich dir das Ticket buchen kann?«, riss Sandy mich aus meinen Gedanken.

»Was? Ach so, ja. Also ich weiß nicht, ob das eine gute Idee war«, ruderte ich zurück und erhob mich von meinem Platz.

»Rosie, sieh mich an! Alles ist gut«, behauptete Sandy. »Vielleicht habe ich dir mit all den Informationen ein wenig zu viel zugemutet. Das tut mir ehrlich leid. « Sie legte sich die Hand auf die Brust, an die Stelle, wo sich ihr Herz befand.

Ich setzte mich wieder hin. Nicht ohne mir selbst zu versichern, dass ich dennoch gehen würde, wenn mir irgendwas nicht koscher vorkam.

»Mr. Simmons ist nur so ein großer und wichtiger Kunde für uns, dass ich ihn ungern enttäuschen möchte. Und Emily, eine unserer Damen, hat mir heute Morgen kurzfristig abgesagt, weil ihre Tochter krank geworden ist. Du siehst mich also ein wenig … verzweifelt.« Dann hob sie abwehrend die Hände in die Höhe. »Was aber ein absoluter Ausnahmefall ist. Das verspreche ich dir.«

Sandy schob mir die Unterlagen über den Tisch, damit ich alles gut sehen konnte. Sie spürte ganz deutlich, dass ich kurz davorstand, meinen Entschluss, hierhergekommen zu sein, zu bereuen.

»Bist du denn auch die Eigentümerin dieser Agentur?«, fragte ich trotz des Zeitdrucks, unter dem Sandy ganz offensichtlich stand.

Aber ich wollte mir später nicht vorwerfen müssen, überstürzt und unvorbereitet gehandelt zu haben. Das hatte ich erst kürzlich getan. Und wo ich damit gelandet war, wusste ich nur zu gut.

»Nein, die Agentur gehört einem Mr. Miller. Ich kenne ihn allerdings nicht persönlich.«

Als Sandy meinen fragenden Blick wahrnahm, sagte sie schnell:

»Er ist ein anständiger Kerl, bezahlt gut und spendet viel Geld für wohltätige Zwecke. Seine Privatsphäre ist ihm sehr wichtig. Er möchte unerkannt bleiben. Deshalb das etwas eigentümliche Geschäftsgebaren.«

Eigentümlich war noch die Untertreibung des Jahrhunderts. Ich sollte also einen Vertrag mit einer Agentur abschließen, von der ich nicht mal den Eigentümer kennenglernt hatte. An diesem Zustand würde sich auch in absehbarer Zeit nichts ändern. Sandy war offenbar das Bindeglied zwischen ihm und mir. Würde mir das reichen?

Klar reicht das, wenn der Scheck stimmt, warf meine innere Stimme mit knurrendem Magen ein, was mich auf einen nicht unerheblichen Gedanken brachte.

»Was genau würde ich denn für den Einsatz in New York bekommen?«

Sandy tippte etwas in ihren Taschenrechner.

»Inklusive der Spesen, der Übernachtungspauschale und dem Zuschlag für den Auswärtsaufenthalt würdest du rund zweitausend Dollar verdienen.«

»Zweitausend Dollar?«, wiederholte ich mit schriller Stimme.

In Gedanken machte ich mir bereits eine Liste, was ich davon alles bezahlen könnte. Und die war nicht unbedingt kurz. Ganz zu schweigen davon, dass ich meine Eltern nicht um Geld anpumpen musste. Zweitausend Dollar.

»Wenn dir das zu wenig ist, könnte ich noch mal mit Mr. Miller sprechen. Aber für den Anfang ist er meist etwas verhalten, was solche Verhandlungen anbelangt. Er ist noch von der alten Schule und damit der Überzeugung, dass man sich erst beweisen muss.«

»Nein! … Also, ja … Ja, ich mache den Job. Wann geht’s denn los?«

Sandy sah auf ihre Armbanduhr.

»Wenn wir es irgendwie schaffen, würde ich dich gerne in die Maschine um fünfzehn Uhr setzen. Carlos, unser Chauffeur, wird dich nach Hause fahren, damit du deine Sachen packen kannst. Du benötigst für das Dinner heute Abend ein kurzes Schwarzes. Hast du ein solches Kleid in deinem Schrank hängen?«

Ich schüttelte den Kopf.

