Von wegen, man lebt nur einmal -  - E-Book

Von wegen, man lebt nur einmal E-Book

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Beschreibung

Die Freundinnen Stella und Luisa haben bereits ihre ersten Enttäuschungen in Sachen Liebe hinter sich. Doch gerade als sich bei Stella eine neue vielversprechende Beziehung anbahnt, wird sie wieder von ihrer Vergangenheit eingeholt. Vor Jahren hatte sie eine Rückführung in ein früheres Leben unternommen, um einem Problem auf den Grund zu gehen. Dabei machte sie Erfahrungen, die ihre Lebenseinstellung für immer veränderte und gerade jetzt erneut für höchste Aufregung sorgt. Luisa, die selbst überzeugt ist, nur Pech in der Liebe zu haben, beginnt ebenfalls, allerdings auf ihre eigene Art, frühere Inkarnationen zu erleben und erfährt dabei Unglaubliches. Nach und nach kristallisiert sich heraus, dass irgendwie alles und jeder in ihrem Leben, miteinander in Verbindung zu stehen scheint und nichts zufällig geschieht.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Einführung

Die Freundinnen Stella und Luisa haben bereits ihre ersten Enttäuschungen in Sachen Liebe hinter sich. Doch gerade als sich bei Stella eine neue vielversprechende Beziehung anbahnt, wird sie wieder von ihrer Vergangenheit eingeholt.

Vor Jahren hatte sie eine Rückführung in ein früheres Leben unternommen, um einem Problem auf den Grund zu gehen. Dabei machte sie Erfahrungen, die ihre Lebenseinstellung für immer veränderte und gerade jetzt erneut für höchste Aufregung sorgt.

Luisa, die selbst überzeugt ist, nur Pech in der Liebe zu haben, beginnt ebenfalls, allerdings auf ihre eigene Art, frühere Inkarnationen zu erleben und erfährt dabei Unglaubliches.

Nach und nach kristallisiert sich heraus, dass irgendwie alles und jeder in ihrem Leben, miteinander in Verbindung zu stehen scheint und nichts zufällig geschieht.

An diesem Montag fährt Stella mit sehr gemischten Gefühlen zur Arbeit. Einerseits brennt sie darauf ihrer Freundin Luisa alles zu erzählen, was sie an diesem Wochenende Aufregendes erlebt hat, andererseits hat sie Angst von Luisa ausgelacht, oder schlimmer noch, für verrückt erklärt zu werden. Angesichts der Tatsache, dass diese Neuigkeiten überaus bizarr sind, würde es sie nicht wundern.

Als die beiden auf dem Flur zu den Büros aufeinandertref-fen, will Luisa ihre Freundin zur Begrüßung gerade umarmen, als ihr der aufgewühlte Gesichtsausdruck von Stella auffällt.

„Was ist los, hast du schlecht geschlafen?“, fragt Luisa.

„An schlafen war gar nicht zu denken“, winkt Stella ab und verdreht dabei die Augen.

„Wow, dein neuer Freund scheint ja ein echter Glücksgriff zu sein. Naja, ihr seid ja auch erst vier Wochen zusammen. Das lässt mit der Zeit nach und dann bist du morgens auch wieder ausgeschlafen“, kichert Luisa.

„Nein, Quatsch. Doch nicht das, was du schon wieder denkst!“, regt sich Stella auf, muss aber selbst lachen.

„Den Grund dafür muss ich dir dringend erzählen, aber nicht jetzt und auch nicht hier.“

In diesem Moment tritt der Chef der beiden auf den Flur. Ein freundliches „Guten Morgen die Damen“, veranlasst beide zurückzugrüßen und sich an ihre Arbeitsplätze zu begeben.

„Bis zur Frühstückspause!“, ruft Stella Luisa noch schnell hinterher, da beide in verschiedenen Büros arbeiten.

Während Stella sich an ihrem Arbeitsplatz einrichtet, gehen ihr die Gedanken nicht aus dem Kopf, mit denen sie sich schon seit gestern herumschlägt. Immer wieder steigen diese Bilder in ihr hoch und ständig scheint sie sich in dieser anderen Wirklichkeit zu verlieren. Starke Gefühle machen sich wieder in ihr breit, Gefühle, von denen sie bis gestern noch nicht einmal geahnt hatte, dass sie existieren. Die Versuchung ist groß, den Film vor ihrem inneren Auge noch einmal ablaufen zu lassen und erneut in die Vergangenheit einzutauchen, um sich wieder diesem faszinierenden Erlebnis hinzugeben. Doch dann reißt sie sich zusammen und beginnt mit ihrer Arbeit.

Zwei Stunden später, in der Frühstückspause kann Stella es nicht mehr abwarten, endlich mit zwei Kaffeetassen bewaffnet, ihre Freundin aufzusuchen. Auf dem Flur kommt ihr Luisa schon mit der Brötchentüte winkend entgegen.

„Gehen wir nach draußen?“, fragt Luisa.

„Klar“, sagt Stella „zu unserem Stammplatz“.

Stella und Luisa sind fast bei jedem Wetter draußen. Doch heute, wo die Frühjahrssonne schon richtig kräftig scheint, hatten anscheinend fast alle Kolleginnen und Kollegen die gleiche Idee. Der Stammplatz ist bereits besetzt, sowie die meisten anderen Plätze auch. Den beiden bleibt keine andere Wahl, als sich irgendwo dazuzusetzen.

