Walden - Leben in den Wäldern - Henry David Thoreau - E-Book

Walden - Leben in den Wäldern E-Book

Henry David Thoreau

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Beschreibung

Henry David Thoreaus 'Walden' ist ein epochales Werk, das die Philosophie des einfachen Lebens inmitten der Natur verkörpert. In dieser autobiografischen Erzählung reflektiert Thoreau über seine zweijährige Selbstversorgung in einer selbstgebauten Hütte am Walden Pond, wo er die Schönheit der Natur und die Notwendigkeit der Selbstbeobachtung mit einem scharfen, poetischen Stil verbindet. Thoreau hinterfragt die Werte der Industrialisierung und der zeitgenössischen Gesellschaft und plädiert für ein Leben im Einklang mit der Natur und für innere Selbstfindung. Diese Meditation über das einfache Leben ist sowohl eine Anleitung als auch eine Aufforderung zur Achtsamkeit und zum Streben nach echtem Glück. Thoreau, ein Schüler von Ralph Waldo Emerson, war ein zentraler Vertreter der Transzendentalismus-Bewegung. Sein Engagement für soziale Gerechtigkeit, Natur und Unabhängigkeit fließt in 'Walden' ein. Die Arbeit entstand in einer Zeit, in der die amerikanische Gesellschaft sich im Umbruch befand, und Thoreaus Ansichten zu Konsum und materiellen Werten sind tief verwurzelt in seinen persönlichen Erfahrungen und philosophischen Überzeugungen. 'Walden' ist ein Muss für jeden, der sich mit den Themen Natur, Individualismus und der Suche nach einem authentischen Leben auseinandersetzen möchte. Thoreaus eindringliche Botschaft und seine Fähigkeit, komplexe Ideen über natürliche Einfachheit verständlich zu machen, laden den Leser ein, sich der Natur zuzuwenden und die eigene Existenz zu hinterfragen. Dieses Buch inspiriert dazu, innezuhalten und die eigene Beziehung zur Welt um uns herum zu reflektieren. In dieser bereicherten Ausgabe haben wir mit großer Sorgfalt zusätzlichen Mehrwert für Ihr Leseerlebnis geschaffen: - Eine prägnante Einführung verortet die zeitlose Anziehungskraft und Themen des Werkes. - Die Synopsis skizziert die Haupthandlung und hebt wichtige Entwicklungen hervor, ohne entscheidende Wendungen zu verraten. - Ein ausführlicher historischer Kontext versetzt Sie in die Ereignisse und Einflüsse der Epoche, die das Schreiben geprägt haben. - Eine Autorenbiografie beleuchtet wichtige Stationen im Leben des Autors und vermittelt die persönlichen Einsichten hinter dem Text. - Eine gründliche Analyse seziert Symbole, Motive und Charakterentwicklungen, um tiefere Bedeutungen offenzulegen. - Reflexionsfragen laden Sie dazu ein, sich persönlich mit den Botschaften des Werkes auseinanderzusetzen und sie mit dem modernen Leben in Verbindung zu bringen. - Sorgfältig ausgewählte unvergessliche Zitate heben Momente literarischer Brillanz hervor. - Interaktive Fußnoten erklären ungewöhnliche Referenzen, historische Anspielungen und veraltete Ausdrücke für eine mühelose, besser informierte Lektüre.

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Veröffentlichungsjahr: 2023

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Henry David Thoreau

Walden - Leben in den Wäldern

Bereicherte Ausgabe. Ein Weg zu Selbstbestimmung und Naturverbundenheit
In dieser bereicherten Ausgabe haben wir mit großer Sorgfalt zusätzlichen Mehrwert für Ihr Leseerlebnis geschaffen
Bearbeitet und veröffentlicht von Good Press, 2023
EAN 8596547684640

Inhaltsverzeichnis

Einführung
Synopsis
Historischer Kontext
Autorenbiografie
Walden - Leben in den Wäldern
Analyse
Reflexion
Unvergessliche Zitate
Notizen

Einführung

Inhaltsverzeichnis

Ein Leben mit wenig Besitz kann reicher sein als eines im Überfluss. Diese provokante Einsicht bildet den Ausgangspunkt von Walden – Leben in den Wäldern, einem Buch, das den Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Beschleunigung und persönlicher Einfachheit auslotet. Statt bloßer Abkehr entwirft es eine Prüfung des Alltäglichen: Was kostet ein Tag? Wie füllt man Zeit sinnvoll? Welche Nähe zur Natur ist möglich, ohne die Welt zu verleugnen? Die folgenden Seiten schildern nicht die Flucht, sondern ein bewusstes Experiment. Sie eröffnen einen Raum, in dem Wahrnehmung, Arbeit und Muße neu gewichtet und auf ihren tatsächlichen Wert befragt werden.