Schon sah ich die zweitausend Dollar durch meine Finger rinnen. Wenn ich von dem Geld erst noch passende Kleidung für meinen Einsatz kaufen musste, war es schneller weg, als ich Fifth Avenue sagen konnte.

»Macht nichts!«

Schon erhob sich Sandy von ihrem Platz und steuerte einen Schrank auf der gegenüberliegenden Seite des Büros an.

»S oder M?«, fragte sie, kaum dass sie die Türen geöffnet hatte.

»Eher S«, erwiderte ich perplex.

»Dior oder lieber Chanel?«

Sandy hielt mir zwei Kleiderbügel entgegen, auf denen zwei unglaublich schöne Kleider hingen. Das eine war im oberen Bereich mit Pailletten gearbeitet und schulterfrei. Das andere hatte zwei Spaghettiträger und eine aufwendige Stickerei im unteren Teil des Kleides.

Ich deutete auf das mit den Pailletten.

Sandy grinste.

»Chanel. Eine sehr gute Wahl. Wusste ich es doch, dass du Geschmack hast.«

Ich wollte bereits fragen, wie sie zu dem Schluss kam. Schließlich kannten wir uns nicht. Sie wusste bisher ja nicht mal meinen Nachnamen. Auch lagen ihr keinerlei Referenzen von mir vor.

Sandy verstaute meine Wahl in einem Kleidersack und legte ihn über die Lehne eines beigefarbenen Sessels, der an einer kleinen Sitzgruppe stand. Dann kam sie zurück zu ihrem Platz, machte sich ein paar Notizen und fragte mich erneut nach meinem Nachnamen und nach weiteren Angaben wie beispielsweise meinem Geburtsdatum, um die Flugticketbuchung endlich abschließen zu können.

»Haig«, erklärte ich und Sandy tippte schon im nächsten Moment etwas in ihren Computer.

Dann ertönte der Drucker, und Sandy legte mir das Ticket auf den Tisch.

»Hast du sonst noch Fragen? Ich weiß, das alles ist jetzt ziemlich kurzfristig. Ich verspreche dir, dass du für gewöhnlich einen größeren Vorlauf hast, um dich auf einen Termin einzustellen.«

Es war Sandy deutlich anzusehen, dass ihr die Situation ein wenig unangenehm war. Aber für zweitausend Dollar wäre ich sogar bereit gewesen, eine Woche nach Europa zu fliegen. Doch das sagte ich ihr lieber nicht. Sie musste nicht unbedingt wissen, dass mir das Wasser bereits bis zum Hals stand.

»Dieser Mr. Simmons ist also kein notgeiler alter Sack, der sich auf diese Weise eine Frau sucht, um mit ihr seine perversen Sexträume auszuleben. Oder?«

Kaum dass ich geendet hatte, prustete Sandy vor Lachen. Sie lachte so sehr, dass sie sich den Bauch halten musste.

»Nein, Mr. Simmons ist kein notgeiler alter Sack. Das garantiere ich dir. Wir haben in unserer Kartei nur Gentlemen. Die anderen schaffen es nicht durch unser Auswahlverfahren. Das System hat Mr. Miller wahrlich perfektioniert.«

Ein Auswahlverfahren für Kunden, aber ich wurde vom Fleck weg und ohne eine Frage zu mir oder meiner Person einfach so eingestellt. Ein wirklich merkwürdiger Laden. Hoffentlich war das alles hier kein riesengroßer Fehler. Vielleicht hätte ich doch besser abwarten sollen, anstatt mich kopfüber in dieses Abenteuer zu stürzen.

»Wenn dann alles geklärt ist, würde ich Carlos kurz anrufen. Ach ja, bevor ich es vergesse: Das Kleid darfst du gerne behalten. Es ist ein Einzelstück. Verticke es nur nicht über eBay.«

Abwehrend hob ich die Hände in die Höhe.

»Das würde ich nie tun«, beeilte ich mich zu sagen.

»Gut«, erwiderte Sandy und lächelte mich freundlich an.

Anschließend griff sie nach dem Hörer und rief Carlos an, der mich erst nach Hause fuhr und dann zum Flughafen brachte.

Wenig später saß ich in der First Class einer United-Maschine in Richtung New York und bekam Champagner kredenzt, als wäre es das Normalste der Welt.

Kapitel 4

 

Marc

 

»Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?

---ENDE DER LESEPROBE---