Da ein vertrauliches Gespräch zu führen nicht möglich erscheint, flüstert Luisa auf dem Weg zum Sitzplatz: „Geht es um Ben, was du mir erzählen wolltest?“

„Ja, auch, aber hauptsächlich um eine ganz alte Geschichte“, flüstert Stella zurück.

„Bitte?“, Luisa runzelt fragend ihre Stirn, wobei ihre braunen Augen erwartungsvoll aufblitzen.

„Jetzt hast du mich aber echt neugierig gemacht“, drängelt Luisa.

„Ich kann es auch schon nicht mehr abwarten, dir alles zu erzählen, aber wahrscheinlich wird es in der Mittagspause genauso aussehen, dass wir nicht reden können. Wollen wir uns heute Abend treffen?“, fragt Stella.

„Hast du denn heute Abend Zeit? Ich könnte es wohl einrichten, dann gehe ich mal nicht zum Sport. Jetzt will ich auch endlich wissen, was los ist, dafür nehme ich mir die Zeit“, entscheidet sich Luisa.

„Dann lass uns heute Abend bei mir mal wieder Mädels Abend machen. Ich kann uns ja ʼne Pizza backen. Der Abend kann lang werden, mach dich auf was gefasst, denn ich erzähle dir dann eine echt abgefahrene Geschichte. Und das Beste daran ist, dass sie mir wirklich passiert ist!“

*

Montagabend bei Stella.

Die Wohnung ist klein, aber sehr gemütlich. Ein bordeauxrotes Sofa und ein Ohrensessel mit Rosenmuster teilen sich mit einem runden Glastisch einen weißen Flauschteppich. An den altrosafarbenen Wänden hängen Bilder, die Stella selbst gemalt hat. Die meisten davon sind Bleistiftzeichnungen von mystischen Burgen und Schlössern, aber auch von Katzen, die ihre absoluten Lieblingstiere sind.

Um halb sieben klingelt es bei Stella. Sie drückt den Türöffner und ein kurzer Blick ins Treppenhaus bestätigt ihre Erwartung; Luisa kommt die Treppen hoch geeilt.

„Wie immer pünktlich“, empfängt Stella sie.

„Na klar, du kennst mich doch! Außerdem habe ich schon Mordshunger und gespannt auf deine Story bin ich erstmal! Was gibt es denn für ʼne Pizza?“

„Deine Lieblingspizza, Thunfisch mit Zwiebeln und ganz viel Käse“, sagt Stella.

„Da bin ich ja beruhigt. Hast du den Teig auch selbst gemacht?“, fragt Luisa mit einem verschmitzten Lächeln.

„Würde ich es wagen, dir eine Fertigpizza vorzusetzen, wo du es mit dem Kochen doch immer so genau nimmst?“, entrüstet sich Stella und schiebt das Backblech mit der Pizza in den Ofen.

„Möchtest du Wasser zum Essen?“, fragt Stella.

„Gerne, und jetzt erzähl schon, was war denn am Wochenende?“, drängelt Luisa.

„Ja, ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll. Das ist alles so kompliziert und verrückt. Ben und ich waren Samstag ein bisschen shoppen“, beginnt Stella.

„Das ist in der Tat ziemlich seltsam“, kichert Luisa. „Ein Typ, der freiwillig mit seiner Freundin shoppen geht. Die meisten kriegen schon die Krise, wenn man nur das Wort Shoppen in den Mund nimmt. Aber das wird es wohl nicht gewesen sein, weshalb du so einen Wirbel machst?“

„Nein. Also, wir kommen an diesem Buchladen vorbei und draußen sind Tische mit Angeboten. Ich lass’ so meinen Blick schweifen und mir fällt ein ganz toller Bildband auf. Vorne drauf sind wunderschöne Landschaftsaufnahmen und als ich den Namen des Fotografen lese, trifft mich fast der Schlag!“

„Wieso?“, fragt Luisa überrascht.

„René Porter!“, schießt es aus Stella heraus. „Plötzlich wurde ich wieder überschüttet mit alten Erinnerungen und die ganzen Gefühle von damals kamen wieder hoch. Ich konnte mich Ben gegenüber kaum noch normal verhalten.“

„Aber wer ist denn dieser René Porter? Ein Exfreund von dir?“, hakt Luisa nach.

„Ja, es war zwar nur eine kurze Beziehung, aber sie hatte eine intensive Wirkung“, verrät ihr Stella.

Das Gespräch der beiden wird vom Piepen des Backofens unterbrochen. Stella springt auf, um in die Küche zu gehen. Während sie die Pizza auf dem Backblech zerteilt, holt Luisa zwei Teller aus dem Küchenschrank und fragt: „Was meinst du damit? Warst du extrem verliebt in ihn und bist es immer noch?“

„Das war total merkwürdig zwischen uns. Ach, ich muss am besten ganz von vorne anfangen. Ich habe ja meinen Führerschein gemacht, als ich noch bei meinen Eltern wohnte. Als ich zum ersten Mal zum theoretischen Unterricht in die Fahrschule kam, war der Raum fast voll mit Fahrschülern. Nur neben einem Jungen weiter hinten war noch ein Platz. Also habe ich ihn gefragt, ob der Platz noch frei wäre. Und als er zu mir hochschaut und sagt: „Bis jetzt noch“, war ich schon wie elektrisiert. Der sah mega gut aus und ich frag’ noch: «Wieso, bis jetzt noch?», und er ganz selbstbewusst: «Weil du da gleich sitzt». Ich habe die ganze Zeit so getan, als wenn er mich nicht interessiert, man kennt ja diese Schönlinge, bilden sich wer weiß was ein und glauben, alle Mädels würden ihnen zu Füßen liegen. Aber nicht mit mir, ich hab’ die ganze Zeit getan, als wäre er Luft. Ehrlich gesagt, fand ich es aber auch gut, dass wir dann immer nebeneinander saßen. Schließlich kamen wir dann doch ins Gespräch und ich habe gemerkt, dass er ganz anders war, als ich es gedacht hatte.“