Verfasser dieses Werkes ist Henry David Thoreau (1817–1862), amerikanischer Schriftsteller, Naturbeobachter und zentrale Stimme des Transzendentalismus. Walden erschien 1854 und beruht auf Thoreaus Aufenthalt am Walden Pond bei Concord, Massachusetts. Auf einem Grundstück seines Freundes Ralph Waldo Emerson errichtete er eine schlichte Hütte und lebte dort für rund zwei Jahre, sorgfältig beobachtend und notierend. Aus Tagebüchern, Vorträgen und mehrfachen Überarbeitungen formte er das vorliegende Buch. Der historische Kontext ist eine Phase rasanter Industrialisierung, zunehmender Marktlogik und gesellschaftlicher Konventionen in Neuengland – ein Umfeld, gegen das Thoreau eine denkende, aufmerksame, eigenständige Lebenspraxis erproben wollte.

Walden gilt als Klassiker, weil es Gattungsgrenzen spielerisch überschreitet und zugleich eine präzise Form wahrt. Erlebnisbericht, Naturkunde, Philosophie und Gesellschaftskritik sind zu einer kompakten Komposition verwoben. Die Kapitel folgen dem Jahreslauf und einem inneren Argument: aus der Betrachtung des Konkreten wächst ein Nachdenken über Maßstäbe des guten Lebens. Thoreau schmiedet daraus einen Grundtext des amerikanischen Nature Writing, der über Literatur hinaus wirksam wurde. Seine eigenwillige, doch disziplinierte Stimme prägt bis heute Maß und Ton zahlreicher Essays über Landschaft, Lebensführung und Verantwortlichkeit. So verbindet sich poetische Anschaulichkeit mit einem Programm individueller und geistiger Selbstständigkeit.

Die dauerhaften Themen dieses Buches sind überraschend modern. Es verhandelt Einfachheit und Selbstgenügsamkeit, den Wert von Zeit, das Verhältnis von Arbeit und Freiheit, den Preis der Dinge und die Kosten der Gewohnheit. Ebenso zentral ist die Frage nach der richtigen Distanz zur Gesellschaft: Wie kann man Teil einer Gemeinschaft sein, ohne im Lärm des Konformismus zu verschwinden? Thoreau setzt dieser Unruhe eine fein abgestimmte Aufmerksamkeit für Naturprozesse entgegen. Die Wälder, der See, die Tiere und Jahreszeiten erscheinen als lebendiger Bezugspunkt menschlicher Maßnahme. Aus Beobachtung wird Orientierung, aus Achtsamkeit eine Ethik der begründeten Wahl.

Die Ausgangssituation ist schlicht: Ein junger Gelehrter verlässt für begrenzte Zeit die Stadt, zieht in eine selbstgebaute Hütte am Walden-See, bewirtschaftet ein kleines Stück Land und hält seine Erfahrungen fest. Er nimmt die eigenen Ausgaben und Arbeiten genau unter die Lupe, liest, wandert, empfängt mitunter Besuch und beobachtet den Wandel der Jahreszeiten. Dieser Versuch ist kein Ausnahmezustand, sondern eine kontrollierte Prüfung der Lebensnotwendigkeiten. Mehr zu verraten hieße, dem Leser die eigene Entdeckung zu nehmen. Genug zu wissen ist, dass Walden den Blick schärft und eine Methode anbietet: prüfen, abwägen, vereinfachen – und neu anfangen.

