"Von Inseln weiß ich …" -  - E-Book

"Von Inseln weiß ich …" E-Book

0,0
19,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Rund 50 000 Menschen bevölkern die achtzehn schroffen, baumlosen Inseln, die zwischen Island, Schottland und Norwegen im Nordatlantik liegen. Jahrhundertelang blühte hier eine mündliche Tradition mit Balladen, Sagen und Märchen. Daraus ist eine selbstbewusste, erzähl- und experimentierfreudige Literatur auf Färöisch entstanden, die sich von ihren kleinen Inseln aus die großen Themen der Menschheit zu eigen macht. Die vorliegende Anthologie versammelt die besten Geschichten der färöischen Literatur, von ihren Klassikern wie William Heinesen bis zur jüngsten Generation, vertreten u. a. durch Marjun Kjelnæs und Elias Askham. Für deutsche Leser wird so erstmals eine bislang kaum übersetzte Literatur in ihrer ganzen Vielfalt zugänglich.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 542

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Über dieses Buch

Rund 50 000 Menschen bevölkern die achtzehn schroffen, baumlosen Inseln im Nordatlantik. Jahrhundertelang blühte hier eine mündliche Tradition mit Balladen, Sagen und Märchen. Daraus ist eine selbstbewusste, experimentierfreudige Literatur auf Färöisch entstanden, die sich von ihren kleinen Inseln aus die großen Themen der Menschheit zu eigen macht.

Zur Webseite mit allen Informationen zu diesem Buch.

Verena Stössinger (*1951) studierte Nordistik, Germanistik und Soziologie. Seit 1998 hat sie Lehraufträge für Neuere Skandinavistik an der Universität Basel, daneben ist sie als Kulturjournalistin tätig.

Zur Webseite von Verena Stössinger.

Anna Katharina Dömling (heute Anna Katharina Richter) hat über schwedische und dänische Erzählprosa der frühen Neuzeit promoviert und ist an der Universität Zürich in der Abteilung Nordische Philologie tätig.

Zur Webseite von Anna Katharina Dömling.

Dieses Buch gibt es in folgenden Ausgaben: Englische Broschur, E-Book (EPUB) – Ihre Ausgabe, E-Book (Apple-Geräte), E-Book (Kindle)

Mehr Informationen, Pressestimmen und Dokumente finden Sie auch im Anhang.

Verena Stössinger und Anna Katharina Dömling (Hg.)

»Von Inseln weiß ich …«

Geschichten von den Färöern

E-Book-Ausgabe

Unionsverlag

HINWEIS: Ihr Lesegerät arbeitet einer veralteten Software (MOBI). Die Darstellung dieses E-Books ist vermutlich an gewissen Stellen unvollkommen. Der Text des Buches ist davon nicht betroffen.

Impressum

Die Publikation dieses Bandes wurde ermöglicht durch die freundliche Unterstützung des Fonds zur Förderung von Lehre und Forschung, Basel, und der Leonardo-Stiftung, Basel.

Der Verlag dankt den Autorinnen und Autoren bzw. den Rechteinhabern für die Überlassung der Abdruckgenehmigung.

Der Abdruck der Texte von Jørgen-Frantz Jacobsen und William Heinesen erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Gyldendal Group Agency.

Für den Auszug aus Jørgen-Frantz Jacobsens Roman Barbara: © 1939 Gyldendalske Boghandel, Nordisk Forlag, Copenhagen

William Heinesen, Don Juan vom Tranhaus: © William Heinesen 1970

William Heinesen, Nasse Heimat: © William Heinesen 1973

© by Unionsverlag, Zürich 2022

Alle Rechte vorbehalten

Umschlag: Klaus D. Francke (Bilderberg)

Umschlaggestaltung: Martina Heuer

ISBN 978-3-293-30100-9

Diese E-Book-Ausgabe ist optimiert für EPUB-Lesegeräte

Produziert mit der Software transpect (le-tex, Leipzig)

Version vom 07.06.2022, 10:30h

Transpect-Version: ()

DRM Information: Der Unionsverlag liefert alle E-Books mit Wasserzeichen aus, also ohne harten Kopierschutz. Damit möchten wir Ihnen das Lesen erleichtern. Es kann sein, dass der Händler, von dem Sie dieses E-Book erworben haben, es nachträglich mit hartem Kopierschutz versehen hat.

Bitte beachten Sie die Urheberrechte. Dadurch ermöglichen Sie den Autoren, Bücher zu schreiben, und den Verlagen, Bücher zu verlegen.

http://www.unionsverlag.com

[email protected]

E-Book Service: [email protected]

Unsere Angebote für Sie

Allzeit-Lese-Garantie

Falls Sie ein E-Book aus dem Unionsverlag gekauft haben und nicht mehr in der Lage sind, es zu lesen, ersetzen wir es Ihnen. Dies kann zum Beispiel geschehen, wenn Ihr E-Book-Shop schließt, wenn Sie von einem Anbieter zu einem anderen wechseln oder wenn Sie Ihr Lesegerät wechseln.

Bonus-Dokumente

Viele unserer E-Books enthalten zusätzliche informative Dokumente: Interviews mit den Autorinnen und Autoren, Artikel und Materialien. Dieses Bonus-Material wird laufend ergänzt und erweitert.

Regelmässig erneuert, verbessert, aktualisiert

Durch die datenbankgestütze Produktionweise werden unsere E-Books regelmäßig aktualisiert. Satzfehler (kommen leider vor) werden behoben, die Information zu Autor und Werk wird nachgeführt, Bonus-Dokumente werden erweitert, neue Lesegeräte werden unterstützt. Falls Ihr E-Book-Shop keine Möglichkeit anbietet, Ihr gekauftes E-Book zu aktualisieren, liefern wir es Ihnen direkt.

Wir machen das Beste aus Ihrem Lesegerät

Wir versuchen, das Bestmögliche aus Ihrem Lesegerät oder Ihrer Lese-App herauszuholen. Darum stellen wir jedes E-Book in drei optimierten Ausgaben her:

Standard EPUB: Für Reader von Sony, Tolino, Kobo etc.Kindle: Für Reader von Amazon (E-Ink-Geräte und Tablets)Apple: Für iPad, iPhone und Mac

Modernste Produktionstechnik kombiniert mit klassischer Sorgfalt

E-Books aus dem Unionsverlag werden mit Sorgfalt gestaltet und lebenslang weiter gepflegt. Wir geben uns Mühe, klassisches herstellerisches Handwerk mit modernsten Mitteln der digitalen Produktion zu verbinden.

Wir bitten um Ihre Mithilfe

Machen Sie Vorschläge, was wir verbessern können. Bitte melden Sie uns Satzfehler, Unschönheiten, Ärgernisse. Gerne bedanken wir uns mit einer kostenlosen e-Story Ihrer Wahl.

Informationen dazu auf der E-Book-Startseite des Unionsverlags

Inhaltsverzeichnis

Cover

Über dieses Buch

Titelseite

Impressum

Unsere Angebote für Sie

Inhaltsverzeichnis

»VON INSELN WEISS ICH …«

Anstelle eines PrologsNasse HeimatDie Sage von Beinta und Peder ArrheboeEyðunI.II.III.IV.V.VI.VII.VIII.IX.X.XI.XII.XIII.XIV.XV.Der TraumAbalBekkaEin Mann kommt nach HauseDie Witwe auf der PfarreDon Juan vom Tranhaus1 – Der Schauplatz jener Ereignisse, von denen hier erzählt …2 – Der Malteser starb fünf Jahre vor meiner Geburt …3 – Während der Pubertät begann sich mein Interesse für …4 – Für den vorliegenden Versuch, in der Geschichte des …5 – Noch während der Malteser im Krankenhaus lag …6 – Es vergingen nun einige Monate, in denen sich …7 – Was nun Adda Geraldi betraf, so gewöhnte er …8 – Dieser Zwischenakt verdient vor allem deshalb besondere Erwähnung …9 – An dieser Stelle kommt abermals Yrsa Preisler ins …10 – Volle zwei Monate konnten der Malteser und Jungfer …11 – »Der Neujahrstag 1894«, schreibt Buchhalter Davidsen, »wurde ein …12 – Der allgemeinen Überlieferung zufolge soll sich der Malteser …13 – Im April des Jahres 1894 trug sich nicht …14 – Das letzte Kapitel in der Saga des Maltesers …Das erste Mal fern von der HeimatDer fliegende GlöcknerPurkhúsAllein auf Lítla DímunGesturDas KindDer WachmannLiebeskummerWeit weg und blassEs ist gut, stark zu sein, Maria!Unter Deinen FittichenJuliDie EisblumeDer ProviantmeisterMoriæ EncomiumRegelwerkDer SchmetterlingsverkäuferPlaceboDie Kette – NachwortAnlässlich der dritten AuflageDankDie Autorinnen und Autoren

Mehr über dieses Buch

Über Verena Stössinger

Über Anna Katharina Dömling

Andere Bücher, die Sie interessieren könnten

Zum Thema Dänemark

Zum Thema Färöer-Inseln

Zum Thema Insel

Anstelle eines Prologs

William Heinesen

Nasse Heimat

Wie ich schon oft, vielleicht aber noch nicht oft und überzeugend genug behauptet habe, weil es immer noch Menschen zu geben scheint, die sich skeptisch dazu verhalten, liegt der absolute Mittelpunkt der Welt auf den Färöern und heißt Tórshavn.