„Typisch Vorurteile“, räumt Luisa ein, die inzwischen schon ihr erstes Stück Pizza verspeist hat. „Jetzt iss auch erstmal was, schmeckt super. Es geht eben nichts über Hefeteig, der mit frischer Hefe zubereitet wurde.“

Stella fährt fort: „Also René hat nicht geraucht, keinen Alkohol getrunken und ging nicht mal in Clubs!“

„Was? So was gibt es auch noch? Das ist echt nicht normal, oder? Was hat der denn so gemacht?“, fragt Luisa ganz überrascht und nippt an ihrem Glas.

„Tja, neben seinem Abiturstress, oder wahrscheinlich eher als Ausgleich, hat er stundenlang fotografiert. Meistens draußen in der Natur. Er hat mich total überrascht mit seiner Art, und als er dann auch noch Interesse an mir zeigte, fühlte ich mich sehr geschmeichelt. Du weißt ja, dass ich auch gerne mal feiern gehe, tanzen und Spaß haben ist eben mein Ding. Gegen Raucher hatte ich allerdings immer schon etwas und auch dieses Komasaufen finde ich abscheulich. Ein Gläschen Wein kann man sich ja mal genehmigen, aber man muss es ja nicht übertreiben. Auf jeden Fall fand ich diese Abstinenz bei René ganz attraktiv, von seinem Aussehen ganz zu schweigen. Irgendwann hat er mir dann gesagt, dass er den Prüfungstermin hat und wenn alles gut geht, käme er nicht mehr zum Unterricht, und ob wir mal zusammen Essen gehen wollten. Ich hab’ natürlich ja gesagt und dann haben wir uns regelmäßig verabredet. In seiner Nähe hab’ ich mich immer total wohl gefühlt. Ich kann das gar nicht richtig beschreiben, da war so eine Vertrautheit. Bloß, was mir ziemlich schnell aufgefallen ist, war dass wir total unterschiedlich tickten. Er hatte überhaupt keinen Plan, was er später beruflich machen wollte. Als ich ihn mal darauf ansprach, was er denn studieren wollte, meinte er nur, dass er keine Ahnung hätte. Der Beruf, den er ausüben möchte, müsste erst noch erfunden werden. Auf keinen Fall könnte er es den ganzen Tag an irgendeinem Schreibtisch aushalten. Und sowieso hätte er keine Lust, sich von einem Chef ständig Vorschriften machen zu lassen. Er würde sein Abitur auch nur auf Biegen und Brechen durchziehen, weil sein Opa ihm, wenn er besteht, 2000 Euro schenkt. Und das Erste, was er damit machen würde, wäre nach Australien fliegen, um Verwandte zu besuchen. Als Anlaufstelle quasi und dann mit Rucksack und Zelt quer durch Australien trampen. Als er mir das erzählte, musste ich schon schlucken, denn da sah ich mich nicht. Einmal hatte er mich zum Zelten überredet, ich kann dir sagen, das ist nichts für mich. Wenn es nicht so angenehm gewesen wäre, in seinem Arm einzuschlafen, hätte ich mitten in der Nacht die Flucht ergriffen und wäre nach Hause gefahren.“

Stella nippt an ihrem Glas und ihr Blick verrät, dass sie noch ganz in der Vergangenheit gefangen ist.

„Ohje“, seufzt Luisa „da treffen ja zwei ganz unterschiedliche Welten aufeinander. So ein Leben als Rucksacktourist kann ich mir bei dir auch überhaupt nicht vorstellen. Vor allen Dingen nicht, wenn man nicht mal weiß, wovon man leben soll. Gerade du mit deinem Sicherheitsdenken. Ich kann mich noch erinnern, als ich dich gefragt habe, warum du nicht Künstlerin geworden bist, statt Fremdsprachenkorrespondentin. Bei deinem Talent zu malen und zeichnen. Du hast mit so einer Überzeugung argumentiert, dass Künstler immer am Hungertuch nagen und sowieso erst nach ihrem Tod berühmt werden, da dachte ich schon, na die weiß ja genau, was sie will und was nicht. Ist doch klar, dass das dann mit so einem Luftikus auf Dauer nichts werden konnte.“