Entstanden ist Walden aus jahrelanger Arbeit am Text. Thoreau entwickelte Gedanken in Vorträgen, sammelte Notizen im Gelände und überführte beides in eine sorgfältig komponierte Buchgestalt. Er überarbeitete vielfach, verdichtete, verschob Kapitel und schärfte Übergänge, bis Beobachtung und Reflexion ineinandergriffen. So wurde aus einem persönlichen Protokoll eine literarische Form, die zugleich lesbar, genau und argumentativ ist. Die Nähe zu Emerson und dem Transzendentalismus ist spürbar, doch die Stimme bleibt eigen: nüchtern, widerständig, humorvoll. Walden ist damit beides – Dokument eines Experiments und Ergebnis einer bewussten, kontrollierten Schreibkunst, die das Einfache nicht mit dem Simplen verwechselt.

Stilistisch überzeugt das Buch durch Präzision. Thoreau verbindet knappe, anschauliche Beschreibungen mit Zahlen, Beispielen und überraschenden Wendungen. Naturbeobachtung wird zur Schule des Denkens, Ironie zum Werkzeug der Klärung. Ökonomische Rechnungen stehen neben Szenen stiller Wahrnehmung, rhetorische Fragen neben handfesten Tätigkeiten. Die Prosa zwingt nicht, sie lädt ein und fordert doch Konsequenz. Wer liest, merkt, wie Argumente aus Dingen entstehen: aus Brettern, Wegen, Geräuschen, Licht und Wetter. Das erzeugt Glaubwürdigkeit. Zugleich bleibt Raum für Zweifel und Gegenstimmen, denn der Text demonstriert eine Haltung: Kritik ohne Bitterkeit, Entschlossenheit ohne Starrheit, Klarheit ohne Härte.

Als literarischer Einfluss wirkt Walden weit über sein Jahrhundert hinaus. Es prägte die amerikanische Tradition des Nature Writing und lieferte Maßstäbe für Essays, die persönliche Erfahrung mit genauer Beobachtung und gesellschaftlicher Reflexion verbinden. In Bildungs- und Umweltdebatten wird der Text immer wieder herangezogen, weil er die Verbindung von Lebensform und Weltanschauung exemplarisch zeigt. Auch Bewegungen, die sich um Genügsamkeit, Selbstversorgung oder Minimalismus drehen, finden hier einen frühen, differenzierten Referenzpunkt. Walden wurde vielfach übersetzt, diskutiert und kommentiert; es gehört zum festen Bestand universitärer Lehre und öffentlicher Lesekultur in den Vereinigten Staaten und darüber hinaus.

Aus heutiger Perspektive tritt ein weiterer Aspekt hervor: die ökologische Dimension. Thoreaus Achtsamkeit für Landschaft, Wasser und Artenvielfalt wirkt wie ein früher Gegenentwurf zu ausbeuterischen Routinen. Nicht als romantische Flucht, sondern als realistische Bilanz von Aufwand und Ertrag, von Nutzen und Schaden. In Zeiten von Klimakrise, Ressourcenknappheit und digitaler Überreizung bietet Walden eine Sprache, die Zusammenhänge sichtbar macht, ohne zu predigen. Es zeigt, wie Lebensstil, Wahrnehmung und Umwelt sich gegenseitig prägen. Damit liefert das Buch kein Programm, das man bloß nachahmt, sondern Kriterien, mit denen man die eigenen Entscheidungen prüft und neu gewichtet.

Die bleibende Stärke des Werks liegt in seiner praktischen Philosophie. Thoreau fragt nicht abstrakt nach dem Guten, sondern misst die Folgen des Tuns. Er ermutigt dazu, Gewohnheiten als Hypothesen zu behandeln, Zeit als kostbare Ressource zu schützen und Arbeit so zu ordnen, dass Denken und Mitwelt nicht zu kurz kommen. Wer liest, erhält keine Rezepte, sondern Instrumente: Aufmerksamkeit, Maß, Unterscheidung. Diese Werkzeuge sind universell einsetzbar – im Konsum, im Umgang mit Technik, im Beruf, im öffentlichen Leben. Sie machen Walden zu einem Buch, das weniger Antworten gibt als bessere Fragen ermöglicht.

