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"Von guten Mächten treu und still umgeben", ein zeitloses Gedicht, das Hoffnung schenkt und Herzen berührt. Das berühmte Gedicht von Dietrich Bonhoeffer ist ein hoffnungsvoller Ausblick auf ein neues Jahr trotz der Hoffnungslosigkeit der damaligen Zeit. In seinem letzten Brief an seine Verlobte Maria von Wedemeyer konnte es aus dem Gefängnis herausgeschmuggelt werden. Über 70-mal vertont, wurde es 2021 im Rahmen der Überarbeitung des Gesangbuchs von fast 10.000 Menschen zum beliebtesten Kirchenlied gewählt. Dieses Buch erzählt die Geschichte hinter dem Gedicht und beleuchtet die persönlichen Erlebnisse der verschiedenen Autoren. Sie berichten von der tiefen Wirkung, die die Worte auf Menschen ausüben, aber auch von Momenten, in denen ihnen die Strophe vom "bitteren Kelch" die Kehle zuschnürte. Unter anderem kommen Fragen auf, wie: "Kann ich das überhaupt mitsingen? Bin ich nicht zu klein und ängstlich im Vergleich zu Bonhoeffer, dem großen Glaubenshelden?" Doch vor allem zeigen die Geschichten, Gedanken und Meditationen zu Bonhoeffers berühmten Gedicht, wie Bonhoeffers Worte Menschen immer wieder Mut und Hoffnung schenken. Zum eigenen Nachdenken, zur Ermutigung anderer und zum Vorlesen. Mit Beiträgen von: Siegfried Fietz, Nicolai Franz, Ernst Wilhelm Gohl, Klaus Göttler, Frank Heinrich, Uwe Heimowski, Jörg Kailus, Hansjörg Kopp, Steffen Kern, Christoph Morgner, Sefora Nelson, Chris Pahl, Thomas Rachel, Uwe Schulz, Silke Traub, Birgit Winterhof, Bärbel Wilde, Peter Zimmerling u.a. Mit QR-Codes zu den wichtigsten Vertonungen des Gedichtes.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Uwe Bertelmann (Hrsg.)
Geschichten · Gedanken · Ermutigungen
Zu dem berühmten Gedicht von Dietrich Bonhoeffer
Bibelzitate folgen, wo nicht anders angegeben, der Lutherbibel, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.
Sonst der BasisBibel. Das Neue Testament und die Psalmen (BB), © 2012 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.
Abdruck des Beitrags von Jürgen Werth, „Lieber Dietrich …“ (S. 17-20) mit freundlicher Genehmigung aus: Jürgen Werth, Lieber Dietrich … Dein Jürgen
© 2020, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH.
Die Nutzung von Bild-, Sprach- und Textdaten für sog.
KI-Trainings und ähnliche Zwecke ist nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung erlaubt.
© 2025 Brunnen Verlag GmbH
Gottlieb-Daimler Straße 22, 35398 Gießen
www.brunnen-verlag.de
Lektorat: Uwe Bertelmann
Umschlagabbildung: Adobe Stock
Umschlaggestaltung: Jonathan Maul
ISBN Buch: 978-3-7655-3359-4
ISBN E-Book: 978-3-7655-7772-7
Vorwort
Dietrich Bonhoeffer Meine liebste Maria!
1. Gedanken
Jürgen Werth Lieber Dietrich, …
Ernst-Wilhelm Gohl Der volle Klang der Welt: Dietrich Bonhoeffers Gedicht zwischen den Zeilen gelesen
Thomas Rachel Seelenheil trotz „böser Tage schwere Last“
Peter Zimmerling „Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern“
Sandro Göpfert Von guten Mächten, Engeln und der perfekten Hinführung zum Segen
Jörg Kailus Bonhoeffer für Angsthasen
Klaus Göttler Erstaunliche Trostkraft mit Stolperstein
Uwe Bertelmann „… und dann gehört Dir unser Leben ganz“
Frank Heinrich Wenn Dank zur Opfergabe wird
Steffen Kern Vom Geheimnis wunderbarer Worte
Hansjörg Kopp Unser Lied für die besonders schweren Momente
Thorsten Dietz Frische Glaubenssprache
2. Vertonungen
Esther Handschin Ein Gedicht wird zum Lied – ein Streifzug durch verschiedene Vertonungen
Siegfried Fietz Bonhoeffers Botschaft in die Welt tragen
Christoph Morgner Theologie und Musik – bescheidene Schlaglichter
Sefora Nelson Von guten Mächten – ein großes Panorama breitet sich aus
3. Erfahrungen und Erlebnisse
Harald Orth Es schnürt mir die Kehle zu!