In dieser uralten Stadt am Meer waren von meinem Elternhaus aus nicht nur Sonne und Mond, das Siebengestirn und die Milchstraße zu sehen, sondern auch die wüsten und leeren Wasser, wo der Geist Gottes in der Finsternis über der Tiefe schwebte. Weiterhin konnte man den grünen Hang Høgareyn erkennen, wo Adam in einer Wildnis aus Engelwurz und Kerbel saß und den Tieren Namen gab, und dahinter waren die Konturen der hoch gelegenen Steinwüste Kirkjubøreyn auszumachen, wo Kain und Abel ihre Opferstätten hatten, später die Arche Noah strandete und Moses die Gesetzestafeln holte. In neuerer Zeit hatte man Gelegenheit, Bruchstücke dieser zerschlagenen Tafeln aus der Nähe zu betrachten; übrigens liegen sie immer noch dort, falls sich jemand dafür interessieren sollte, neben versteinerten Überresten von Tieren der Arche und roter Asche von den Dankopferfeuern, und zwischen riesigen, moosbedeckten Steinhaufen wachsen noch immer einige Farne und Wacholderbüsche, die aus dem seinerzeit dichtgemachten Garten Eden stammen.

Das also war die biblische Geschichte, und von der Art gab es noch vieles andere. Der Südwind, der vom offenen Meer her kam, brachte Düfte aus fernen Gegenden mit, von den Hebriden, Azoren und dem Sargassomeer, aus den Tropen und von Feuerland, und in klaren Morgenstunden konnte man fern am Horizont die vagen Umrisse von Magellans und Marco Polos verruchten Segeln ahnen.

Zwischen den alten Häusern, auf dem kleinen, jetzt verschwundenen Sandstrand an der Mündung des Flusses, ließen sich nicht nur Muschelschalen, Keulenschwämme und Korken finden, sondern auch große glänzende Samenkapseln, die der Golfstrom angespült hatte, sowie ein mit grünen Algen verzierter Weidenkorb vom untergegangenen Schiff Sindbads des Seefahrers. Hier stand auch lange Zeit eine riesige verrostete Eisenboje, in die man hineinkriechen konnte wie in eine Negerhütte. Sie war jedoch nicht aus dem schwarzen Afrika herbeigetrieben, sondern eher aus dem gelben China, denn wenn man auf das Eisen schlug, sagte es Hongkong. Dieser Klang fremder Zungen aus weiter Ferne kam uns damals jedoch gar nicht so fremd vor, denn er erinnerte an Gong, den Namen der alten Hauptstraße von Tórshavn, der solcherart auf onomatopoetischem Wege in das weltumspannende Mysterium einbezogen wurde.

Diese Straße existiert nicht mehr – oder nur wie ein Generalbasston, wenn das Kammerorchester der Erinnerung in der Tiefe spielt. So rauchgeschwärzt und gewürzt mit seltsamen Düften ist nie eine andere Straße gewesen. Jedes Haus hatte eine Rauchstube mit irdenem Boden und offener Feuerstelle, über der rußige, dampfende Kochtöpfe hingen. Zwischen den baufälligen Häusern gab es hier und da enge, kleine Läden: ein Kolonialwarengeschäft, in dem 1905 die ersten Kokosnüsse und Bananen der Welt ausgestellt wurden, einen Brotladen (mindestens zweihundert Jahre alt und sehr unterirdisch), ein Modegeschäft (das kleinste und düsterste der Welt, mit einem alten Rundbogenfenster aus einer Kirche geschmückt), eine Buchbinderwerkstatt (15.–16. Jahrhundert, siehe Gotfred von Ghemen) und eine Bier- und Branntweinhandlung, aus der man bisweilen betrunkene, grölende Gestalten, angetan mit dunklen Kapuzen und Schuhen aus Lederlappen, auf Leitern hinüber zur Festung Skansi (15. Jahrhundert) schaffte, wo der Anblick der schrecklichen Kanonen sie wieder zu Sinn und Verstand bringen sollte.

Generell herrschte in dieser Gong genannten Straße ein Leben und Treiben wie auf alten Bildern von Brueghel. Hier waren zwischen Hühnern und Enten, Ziegen und Schafen und schreienden Kindern unglaublich viele alte Weiber mit ihren Besen zugange, auf dem Weg zum oder vom Blocksberg, halb vermummt unter zottigen Kopftüchern; hier kamen kleine Holzkarren gefahren, von langhaarigen Zwergpferden gezogen, und hier tanzten apostelbärtige Männer mit Grindwalmessern am Gürtel, wobei sie uralte Lieder von Kaiser Karl dem Großen und seinen zwölf Genossen oder vom Hunnenkönig Attila und seinem finsteren, wölfischen Hof sangen, und hier wurden junge Mädchen mit wild flatternden Zöpfen von grimmigen Faunen verfolgt und versteckten sich in finsteren, stinkenden Gässchen.

Doch Tórshavn war nicht nur Urzeit, Vorzeit und Mittelalter, es war schon damals eine Stadt, die sich stürmisch entwickelte, mit Schiffen und Hafenbetrieb, Speichern, Tonnen und Kisten, ächzenden Kränen, Klippfischexport in die Mittelmeerländer, Fußballspielen, Blaskapelle, Flottenbesuchen und Autonomiebewegung. Hier war, kurz gesagt, alles, hier war der Nabel der Welt und der Geschichte, der Schnittpunkt von Traum und Wirklichkeit, Vergangenheit und Zukunft, Leben und Tod. An einem solchen Ort geboren und aufgewachsen zu sein, das bedeutet, wie unschwer zu begreifen ist, ein großes Privileg, und seufzend und achselzuckend muss man an all die armen Teufel denken, welche die Welt nur von den deprimierenden Schlagzeilen der großen Länder her kennen.

Am allermeisten sind die herausgeputzten Wesen der mondänen Gesellschaft zu bedauern, die hin und wieder als englische, französische oder deutsche Touristen auf den Straßen Tórshavns erscheinen, um mit ihren unbrauchbaren, baumelnden Ferngläsern vor dem Bauch in Regen und Nebel herumzuirren, wie gewisse Gestalten in Dantes Hölle. Ihre tiefen Seufzer und trostlosen Mienen sind nur zu verständlich, denn weil ihnen der Schlüssel zum Ganzen fehlt, sind sie dem Inferno des gottverlassenen Kaffs wehrlos ausgeliefert. Sie wissen nicht, dass dieser klamme Nebel, der sie wie ein Netz gefangen hält, tatsächlich der Urnebel ist, aus dem seinerzeit herrlich die Welt entstand, und sie haben weder Zeit noch Sinn dafür, die paar Tage, Wochen oder Monate, die es noch dauern kann, abzuwarten, bis das Wunder aufs Neue stattfindet und sich, wie geschrieben steht, »das Wasser unter dem Himmel an besondere Orte sammelt, dass man das Trockene sehe«.

Denn es ist nun mal nicht zu bestreiten, dass in jener Welt, in der ich meine Wurzeln habe, das nasse Element eine ganz erhebliche Rolle spielt. Meer, Brandung, sprühende Gischt, Dauerregen, trübe Wasserläufe und betrunkene Männer gehören hier zu den ersten Eindrücken, die man von den Verhältnissen des Lebens bekommt – wozu noch schaukelnde, stampfende Schiffe und eine grünlich durchschimmerte Dünung über unterseeischen Gründen mit schwer atmenden Tangwäldern gehören.

Früh bekam man dieses Wasser auch in die Nase und spürte seinen Druck gegen die Brust wie dampfendes Hirschhornsalz, während die Welt für einen Augenblick in Regenbogenlicht und niesenden Todesahnungen unterging. So war das, wenn man, von seinem zweifelhaften Erzeuger in die Fluten geworfen, kurze Zeit unter Wasser geriet, preisgegeben und hilflos, bis man von gütiger Hand Neptuns Dreizack entrissen und an Land gerettet wurde, unter Gebrüll und wieherndem Gelächter. Diese rüden Taufszenen wiederholten sich, bis man gelernt hatte, über der Wasseroberfläche zu bleiben und um sein Leben zu schwimmen, verfolgt von eingebildeten Seeteufeln und Haifischen. Seit jener Zeit weiß man, dass der Tod, der in den Wassern lauert, nicht immer ein hinterhältiger Popanz ist, sondern auch ein entsetzlicher Bruder Lustig sein kann.

Böse und gnadenlos ist das Meer, und ohne Barmherzigkeit jene Wesen, die ihm entstammen und die, unbeschönigt gesagt, davon leben, dass sie einander zerreißen und fressen. Eine solche Wahrheit sollte man frühzeitig erkennen, vor Grauen erstarrend, sofern man nicht darüber in Wut gerät. Das geschah zumindest bei einer einzigen Gelegenheit, die ich erinnere und von der ich berichten will, weil ich der Meinung bin, dass dieser Fall gewisse Perspektiven auf das Allgemeine und Aktuelle eröffnet.

Am Ufer eines kleinen Bergsees mit Namen Langatjørn hatte ein Indianerstamm sein Lager. Er war bereits stark dezimiert und zählte nur zwei Mitglieder, nämlich mich selbst und meinen Freund Chingagok, einen großen, ernsten Jungen, den besten Bogenschützen seiner Zeit. Wir ernährten uns kümmerlich, aber redlich von Forellen, die wir in wilden Gebirgsbächen fingen und am Spieß über knisterndem Heidekrautfeuer brieten. Ansonsten machten wir eifrig, jedoch völlig erfolglos Jagd auf Krähen, Raben und Möwen, während andere Vögel sowie Schafe und Hasen mit ihrem Nachwuchs unseren Schutz genossen – darunter vor allem eine Wildente, die am jenseitigen Ufer des Sees auf ihrem Nest brütete.