„Ja, leider waren wir zu unterschiedlich, was unsere Vorstellung bezüglich unserer Zukunft betrifft. Als ich dann auch noch davon anfing, dass ich auf jeden Fall Kinder haben möchte, hat er endgültig die Reißleine gezogen. Darauf hat er überhaupt nicht reagiert, sondern wurde einfach nur ganz still und nachdenklich. Über das Thema wurde auch nicht mehr gesprochen, aber er distanzierte sich immer mehr von mir. Ich dachte er hat kaum noch Zeit für mich, weil er so viel lernen musste fürs Abi, aber das war es wohl nicht allein. Dann kam der Tag, an dem wir genau sechs Monate zusammen waren. René hatte sich endlich mal wieder Zeit für mich genommen. Ich freute mich schon darauf, dass er zu mir nach Hause kommen wollte. Aber als er dann vor der Tür stand, konnte ich schon an seinem Gesichtsausdruck sehen, dass er keine guten Nachrichten mitbringt. Küsschen und Umarmung fielen auch schon spärlicher aus als sonst. Als wir uns dann in meinem Zimmer hingesetzt hatten, fing er vorsichtig an mir mitzuteilen, dass er bald nach Australien fliegt, um seine Verwandten zu besuchen, nur dass er länger dortbleiben würde als ursprünglich geplant. Bei dem Satz wusste ich schon, dass es jetzt aus sein wird zwischen uns und mein Herz fing an zu rasen. Dann sagte er, die Gelegenheit könnte er sich einfach nicht entgehen lassen, denn mit dem Visum darf er bis zu einem Jahr dortbleiben und der Flug kostet einfach zu viel, um öfter dort hinzufliegen. In mir brach eine Welt zusammen, damit hatte ich nicht gerechnet. Jetzt musste ich auch noch die aufsteigenden Tränen unterdrücken. Dann fing er davon an, dass ich ja nicht einmal bereit gewesen wäre, nur für einen Monat durch Australien zu trampen. Wir seien wohl zu verschieden und er könnte ja auch nicht von mir verlangen, dass ich auf ihn warte, bis er wieder kommt.

In dem Augenblick brach ich in Tränen aus. Ich hatte schon vom ersten Satz an entsetzliches Herzrasen und mit jedem Wort wurde der Kloß in meinen Hals dicker, so dick, dass es schon weh tat. Aber jetzt brachen alle Dämme; ich konnte meine Gefühle nicht mehr länger unterdrücken und fing an zu weinen. Das war so eine Mischung aus Schmerz, Enttäuschung und Wut, glaube ich. Er wollte mich in den Arm nehmen und trösten, aber ich habʼ ihn gleich weggeschoben. Das konnte ich nicht mehr ertragen. Erst enttäuscht er mich so und dann will er den Tröster spielen, das geht ja wohl gar nicht. Irgendwie konnte ich seine Hilflosigkeit spüren und anscheinend hatte er sich schon lange Gedanken gemacht. Jedenfalls stand seine Entscheidung fest, das war eindeutig. Als ich mich wieder einigermaßen unter Kontrolle hatte, sagte ich ihm, dass er wohl Recht hätte und ich das auch so sehen würde wie er. René wurde immer leiser, als er fragte, ob wir trotzdem Freunde bleiben könnten und weiter in Kontakt bleiben wollten. Darauf habe ich gesagt, dass ich das für keine gute Idee halten würde und habe ihm noch etwas schnippisch eine schöne Zukunft mit seinem Rucksack gewünscht; dabei wollte ich eigentlich nur noch, dass er geht. Er sagte dann auch schon «Ich geh dann mal lieber» und ich brachte ihn wortlos zur Haustür. In mir hatten sich dermaßen die Emotionen aufgestaut, dass ich die geballte Ladung einfach nur noch rauslassen wollte. Und das tat ich dann auch, als die Tür hinter ihm zu ging. Ich bin in mein Zimmer gerannt, hab mich auf mein Bett geschmissen und in mein Kopfkissen geheult.

Irgendwann kam dann meine Mutter, um nach mir zu sehen, weil sie mich weinen gehört hatte. Als sie erfuhr, dass es zwischen René und mir aus ist, sagte sie, dass sie es fast befürchtet hätte, brachte mir etwas zur Beruhigung, damit ich überhaupt zum Schlafen kam und tröstete mich noch ein bisschen. Wir könnten ja den nächsten Tag darüber reden, wenn mir danach wäre, bot sie mir an. Dann habe ich versucht zu schlafen, klappte aber trotz dem homöopathischen Mittel nicht. Ich bin höchstens mal kurz weggedöst. Am meisten ärgerte mich allerdings die Tatsache, dass er sich jetzt mit seinen Reisen schön ablenken kann und mich bald vergessen haben wird, während ich mich hier allein und zurückgelassen fühle. Ich war schrecklich enttäuscht und traurig und obwohl es nach einiger Zeit überwiegend Wut war, was ich empfand, konnte ich nicht verstehen, warum da immer noch dieses Gefühl von Zusammengehörigkeit war. René blieb mein erster Gedanke am Morgen und der letzte am Abend. So sehr ich mich auch versuchte abzulenken, ich konnte ihn nicht vergessen. Dann hatte ich plötzlich diesen Geistesblitz und ich bat meine Mutter, mit mir eine Rückführung in ein früheres Leben zu machen.“

„Wie bitte?“ Luisa sieht Stella fassungslos an. „Du hattest mir zwar mal erzählt, dass deine Mutter mit Handauflegen arbeitet und das war für mich schon schwer vorstellbar, aber jetzt auch noch Rückführungen? Du willst mir doch wohl nicht erzählen, dass du das wirklich gemacht hast, oder?“

Stella macht erst einmal eine kleine Pause und stützt dabei ihr Kinn in einer nachdenklichen Pose auf dem Handrücken ab.