Wer Walden aufschlägt, sollte wissen, was es nicht ist. Es ist kein Überlebenshandbuch und keine heroische Abkehr von der Welt. Thoreau blieb in Reichweite der Stadt, pflegte Austausch und kehrte regelmäßig nach Concord zurück. Gerade diese Ehrlichkeit macht den Text stark: Das Experiment will nicht beweisen, dass man ohne Gesellschaft auskommt, sondern dass man in ihr anders leben kann. Der Schauplatz ist real, die Probe ernst, die Folgerungen nüchtern. So entsteht ein Modell des Prüfens, das Leserinnen und Leser ermutigt, mit eigenen Mitteln zu beginnen, hier und heute, ohne großes Gerät und ohne falschen Pathos.

Warum ist dieses Buch heute noch relevant? Weil es die seltene Verbindung aus literarischer Schönheit, gedanklicher Präzision und praktischer Nutzbarkeit bietet. Walden lädt dazu ein, das Eigene gegen das Übliche zu halten, die Natur als Partnerin des Denkens zu entdecken und Freiheit als Übung in Verantwortung zu verstehen. Seine Zeitlosigkeit gründet in Qualitäten, die altern, ohne zu veralten: klare Sprache, genaue Beobachtung, Mut zur Selbstprüfung und leiser Humor. Wer sich darauf einlässt, findet weniger Anweisungen als Möglichkeiten – und vielleicht den Anfang einer persönlichen Antwort auf die Frage, wie man gut leben will.

Synopsis

Inhaltsverzeichnis

Henry David Thoreaus Walden – Leben in den Wäldern, erstmals 1854 veröffentlicht, ist ein autobiografischer Bericht und philosophisches Experiment der Einfachheit. Der Autor beschreibt, wie er am Walden-See bei Concord, Massachusetts, ein Leben in größtmöglicher Selbstgenügsamkeit erprobt. Das Werk verbindet genaue Naturbeobachtung, Lebensführung und Gesellschaftskritik. Thoreau ordnet seine Erfahrungen thematisch und führt die Lesenden Schritt für Schritt durch Motive, Methoden und Befunde des Versuchs. Statt eine fortlaufende Handlung zu erzählen, entfaltet er eine Abfolge von Einsichten, die aus konkreten Tätigkeiten, Jahreszeiten und Begegnungen hervorgehen und die Frage nach einem wesentlichen, bewussten Leben stellen.

Zu Beginn legt Thoreau die ökonomischen und praktischen Grundlagen seines Experiments dar. Er schildert, wie er eine einfache Hütte errichtet und mit wenig Besitz auskommt, um die Abhängigkeit von Schulden, Lohnarbeit und gesellschaftlichen Erwartungen zu verringern. Die ausführliche Bilanz seines Haushalts soll zeigen, welche Bedürfnisse wirklich notwendig sind und wie leicht sie zu vergrößern sind, wenn man ihnen ungeprüft folgt. Aus der Reduktion leitet er Zeitgewinn, geistige Freiheit und Unabhängigkeit ab. Zugleich prüft er gängige Lebensentwürfe seiner Zeit kritisch, ohne sie pauschal zu verwerfen, und setzt sein Vorhaben als praktischen Gegenentwurf in Szene.

Anschließend beschreibt Thoreau den Ort und die Gründe seines Rückzugs. Der Walden-See erscheint als naher, doch deutlich abgegrenzter Raum, in dem Beobachtung und Besinnung möglich werden. Er strebt danach, Alltägliches mit voller Aufmerksamkeit zu tun und Routinen zu durchbrechen, die das Denken abstumpfen. Die Hütte ist nicht Ziel, sondern Mittel: eine Bühne für Konzentration auf das Wesentliche. Aus der Distanz zur Stadt entwickelt er Maßstäbe für den Wert von Zeit, Einfachheit und innerer Ordnung. Die leitende Frage lautet, wie man so lebt, dass das Leben nicht vom Ballast äußerer Ansprüche überdeckt wird.

Ein Schwerpunkt liegt auf Bildung und geistiger Nahrung. Thoreau würdigt ernsthaftes Lesen, besonders anspruchsvoller Literatur, als Übung der Selbstkultur. Lernen ist für ihn weniger Erwerb von Fakten als Schulung der Wahrnehmung und des Urteils. Zugleich reflektiert er die Spannungen zwischen Geselligkeit und Zurückgezogenheit. Er empfängt Besucherinnen und Besucher, beobachtet Nachbarn und durchstreift das nahe Dorf, ohne die Nähe der Natur zu verlieren. In dieser Balance entsteht ein sozial offenes, doch innerlich eigenständiges Leben, das weder Vereinsamung noch Anpassung idealisiert, sondern die Qualität von Gesprächen und Begegnungen prüfend gewichtet.