Paul-Ulrich Lenz Worte, die in der Tiefe gefunden wurden
Uwe Schulz Der schwere Kelch - Sie nahm ihn dankbar ohne Zittern
Birgit Winterhoff Zur Beerdigung Von guten Mächten wunderbar geborgen singen?
Eva Joneleit Ein Lied, das mich oft getröstet hat
Bärbel Wilde „Ich kann zwar nicht singen, aber ich könnte die Strophen sprechen“
Uwe Heimowski Von den guten Mächten - und einer Gruppe von Christen
Nicolas Loh Von guten Mächten – möge die gute Macht mit dir sein
Chris Pahl Schreiend gehalten!
Ralf Tibusek Wunderbar geborgen
Elke Werner Und ganz gewiss an jedem neuen Tag
Anmerkungen
Dezember 1944: „Von guten Mächten treu und still umgeben“ – ein Gedicht, in der Zelle geschrieben. Von Dietrich Bonhoeffer an seine Verlobte, Maria von Wedemeyer. Kurz vor seiner Hinrichtung.
2021: „Schick uns Dein Lied“. 10.000 Menschen beteiligen sich an einem Voting der EKD für das neue Gesangbuch. Mit weitem Abstand wurde Von guten Mächten zum beliebtesten Kirchenlied gewählt. Es wird weltweit gesungen, ist in zahlreiche Sprachen übersetzt. Was macht diesen Text Bonhoeffers so besonders?
Mit Sicherheit die dramatische Situation, in der das Gedicht als Vermächtnis Bonhoeffers entstanden ist. Es ist ein beeindruckendes Dokument des Kampfes gegen das NS-Regime, geschrieben von dem Mann, der nicht nur die tiefste ethische und theologische Begründung des Widerstands gegen den Terror geliefert hat – sondern der ihn vor allem persönlich so glaubwürdig wie kaum ein anderer gelebt hat, bis zum Martyrium.
Aber auch der Text an sich bringt etwas Besonderes zum Klingen – auch bei Menschen, die Autor und Entstehungshintergrund gar nicht kennen. Was ist die Ursache? Für den „Insider“ ist der christliche Hintergrund unverkennbar. Trotzdem bleibt die Sprache beeindruckend unreligiös. Gute Mächte – geborgen – Licht. Sehnsucht nach Gemeinschaft und einem Leben in Freiheit. Das sind urmenschliche Anliegen in einer urmenschlichen Sprache. Deswegen können wir in vielen Situationen Mut und Hoffnung daraus schöpfen – auch diejenigen von uns, die sich sonst dem christlichen Glauben gar nicht so eng verbunden fühlen.
Wie wird man diesem „offenen“ Gedicht und seiner Wirkungsgeschichte am besten gerecht? Man hätte eine gelehrte Interpretation schreiben können, die den Text vor seinem geschichtlichen Hintergrund erklärt und die Wirkungsgeschichte von Gedicht und Lied entfaltet. Dieses Buch geht bewusst einen anderen Weg: Der Verlag hat die Autoren, die aus ganz unterschiedlichen Hintergründen und Lebenssituationen kommen, gebeten, einen Beitrag zu schreiben zu
einem Lied, das eine Geschichte erzählt; einem Lied, mit dem unzählige Menschen eine Geschichte haben – vielleicht ja auch Sie (…). Es geht um die Frage, was es für Sie persönlich und für uns heute bedeutet.