Dann sagt sie: „Ja, okay ist vielleicht doch zuviel für dich, wenn ich dir das jetzt auch noch erzählen würde. Weißt du, ich bin mit diesen Dingen aufgewachsen. Wenn ich Schmerzen hatte, brauchte meine Mutter mir nur ihre Hände auflegen und meistens waren sie in ein paar Minuten verschwunden. Natürlich sind wir bei ernsten Sachen immer zum Arzt gegangen und das tun wir auch weiterhin. Aber was meine Mutter unterstützend zur ärztlichen Therapie bewirken kann, ist schon enorm. Und die Rückführungen macht sie nur, wenn man erwartet, ein Problem dadurch auflösen zu können und nicht aus reiner Neugier. Deshalb hat sie bei mir auch erst gezögert, aber ich wollte es unbedingt ausprobieren und habe nicht lockergelassen. Schließlich hatte sie mich mit ihrer Bemerkung über seinen Namen, vor einiger Zeit, erst auf die Idee gebracht. Damals fragte sie ganz beiläufig, ob René denn eigentlich wüsste, was sein Name bedeutet. Ich wusste es bis dahin nicht, also klärte sie mich darüber auf. René bedeutet: der Wiedergeborene! Das fiel mir jetzt wieder ein und ich habe es als ein Zeichen gedeutet. Ich dachte, vielleicht haben wir ja schon einmal zusammen gelebt und es hat damals Schwierigkeiten gegeben, die uns daran hindern in diesem Leben eine glückliche Beziehung zu führen. Und wenn man eine Blockade erkennt, gibt es meistens auch Möglichkeiten sie aufzulösen.“

„Das glaubst du doch nicht im Ernst!“, sagt Luisa eher fragend.

„Doch, so etwas gibt es. Ich habe das in den ganzen Jahren, in denen meine Mutter schon Rückführungen gemacht hat, oft mitbekommen. Als sie dann gemerkt hat, wie sehr mich die Fragen quälten wegen René, hat sie eingewilligt und wir haben es dann auch durchgeführt.“

„Und, was ist dabei rausgekommen? Hat es funktioniert?“, fragt Luisa etwas ungläubig.

„Ja, und zwar unvorstellbar gut sogar“, erwidert Stella.

„Du willst mich veräppeln“, Luisa sieht Stella fragend an.

„Nein, das ist mein Ernst. Und ich habe das Ganze so real wahrgenommen, dass meine Mutter meinte, es würde nicht oft vorkommen, dass jemand alles so klar sieht“, sagt Stella und trinkt den letzten Schluck aus ihrem Glas.

„Ja und, ich meine hast du René gesehen, wart ihr zusammen und wann war das überhaupt, als du schon mal gelebt hast?“, fragt Luisa jetzt mit scheinbar gewecktem Interesse.

„Das ist eine etwas längere Geschichte, wenn ich sie dir jetzt noch erzählen soll wird es echt spät“, überlegt Stella.

„Glaubst du etwa, du kannst mich erst auf die Folter spannen und dann erfahre ich den wichtigsten Teil nicht mal? Außerdem könnte ich jetzt sowieso nicht an schlafen denken, wo ich mich gerade frage, ob du mir ein Märchen erzählen willst, oder ob das die Wahrheit ist.“

„Habe ich dir schon jemals etwas vorgeschwindelt?“, fragt Stella schon fast gekränkt.

„Nein, nicht dass ich wüsste, glaube ich aber auch nicht“, winkt Luisa ab. „Ich habe zwar morgen Berufsschule, aber jetzt will ich deine Story auch ganz hören.“

Stella schenkt den beiden noch etwas Wasser nach und beginnt zu erzählen.

*

„Also das läuft folgendermaßen ab, wenn meine Mutter eine Rückführung macht: Zuerst wird man durch Handauflegen mit Heilenergie durchströmt. Das hat unter anderem den Effekt, dass man ganz schnell einen Zustand von Tiefenentspannung erlangt. So war es auch bei mir, aber ich war trotzdem die ganze Zeit voll ansprechbar. Dann sollte ich ihren Anweisungen folgen und mir vor meinem inneren Auge Verschiedenes vorstellen. Dabei hielt sie die ganze Zeit Körperkontakt zu mir, weil sie durch diese Verbundenheit mitbekommt, was bei mir gerade passiert. Vorher hatte sie sich abgesichert, dass alles, was ich erfahren werde, nur zu meinem Wohle geschieht und mein Schutzengel mich begleitet.

Also ich fuhr dann, laut Anleitung meiner Mutter, mit einem Fahrstuhl. Mein Schutzengel war schon bei mir und ich konnte ihn sogar sehen! Er sollte mich führen, als der Fahrstuhl anhielt. Ich folgte ihm über einen langen Gang mit vielen Türen. Bis er vor der Tür stehen blieb, hinter der sich mein früheres Leben zeigen sollte, nach dem ich gefragt hatte.

Meine Mutter sagte, ich solle die Tür öffnen, wenn ich bereit dazu bin. Ich musste erstmal die Tür bewundern. Die war so schön, ganz hell, fast weiß und mit lauter Verschnörkelungen verziert. Also öffnete ich die Tür, aber alles war dunkel. Ich sah gar nichts. Meine Mutter wies mich an, einen Schritt vorzugehen, um auch durch die Tür hindurchzuschreiten.

Ich ging also hindurch und in diesem Moment traf mich eine Welle von Liebe! Ich kann es immer noch nicht glauben, wie so etwas möglich ist. Ich wurde praktisch überschüttet und durchströmt damit! Das Gefühl war einfach unfassbar und unglaublich schön.