An einem frühen Sommermorgen zog auf der jungfräulichen Seeoberfläche eine Flotte von vierzehn flaumigen Entlein ihre munteren Kreise. Kleine Wildenten sind flinke Schwimmer, die ein unglaubliches Tempo entwickeln, sie sind neugierig, haben Appetit auf die Welt und möchten überall gleichzeitig sein. Die kleinen Temperamentbündel in ihrer gestreiften Tracht aus gelben und schwarzen Daunen gehören zu den anmutigsten und delikatesten Geschöpfen dieser Erde. Dieser Meinung waren auch die Möwen, die es von Anfang an auf die Entlein abgesehen hatten und sie ihrem Kropf einverleiben wollten.

Die Möwe ist in jeder Beziehung eine grimmige, grausame Repräsentantin des Meeres; ihre Flugkünste sind bekanntlich imponierend, ihr Aussehen ist blitzblank und gepflegt, proper wie ein frisch gebügeltes Geschirrtuch in einer Musterküche. Alles in allem ist sie ein bürgerlicher Vogel: gut gekleidet, weit verbreitet, kosmopolitisch, nicht sonderlich auffallend, und nur die wenigsten Menschen machen sich eine Vorstellung davon, welch ungeheure Gefräßigkeit und Frechheit in der Brust einer Möwe wohnt und welch teuflische Härte sie in ihrem Herzen birgt. Das hässliche Tanggezücht – Krabben, Hummer und Seeskorpione –, ja selbst die grässlichen Riesentintenfische der Tiefe, die einem Pottwal die Seele aus dem Leib quetschen können, sind im Vergleich mit der geschniegelten, ordentlichen Möwe nahezu als reine Moralisten anzusehen. Das Einzige, was die diabolischen Abgründe im Inneren dieses unschuldig-dekorativen Federviehs verrät, ist sein Gelächter, das sich anhört wie eine Kaskade von Flüchen, Verwünschungen und dithyrambischen Lobpreisungen auf das Prinzip des Bösen in der Natur. Wird man an einem schönen Sommermorgen von diesem dämonischen Lachen geweckt, fühlt man sich, noch halb schlafend, in eine Hölle versetzt, an die zu glauben man sich ansonsten weigert. Das liegt vermutlich daran, dass man in einem frühen und für Eindrücke besonders empfänglichen Indianeralter miterleben musste, wie die Möwen eine vollkommen schamlose und von eiskaltem Gelächter begleitete Festmahlzeit auf Kosten der unschuldigen Entlein hielten.

Nun dürfen Mitglieder des Tierschutzvereins aber nicht glauben, dass Chingagok und ich nur dabeistanden und diesem bethlehemitischen Kindermord kaltblütig zusahen, ohne irgendetwas zu unternehmen. Mit unseren Bogen und Pfeilen entfalteten wir eine hektische Aktivität, um unsere Schützlinge zu verteidigen und, soweit möglich, das niedere Geschlecht der Möwen auszurotten. Doch der ganze Prozess zog sich hin, es dauerte viele Tage, bis das letzte kreischende Entlein aus dem Wasser gezerrt und verschlungen war; wir konnten ja nicht ständig am See sein, mussten auch schlafen, essen und unsre Schularbeiten machen, und in Wirklichkeit sahen wir von den Details der blutigen Tragödie nur wenig – die schlimmsten Exzesse fanden in unsrer Abwesenheit statt. Es gelang uns nicht, auch nur eine einzige Möwe zu erwischen, nicht einmal der Meisterschütze Chingagok vermochte gegen diese durchtriebenen Aeronautiker und Luft-Äquilibristen etwas auszurichten – sie schüttelten sich bloß vor Lachen über unsere Pfeile, die wir an der Spitze übereifrig mit langen Nägeln versehen hatten.

Ich entsinne mich, dass der ehrgeizige Chingagok aus Scham und Verdruss über seine Ohnmacht weinte und in seinem von Enttäuschung umnachteten Zustand auf ein unschuldig weidendes Schaf anlegte, das vor Schreck einen wollenen Purzelbaum schlug.

Im Großen und Ganzen verübten die Möwen ihren Gewaltakt also auf eine seltsam anonyme, unsichtbare Weise, die an Taschenspielerkunststücke erinnerte. Ein uneingeweihter Zuschauer hätte davon so gut wie nichts bemerkt. Doch jeden Tag gab es ein bis zwei Entlein weniger, nach einer Woche waren noch zwei übrig, schließlich nur noch ein letztes, das zu verteidigen und zu behalten der Mutter gelungen war.

Die einzige wirklich deutliche Spur, die wir von der Bluttat entdeckten, war ein dunkelroter Fleck auf der Brust einer großen, süffisanten Möwe. Leider hatten nicht unsere Pfeile ihn verursacht, vielleicht aber der Schnabel der Entenmutter, das hofften wir jedenfalls. Denn dass eine Möwe beim Verspeisen eines Entleins jemals ihre feine Uniform beflecken könnte, hielten wir für ausgeschlossen – Möwen sind stubenrein und haben Tischmanieren. Wir wünschten von Herzen, dass sich die rasende Niobe so richtig festgebissen und der Möwe große Schmerzen zugefügt hatte, obwohl in deren arroganter Gutsherrinnenvisage nichts davon zu lesen stand.

In unserem Hass auf die abscheulichen Möwen klügelten wir wie die Bewohner kolonialer Länder verschiedene Rache- und Sabotageakte aus. Wir besorgten uns Schiffszwieback, der mit Rattengift präpariert war, und gaben ihn den weißen Räubern zu fressen. Sie schluckten das Gift, ohne mit der Wimper zu zucken und ohne sich im Geringsten bei ihren täglichen Gewohnheiten stören zu lassen, im Gegenteil, nach dem misslungenen Giftanschlag klang ihr Hohngelächter noch erbarmungsloser, und wir hörten, dass sie uns arrogante Bemerkungen wie Jammerlappen, Gesindel und Schlappschwänze zuwarfen.

Hier endet die Geschichte von den bösen Möwen. Und was ist nun eigentlich ihre Moral?

Ja, darüber sind Chingagok und ich heute sehr geteilter Meinung. Mein braver Freund, der sich im Laufe der Zeit zu einer Art von religiösem Defätisten entwickelt hat, besteht darauf, dass die Natur, auch die menschliche, von Grund auf und unveränderlich böse sei, ja er behauptet hartnäckig und angeblich mit Rückhalt in Bibel, Koran und der buddhistischen Schrift Visuddhimagga die Notwendigkeit und Nützlichkeit des Leidens und hat eigentlich jeden Anspruch auf Freude und materielles Glück aufgegeben, für sich selbst wie für die Menschheit – ohne deshalb allerdings so weltfremd geworden zu sein, dass er nicht auf die Hasenjagd gehen oder eine gute Mahlzeit und eine leichte Zigarre genießen kann. Aber der alte, vormals so eifrige Entleinfreund belächelt mich nachsichtig und besserwisserisch, weil ich auf einer primitiven Indianerstufe stehen geblieben bin und nach wie vor einem kämpferischen Humanismus auf rationalistischer Grundlage anhänge.

Doch zurück zum Meer, aus dem wir gekommen sind, dem mysteriösen und widersprüchlichen, dem heimatlichen, dem Ursprungsort allen Lebens, dem grausamen, das gegen uns an will und mit dem wir uns niemals versöhnen – diesem riesigen halbdunklen Haus mit den zahllosen Sälen, bewohnt von stummen Geschöpfen, die ihre Augen nicht schließen können und vom Töten leben.

Norwegen hat seine lustigen Seetrolle, Dänemark seinen verführerischen Meermann und Hans Christian Andersens unvergessliche Kleine Meerfrau, in die das gesamte männliche Geschlecht einmal im Leben unglücklich verliebt war. Die Meermänner und Seetrolle der Färöer sind viel dämonischer, sie haben nichts Lustiges, sondern stehen in dunkler Morgenstunde auf Landzungen und Klippen und rufen den Fischern in einer unverständlichen Sprache etwas zu, umgeben von Rauch und Funken. Menschen, die freiwillig den Tod in den kalten Wassern suchen, werden in Robben verwandelt und müssen eine unglückliche Ewigkeit in den Wellen fristen, verzehrt von Reue und unstillbarer Sehnsucht – das ist der Grund, weshalb dich die Robbe mit tiefen, verzweifelten Menschenaugen anblickt. Nicht weit von Tórshavn liegt im Osten eine kleine dunkle Bucht, in der sich Menschen umgebracht haben, und wenn man als Kind dort gewesen ist und gesehen hat, wie der Sog der Wellen am Tangnetz aus zusammengeflochtenen Schlangenrücken zerrte, dann hat man das Totenreich erlebt, jenen Náströnd, von dem die Alten erzählten.

Dunkle, nasse Sagen und eine Flut trübsinniger Lieder vom Meer erfüllten einem das Herz in jener ersten Zeit, die man als Gast auf diesem wasserumspülten Erdball verbrachte. Auf dem Meeresgrund endete der junge Herr Peder mit seinem eleganten Kahn, und dort landete auch des Königs Sohn aus Engeland, dessen noch prächtigeres Schiff vom Steven bis zum Steuerruder mit vergoldeten Bibelsprüchen geschmückt war. Über salziges Meer segelte Herr Sinklar, dem die Meerfrau so viel Unglück prophezeite, und das gleiche bittre und Unheil verkündende Meer rollte gewaltig und gewalttätig durch die endlosen färöischen Gesänge und Kæmpeviser, die einem im Bett nach der Schlafenszeit aus der nah gelegenen Tanzdiele ins Ohr drangen.

