Von der Weissagung - Cicero - E-Book

Von der Weissagung E-Book

Cicero

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Beschreibung

In De divinatione ("Von der Weissagung), einem 44 v. Chr. entstandenen Dialog zwischen Cicero und seinem Bruder, trennt Cicero zwischen furor, der direkten Inspiration, vor allem durch Träume, und den auslegungsbedürftigen Orakeln. Ersteres erklärt er als natürliche Vorgänge der menschlichen Seele, während die Vorzeichendeuter sich nur den Aberglauben ihrer Mitmenschen zu Nutze machen. De divinatione ist eine wichtige Quelle für unsere Kenntnis der römischen Religion.

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Von der Weissagung

Cicero

Inhalt:

Marcus Tullius Cicero – Biografie und Bibliografie

Einleitung.

Erstes Buch.

Zweites Buch.

Von der Weissagung, Cicero

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849607579

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Marcus TulliusCicero – Biografie und Bibliografie

Der berühmte Staatsmann und Redner, geb. 3. Jan. 106 v. Chr. in Arpinum als Sohn eines Ritters, gest. 7. Dez. 43 auf dem Landgut bei Formiä, widmete sich, in Rom vorgebildet, rhetorischen und philosophischen Studien und trat zuerst in Zivilprozessen als Redner auf; von seinen erhaltenen Reden ist die älteste die für P. Quinctus (81). Seinen Ruf begründete die (80) in einem Kriminalprozess gehaltene Verteidigungsrede für S. Roscius von Ameria, worin er einem Günstling Sullas entgegentrat. Zur Stärkung seiner Gesundheit und zur Förderung seiner philosophischen und rednerischen Ausbildung trat er 79 eine zweijährige Reise nach Griechenland und Asien an. 77 nach Rom zurückgekehrt, verwaltete er 75 die Quästur in Lilybäum auf Sizilien und gewann dann in Rom durch sein Rednertalent immer größeren Ruf. Als erster Redner galt er seit dem Prozess gegen den früheren Prätor in Sizilien, C. Verres (70). 69 bekleidete er die kurulische Ädilität; 66 unterstützte er als Prätor in der Rede für das Manilische Gesetz, seiner ersten Staatsrede, die Übertragung des Oberbefehls im Mithradatischen Krieg an Pompejus. Als Konsul erwarb er sich 63 durch Entdeckung und Unterdrückung der Catilinarischen Verschwörung ein großes Verdienst, das ihm den Ehrennamen »Vater des Vaterlandes« eintrug. Als er aber nach Errichtung des ersten Triumvirats (60) in Überschätzung seiner Bedeutung als Vertreter des Senats und der Nobilität die ehrgeizigen Pläne des Pompejus, Cäsar und Crassus zu bekämpfen unternahm, wurde er auf deren Anstiften durch P. Clodius, seinen persönlichen Feind, wegen der Hinrichtung der Genossen Catilinas um einer Anklage bedroht und ging 58 in die Verbannung. Schon im nächsten Jahr aufs ehrenvollste zurückberufen, sah er durch die Macht der Triumvirate seine politische Tätigkeit völlig gelähmt. Um so eifriger wirkte er als Gerichtsredner; auch begann er in dieser Zeit schriftstellerisch tätig zu sein. 53 wurde er zum Augur ernannt, und 51–50 verwaltete er als Prokonsul die Provinz Kilikien mit großem Eifer und damals unerhörter Uneigennützigkeit. Nach Ausbruch des Bürgerkriegs (Anfang 49) entschied er sich nach anfänglichem Schwanken für Pompejus und folgte ihm nach Griechenland, trat aber nach der Schlacht bei Pharsalos von dessen Partei zurück und erwirkte sich von Cäsar Verzeihung und die Erlaubnis, nach Rom zurückzukehren. Die Zeit bis zur Ermordung Cäsars (15. März 44) brachte er wieder in ähnlicher, durch häusliches Unglück nur noch viel gedrückterer Lage und Stimmung zu als vor dem Bürgerkrieg, obgleich Cäsar ihm Achtung und Gunst bewies; den einzigen Trost fand er in angestrengter schriftstellerischer Tätigkeit, der wir aus dieser Zeit die meisten seiner Werke verdanken. Nach Cäsars Ermordung, an der er selbst keinen Anteil hatte, war er für die Versöhnung der Parteien tätig und führte eine allgemeine Amnestie herbei; als er aber sah, dass Antonius statt Cäsars sich der Herrschaft in Rom bemächtigte, begann er mit der ersten, 2. Sept. 44 gehaltenen Philippischen Rede den Kampf gegen Antonius, der ihn noch einmal an die Spitze des Staates erhob. Nach Antonius' Niederlage bei Mutina schien die Herrschaft des Senats wiederhergestellt, als Oktavian, mit dessen Hilfe der Sieg gewonnen war, mit Antonius und Lepidus das zweite Triumvirat schloss. Eins der ersten Opfer der von diesen verhängten Proskriptionen war C. Im Begriff, sich durch die Flucht zu retten, wurde er auf seinem Landgut bei Formiä von den nach ihm ausgesandten Mördern ereilt und getötet. Seinen Kopf und seine rechte Hand stellte Antonius auf der Rednerbühne in Rom aus. C. war nicht ohne Schwächen, namentlich gingen ihm Charakterfestigkeit und Entschlossenheit ab, in so sturmbewegten Zeiten für einen Staatsmann unerlässliche Erfordernisse. Auch tritt in seinem Tun und Reden maßlose Eitelkeit und Selbstüberschätzung hervor. Anderseits bilden sein auf das Ideale gerichteter Sinn, seine Vaterlandsliebe, sein warmes Herz für Freunde und Angehörige, seine Gutherzigkeit und Sittenreinheit, seine rastlose Tätigkeit und seine rednerischen Leistungen, die den Höhepunkt der römischen Beredsamkeit bezeichnen, Lichtseiten in seinem Bilde, die seine Tadler, namentlich Drumaun (»Geschichte der Stadt Rom«, Bd. 5 u. 6) und Mommsen (»Römische Geschichte«, Bd. 3), nicht genügend gewürdigt haben. Über seine Familienverhältnisse ist zu bemerken, daß er von seiner Gemahlin Terentia, von der er sich nach 33jähriger Ehe (46) trennte, zwei Kinder hatte, eine Tochter, Tullia, die in dritter unglücklicher Ehe 45 zum größten Schmerz des Vaters starb, und einen Sohn (s. Cicero 3). Antike Büsten von C. gibt es mehrere; die vortrefflichste ist die im Apsley House zu London (früher in der Villa Mattei zu Rom).