Die Natur tritt als Ton, Rhythmus und Gegenüber hervor. In Kapiteln über Geräusche schildert Thoreau Vögel, Wind und das Rascheln des Waldes, aber auch die nahen Eisenbahnen als Zeichen eines beschleunigten Zeitalters. Technik erscheint ihm ambivalent: nützlich, doch häufig herrschend über ihre Nutzer. Aus sorgfältigen Beobachtungen von Wetter, Licht und Wasser leitet er Einsichten über Veränderung, Dauer und Maß ab. Der See wird vermessen und betrachtet, nicht nur als Landschaft, sondern als Quelle von Erkenntnis. Die Aufmerksamkeit für kleinste Erscheinungen bildet das Gegenprogramm zu zerstreuter, vom Lärm des Fortschritts getriebener Wahrnehmung.

Arbeit und Nahrung erhalten eine ethische Dimension. Beim Anbau eines Bohnenfeldes untersucht Thoreau Mühen, Ertrag und Sinn des Tätigseins. Er zeigt, wie körperliche Arbeit Denken schärfen kann, wenn sie nicht zur bloßen Erwerbsroutine verkommt. In Überlegungen zu Ernährung, Jagd und Selbstzucht fragt er nach Maß, Begierde und Rücksicht gegenüber anderen Lebewesen. Das Ideal einer genügsamen Lebensweise verbindet sich mit Disziplin und Wachsamkeit gegenüber Bequemlichkeiten, die zu neuer Unfreiheit führen. So entsteht ein Bild der Selbstversorgung, das weder asketische Härte noch Genusskult verklärt, sondern nach einem tragfähigen Gleichgewicht sucht.

Mit dem Wechsel der Jahreszeiten vertieft sich die Beobachtung. Der Winter bringt stillere Landschaften, Spuren von Tieren und das zufrierende Wasser. Menschen aus der Umgebung schneiden Eisblöcke für den Handel – eine Begegnung von Wildnis und Wirtschaft, die Thoreau als Lehrstück über globale Verbindungen und lokale Eingriffe deutet. Die Kälte schärft die Sinne, die Geräusche werden klarer, der See zeigt eine andere Ordnung. Durch diese Kontraste prüft er, wie Naturkräfte menschliche Gewohnheiten relativieren und wie wirtschaftliche Praxis die Landschaft prägt, ohne sie vollständig zu erschließen.

Der Frühling wird als Erneuerung beschrieben: Schmelzprozesse, die Bewegung des Wassers und feine Veränderungen im Boden verweisen auf Wachstum aus unscheinbaren Anfängen. Thoreau liest in diesen Vorgängen eine Schule der Geduld und der Wiederkehr. Aus den Jahreszeiten verdichtet er Lehren über Zeitmaß und Entwicklung, die auch für persönliche Lebensführung stehen. Gegen Ende gewinnt die Reflexion an Allgemeinheit: Das Experiment war bewusst begrenzt, seine Ergebnisse sind Anregungen, keine Vorschriften. Die Rückkehr in gewohntere Bahnen erscheint als Konsequenz des Lernens, nicht als Widerruf der Erfahrung.

Walden schließt mit einer Einladung, Maßstäbe des eigenen Lebens kritisch zu prüfen. Die bleibende Wirkung des Buches liegt in der Verbindung aus genauer Naturbetrachtung, gesellschaftlicher Diagnose und praktischer Erprobung von Einfachheit. Es fordert dazu auf, Reichtum nicht an Besitz, sondern an Aufmerksamkeit, Zeit und Unabhängigkeit zu messen. Als klassischer Text der amerikanischen Literatur und des Naturdenkens wirkt es in Debatten über Nachhaltigkeit, Arbeit und Selbstbestimmung fort. Seine Zurückhaltung gegenüber fertigen Rezepten macht es zu einer offenen, anwendbaren Reflexion über die Frage, was wirklich notwendig ist.