Doch in Agnetes dänischem Wiegenlied, mit dem meine Mutter ihre Kinder manchmal in den Schlaf sang, herrschte ein ganz anderes Meer: das poetisch-hoffnungsvolle mit frühlingshaft sonnendurchfluteten Kammern, in denen der Tang sprießt – unsterblich für immer in Gades wässrig klarer, munterer Melodie, mit dem langsamen Tanzrhythmus einer voll geöffneten Qualle.

Doch jetzt wollen wir die Wasser unter den Himmeln lieber bitten, sich an einem besonderen Ort zu sammeln, dass man das Trockne für einen Augenblick sehe.

Dieser Prozess kann sich nirgendwo in der Welt so faszinierend vollziehen wie in meiner nassen Heimat, wenn es wochenlang geregnet und gestürmt hat und dann das Wetter eines Tages plötzlich aufklart und sich beruhigt. Aus ihrem Wolkenversteck schickt die Sonne wandernde Stäbe aus Licht über Land und Meer und lässt dampfende, helle Flecken entstehen. Erde und bemooste Klippen duften, die Mücken tanzen, und zögernd verlassen die Wolken den Himmel und sinken zur Erde, um sich als sonnentrunkene Regenbogennebel darauf zu lagern, bis sie sich nach und nach auflösen.

Gravitätische Felsengipfel erheben sich auf leichten Schwingen über dem Nebeldeck, glitzernd von Nässe und wiedergeborenem Licht. Unendlich zarte, graziöse Federwolken werden in der Himmelstiefe als verheißungsvolle Runen sichtbar – Gottes unerforschliche, doch gnadenreiche Gedanken in grafischer Darstellung, und wenn es Frühling ist, dann wird die Luft von ekstatischem Vogelgesang erfüllt, und weiße und schwarze Lämmer tummeln sich im Grün.

Und nun beginnt das Meer zu zaubern, und es gibt wohl kaum etwas Lieblicheres auf dieser merkwürdigen und widerspruchsreichen Erde als die Verwandlung der dunklen, gewaltigen Wasserwüste in einen sanft funkelnden Acker und das gutmütige Schnurren des Gezeitenstroms in der Sonne.

(1970)

Jakob Jakobsen

Die Sage von Beinta und Peder Arrheboe

Beinta, die Bezirksrichterstochter aus Tórshavn, war nacheinander mit drei Männern verheiratet. Sie war berühmt wegen ihrer Schönheit und betörte manch einen Mann. Aber wenn sie auch äußerlich einem Engel glich, so war sie in ihrem Innern doch keiner, denn sie war die leibhaftig gewordene Bosheit, und alle drei Männer, die mit ihr verheiratet waren, traf Unglück. Als sie noch ledig war, aber auch später als Witwe ging sie jedes Mal zum Strand von Tórshavn hinunter, wenn ein Schiff aus Dänemark einlief, mit dem man einen neuen Pfarrer erwartete, und herausgeputzt stand sie dann auf der Uferböschung vor dem Pfarrer, wenn er an Land ging. Auf diese Weise verlobte sie sich mit einem Pfarrer nach dem anderen.

Der erste Mann, den sie heiratete, war Herr Jónas auf Ónagerði in Viðareiði, der Pfarrer für die Nordinseln. Kaum war sie als Hausherrin im Pfarrhof eingezogen, begann sie, die Hofknechte niederträchtig zu behandeln. Als Erstes ließ sie die Knechte einen ganzen Sack voll frisch geschorener Wolle auskämmen. Diese weigerten sich, aber dann suchte sie Hilfe bei ihrem Mann. Der ging zu den Knechten und bat sie, zu tun, was seine Frau gewünscht habe, wenn schon nicht ihretwegen, dann wenigstens seinetwegen. Wenn die Knechte vom Fischen auf See, oder wo sie sonst gewesen waren, zurückkamen, hatte sie immer einen Sack Wolle zum Auskämmen für sie bereit oder trieb sie an den Spinnrocken. Deshalb kündigten die Knechte, einer nach dem anderen. Sie bekamen auch kein Abendessen, wenn sie nicht Ackerboden umgegraben und so viel Dung darauf verteilt hatten, wie zwei Rösser tragen konnten. Deshalb schütteten sie die Sattelkörbe bloß aus, ohne den Dung auf dem Ackerland zu verteilen, und schaufelten stattdessen ein wenig Erde über die Dunghaufen, sodass das Ackerland schwarz wie Kohle dalag und dort viele Jahre lang kein Gras wuchs. Sie hatten auch Steine in der Essensschüssel, wenn sie von der See zurückkamen, ohne einen Fisch gefangen zu haben. Von etwas ganz Magerem sagt man deshalb noch heute: »Das ist wie zu Beintas Zeiten in Ónagerði.« Beinta erlaubte ihren Knechten nicht, die Gräte im Fisch zu zerbrechen, den sie ihnen zu essen gab. Eine Frau sagte ihnen einmal, sie sähen so elend aus, und fragte, ob sie die Gräte im Fisch denn nicht zerbrächen, aber sie sagten: »Nein.« Da gab sie ihnen den Rat, den Fisch in drei Teile zu brechen, dann könne Beinta den Fisch nicht wieder an die Gräte zaubern. Daraufhin nahmen die Knechte zu.

Jónas war Witwer, als er Beinta heiratete. Als sie anfing, seiner überdrüssig zu werden, nahm sie Erde aus dem Grab seiner ersten Frau und legte sie ihm unter das Kopfende des Bettes. Da begann die frühere Frau dem Pfarrer zu erscheinen, und er wurde wirr im Kopf. Als er im Sterben lag und um etwas Heißes bat, bekam er Kaltes, und bat er um Kaltes, bekam er Heißes.

Nach dem Tod von Jónas verlobte Beinta sich mit Anders Lemvigh, dem Hilfspfarrer in Nes auf Eysturoy, und bald war es so weit, dass sie heiraten sollten. Beinta war während der Heuernte in Nes, und sie bemerkte, dass dort im Haus viel vor sich ging, denn der Pfarrer war ein gütiger Mann und behandelte das Hausgesinde freundlich. Sie tadelte den Pfarrer sogleich, dass er nicht das rechte Maß zu finden wisse, und kündigte an, das werde sich ändern, wenn sie erst Hausherrin sei – sie glaubte sich seiner schon sicher. Aber da sagte der Pfarrer, wenn sie die Hosen so zeitig anhaben wolle, sei es das Beste, wenn er sie wieder nach Tórshavn bringen lasse. Und so geschah es; die Männer, die das Heu einbrachten, fuhren mit ihr nach Tórshavn zurück, und zwischen ihr und Anders Lemvigh gab es keine Hochzeit.

Der zweite Ehemann Beintas war dann Niels Aagaard, Pfarrer auf Vágar. Er war ein ruhiger und nachgiebiger Mann und ließ sie meistens gewähren, um Frieden zu haben, aber das machte sie nur noch bösartiger. Eines Tages, als sie ihn bedrängte und er sich zu wehren versuchte, nahm sie einen Leuchter und schlug nach ihm, aber sie traf den Querbalken der Rauchstube, sodass ein Stück aus dem Fuß des Leuchters herausbrach. Dieser Leuchter war später Altarleuchter in der Kirche von Miðvágur. Ein anderes Mal, als sie sich mit ihrem Mann in einer Kammer eingeschlossen hatte, um ihn zu verprügeln, kam Kristoffer, der Knecht, hinzu, brach die Tür auf, packte sie und steckte sie in ein Urinfass. Seitdem hatte Beinta immer Angst vor Nachttöpfen.

Wenn Herr Niels in Sandavágur Gottesdienst hielt, wagte er nicht, dort zu übernachten, sondern ritt immer noch am selben Abend nach Jansagerði zurück, dem Pfarrhof in Miðvágur, weil Beinta auf die Töchter des Amtsrichters in Steig eifersüchtig war (der Steighof in Sandavágur war der Sitz des Amtsrichters) und fürchtete, dass Herr Niels sich in eine von ihnen verlieben könnte, denn sie waren außergewöhnlich hübsch. Da geschah es einmal, als Herr Niels wieder in Sandavágur war, dass die Leute von Sandavágur meinten, es sei für ihn nicht ratsam, noch am Abend nach Hause zurückzukehren, weil Winter war, Neumond und strenger Frost. Trotzdem brach er auf, denn er fürchtete sich vor Beinta. Damals war es üblich, dass der Pfarrer und auch die Bauern zur Kirche und zurück ritten. Es war Flut, und deshalb ritt der Pfarrer am Fuß der Steilküste entlang. Als er nach Miðvágssandur kam, strauchelte das Pferd auf dem felsigen Strand, der Steinmørkhella heißt, unterhalb von Eirikstoftir, und der Pfarrer brach sich ein Bein. Als nach einiger Zeit der Knochen zusammengewachsen war, konnte der Pfarrer wieder sitzen und hatte dabei das Bein auf einem Stuhl liegen. Eines Tages, als er so dasaß, kam ein Knecht hereingestürzt und meldete, dass unten am Landeplatz ein Boot anlege: »Es ist einer von den Herren aus Tórshavn«, sagte er. Beinta sprang auf, wollte loshasten und stieß an den Stuhl, sodass das Bein des Pfarrers auf den Boden fiel und ein zweites Mal brach. Man schaffte ihn zum Bader in Tórshavn, aber der Knochen wuchs nicht wieder zusammen, es kam Wundbrand hinzu, und Herr Niels starb daran. Aber auch der Sanftmütigste wird wild, wenn man ihn reizt – bevor er starb, hat er Beinta verflucht.