Ciceros schriftstellerische Tätigkeit war außerordentlich vielseitig; die Zahl der auf uns gekommenen Schriften ist, obwohl nicht wenige verloren gegangen sind, sehr bedeutend. l) Reden. Die Zahl der erhaltenen Reden ist 57; außerdem besitzen wir von ungefähr 20 Bruchstücke, von 35 kennen wir die Titel. Von den erhaltenen verdienen teils wegen ihres Gegenstandes, teils wegen ihrer Vortrefflichkeit Hervorhebung: »Pro Roscio Amerino« (80), die 7 »In Verrem« (70), »De imperio Cn. Pompei« (66), die 4 »InCatilinam« (63), »Pro Murena« (63), »Pro Archia poeta« (62), »Pro Sestio« (56), »Pro Plancio« (54), »Pro Milone« (52) und die 14 »Orationes Philippicae« (41 und 43). Sie zeichnen sich durch lebendigen Fluß der Darstellung, kunstvollen Bau der Perioden, (freilich oft zu rhetorische) Fülle des Ausdrucks, öfters auch durch geistvollen, wenngleich nicht immer zu rechter Zeit und in rechter Weise angebrachten Witz aus; den Demosthenischen freilich stehen sie an Einfachheit, Kraft und Gesinnungstüchtigkeit weit nach. Sie wurden oft herausgegeben, so von Klotz (Leipz. 1835–39, 3 Bde.), in Auswahl für den Schulgebrauch von Halm-Laubmann (Berl.), Richter-Eberhard (Leipz.), Müller (das. 1889, 2 Bde.), Nohl (das.), Heine (Halle 1895) u. a. 2) Rhetorische Schriften, über die Theorie der Beredsamkeit, wobei C. namentlich seine eigne Stellung als Redner darlegt und begründet. Die bedeutendsten sind: »De oratore«, in 3 Büchern, verfasst 55 (hrsg. von Ellendt, Königsb. 1840; Piderit-Harnecker, 6. Aufl., Leipz. 1890; Bake, Amsterd. 1863; Sorof, 2. Aufl., Berl. 1882; Wilkins, 2. Aufl., Lond. 1892; Stangl, Leipz. 1893); »Brutus de claris oratoribus«, verfaßt 46, eine für uns sehr wertvolle Geschichte der römischen Beredsamkeit (hrsg. von Ellendt, Königsb. 1844; Jahn-Eberhard, 4. Aufl., Berl. 1877; Piderit-Friedrich, 3. Aufl., Leipz. 1889); »Orator«, verfaßt 46, über das Ideal eines Redners (hrsg. von Jahn-Eberhard, 4. Aufl., Berl. 1877; Piderit-Friedrich, 3. Aufl., Leipz. 1889; Stangl, das. 1886). 3) Briefe, 864, in vier Sammlungen, eine unerschöpfliche und unschätzbare Quelle für die Zeitgeschichte. Die vier Sammlungen sind: 16 Bücher vermischter Briefe, gewöhnlich »Ad familiares« betitelt, von 62–43 (kritische Hauptausgabe von Mendelssohn, Leipz. 1893ff.); »Ad Atticum«, 16 Bücher, von 68–44 (Ausg. von Boot, 2. Aufl., Amsterd. 1886, 2 Bde.); »Ad Quintum fratrem«, 3 Bücher, von 60–54, und von dem Briefwechsel mit M. Brutus 23 Briefe aus der Zeit nach Cäsars Tode. Gesamtausgaben der Briefe von Wesenberg (Leipz. 1872–73, 2 Bde.), Tyrrell und Purser (Dublin 1899, 6 Bde.); in Auswahl von Hoffmann, (1. Bd., 7. Aufl. von Sternkopf, Berl. 1898; 2. Bd., 3. Aufl. von Andresen 1895); Süpfle-Böckel (9. Aufl., Karlsr. 1893), Bardt (Leipz. 1898); übersetzt von Wieland (Zürich 1808–21, 7 Bde.; neue Ausg., Leipz. 1840–41, 12 Bde.). Vgl. Peter, Der Brief in der römischen Literatur (Leipz. 1901). 4) Philosophische Schriften in dialogischer Form, inhaltlich zwar ohne selbständigen Wert, weil überwiegend aus griechischen Quellen geschöpft (vgl. Hirzel, Untersuchungen zu Ciceros philosophischen Schriften, Leipz. 1876–83, 3 Bde.), aber doch höchst verdienstlich, weil C. damit seinen Landsleuten die griechische Philosophie in römischer Sprache erst zugänglich gemacht und für philosophische Begriffe und Entwickelungen die lateinische Terminologie geschaffen hat: »De re publica«, 6 Bücher, verfasst 54, nur teilweise erhalten (Ausg. von Mai, Rom 1822 u. 1846; Osann, Götting. 1847); »De legibus«, um 52 verfaßt, 3 Bücher, aber unvollendet (Ausg. von Vahlen, 2. Aufl., Berl. 1883; Du Mesnil, Leipz. 1880); »Paradoxa Stoicorum«, von 46 (hrsg. von Moser, Götting. 1816; Schneider, Leipz. 1891); ferner aus dem Jahr 45: »De finibus bonorum et malorum«, 5 Bücher (Ausg. von Madvig, 3. Aufl., Kopenh. 1876; Holstein, Leipz. 1873; deutsch von J. H. v. Kirchmann, das. 1874), und »Academica« (davon erhalten das 2. Buch einer ersten und das 1. einer zweiten Bearbeitung; Ausg. von Reid, 2. Aufl., Lond. 1885); aus dem Jahr 41: »Tusculanae disputationes«, 5 Bücher (Ausg. von Kühner, 5. Aufl., Hannov. 1874; Tischer-Sorof, 8. Aufl., Berl. 1884; Seyffert, Leipz. 1864; Heine, 4. Aufl., Leipz. 1896); »De natura deorum«, 3 Bücher (Ausg. von Schömann, 4. Aufl., Berl. 1876; Goethe, Leipz. 1887; Mayor, Cambridge 1885, 3 Bde.); »Cato maior de senectute« (Ausg. von Sommerbrodt, 12. Aufl., Berl. 1896; Meißner, 4. Aufl., Leipz. 1898); »De divinatione«, 2 Bücher (hrsg. von Giese, das. 1829); »Laelius de amicitia« (Ausg. von Seyffert, 2. Aufl., das. 1876; Nauck, 10. Aufl., Berl. 1902; Meißner, 2. Aufl., Leipz. 1898); »De officiis«, 3 Bücher (Ausg. von Zumpt, Braunschw. 1838; Heine, 6. Aufl., Berl. 1885; Schiche, 2. Aufl., Leipz. 1896; übersetzt von Kühner, Stuttg. 1859, u. a.). Verloren ist sein vielgerühmter Dialog »Hortensius«, eine Empfehlung der Philosophie (vgl. Plasberg, Berl. 1892). Auch als Dichter hat sich C. versucht, in seiner Jugendzeit zur Übung (von seiner Übersetzung des Aratos sind noch bedeutende Bruchstücke vorhanden; hrsg. in Baehrens' »Poetae latini minores«, Bd. 1, Leipz. 1879), später vornehmlich aus Eitelkeit, freilich ohne viel Glück.