Als ich später mit meiner Mutter darüber sprach, erzählte sie mir, dass sie genau das Gleiche gefühlt hätte und selbst noch ganz fasziniert sei von diesem Erlebnis.

Es wäre aber ganz normal, dass man beim Öffnen der Tür die vorherrschenden Gefühle wahrnehmen würde. Das kannte sie schon von anderen Rückführungen, bei denen es aber meistens nicht so schöne Gefühle waren.

Also ging ich weiter und fing langsam an zu sehen. Ich war umgeben von dichtem Nebel, fast so, als stände ich in einer Wolke. Als ich nach unten schaute, sah ich nur den Fleck, auf dem ich stand, es war so eine Art Kopfsteinpflaster. Aber die Steine waren größer und ungleichmäßig. Dann kam nach und nach das ganze Bild und der Nebel löste sich langsam vor meinen Augen auf. Es war ein alter Marktplatz. Ich sah an mir herunter auf meine dunkelbraunen Schuhe. Mein beigefarbenes Kleid ging bis zum Boden und darüber trug ich eine lange weiße Schürze. Auf dem Kopf hatte ich eine weiße Haube, mit einer Öffnung am Hinterkopf, durch die mein langer geflochtener Zopf hing. Ach ja, meine Haare waren blond, aber noch heller als ich sie heute habe.

Zu dem Zeitpunkt war gerade Markt, aber ich ging woanders hin. Und zwar durch das große Tor in der Mauer. Ich ging durch so eine Art Turmhaus, mit runden Türmchen obendrauf, die vermutlich für die Wachposten waren, weil sie auch Schießscharten hatten. Nachdem ich durch das Tor gegangen war, überquerte ich einen sehr großen Platz, auch aus diesem Kopfsteinpflaster. Dann ging ich eine sehr breite und lange Treppe hoch, die zum Schloss führte. Alles, bis auf die hohen Mauern, die alles umschlossen, war aus einem sandfarbenen Stein gefertigt. Die äußeren Mauern waren aus einer anderen, eher grauen Steinsorte. An beiden Seiten der Treppe führte eine breite Brüstung entlang, die oben abgerundet war. Am Ende befand sich der Haupteingang zum Schloss, wo zwei Wachposten vor der Tür standen. Wir kannten uns, sie waren sehr freundlich zu mir und ließen mich, ohne zu fragen durch. Die große Doppeltür war aus dunklem Holz mit Schnitzereien, die mit roter Farbe nachgemalt waren. Zielstrebig ging ich im Innern den Gang mit den Säulen bis zum Ende. Die Wände waren ebenfalls, wie das ganze Schloss aus dem sandfarbenen Stein. Dann lief ich auf eine offene alte Holztür zu und ging eine schmale, abgelaufene Treppe hinunter.

Jetzt war ich in der Küche. Eigentlich arbeitete ich dort, aber zu diesem Zeitpunkt nicht. Ich suchte jemanden und fragte die anderen in der Küche danach. Sie deuteten auf die Waffenkammer, also musste ich den ganzen Weg wieder zurück, den ich gekommen war, bis zum Säulengang.

Mein Herz fing an zu rasen, weil ich mich beeilen musste und als ich an die Tür klopfte, zitterte ich schon vor Aufregung. Es öffnete mir ein junger Mann in Rüstung, den ich auch kannte und winkte mich herein. Ich trat ein und schaute mich um, aber der, den ich suchte, war nicht dabei. Alle zogen sich die Rüstungen an und halfen sich gegenseitig. Dann kam der König in die Kammer, um zu sehen, wie weit alle waren. Obwohl ich dort eigentlich nichts zu suchen hatte, war auch der König wie alle anderen super nett zu mir. Dann ging ich wieder, etwas geknickt in Richtung Küche. Fast dort angekommen, hörte ich wie jemand zur Waffenkammer rannte und die Tür zufiel. Ich lief nochmal zurück und klopfte hastig an die Tür. Mir wurde sofort geöffnet und dann erblickte ich ihn! Wir fielen uns gleich in die Arme, aber der König fing jetzt doch an zu drängeln. Er sollte sich fertig machen und ich wunderte mich, warum der König selbst noch nicht umgezogen war.“

„Moment mal, wer ist dieser Mann, den du umarmt hast?“, wirft Luisa ein.

„Er ist mein Freund in der Rückführung und als ich ihn gesehen habe, wusste ich sofort dass es René ist “, antwortet Stella.

„Wie, sah der da genauso aus wie heute?“, fragt Luisa erstaunt.

„Nein, er hatte zwar auch dunkle Haare wie heute, aber sonst sah er anders aus. Ich weiß nicht, wie ich das erklären soll, in dem Moment als ich ihn sah, habe ich ihn sofort erkannt. Ich wusste einfach, dass er es ist. Das habe ich gefühlt, so etwas wie Wiedererkennen auf der Seelenebene; und dieses Wissen ist so sicher, wie ich weiß, wann ich Hunger habe und wann nicht.“

„Apropos Hunger, können wir die Pizza nochmal warm machen?“, fragt Luisa.

„Gute Idee“, sagt Stella und springt auch schon auf, um in die Küche zu gehen.