Nach dem Tod von Herrn Niels hatte Beinta den Hof Kálvalíð in Miðvágur als Pfarrerswitwensitz, aber meist war sie in Tórshavn bei ihrer Mutter. Als Peder Arrheboe, genannt Herr Peder (Per), der nach Herrn Niels zum Pfarrer auf Vágar berufen worden war, aus Dänemark auf die Färöer kam, stand sie herausgeputzt am Hafen, und sogleich verliebte er sich in sie. Es wird berichtet, dass Beinta vom Sund bei Fútaklettur an bei ihm gewesen sei, als er westwärts nach Vágar reiste (er wurde auf dem Sund zwischen Nordstreymoy und Vágar übergesetzt). Er wollte nämlich in Steig einkehren, um den Amtsrichter zu besuchen, aber weil sie fürchtete, er könnte sich in eine der hübschen Töchter des Amtsrichters verlieben – zudem stand sie damals auf Vágar als Witwe von Herrn Niels in schlechtem Ruf –, wagte sie nicht, ihn alleine gehen zu lassen. Und als sie beim Steighof angekommen waren, fragte er, ob dies Steig sei. »Nein«, sagte sie. Dann kamen sie nach Jansagerði. Er fragte, ob dies nun Steig sei. Nein, dies sei schon der Pfarrhof. Darauf gestand sie ihm, dass sie nicht wollte, dass er in Steig einkehre, denn dort wohnten einige »Lockvögel« (damit meinte sie die Töchter des Amtsrichters).

Beinta ging so geschickt mit Herrn Peder um, dass er sie im zweiten Winter nach seiner Ankunft auf den Färöern heiratete. Aus dieser Zeit ist ein kleines dänisches Gedicht erhalten, das er über sie verfasst hat:

Meine Feine,

Meine Kleine,

Meine Lust, mein Juwel!

Mein irdischer Engel und süßeste Seel’!

Mein Herz ist von deiner Erscheinung beglückt,

Und deine Gebärden betracht’ ich entzückt.

Die Hände sind weiß und wie Wolle so weich,

Dein Haar ist wie Gold und dein Hals perlengleich.

Aber als sie verheiratet waren, wurde alles anders, als er es sich vorgestellt hatte. Sie war nicht so gut zu ihm, wie er zu ihr war, und hatte meist nur Spott und Hohn für seine liebevollen Worte übrig. Sie hatten es schwer miteinander und vertrugen sich im Laufe der Zeit immer schlechter. Niemals gönnte sie ihm Frieden. Eines Tages, als sie sich gestritten hatten, ging er hinaus und setzte sich auf einen Hügel, aber sogleich kam sie hinterher und schüttete ihm einen Eimer Wasser über den Kopf. Er habe schon gedacht, nach dem starken Donner heute werde wohl noch Regen kommen, sagte er da zu ihr. Und einmal, als er sie zurechtwies, weil sie die Mägde schlug, entgegnete sie ihm scharf, er habe sich da nicht einzumischen, er könne sich um seine beschissenen Bücher kümmern. Da schaute er sie zornig an, packte sie fest am Arm und führte sie hinaus. Seitdem wich sie ihm aus.

Die Mägde versuchten, es ihr mit Bösem und ihm mit Gutem zu vergelten, wann immer sie konnten. Wenn etwa Blutwurst gekocht worden war, gönnte Beinta ihrem Mann keinen Talg in den Würsten, die für ihn bestimmt waren, sondern stopfte den ganzen Talg in ihre. Dann machte sie ein Zeichen an die Wurstspeile, damit sie unterscheiden konnte, welche ihre und welche seine Würste waren. Aber die Mägde vertauschten die Speilstöckchen, die Beinta markiert hatte, an den Würsten, sodass diese nun genau umgekehrt bezeichnet waren, als Beinta beabsichtigt hatte. Da bekam er die ganze fette Blutwurst und sie die magere. Wie dies wohl möglich sei, so fette Blutwurst für ihn zu Abend, fragte der Pfarrer, denn Derartiges war er nicht gewohnt. Aber Beinta war missmutig: Bei ihr sei kein bisschen Fett darin, sagte sie.

Der Pfarrer ging oft zur Kirche hinunter, um vor seiner Frau Ruhe zu haben. Eines Abends schickte sie einen Knecht dorthin und gab ihm ein Laken zum Überziehen: Er sollte als Gespenst Herrn Peder in der Kirche erschrecken. Der Knecht schleicht sich in die Kirche und stellt sich dann im Laken vor dem Pfarrer auf. Der aber fängt an, Bannformeln über ihn zu sprechen und ihn durch den Fußboden der Kirche hindurch in das Erdreich zu treiben. Als der Knecht schon halb eingesunken ist, ruft er ihn an und sagt, wer er ist, aber der Pfarrer kann ihn da schon nicht mehr heraufholen, sondern muss den schreienden und heulenden Mann ganz und gar in die Erde bannen.

Herr Peder war ein sehr gelehrter und beredter Mann und zudem konnte er zaubern, wie man rühmend erwähnte. Deshalb wandten die Leute sich oft an ihn, um seine Künste in Anspruch zu nehmen, und er war hilfsbereit, wenn es darauf ankam. – In Miðvágur war ein Bauer, dem viel aus seinem Vorratshaus abhandenkam. Lange Zeit hielt das an, dass er bestohlen wurde; man suchte nach dem Dieb, aber ohne Erfolg. Man konnte ihm nicht auf die Spur kommen. Da bat man Herrn Peder um Hilfe. An einem Sonntag, als die Leute in der Kirche sind, steht der Pfarrer auf der Kanzel – er soll ein ausgezeichneter Prediger gewesen sein – und hat eben die Predigt mit dem Evangelium beendet, wie es damals Brauch war. Dann starrt er ziemlich lange in den Kirchenraum hinein und sagt schließlich: »Dieb, ich sehe dich und ich kenne dich, und Gott kennt dich auch.« Dann nimmt er die Agende, die auf der Kanzel liegt, schwingt sie über seinem Kopf und sagt: »Jetzt nehme ich meine Agende und schlage sie dir ins Gesicht.« Aber im selben Augenblick, als er so tat, als werfe er sie durch die Kirche, fiel einer der anwesenden Männer ohnmächtig zu Boden. Da konnte jeder sehen, wer der Dieb war.

Herr Peder war ein schrecklich jähzorniger Mann. Ihn befiel auch eine Krankheit, die ihm eine Zeit lang den Geist verwirrte, und obwohl er wieder gesund wurde, suchte ihn die Krankheit doch mitunter wieder heim, sodass er ganz wirr war, solange sie anhielt.

Herr Peder und der Bauer auf Ryggur in Miðvágur, Jógvan Rasmusson, genannt Prest-Jógvan, waren verfeindet. Sie hatten sich wegen einer Kuh des Ryggurbauern zerstritten, die sich vom Strick losgerissen und das Ackerland des Pfarrers zertrampelt hatte; deswegen drang der Pfarrer auf den Bauern ein und beschimpfte ihn. Dann war lange Zeit Ruhe, aber später gingen sie wieder aufeinander los, und zuletzt wurde es ganz schlimm. Das kam so: Beinta war verschwenderisch und oft um Geld verlegen. Zu der Zeit besaß Herr Peder ein Paar silberne Schuhschnallen. Die nahm sie und verkaufte sie heimlich an einen Mann in Kirkjar, einem Ortsteil von Miðvágur. Dieser Mann wiederum verkaufte sie an Jógvan, den Bauern auf Ryggur. Der Pfarrer, der die Silberschnallen vermisste, fragte Beinta nach ihnen, aber sie verheimlichte ihm, was sie getan hatte, und sagte, sie müssten gestohlen worden sein. Dann sah Herr Peder eines Tages, wie Jógvan mit diesen Schuhschnallen umherlief, und regte sich so sehr darüber auf, dass er sogleich auf ihn zusprang, ihn beschimpfte und einen Dieb nannte. Der Bauer drohte dem Pfarrer, er werde ihn bei Gericht verklagen, wenn er sich für diese Unterstellung nicht entschuldige. Danach stand der Pfarrer dreimal im Begriff, nach Ryggur hinaufzugehen, um zu versuchen, sich mit dem Bauern zu einigen, aber jedes Mal verspottete Beinta ihn deswegen, sodass er es bleiben ließ. Beim dritten Mal – er hatte seinen Talar an – war der Pfarrer schon bis Liðasteinur gekommen, als Beinta ihm nachrief, dass sie es für einen Pfarrer als entehrend ansehe, hinzugehen und einen Bauernlümmel um Versöhnung anzubetteln; lieber solle er eine Flasche Branntwein austrinken, eine Axt in die Hand nehmen und Jógvan die Tür einschlagen. Wut überkam den Pfarrer; er kehrte um, betrank sich, ging dann mit der Axt nach Ryggur, brach Jógvans Tür auf und nannte ihn wiederum einen Dieb. Da verklagte ihn der Bauer, aber bevor der Prozess beendet war, wurde er krank. Als er im Sterben lag, gingen drei Männer zum Pfarrer und wollten erfahren, wohin der Bauer kommen werde, in den Himmel oder in die Hölle, weil er doch so plötzlich gestorben sei. Der Pfarrer sagte, Jógvan sei gar nicht tot, sie wollten ihn nur zum Narren halten. Deshalb gingen sie wieder nach Hause und eine Weile darauf wiederum zum Pfarrer. Als sie nun dastanden und sich mit ihm unterhielten, schlug er die Hände zusammen und sagte: »Jetzt ist er gerade in die Hölle gefahren.« Bevor die Männer zum Pfarrer gingen, hatten sie den Bauern nämlich in einen Sarg gelegt. Als sie nach Hause kamen, lag er erstickt darin – er war nur scheintot gewesen. Herr Peder hielt dem Ryggurbauern dann die Leichenrede, und hatte er schon früher seine Zunge nicht immer im Zaum gehabt, so ging er nun erst recht zu weit. Seine ersten Worte, als er an das Grab trat, waren: »Nun trete ich an ein Diebesgrab.« Darauf warf er Erde hinein und sagte: »Als Dieb hast du gelebt, als Dieb bist du gestorben, und als Dieb wirst du wieder auferstehen.« Jógvans Witwe fiel auf der Stelle in Ohnmacht, und man brachte sie daraufhin nach Hause.