Neuere Ausgaben sämtlicher Werke: Garatoni (unvollständig, Neap. 1777–88); Orelli (Zürich 1826–30, 4 Bde.; 5. Bd. 1833, enthaltend die Scholiasten; 6.–8. Bd. 1836–38, das »Onomasticon Tullianum«; 2. Aufl. von Orelli, Baiter und Halm das. 1845–62, 4 Bde., die kritische Hauptausgabe); Baiter und Kayser (das. 1862–69, 11 Bde.); Müller (das. 1878–98, 11 Bde.). Lexika zu Ciceros Werken: von Nizolius (»Thesaurus Ciceronianus«, Basel 1559 u. ö., zuletzt Lond. 1820); Merguet (zu den Reden, Jena 1884, 4 Bde.; zu den philosophischen Schriften, das. 1887ff.). Neuere Übersetzungen in der Metzlerschen Sammlung römischer Prosaiker (von Osiander u. a.) und der Langenscheidtschen Übersetzungsbibliothek römischer Klassiker (von Kühner, Mezger, Binder u. a.). Vgl. Gerlach, M. Tullius C. (Basel 1864); Teuffel, Studien und Charakteristiken (2. Aufl., Leipz. 1889); Aly, C., sein Leben und seine Schriften (Berl. 1891); Zielinski, C. im Wandel der Jahrhunderte (Leipz. 1897); Schneidewin, Die antike Humanität (Berl. 1897); G. Boissier, Cicéron et ses amis (12. Aufl., Par. 1902; deutsch von Döhler, Leipz. 1870); Lebreton, Étude sur la langue et la grammaire de Cicéron (Par. 1901); Cucheval, Cicéron orateur (das. 1901, 2 Bde.).