So lautete die Anfrage, weitere Vorgaben wurden bewusst nicht gemacht. Wir danken allen Beiträgern dieses Buchs, dass sie sich auf dieses Experiment eingelassen haben und uns an dem Reichtum ihrer Gedanken und Erfahrungen teilhaben lassen. Herausgekommen ist eine Vielfalt, die die ganz unterschiedlichen Zugänge zu Von guten Mächten einfängt. Dass dabei vielleicht sogar Interpretationen in Spannung zueinander stehen, zeigt gerade, wie bewusst offen Bonhoeffer das Gedicht gehalten hat.
Die verschiedenen Beiträge schlagen eine Brücke vom Gedicht Bonhoeffers zur Wirkung, die Von guten Mächten bis heute entfaltet: Im ersten Teil steht das Nachdenken über die Bedeutung und Hintergründe des Gedichts im Vordergrund. Da es seine Wirkung vor allem als Lied entfaltet hat, das nicht zuletzt durch die Melodie von Siegfried Fietz seine Bekanntheit erreicht hat, ist den musikalischen Interpretationen des Gedichts ein eigener Abschnitt in der Mitte gewidmet. Die QR- Codes laden dazu ein, die unterschiedlichen Vertonungen und Interpretationen auf sich wirken zu lassen. Daran schließen sich persönliche Erlebnisse an, die zeigen, wie bis heute Menschen ihre ganz unterschiedliche Geschichte mit Von guten Mächten haben.
Dietrich Bonhoeffers Geburtstag jährt sich am 4. Februar 2026 zum 120. Mal. Das „Gedenken des Vergangenen“ gehörte für ihn zur christlichen Verantwortung. Auch zu dieser Erinnerung soll dieses Buch dienen. Vor allem soll es Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, eine Inspiration sein, heute aus dem Gedicht und dem Lied Zuversicht, Ermutigung und Hoffnung zu schöpfen.
Uwe Bertelmann, Juni 2025
19. Dezember 1944, Gestapo Zentrale, Prinz-Albrecht-Straße
Ich bin so froh, daß ich Dir zu Weihnachten schreiben kann und durch Dich auch die Eltern und Geschwister grüßen und Euch danken kann. Es werden sehr stille Tage in unsern Häusern sein. Aber ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht, je stiller es um mich herum geworden ist, desto· deutlicher habe ich die Verbindung mit Euch gespürt. Es ist, als ob die Seele in der Einsamkeit Organe ausbildet, die wir im Alltag kaum kennen. So habe ich mich noch keinen Augenblick allein und verlassen gefühlt. Du, die Eltern, Ihr alle, die Freunde und Schüler im Feld, Ihr seid mir immer ganz gegenwärtig. Eure Gebete und guten Gedanken, Bibelworte, längst vergangene Gespräche, Musikstücke, Bücher bekommen Leben und Wirklichkeit wie nie zuvor. Es ist ein großes unsichtbares Reich, in dem man lebt und an dessen Realität man keinen Zweifel hat. Wenn es im alten Kinderlied von den Engeln heißt: „Zweie die mich decken, zweie, die mich wecken“, so ist diese Bewahrung am Abend und am Morgen durch gute unsichtbare Mächte etwas, was wir Erwachsenen heute nicht weniger brauchen als die Kinder. Du darfst also nicht denken, ich sei unglücklich. Was heißt denn glücklich und unglücklich? Es hängt ja so wenig von den Umständen ab, sondern eigentlich nur von dem, was im Menschen vorgeht. Ich bin jeden Tag froh, daß ich Dich, Euch habe und das macht mich glücklich froh.
Das Äußere ist hier kaum anders als in Tegel, der Tageslauf derselbe, das Mittagessen wesentlich besser, Frühstück und Abendbrot etwas knapper. Ich danke Euch für alles, was Ihr mir gebracht habt. Die Behandlung ist gut und korrekt. Es ist gut geheizt. Nur die Bewegung fehlt mir, so schaffe ich sie mir bei offenem Fenster in der Zelle mit Turnen und Gehen. Einige Bitten: Ich würde gern von Wilhelm Raabe „Abu Telfan“ oder „Schüdderump“ lesen. Könnt Ihr meine Unterhosen so konstruieren, daß sie nicht rutschen? Man hat hier keine Hosenträger. Ich bin froh, daß ich rauchen darf! Daß Ihr alles für mich denkt und tut, was Ihr könnt, dafür danke ich Euch; das zu wissen ist für mich das Wichtigste.