Peder Arrheboe wurde wegen seines ungebührlichen Betragens von einem Propsteigericht zum Verlust seines Amtes verurteilt. Er blieb nach diesem Urteil aber noch anderthalb Jahre auf dem Pfarrhof Jansagerði wohnen, während Suurland, sein Nachfolger, genötigt war, sich in einem Haus auf Ryggur einzuquartieren. Dann jedoch wurde Herr Peder in einem neuen Urteil des Propsteigerichts dazu verurteilt, aus dem Pfarrhof auszuziehen und die Ortschaft zu verlassen. Beinta und er zogen nach Sandavágur und verlebten dort ihre letzten Jahre in einem Häuschen, das man Haraldsstova nannte. Aber er genoss keineswegs geringeres Ansehen, nachdem ihm Talar und Halskrause aberkannt worden waren. Er half nun noch öfter denen, die bei ihm Rat gegen die unterirdischen Hulden und gegen Zauberei suchten, und die Leute zweifelten nicht daran, dass er auch ausführte, was er sich in solchen Fällen vornahm.

Von Kristoffer í Húsi – demselben, der eine Zeit lang Knecht bei Herrn Niels gewesen war und Beinta in das Urinfass gesteckt hatte – wird überliefert, wie Herr Peder ihm half, Ruhe vor einer Huldenfrau zu finden. Kristoffer war erst Knecht beim Bauern Magnus in Bøur (auf Vágar). Eine Huldenfrau begann, ihn dort heimzusuchen, und sie trieb ihr Spiel mit ihm schließlich so schlimm, dass er aus Bøur fortgehen musste. Er zog nach Miðvágur, heiratete und ließ sich in Hús nieder, und seitdem nannte man ihn Kristoffer í Húsi. Er hatte die Aufgabe, den Pfarrer Peder Arrheboe auf seinen Reisen nach Bøur zu fahren. Einmal, als sie nach Bøur gekommen waren, bat der Pfarrer ihn, über Nacht bei ihm zu bleiben, weil es spät war und dazu schlechtes Wetter, aber Kristoffer sagte, er wolle nicht. Der Pfarrer fragte ihn, warum er nicht bleiben könne, und Kristoffer erklärte ihm, dass er in Bøur vor einer Huldenfrau keine Ruhe finde. Der Pfarrer sagte, wenn es nichts weiter sei als das, werde er ihm schon zu helfen wissen. Daraufhin befahl er, dass alle früh zu Bett gehen sollten. Kristoffer schlief in der Rauchstube, und es brannte Licht; der Pfarrer kam zu ihm und blieb eine Weile, legte dann seine Handschuhe oben auf den Querbalken der Stube und ging hinaus. Geraume Zeit später hörte Kristoffer die Huldin kommen; sie öffnete die Tür, kam aber nur den halben Weg hinein, bis unter den Querbalken, wo die Handschuhe lagen, drehte sich nach allen Seiten und ging dann wieder fort. Früh am anderen Morgen kam der Pfarrer, um nach Kristoffer zu sehen, und fragte ihn, wie es in der Nacht gewesen sei. »Gut«, sagte dieser, »sie kam nur bis unter den Querbalken; dort versuchte sie angestrengt, weiterzukommen, und dann verschwand sie.« – »Das dachte ich mir«, sagte der Pfarrer, »und wenn du es anders gesagt hättest, hättest du gelogen.«

Danach hatte Kristoffer jedes Mal, wenn er in Bøur war, Ruhe vor der Huldin. Aber nun begann sie, ihn in Miðvágur, an seinem Wohnort, heimzusuchen, noch schlimmer als in Bøur, sodass nun rein gar nichts mehr half. Kristoffer bat sie, von ihm abzulassen, aber die Huldenfrau sagte nur, es wäre für ihn viel besser, wenn er sie zur Frau hätte, sie sei eine tüchtigere Frau als seine Steinsitzerin (früher hatte man nämlich Steine als Schemel, um an der Feuerstelle darauf zu sitzen; deshalb nannte die Huldin Kristoffers Frau so). »Nein«, sagte Kristoffer, »die Steinsitzerin ist ein Gotteskind, du aber bist ein Teufelskind.« Also begab sich Kristoffer wieder zum Pfarrer, um ihm seine Not zu klagen. Der Pfarrer fragte ihn, warum er nicht nach Bøur zum Bauern Magnus gehe, um dort zu bleiben. »Nein, Ehrenwerter«, sagte Kristoffer (das war so eine Redensart von ihm), »bei Magnus in Bøur kann ich nicht bleiben, weil er zwei Köpfe hat.« Damit wollte Kristoffer sagen, dass Magnus ein wankelmütiger Mann sei. Der Pfarrer fragte ihn daraufhin, warum er dann nicht eher zu ihm gekommen sei. Zwischen ihm und Beinta sei etwas vorgefallen, antwortete Kristoffer, er habe sie einmal in ein Urinfass gesteckt, als sie ihren früheren Mann, Herrn Niels, verprügelt hatte. Der Pfarrer gab ihm den Rat, den Wohnsitz zu wechseln, und so zog Kristoffer nach Velbastaður auf Südstreymoy. Dort blieb er eine Zeit lang, aber bald war es wieder genauso schlimm wie vorher, denn die Huldin war auch dort hinter ihm her.

Kristoffer sah schließlich keinen anderen Ausweg mehr, als mit dem Boot nach Vágar zu fahren und ein drittes Mal Hilfe beim Pfarrer zu suchen. Er tat es nur widerstrebend, hatte er sich doch damals bei Beinta unbeliebt gemacht. Er legte in Sandavágur an, wo Herr Peder nach seiner Amtsenthebung wohnte. Die Männer saßen am Abend alleine in der Rauchstube. Dann bat der Pfarrer Kristoffer, sich schlafen zu legen. Später, als der Morgen zu dämmern begann, kam die Huldin, aber der Pfarrer nahm sie in Empfang, schwang seinen Stock und trieb sie hinaus, zuerst durch die Tür der Rauchstube, dann über den Hof zum Strand hinunter, dann wieder in umgekehrter Richtung den ganzen Weg nach Hvítagrót in Giljar hinaus (auf dem Weg nach Miðvágur) – er wollte keinen Männern begegnen, die zum Fischen auf See hinausfuhren –, und dann begann er, sie nach und nach ins Erdreich zu bannen, wobei er Bibelverse und Gebete sprach. Als ihr Kopf fast ganz im Sand verschwunden war, setzte er seine Ferse darauf und schrieb mit dem Stock über ihr.

Die Fischer, die hinausfuhren, sahen unterhalb von Hókur ein Huldenboot liegen mit den acht Männern, welche die Huldin hergerudert hatten. Der Pfarrer verbot jedermann, sich nordwärts zum Strand zu begeben, bevor die Flut wieder darübergelaufen sei, und niemals ist ein Befehl besser befolgt worden als dieser. Dann kehrte der Pfarrer zu Kristoffer ins Haus zurück und trieb ihm den bösen Geist aus. Besonders neugierige Leute in Sandavágur sahen, wie etwas durch den Rauchfang hinausfuhr. Daraufhin fand Kristoffer endlich Frieden. –

In der Haraldsstova in Sandavágur verlebte Peder Arrheboe oder der »Alte Pfarrer«, wie er auch genannt wurde, seine letzten Jahre nach der Amtsenthebung. Dort in Sandavágur beschäftigte er sich damit, zum Fischen hinauszurudern; und eine besonders fischreiche Stelle, die er entdeckte, wird nach ihm »Fischstelle des Pfarrers« genannt. Sie liegt zwischen Klovningur und Presttangi, eine Seemeile vom Land entfernt. Der Amtsrichter, der beobachtet hatte, wie Herr Peder auf das Weideland zu den Torfstapeln hinausging und Torfbrocken sammelte, bekam Mitleid mit ihm und stellte ihn als Lehrer für seine Kinder an. Mehrere Schüler gingen dann zu Herrn Peder in Sandavágur, und der eifrigste von ihnen war Bartals-Jákup. Aber Beinta verachtete sie und schüttete Wasserkübel über sie aus, wenn sie kamen.

Herr Peder musste in Sandavágur keine Not leiden. Solange er lebte, erhielt er von seinem Nachfolger auf dem Jansagerðihof zwanzig Schafe und Winterfutter für drei Kühe. Auch erhielt er von verschiedenen Männern Schafe geschenkt, und er bekam den Zehnten der Fische, die von zwei Booten in Sandavágur gefangen wurden, von denen eines das Boot des Amtsrichters war.