Einleitung.

Dieses Werk schließt sich unmittelbar mit seinen Untersuchungen an die drei Bücher vom Wesen der Götter an, und das, leider verstümmelte, Buch vom Schicksal vollendet den Cyclus der die Religion betreffenden Schriften Cicero's. Finden wir ihn im Gebiete der Sittenlehre sehr stoisch gesinnt: so sehen wir ihn auf diesem Felde in scharfem Gegensatze mit den Stoikern, deren schwache Seite in Beziehung auf die Annahme unerwiesener und unerweisbarer Religionsgrundsätze und Meinungen ihm Veranlassung gibt, viel Witz und Scharfsinn zu entwickeln. Läßt er jedoch seine Gegner zuweilen mit etwas schwachen und stumpfen Waffen kämpfen, so finden wir an einigen seiner Einwürfe einen ähnlichen Mangel. In dem vorliegenden Werke gibt er seinem Bruder Quintus, als einem Stoiker, die Rolle des Vertheidigers der Weissagung, während er, obgleich selbst Augur, nur mit Worten für die Schonung alter religiöser Institute sprechend, allen Glauben daran untergräbt und lächerlich macht, sich scheinbar blos der Freiheit der Akademiker bedienend, an allen Behauptungen zu rütteln, um ihre Haltbarkeit zu erproben. Im Ganzen thut er dieß mit siegenden Gründen, immer auf eine höchst anziehende Weise mit häufiger Einmischung von Dichterstellen, zum Theil eigenen Versen, und mit großer Belesenheit. Die Abfassung dieses Werkes, unmittelbar nach dem von dem Wesen der Götter, fällt in das Jahr 709 nach Rom's Erbauung (nach einer andern Berechnung 710), als sich Cicero, gleich nach Cäsar's Ermordung, aus den Stürmen zu Rom auf's Land zurückgezogen hatte.

Der Uebersetzer legte bei seiner Arbeit seine so eben vollendete Ausgabe der Bücher von der Weissagung und vom Schicksal mit neu revidirtem Text zum Grunde, die in Frankfurt am Main bei H. L. Brönner nächstens erscheinen wird.

Uebersicht des ersten Buches.

I. Einleitung. Cap. 1–4. Kurze Aufzählung der Ansichten verschiedener Völker über die Weissagung, ihren Werth und ihre Gültigkeit. Cap. 1–2. Summarische Angabe der Behauptungen Griechischer Philosophen über dieselbe von Pythagoras bis auf Panätius. Cap. 3. Uebergang zur Abhandlung. Cap. 4.