Es sind nun fast zwei Jahre, daß wir aufeinander warten, liebste Maria. Werde nicht mutlos! Ich bin froh, daß Du bei den Eltern bist. Grüße Deine Mutter und das ganze Haus sehr von mir. Hier noch ein paar Verse, die mir in den letzten Abenden einfielen. Sie sind der Weihnachtsgruß für Dich und die Eltern und Geschwister.
1. Von guten Mächten treu und still umgeben
behütet und getröstet wunderbar,
so will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr.
2. Noch will das alte unsre Herzen quälen,
noch drückt uns böser Tage schwere Last.
Ach Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen das Heil,
für das Du uns geschaffen hast.
3. Und reichst Du uns den schweren Kelch, den bittern,
des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand,
so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
aus Deiner guten und geliebten Hand.
4. Doch willst Du uns noch einmal Freude schenken
an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz,
dann woll'n wir des Vergangenen gedenken,
und dann gehört Dir unser Leben ganz.
5. Laß warm und hell die Kerzen heute flammen,
die Du in unsre Dunkelheit gebracht,
führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen!
Wir wissen es, Dein Licht scheint in der Nacht.
6. Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet,
so laß uns hören jenen vollen Klang
der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet,
all Deiner Kinder hohen Lobgesang.
7. Von guten Mächten wunderbar geborgen
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiß an jedem neuen Tag.
Sei mit Eltern und Geschwistern in großer Liebe und Dankbarkeit gegrüßt.
Es umarmt Dich
Dein Dietrich
„Was heißt denn glücklich und unglücklich?
Es hängt ja so wenig von den Umständen ab,
sondern eigentlich nur von dem,
was im Menschen vorgeht.“
Dietrich Bonhoeffer im Brief an Maria
vom 19. Dezember 1944
Dietrich Bonhoeffer in London 1939
… du ahnst es jetzt nicht, kannst es nicht ahnen. Auch wer nie etwas von dir gehört hat, kennt diesen Text. Hierzulande und in vielen anderen Ländern der Erde. Vor allem mit der zauberhaften Melodie von Siegfried Fietz. Auf YouTube – ach, wie soll ich dir nur erklären, was das ist! – ist dieses Lied viele Millionen Mal angeklickt und angehört worden. Es gibt sogar eine koreanische Version. Das Lied ist ein Hit. Mit allen Vorteilen und Nachteilen, die solch ein Erfolg in sich birgt. Mancher singt ihn gedankenlos, gefühllos. Selbst die Strophe, die dir besonders schwergefallen sein wird: „Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern (…)“. Ich singe hier manchmal nicht mit. Weil ich mich nicht traue. Kann ich das auch so sagen, so singen? Kann ich Gott versprechen, dass ich solch einen Kelch „ohne Zittern“ aus seiner Hand nehmen werde?
Wir sind ja eine weitgehend verwöhnte und verzärtelte Generation. Ich bin über 70 und habe noch keinen einzigen Krieg hautnah erleben müssen. Ich war noch nie auf der Flucht. Ich habe noch nie um mein Leben gezittert. Ich habe noch nie wirklich Hunger gehabt. Ja, auch ich kenne die dunklen Seiten des Lebens. Aber sie sind doch eher die Ausnahme. Für mich, für die meisten von uns. Und wir haben viele Mechanismen entwickelt, mit deren Hilfe wir sie einigermaßen erträglich gestalten können. Verwöhnt und verzärtelt sind wir. Und das in demselben Deutschland, das in deiner Zeit ein bis dahin unvorstellbares und unaussprechliches Elend über die Welt gebracht hat. Verwöhnt und verzärtelt – und weitgehend undankbar und gottvergessen.