Oft kamen Leute von weit her, um den »abgesetzten Pfarrer« zu sehen. Eines Tages, als Herr Peder am Strand entlangging, kam ein unbekannter Mann, der soeben in der Ortschaft eingetroffen war, zu ihm und bat ihn, ihm den abgesetzten Pfarrer zu zeigen. Herr Peder versprach das; jedoch habe er erst noch eine kleine Besorgung zu erledigen, sagte er, werde aber danach sofort zurückkommen. Der Fremde ging unten am Strand auf und ab und wartete geraume Zeit, aber niemand kam. Da ahnte er schließlich, dass es wohl Peder Arrheboe selbst gewesen war, mit dem er gesprochen hatte.

Von Beinta bleibt noch zu sagen, dass sie, als sie in Sandavágur wohnte, oft mit einem Sack von Ort zu Ort ging und darum bat, dass man ihn für sie fülle. Einmal kam sie nach Lamba auf Eysturoy und bat die Hausherrin, ihr einen Korb mit Korn zu füllen. Die Hausherrin in Lamba meinte zwar, es stehe ihr nicht gut an, um Korn zu betteln, aber sie sorgte gleichwohl dafür, dass sie es bekam. Die letzten Worte Beintas, als sie auf dem Sterbebett lag, waren »Schwarzkorn und Weißkorn«.

Herr Peder überlebte Beinta um einige Jahre. Da war er auf seine alten Tage nun ganz allein, und als man ihn fragte, wie er zurechtkomme, antwortete er: »Die Trolle tragen mir das Wasser; aber ich muss selbst Teig kneten und die Asche tragen.« In der Holzwand seines Hauses war ein schmales Loch, durch das er die Trolle hinausfahren ließ, wenn er sie aus dem Haus haben wollte. »Hu«, entfuhr es ihnen, wenn sie durch das Loch entwichen – so eng war es. Hinein zu ihm kamen sie immer durch die Tür. Er selbst ging mit dem Melkeimer hinaus und bat die Kuhmägde, seine Kuh zu melken. »Wer will diesen gefährlichen Melkeimer haben?«, fragte er.

Und als Herr Peder auf dem Sterbebett lag, wollten manche bei ihm wachen, aber er wollte es ihnen nicht gestatten. »Die Männer in den weißen Gewändern wachen über mir«, sagte er. Am Morgen darauf war er tot.

(Publ. 1898)

Regin í Líð

Eyðun

Vorspiel

Am hohen Himmel blinken

Die Glücks-Sternschnuppen hell.

Von tausend Wogen sinken

Zitternd Funken schnell.

Nicht leicht lässt sich entwinden

Der Weg auf Meer und Land.

Des Lebens Glück zu finden

Vermag des Sel’gen Hand!

Die Unglückshand es nie entdeckt,

Des Lebensglückes Gold,

Auf alle Zeit bleibt es versteckt,

Wenn dir das Los nicht hold.

Blank lag der Vágurfjord da, denn es regte sich kein Lüftchen. Auf der Wasserfläche spiegelten sich die Felsen. – Ein windstiller Tag im September. Alles Leben, das die Wärme des Sommers hervorgebracht und vermehrt hatte, ging zu Ende, näherte sich seiner Todesstunde oder ruhte bereits im Todesschlummer.

Den Weg zur Kirche herunter kamen sechs Männer, die einen Sarg trugen; drei Männer gingen vorneweg und sangen das Begräbnislied. Wenige folgten dem Sarg, kein Auge war feucht, der Tote hatte gewiss nicht viele Angehörige im Dorf gehabt.

Der Gesang klang recht kümmerlich zwischen den langsam fallenden Glockenschlägen. In einiger Entfernung war Grölen zu hören. Auf einem Bauernhof wurde das Heu eingebracht, und jetzt um die Mittagszeit hatten die Männer bereits einiges getrunken.

Als der Gesang verstummte, war alles so still, so still; das Grölen der Männer, die mit dem Heu beschäftigt waren, ließ diesen Frieden noch stiller erscheinen, wie etwas Besonderes, das nicht zum Leben gehört.

Als der Tote begraben war, gingen alle vom Friedhof nach Hause, denn da war keiner, der sie auf ein Glas zu einer Totenfeier einlud. Jene, die den Sarg getragen hatten, wischten sich die Erde von den Schuhen; denn Friedhofserde soll man nicht mit sich nach Hause tragen.

Eine Weile hörte man noch die Schaufelschläge des Totengräbers, der das Grab glatt klopfte, dann war alles vorbei.

Eyðun war beerdigt worden; an einem der folgenden Sonntage würde der Pfarrer drei Schaufeln Erde auf sein Grab werfen.

Ja, wer war denn nun Eyðun? – Solange er lebte, gab es auf diese Frage keine Antwort, man wusste nur, dass er aus dem Norden kam; aber da für die Leute auf Suðuroy jeder nördlich des Fjords aus dem Norden stammt, war dies eine ebenso kurze wie ungenaue Antwort.

Einen wunderlicheren Mann als Eyðun hatte das Dorf Vágur nie gesehen, darin waren sich am Tag nach seiner Ankunft alle einig; nun, nachdem er dreiundzwanzig Jahre hier gelebt hatte, erregte sein Benehmen kein Aufsehen mehr; und wenn sie ihn auch nicht betrauerten, vermissen würden sie ihn gleichwohl, denn alle hatten Eyðun gekannt, am besten vielleicht die Kinder.

Wie war Eyðun aber nach Vágur gekommen? – Ja, eines Morgens in der Dämmerung verließ ein Schiff die Bucht, und Eyðun stand am Landungsplatz. Ein Sack und eine Kiste, das war sein ganzes Gepäck! Niemand wusste, woher das Schiff gekommen war, und niemand erfuhr, wohin es wollte.

Man hörte an seiner Sprache, dass er von den nördlichen Inseln stammte, aber aus dem Norden kam er jetzt nicht. Wenn man ihn fragte, woher er sei, antwortete er nur, er komme aus dem Ausland.

Eyðun bat nicht um Obdach, und niemand lud ihn zu sich ein, so verbrachte er die erste Nacht im Freien, aber es war Sommer, und er musste nicht frieren.

Es gab einen Ort, der Am Huldugil genannt wird. Dort standen seit langem die Überreste eines Hauses. Der Huldugil ist ein großer Wildbach, der steil in die Tiefe stürzt; daher ist dort meist ein mächtiges Getöse zu hören. Der frühere Besitzer war von dort weggezogen, weil seine Frau das ständige Getöse nicht ertrug – so hatte er selbst gesagt, es gab aber nicht wenige, die meinten, der Grund sei wohl eher das graue Völkchen gewesen, das dort sein Unwesen treibe.

In diesen Mauerresten saß Eyðun am Morgen nach seiner Ankunft im Dorf. Er hatte sein Gepäck hierher getragen, und nachdem die Dorfbewohner aufgestanden waren, erkundigte er sich als Erstes danach, wem die Ruine gehörte, und dann besuchte er den Mann.

Bald kannten alle das Ergebnis ihres Gespräches: Eyðun hatte die Ruine am Huldugil gekauft und zwanzig Pfund in englischen Goldmünzen für sie gezahlt.

Am selben Tag bestellte er Handwerker und Material. Die Ruine sollte so hergerichtet werden, dass sie bewohnbar wäre. Es war nichts Großartiges, das Eyðun machen ließ: ein Dach über den Kopf und eine Feuerstelle; doch gab es zwei Zimmer im Haus.

Die Leute wunderten sich über Eyðun und hätten gerne gewusst, was er für einer sei; aber wenn jemand anbot, ihm bei irgendetwas behilflich zu sein, lehnte er dankend ab, immer höflich, doch auf eine solche Weise, dass keiner es ein zweites Mal versuchen mochte.

Dass die Kiste, die er mitgebracht hatte, Bücher enthielt, war das Einzige, was sie erfuhren.

So verbrachte Eyðun sein Leben im Dorf, jedoch in Zurückgezogenheit von den Dorfbewohnern. Die Kinder waren die Einzigen, die ihn besuchten. Wenn sie draußen zwischen den Häusern spielten, stand er manchmal dabei und sah ihnen zu; er war ein hoch gewachsener Mann, und obschon er noch nicht sehr alt war, waren Haar und Bart schlohweiß. Wenn er jemanden ansah, war es, als ob sein verschleierter Blick durch ihn hindurchging und träumend in weiter, weiter Ferne hing; bisweilen aber bekamen seine Augen einen weichen, gutmütigen Ausdruck, und zwar immer dann, wenn er eine Weile dagesessen und den kleinen Kindern beim Spielen zugesehen hatte. Wenn sie sich am Ende dann zu ihm hintrauten, bekamen sie stets etwas Lustiges zu sehen, meist waren es Bilder aus den Büchern, die er besaß; mitunter erzählte er ihnen auch eine Geschichte.

Eyðun tat nichts; er lebe ausschließlich von seinem Geld, sagten die Leute und meinten, er müsse reich sein. Doch war es keineswegs so, dass Eyðun, was Kleidung und Nahrung anbelangte, irgendeine Form von Reichtum zeigte; denn einen sparsameren Menschen als Eyðun gab es nicht.

Bei Nebel ging er immer hinaus, und wenn der Nebel die Felsgipfel freiließ, konnte man sicher sein, dass ihn sein Weg nach Westen zur Steilküste führte. An solchen Tagen war er oft dabei gesehen worden, wie er ganz dicht am Abgrund entlangging.

Mitunter stand oder lag er da und starrte in den Nebel hinunter, wo die Trottellummen schrien.