II. 1. Anfang der Unterredung. Cicero spricht in seinem Tusculanum mit seinem Bruder Quintus. Dieser erklärt sich für die Weissagung, als Stoiker, und besonders wegen ihres hohen Alterthumes und ihrer Allgemeinheit bei den verschiedensten Nationen. Er nimmt zwo Arten der Weissagung an, die natürliche und die künstliche. Zu jener rechnet er die Weissagung aus Träumen und die der Seher; zu dieser die Haruspicin, das Augurenwesen, die Astrologie und die Weissagung durchs Loos. Dabei stellt er den Satz auf, bei allen diesen Dingen müsse man nur nach dem Ob, nicht aber nach dem Wie und Warum fragen; wie bei einer Menge unbezweifelter täglich in der Natur vorkommender Ereignisse die Sache selbst allbekannt sey, während die Ursachen und wie es zugehe, Niemand wisse. Cap. 5– 13.

2. Auf die Einwendung, daß vieles Vorausgesagte nicht eintreffe, und deßwegen an der Weissagung überhaupt Nichts sey, wird erwiedert, daß bei allen Künsten und Wissenschaften, wo Vermuthungen stattfinden, der Fall oft vorkomme, daß man sich täusche, ohne daß dadurch jene Künste und Wissenschaften selbst aufgehoben oder vernichtet würden. Nur Wer die ganze Geschichte umstoßen wolle, könne läugnen, daß dennoch auch sehr Vieles zugetroffen sey. Cap. 14–17.

3. Er nehme also, fährt Quintus fort, (alle seine Behauptungen von Anfang bis zu Ende mit fremden und einheimischen Beispielen belegend) zweierlei Gattungen von Weissagung, eine künstliche und eine kunstlose, unbedenklich an. Bei der kunstlosen sey nicht von Regeln oder Vermuthungsschlüssen, von Beobachtungen und Merkmalen die Rede, bei ihr werfe der Geist durch innere Aufregung und Entfesselung von den Eindrücken der Aussenwelt einen unmittelbaren Blick in die Zukunft: und hierher gehören auch vorzüglich die Weissagungen durch Orakel (Cap. 18. 19.), durch Träume (Cap. 20–30.) und die Prophezeihungen der Begeisterten (Wahnsinnigen, Verrückten). Cap. 31. Die Beweisführung aber für diese Weissagungen und ihre Glaubwürdigkeit wird mit den Worten des Chrysippus gegeben, dessen Beweis darauf hinausläuft, daß so wie es zum Erweise der richtigen Sehkraft nur eines einzigen Falles bedürfe, in welchem die Augen wirklich die Gegenstände gesehen haben wie sie sind; so sey es für die Existenz der Weissagung und deren Wirklichkeit hinreichend, wenn auch nur einmal etwas prophezeit worden sey, daß der Zufall dabei nicht im Spiel gewesen seyn könne. Cap. 32.

4. Die künstlichen Arten der Weissagung, fährt er fort, seyen die Gebiete, auf welchen sich die Haruspices, die Auguren und die Zeichendeuter bewegen. Davon beruhe denn ein Theil auf alten Denkmälern und traditioneller Lehre, die theils in den Büchern der Hetrusker über die Haruspicin, über die Bedeutung der Blitze und Donner, theils in den Römischen Augurenbüchern enthalten seyen. Ein andrer Theil werde durch augenblickliche Vermuthungsschlüsse gedeutet. Auch hievon werden viele Beispiele angeführt. Cap. 33–37.

5. Nun entwickelt Quintus die Gründe der Stoiker für die Weissagung, die von der Liebe der Götter zu den Menschen und von ihrer Allwissenheit, so wie von dem Wunsche und Bedürfnisse der Menschen hergenommen sind, und wodurch sogar die Existenz der Götter durch die Wirklichkeit der Weissagung bedingt wird. Cap. 38.

6. Die Gegner, sagt er, bringen im Grunde gegen die Weissagung nur die Unbegreiflichkeit derselben vor, und daß man nicht angeben könne, auf welchen Gründen sie beruhe. Und doch sey die Frage nicht, wie es denn damit zugehe, sondern ob wirklich Weissagung stattfinde oder nicht. An dem letztern aber haben weder je die Nationen, noch irgend ein Philosoph von Bedeutung gezweifelt Cap. 39–42.: auch habe gerade in den am besten eingerichteten Staaten die Weissagungskunst in allen ihren Theilen ganz vorzüglich geblüht und Einfluß gehabt, Cap. 43–48: welche Sätze mit Beispielen aus der Römischen Geschichte belegt werden.