Während sie nochmal zwei Stücke Pizza in der Pfanne aufwärmt, macht es sich Luisa auf dem Sofa so richtig bequem. „Erstmal hinlegen, Beine hoch und im Kopf alles sortieren“, denkt sie sich. „Wiedererkennen, obwohl man sich gar nicht kennt. Wie soll ich mir das vorstellen? Bedeutet das, die Seele oder das Unterbewusstsein weiß mehr als mein Verstand? So etwas habe ich doch auch schon mal erlebt, und zwar als ich Stella zum ersten Mal begegnet bin. Der Personalchef hatte sie durch die ganzen Abteilungen geführt und überall vorgestellt. Als sie bei mir angelangt waren, hatte ich dieses merkwürdige Gefühl, als würden wir uns schon lange kennen. Ich weiß noch genau, wie ich mich darüber gewundert habe und es mir zu erklären versuchte, denn eigentlich mochte ich diesen Barbie-Typ nicht, weil ich neidisch auf ihr Aussehen war. Umso mehr freute ich mich, diese schlechte Angewohnheit offensichtlich abgelegt zu haben.“

„Pizza ist da!“, ruft Stella und serviert die beiden Portionen. Luisa nimmt den Teller entgegen und fragt: „Erzählst du jetzt weiter?“

„Okay, wo war ich stehen geblieben?“, überlegt Stella.

„Da, wo du René gefunden hast, in der Kammer“, erinnert sie Luisa.

„Genau, also der König sagte, er solle sich fertig machen, weil es los ginge. Ich verließ die Kammer wieder und etwas später versammelten sich draußen alle auf dem großen Platz. Pferde, Ritter und alle, die dort wohnten waren gekommen, um ihnen viel Glück zu wünschen und sich zu verabschieden. Die Rüstungen glänzten wie Spiegel in der Sonne. Ich gab René meinen Talisman aus Holz, der an einem Band hing. Er machte ihn um und steckte ihn von oben in seine Rüstung.“

„Und was war jetzt mit dem König, hat der sich noch umgezogen?“, fragt Luisa.

„Nein, der ist nicht mitgeritten, der hatte immer noch die gleiche Hose an und seinen dunkelroten Umhang“, erklärt Stella.

„Und was ist mit René, reitet der freiwillig mit und wo wollen die eigentlich hin?“, will Luisa jetzt wissen.

„Ich weiß nicht, wo es hingeht. René war hin und her gerissen. Einerseits wollte er bei mir bleiben und andererseits aber auch seinem König dienen und war auch noch stolz darauf.

Dann war es so weit, dass sie aufbrechen mussten. Als sie davongeritten waren, fielen sich alle Frauen und Mädchen in die Arme, um sich gegenseitig zu trösten.

Ich weiß nicht wie viel Zeit inzwischen vergangen war. Meine bescheidene Holzhütte teilte ich mir mit meiner Katze. Unser kleines Dorf, das durch die hohe Mauer vom Schloss getrennt war, bestand übrigens nur aus Holzhäusern. Es waren vielleicht dreißig Hütten, die wiederum von einer hohen Mauer eingefasst waren. In der Mitte war ein offener Bereich, auf dem regelmäßig Markt gehalten wurde. Hinter dem großen Tor, das hinausführte, befanden sich große Wiesen mit den schönsten Blumen. Ich liebte es, in meiner freien Zeit dort zu sitzen und die herrliche Aussicht zu genießen. Hinter dem Schloss fiel der Hügel allerdings sehr steil ab. Jetzt hieß es jedoch jeden Tag warten. Dadurch, dass es den anderen auch so ging, hatten wir einen ganz großartigen Zusammenhalt und auch im Schloss waren immer alle sehr nett. Sogar unser König war außergewöhnlich gutmütig und immer um das Wohl seiner Untertanen bemüht, nicht umgekehrt wie man das sonst immer vermutet, oder aus den Geschichtsbüchern kennt.“

„Ich muss noch etwas fragen, wie alt warst du da eigentlich und hattest du keine Eltern? Weil du sagtest, du hast mit deiner Katze in dem Holzhaus gewohnt.“

Stella nimmt einen Schluck Wasser und antwortet dann: „Ich war dort ein paar Jahre jünger als jetzt, vielleicht 17 oder 18 Jahre, René war etwas älter als ich. Eltern hatte ich keine mehr, ich weiß auch nicht wie lange schon. Dafür waren meine Arbeitskollegen und Kolleginnen so etwas wie meine Familie. Die Köchin, die gleich nach der Oberaufsicht sozusagen kam, war eine ganz besonders liebe Frau. Sie war praktisch Mutterersatz und Freundin für mich. Wenn ich in der Küche etwas nicht gut gemacht hatte, hat sie mich immer in Schutz genommen. Wir sind schätzungsweise mit 10 Personen in der Küche beschäftigt gewesen, aber wir arbeiteten nicht immer gleichzeitig. Und die Köchin hat mich auch schon mal zu Hause besucht, als ich krank war und mir etwas zu essen gebracht.

Meine Katze war grau getigert und eine richtige Schmusekatze. Manchmal holte sie mich schon am Torbogen ab, wenn ich vom Schloss kam. Eines Tages, als ich gerade beim König im Thronsaal war, ertönten draußen laut die Fanfaren. Wir liefen beide sofort nach draußen, denn das war das Zeichen für die Rückkehr der Ritter.

Du kannst dir nicht vorstellen, wie aufgeregt ich jetzt war. Ich hoffte natürlich inständig, dass René wieder wohlbehalten dabei war. Dann trafen die Ritter ein, aber da sie in ihren Rüstungen alle gleich aussahen, wusste ich noch nicht, ob René unter ihnen war.