Dreiundzwanzig Jahre lang wohnte Eyðun am Huldugil; eines Tages aber, spät in der Vogelfangsaison, verschwand er, von niemandem bemerkt.

Da er so zurückgezogen lebte, dauerte es zwei volle Tage, bis sein Verschwinden entdeckt wurde. – Es waren die Kinder, die ihn als Erste vermissten.

Von Mund zu Mund machte das Gerücht die Runde durchs Dorf: Eyðun vom Huldugil ist verschwunden, in den Bergen zu Tode gekommen, ist abgestürzt, hat sich davongemacht – im Grunde wusste niemand etwas.

Und da keiner von sich aus auf den Gedanken kam, nach ihm zu suchen, dauerte es einen weiteren Tag, bis jemand die Sache in die Hand nahm und einige Leute losschickte.

Man suchte in der Umgebung des Dorfes und fragte in den Nachbardörfern, fand und erfuhr aber nichts. Und weil er immer die Steilküste entlangkletterte, meinten die Leute, es sei am wahrscheinlichsten, dass er abgestürzt sei.

Eines Tages gingen zwei Männer unterhalb der schroffen Felswand im Westen der Insel an Land, und dort fanden sie Eyðun. Er lag auf der Klippe, mit dem Kopf nach unten. Als Schultern und Nacken auf die Klippe aufschlugen, hatte die Wucht des Aufpralls seine Knie gegen die Brust gedrückt. Sein großer weißer Bart hing über seinem Gesicht.

Sie waren nicht überrascht, Eyðun hier zu finden, aber es war ihnen doch seltsam zumute. Schweigend gingen sie zum Boot, um das Segel zu holen, in das sie den Toten einwickelten. Als sie ihn aufhoben, bemerkten sie, dass sein Genick völlig zermalmt war.

Dann luden sie Eyðun ins Boot und brachten ihn ins Dorf zurück. Er wurde im Haus am Huldugil aufgebahrt, und nachdem er beerdigt war, dachten die Leute, seine Lebensgeschichte würde für immer verborgen bleiben. Und das wäre sie sicher auch, wenn er nicht selbst dazu beigetragen hätte, sie ans Licht zu bringen.

Wer aber sollte Eyðun beerben? – Das war die Frage, die nun aufgeworfen wurde. Solange er lebte, hatten sich die Leute nicht um seine Familienverhältnisse gekümmert; jetzt aber wollten alle gerne wissen, was es mit diesen auf sich habe. Denn dass er Geld gehabt hatte, daran zweifelten sie nicht, und es ging das Gerücht, er habe einen großen Kasten mit Banknoten irgendwo vergraben.

Keiner traute sich, etwas im Haus anzufassen; denn alle waren fest davon überzeugt, dass es dort oben nicht mit rechten Dingen zuging.

Die Bücher, die er besessen hatte, waren ohne Zweifel Zauberbücher, und man erzählte sich, dass sie so mächtig seien, dass derjenige, der sie berühre, augenblicklich an ihnen hängen bleibe, und wenn einer ihm helfen wolle, würde es nur noch schlimmer, denn dann würden beide festhängen. Die Leute mieden deshalb das Haus am Huldugil und blickten in der Dämmerung nur furchtsam und verstohlen zu ihm hinauf. Als eine wahre Begebenheit erzählte man sich auch, dass eine Frau, die eines Abends spät auf dem Weg zwischen den Dörfern unterwegs war, etwas unbeschreiblich Furchtbares gesehen hatte: einen großen grauen Vogel, der in sausender Fahrt von den Felsen herabstürzte und direkt durchs Dach ins Haus am Huldugil flog.

Dann wieder war ein kleines Mädchen außer sich gewesen vor Angst, weil eine große graue »Haut« den Hang hinabgeschossen kam und geradewegs unten beim Landungsplatz ins Meer stürzte.

Auf dem Höhepunkt all dieser Gerüchte kam ein Boot aus dem Norden mit dem Chef der örtlichen Polizei, und der ließ alle bewegliche Habe aus dem Huldugil-Haus mitnehmen.

Nun erfuhr man auch, woher Eyðun stammte. Es hieß, seine Frau sei kurz nach der Hochzeit verrückt geworden, und aus Kummer darüber habe er das Land verlassen.

Nun sind, seit Eyðun lebte, viele Menschenalter vergangen. Vom Haus am Huldugil ist kein Stein mehr übrig. Heute heißt der Ort auch anders, glaube ich.

Vor vielen Jahren war ich überall im Land unterwegs, um nach alten Dingen zu suchen, und grub häufig auf alten Grundstücken und Hügeln, über die man Sagen erzählte. Meine Reise führte mich auch nach Vágur; hier hörte ich die Geschichte von Eyðun, und man zeigte mir den Hügel, wo er seine Besitztümer vergraben haben soll.

Niemand hatte je gewagt, dort zu graben, und viele rieten mir von einem so gefahrvollen Unterfangen ab. Ich tat es trotzdem und habe es nicht bereut, so groß war der Schatz, den ich fand.

Tief in der Erde stieß ich nämlich plötzlich auf eine Schachtel, und in der Schachtel war ein kleiner Kasten aus Kupfer; er war nicht verschlossen, aber der Deckel saß sehr fest. In diesem Kästchen fand ich Eyðuns Lebensgeschichte.

Auf ziemlich vergilbten, zu einem Bündel zusammengerollten Papierstücken stand seine Geschichte geschrieben. Lassen wir Eyðun sie selbst erzählen:

I.

Nun ist es recht lange her, seit ich hierher gekommen bin, und noch immer bin ich zu keiner Entscheidung gelangt – das Beste wird wohl sein, so von hier fortzugehen, dass keiner erfährt, wer ich bin. Ich bin mir ganz sicher, dass ich das, was mir draußen in der weiten Welt nie gelungen ist, hier zu Wege bringe. – Dort hat immer etwas meine Gedanken abgelenkt, sodass ich gerade das Gegenteil von dem tat, was ich eigentlich wollte; ich plagte mich für ein Leben, das mir eine einzige Last war, statt für den Tod, den ich ersehnte – Ruhe – Versöhnung – Buße –.

II.

Wie seltsam das Schicksal doch manchmal mit einem verfährt. Ich fürchte, dass ich es auch jetzt nicht zustande bringe.

Es ist doch ein eigenartiges Gefühl, wieder in seinem Heimatland zu sein. Gestern ging ich zum Kliff hinauf in der nämlichen Absicht; aber – … – Als ich aus dem Haus ging, war es neblig, und ich fühlte mich so geborgen, so unsichtbar für alle Lebewesen.

Am Rand der Steilküste wurde die Sicht glasklar, und ich sah das Meer in der Sonne glitzern. Einige Fischer hatten die Handleinen ausgeworfen, ich sah, wie sie zum Fanggrund zurückruderten, wenn sie abgedriftet waren.

Bei meinem Aufstieg hatten die Vögel wohl wie immer geschrien, aber ich hörte sie erst jetzt – die Austernfischer, welche die Raubvögel verjagten, die Regenbrachvögel mit ihrem lang anhaltenden, ständigen Rufen –, mir wurde ganz warm ums Herz; und der Goldregenpfeifer – ja, ich hatte nicht erwartet, dass ich dies noch einmal hören würde, und ich weinte – weinte wie damals, als ich ein Kind war und das Böse bereuen konnte, das ich getan hatte.

Und dann kamen alle Kindheitserinnerungen hoch, spielten in meinem Kopf wie eine fröhlich vergnügte Kinderschar. – Auch Malan war dabei – ihr blondes Haar flatterte im Wind, ihr Gesicht war vom schnellen Lauf gerötet. Ich war wohl kurz davor, verrückt zu werden, denn ich streckte die Hand nach ihr aus; im selben Augenblick hörte ich den Schrei einer Trottellumme – er klang wie spöttisches Gelächter und brachte mich in die Wirklichkeit zurück.

Hastig wandte ich mich der Felskante zu; die hohe Felswand fiel senkrecht nach unten ab, und der Nebel hüllte das Meer ein – die Gelegenheit war günstig – doch es kam nicht dazu. – Ich begann darüber nachzudenken, ob ich wohl seitlich oder kopfüber fallen würde – ob ich fallen würde, wie ich gesprungen war, oder ob ich mich in der Luft drehen würde. – – Ach, nichts als Angst, einfach abscheuliche Angst! Aber nein! Angst ist es doch nicht, denn wie früher macht es mir nichts aus, in die Tiefe zu schauen –.

Es ist verhängnisvoll, wenn wir über unsere eigenen Gedanken nachzudenken beginnen. Dann kommt nichts zustande.

III.

Womöglich liegt alles Unglück auf Erden im Gedächtnis verborgen. Würden wir nichts von dem Gewesenen erinnern, sondern nur das Kommende erstreben – vielleicht wären wir dann glücklich?

Es ist seltsam, wie klar meine Erinnerungen geworden sind, seit ich hierher kam, um Frieden zu finden.

Wie ich heute Abend auf der Türschwelle saß und den Kindern beim Spielen zusah, kam mir mein Heimatdorf so lebhaft in Erinnerung.

Genauso tollte ich einmal umher; ich erinnerte mich, wie mein Herz vor Freude hüpfen konnte, wenn ich die anderen Jungen draußen am Wasser spielen sah und dem Karten der Wolle oder irgendeiner anderen langweiligen Arbeit entkommen war. Mein Verlangen, bei ihnen zu sein, war so stark, dass ich mehr flog als rannte, und trotzdem schien es mir eine Ewigkeit zu dauern, bis ich bei ihnen war.