7. Die Quelle aller Weissagung sey übrigens entweder die unmittelbare Einwirkung oder Eingebung der Gottheit. Cap. 49–55.; theils das Schicksal (das Fatum, die Heimarmene), Cap. 56., theils die Natur und die Erscheinungen in derselben. Cap. 57.

8. Quintus endigt damit, daß er sich, bei seinem Glauben an die Weissagung, von Allem, was dabei Betrügerisches oder Abergläubisches vorkommen möge, lossagt.

Erstes Buch.

1. Einem alten Glauben zu Folge, der sich schon aus den Heroenzeiten herschreibt, und in der Uebereinstimmung des Römischen Volkes mit allen Nationen seine Bestätigung findet, gibt es eine Weissagekunst, in deren Besitz einige Menschen sind, und die bei den Griechen Mantik heißt, d. i. Vorgefühl und Wissen von künftigen Dingen. Eine herrliche und heilbringende Kunst, wenn es anders eine solche gibt; eine Kunst, durch welche sich ein sterbliches Wesen der Kraft göttlichen Waltens nähert. Hier tritt, wie in so manchem Andern, der Fall ein, daß die Griechen hinter uns Römern zurückstehen: indem wir von jeher diese so treffliche Sache mit einem von der Gottheit hergenommenen Namen (divinatio) bezeichnen, während die Griechen, nach Platons Deutung, sie mit einem Werke benennen, das auf den Wahnsinn (μανια) hindeutet. Meines Wissens gibt es kein so hochgebildetes und aufgeklärtes, so wie kein in so hohem Grade verwildertes und rohes Volk, wo nicht der Glaube herrschend wäre, es gebe Andeutungen und Vorzeichen der Zukunft, und zugleich Menschen, die dieselben verstehen und zu erklären wüßten. Zu allererst haben die Assyrier (ich belege meine Behauptung absichtlich mit der Sitte der ältesten Nation) durch ihre weiten Ebenen und Gefilde veranlaßt, weil diese ihnen einen überall freien Horizont und einen unbeschränkten Blick an den Himmel gewährten, die Bewegungen der Wandelsterne und ihren Lauf an den Fixsternen vorbei zum Gegenstande ihrer Beobachtungen gemacht, dieselben ausgezeichnet, und die jedesmalige Bedeutung für die Nachwelt aufbewahrt. Ein Volk aus jener großen Nation, die Chaldäer (ein Name, welcher nicht ihre Kunst, sondern einen Völkerstamm bezeichnet) bildete sich, wie man glaubt, durch lange Beobachtung der Gestirne, eine Wissenschaft, durch die es möglich wurde, einem Jeden sein künftiges Geschick, und zu welchem Schicksal er durch die Geburt bestimmt sey, vorauszusagen. In derselben Kunst sollen auch die Aegyptier im langen Laufe der Zeiten und einer fast zahllosen Reihe von Jahrhunderten gelangt seyn. Die Cilicier aber und Pisidier, und die den Letztern benachbarten Pamphylier, Nationen, denen ich selbst [als Proconsul] vorgestanden, glauben an eine Vorandeutung künftiger Ereignisse durch den verschiedenen Flug und Gesang der Vögel, und halten diese Anzeichen für vollkommen zuverläßig. Und hat selbst das Griechenvolk je eine Kolonie nach Aeolien, Ionien, Asien, Sicilien, Italien ausgesendet, ohne das Orakel zu Delphi, oder das zu Dodona, oder das des Jupiter Hammon zu befragen? oder wann haben sie je einen Krieg unternommen, ohne erst darüber den Rath der Götter einzuholen?