Mein Herz raste, ich wurde immer ungeduldiger und nervöser und die Angst wurde jetzt erst richtig schlimm. Nach und nach nahmen die Ritter ihre Helme ab, aber ich sah René nicht. Ich lief suchend zwischen den ganzen Leuten umher, fast alle aus dem Dorf waren inzwischen gekommen. Ich war schon völlig verzweifelt, doch dann hörte ich jemanden meinen Namen rufen. Blitzschnell drehte ich mich um und sah René!

Was für eine Erleichterung. Wir liefen aufeinander zu und fielen uns in die Arme. Ich war so überglücklich ihn wiederzusehen. Es waren auch alle anderen wieder zurückgekommen, das konnte also kein allzu gefährlicher Einsatz gewesen sein.

Dann griff René von oben in seine Rüstung und zog an dem Band. Der Talisman, den ich ihm gegeben hatte, kam zum Vorschein und er sagte, dass er ihm Glück gebracht hätte.

Aber jetzt mussten alle Bediensteten aus der Küche an die Arbeit, um ein Festessen für die Rückkehrer zu bereiten. Das galt natürlich auch für mich. Es wurde Fleisch, Hähnchen, Gemüse und Brot serviert.

Als ich endlich nach Hause ging, war es schon spät. Ich war müde und erschöpft, aber auch glücklich, als ich wieder über das Kopfsteinpflaster zu meinem kleinen Häuschen ging. Gerade als ich schlafen gehen wollte, klopfte es an der Tür. Ich fragte wer da ist, und es antwortete René. Ich freute mich total und ließ ihn herein, dann umarmten und küssten wir uns. Am liebsten wollten wir uns gar nicht mehr loslassen. René hatte so viel zu erzählen, dass wir uns noch an meinen Tisch setzten. Er berichtete von den schönen Landschaften, die sie durchquert hatten. Von Wasserfällen, an denen sie vorbeigekommen waren und vieles mehr. Irgendwann sagte ich ihm, dass ich jetzt schlafen müsse, weil ich morgens wieder zum Arbeiten ins Schloss musste. Dann fragte er, ob er bleiben dürfe und ich erlaubte es. Ich schlief in seinen Armen ein und war überglücklich.

Am nächsten Morgen wurde ich von dem Geruch von etwas Gebratenem geweckt. Jetzt bemerkte ich erst, dass René schon weg war und auf dem Tisch stand ein Teller mit einem Spiegelei und einem Stück Brot für mich.

Noch am selben Tag fragte er mich, ob ich ihn heiraten will. Das wollte ich natürlich, aber er musste noch den König um Erlaubnis fragen. Der ist sofort damit einverstanden gewesen und wir durften sogar auf dem großen Platz vor dem Schloss feiern.

Dann kam der Tag unserer Hochzeit. Ich trug ein sehr schönes hellblaues, bodenlanges Kleid. Meine Haare waren kunstvoll geflochten, ich meine nicht nur einen Zopf, sondern eine ganze Flechtfrisur, verziert mit einer Orchidee von der Wiese. René sah auch ganz großartig aus in seiner dunkelbraunen Hose und dem weißen Hemd.

Es wurde alles so schön geschmückt für uns. Einen Bogen aus Holz hatten sie mit ganz vielen Blumen umwickelt. Alle Dorfbewohner kamen und sogar der König selbst. Wir aßen alle zusammen an sehr langen Tischen und Bänken und danach wurde noch lange gefeiert und getanzt. Es war wirklich eine sehr schöne Feier.

Monate später sah ich mich am Tisch sitzen mit dickem Bauch. Ich war schwanger und freute mich sehr darüber. Auf einmal klopfte es an der Tür, ich öffnete und war total überrascht. Es war meine Freundin Nele, mit der ich seit dem Kindergarten im jetzigen Leben befreundet bin, natürlich sah sie anders aus als heute, aber sie war auch in dem Leben damals schon meine beste Freundin. Es war genauso wie mit René, ich sah meine Freundin von der Burg und wusste, dass es Nele ist.

Wir umarmten uns herzlich, ich freute mich riesig, weil ich sie schon so lange nicht mehr gesehen hatte. Sie wohnte jetzt etwas weiter weg. Früher lebte sie auch bei uns im Dorf, wir sind zusammen aufgewachsen, aber der Weg war jetzt so weit, dass sie nur noch selten kam. Es war so schön sie wieder zu sehen und wir redeten stundenlang.

Eines Tages kam René nach Hause und hatte eine Überraschung für mich. Es war eine Wiege, die er auf dem Markt gekauft hatte, und ich freute mich sehr darüber.

Wieder einige Monate später sah ich mich dann mit einem kleinen gesunden Mädchen; wir waren einfach glückselig.

Die Jahre vergingen und René war jetzt kein Ritter mehr.

Er stellte jetzt Gefäße aus Ton her und verkaufte sie auf dem Markt. Aber er schien der Zeit, in der er Ritter war, sehr nachzutrauern. Immer wieder erzählte er die gleichen alten Geschichten von seinen Reisen, was er alles gesehen hatte und wie schön es doch war, die anderen Gegenden zu erkunden.

Einige Zeit später befand ich mich mit unseren Kindern auf der Wiese, vor der Außenmauer. Es waren inzwischen ein blondes Mädchen und ein dunkelhaariger Junge, ungefähr 5 und 7 Jahre alt. Wir spielten dort und dann kam auch noch René dazu. Es war einfach nur schön.