2. Es beschränkte sich aber der Gebrauch der Weissagekunst im öffentlichen Leben und im Privatleben nicht blos auf einen Zweig derselben. Denn wie viele Arten (um jetzt der übrigen Völker nicht zu gedenken) hat nur unser Volk bei sich eingeführt! Gleich bei der Gründung Roms soll ja der Stifter unseres Staates, Romulus, nicht blos unter Leitung von Auspicien die Stadt gegründet haben, sondern selbst ein ausgezeichneter Augur gewesen seyn. Der Augurien bediente sich darauf die ganze Reihe der Könige nach ihm, und seit der Ausrottung des Königthums [durch Verbannung der letzten Königsfamilie] wurde keine Staatsangelegenheit abgethan, es mochte im Frieden oder im Kriege seyn, ohne daß man die Auspicien zu Rathe zog. Und da man die vermittelst derselben veranstalteten und berathenen Geschäfte, so wie die Auslegung und Sühne bedrohlicher Vorzeichen besonders durch die Kunst der Haruspicien bedeutend gefördert glaubte, so nahm man diese Kunst in ihrem ganzen Umfange von den Hetruriern an, um nur überzeugt seyn zu können, auch nicht eine Gattung der Weissagekunst vernachläßigt zu haben. Da nun nach der Ansicht unserer Vorfahren, die Seele auf eine gedoppelte Weise, ohne Zuthun einer Verstandesthätigkeit oder wissenschaftlichen Erkenntniß, durch von ihr selbst ausgehende und unabhängige Bewegung oder Anregung sich ergriffen fühlt, nämlich durch eine an Wahnsinn gränzende Begeisterung und durch das Träumen, so betrachteten sie als begeisterte Weissagung vorzüglich die in Versen abgefaßten Sibyllinischen Sprüche, und bestimmten zur Deutung derselben zehen auserlesene Bürger. Als zu derselben Gattung gehörend glaubten sie auch oft die im Zustande der Raserei ausgesprochenen Prophezeiungen der Wahrsager und Seher berücksichtigen zu müssen, z. B. die des Cornelius Culleolus im Octavianischen Kriege. Aber auch bedeutsame Träume, wenn sie in Beziehung mit dem Staate zu stehen schienen, wurden von der obersten Staatsverwaltungsbehörde nicht unbeachtet gelassen. Hat doch noch in neuerer Zeit, deren wir sogar uns erinnern, L. Julius, als er neben dem P. Rutilius die Consulwürde bekleidete, dem Ansinnen des Senats zu Folge aus Veranlassung eines Traumes der Tochter des Balearicus, Cäcilia, den Tempel der Juno Sospita wiederhergestellt.

3. Dergleichen Dingen haben nun wohl, denke ich, die Alten, mehr durch Beobachtung gewisser Erfolge, als durch Gründe veranlaßt, Beifall geschenkt. Man hat indessen doch auch einige ausgesuchte Beweise von Philosophen gesammelt, die darthun sollen, daß Etwas an der Weissagekunst sey. Unter den ältesten Philosophen, um auf diese zurückzugehen, war Xenophanes aus Kolophon der einzige, der die Weissagekunst gänzlich verwarf, und doch den Glauben an Götter festhielt. Die übrigen Alle (den Epikurus ausgenommen, der im Kapitel von dem Wesen der Gottheit gleich einem stammelnden Kinde spricht) nehmen eine Weissagung an, wiewohl mit sehr verschiedenen Nebenbestimmungen. Hatten sich nämlich Sokrates und seine Schule, ferner Zeno und seine Anhänger und Nachfolger ganz im Sinne der alten Philosophen hierüber erklärt, wobei sich auch die alte Akademie nebst den Peripatetikern anschloß; hatte diese Ansicht schon früher durch den Pythagoras ein großes Gewicht erhalten, der selbst für einen Augur gelten wollte; hatte auch Demokritus an mehrern Stellen ein bedeutendes Gewicht für die Annahme einer Vorahnung der Zukunft in die Wagschale gelegt; so beschränkte der Peripatetiker Dicäarchus das ganze Weissagungswesen, mit entschiedener Läugnung aller andern Gattungen, auf die Weissagung durch Träume und durch begeisterte Raserei. Gerade diesen beiden Zweigen derselben, mit Verwerfung aller übrigen, gestand auch mein vertrauter Freund Kratippus Gehalt und Realität zu: ein Mann, dem ich unter den Peripatetikern vom ersten Range einen Platz anspreche.

Da jedoch die Stoiker die Weissagekunst so ziemlich in ihrem weitesten Umfange in Schutz nahmen; ein Verfahren, wozu theils schon Zeno in seinen Grundlinien zu seinem Systeme den Ton angegeben, und wovon Kleanthes bedeutende Partieen weiter ausgeführt hatte; so schloß sich nun der höchst scharfsinnige Chrysippus mit einem eigenen Werke an Jene an, und behandelte in zwei Büchern die ganze Lehre von der Weissagung, in einem dritten noch besonders die von den Orakeln, noch in einem die von den Träumen. Sein Zuhörer, Diogenes von Babylon, reihte sich mit einem Buche jenem an, mit zweien Antipater, mit fünfen mein Posidonius. Ein in dieser Hinsicht entarteter Zögling der stoischen Schule (wiewohl sonst unter ihnen ein Stern erster Größe) war Panätius, des Posidonius Lehrer, Schüler des Antipater. Ohne die Wirklichkeit der Weissagungskraft geradehin zu läugnen, erklärte er doch, er habe Gründe, an ihr zu zweifeln. Durfte sich nun er als Stoiker, wiewohl mit großem Widerstreben seiner Schule, Dieß in einem Punkte herausnehmen, wie sollten die Stoiker Dieß uns in den andern Punkten verwehren wollen? Zumal, da der Gegenstand, über welchen Panätius sich nicht zu entscheiden wagt, bei allen übrigen Anhängern der Stoa ein entschiedener und ausgemachter Glaubensartikel ist. Und so sehen wir denn hier einmal einen Hauptvorzug der Akademie durch das Urtheil und die Bestätigung eines Philosophen vom ersten Range gerechtfertigt.

4. Wenn ich mir nun selbst die Frage aufwerfe, was denn wohl von der Weissagung zu halten sey; eine Untersuchung, auf die mich die vielen scharfsinnigen und mit rednerischer Fülle ausgeführten Gründe brachten, welche Karneades den Stoikern entgegengestellt hat; und gewissermaßen besorgt bin, ich möchte ohne hinlängliche Begründung entweder einer ganz falschen oder einer wenigstens nicht hinlänglich untersuchten Ansicht meinen Beifall schenken; so glaube ich mich einer sorgfältigen und wiederholten Vergleichung der Beweise und Gegenbeweise nicht entziehen zu dürfen, ungefähr in der Art, wie ich Gründe und Gegengründe in meinen drei Büchern vom Wesen der Götter abgewogen habe. So unrühmlich in jeder Untersuchung ein blindes Jasagen und unsicheres Herumtappen ist, so ist Dieß doch besonders in dem Gebiete des Forschens der Fall, wo wir uns ein entscheidendes Urtheil darüber bilden sollen, was wir für einen Werth auf Auspicien, auf andere mit der Religion in Verbindung stehende Dinge und auf die Religion überhaupt setzen dürfen: und Dieß um so mehr, da uns hier zwar gefährliche Abwege drohen: der eine, durch Vernachläßigung jener Gegenstände uns einer Ruchlosigkeit schuldig zu machen; der andere, durch Annahme derselben uns altweibischem Aberglauben hinzugeben.

5. Gerade diese Gegenstände waren nun schon verschiedene Male der Inhalt einer philosophischen Unterhaltung für mich; am gründlichsten aber wurden sie neulich durchgesprochen, als ich mich mit meinem Bruder Quintus auf meinem Tusculanischen Landsitze befand. Wir lustwandelten nämlich gerade im Lyceum (Dieß ist der Name des obern Gymnasiums); da sagte Jener zu mir: so eben bin ich mit der Durchlesung deines dritten Buches von dem Wesen der Götter zu Ende, in welchem Cotta meine Ansicht von der Sache zwar erschüttert, aber doch nicht von Grund aus umgestoßen hat. Ganz gut, erwiederte ich: das war ja eben der Zweck des Cotta, mehr die Beweise der Stoiker in ihrer Nichtigkeit darzustellen, als die Religion in dem menschlichen Gemüthe zu untergraben. Ja, sagte Quintus, Das versichert er freilich, und zwar wiederholt; vermuthlich um dem Rechte, das seine Schule in Anspruch nimmt, Nichts zu vergeben: allein in seinem Eifer, die Stoiker in ihrer Blöße darzustellen, läßt er, scheint mir, der Religion selbst keinen Raum und Halt mehr. Uebrigens bin ich um eine Antwort auf seine Einwürfe nicht verlegen; denn der Vortrag des Lucilius im zweiten Buche enthält eine hinlängliche Schutzrede für die Religion; und dieses Mannes Beweisführung schien dir ja selbst, nach deiner Aeusserung am Schlusse des dritten Buches, der Wahrheit ziemlich nahe zu kommen. Ein Punkt ist indessen in jenem Werke übergangen worden; vermuthlich weil es dir zweckmäßiger schien, ihm eine eigene Untersuchung zu widmen, und sich besonders über ihn zu verbreiten: ich meine die Weissagung, oder die Voraussagung und die Vorahnung derjenigen Dinge, die für zufällig gelten. Diesen Punkt nun wünschte ich, wenn dir's beliebt, in Beziehung auf seinen Werth und sein Wesen einer gegenseitigen Erörterung gewürdigt zu sehen. Meine Ansicht ist kurz die: sind die sämmtlichen hergebrachten und mit religiöser Achtung von uns behandelten Gattungen der Weissagung wahr und zuverläßig, so ist das Daseyn der Götter erwiesen; und umgekehrt: hat es mit dem Daseyn der Götter seine Richtigkeit, so muß es auch Menschen geben, die weissagen.