Historischer Kontext

Inhaltsverzeichnis

Walden – Leben in den Wäldern entstand im Neuengland der 1840er Jahre, in Concord, Massachusetts, einer Kleinstadt mit starkem Gemeindeleben, Town-Meetings und protestantischen Kirchen. Die Vereinigten Staaten standen in der Vorkriegszeit zwischen Expansion und innerer Spaltung, geprägt von der Institution der Sklaverei im Süden und Reformbewegungen im Norden. Lokale Schulen, Druckereien, Märkte und ein wachsendes Verkehrsnetz prägten den Alltag. Der Ruf nach Verbesserung der Lebensumstände ging mit technologischer Beschleunigung einher. In diesem Rahmen inszeniert Thoreau sein Experiment am Walden Pond als Antwort auf die Frage, wie man einfach, frei und mit Blick auf Natur und Gewissen leben könne.

Henry David Thoreau, 1817 in Concord geboren, studierte an Harvard und kehrte 1837 in seine Heimatstadt zurück. Er unterrichtete kurz an der örtlichen Schule, verließ sie jedoch wegen der dort geforderten Prügelstrafe. Gemeinsam mit seinem Bruder führte er anschließend eine eigene Schule, bis Krankheit die Schließung erzwang. Neben Tätigkeiten im Familienbetrieb für Bleistifte arbeitete er als Landvermesser, eine Praxis, die seine genaue Naturbeobachtung schulte. Das wirtschaftlich angespannte Klima nach der Finanzkrise von 1837 und die enge soziale Welt Concords formten Thoreaus Skepsis gegenüber konventionellen Karrierewegen und bereiteten den Boden für sein Projekt am Walden-See.

Intellektuell ist Walden im Transzendentalismus verankert, einer Bewegung um Ralph Waldo Emerson, Margaret Fuller und andere, die sich seit den 1830er Jahren gegen starre Dogmen und materialistische Werte wandte. Emersons Essay Nature und sein Ideal der Selbstkultur betonten, dass moralische Wahrheit unmittelbar in der Natur erfahrbar sei. Thoreau übernahm diese Impulse, radikalisierte sie jedoch praktisch: Anstatt die Natur nur zu feiern, erprobte er die Möglichkeit eines Lebensexperiments, das wirtschaftliche Selbstgenügsamkeit, geistige Unabhängigkeit und direkte Erfahrung verbindet. Walden übersetzt somit transzendentalistische Theorie in eine alltägliche Praxis der Vereinfachung.

Die 1840er Jahre waren durch die Marktintegration Neuenglands und den Fabrikausbau gekennzeichnet. In Orten wie Lowell entstand ein System industrieller Arbeit, das mit festen Glockenzeiten, Lohnarbeit und Wohnheimen neue Formen von Disziplin und Abhängigkeit schuf. Die Ausweitung von Kredit und Konsum weckte Hoffnungen und verschuldete gleichzeitig viele Haushalte. Thoreau reagierte darauf mit einer Kritik am Zwang, den Lebensunterhalt durch übermäßige Arbeit und Konsumstreben zu sichern. In Walden verknüpft er diese Diagnose mit der praktischen Frage, welche Bedürfnisse wirklich notwendig sind und wie ökonomische Einfachheit Zeit für Denken, Naturbeobachtung und bürgerschaftliche Verantwortung freisetzt.

Technologische Innovationen beschleunigten das Leben. Die Eisenbahn verband Concord ab Mitte der 1840er Jahre über die Fitchburg-Linie mit Boston; die Telegrafie eröffnete nahezu augenblickliche Nachrichtenübermittlung seit 1844. Diese Neuerungen inspirierten Bewunderung und Kritik zugleich. Thoreau beobachtete Züge in unmittelbarer Nähe des Walden-Teichs und reflektierte die Ambivalenz von Geschwindigkeit und Lärm gegenüber innerer Ruhe und Aufmerksamkeit. Sein Text ist damit ein Kommentar zur „Zeitökonomie“ der Moderne: Er prüft, wann Technik menschliche Zwecke dient und wann sie den Maßstab für Erfolg und Fortschritt bestimmt, ohne die Qualität des Lebens zu verbessern.

Auch ökologische Veränderungen rahmen Walden. Nach Jahrhunderten intensiver Nutzung wandelten sich viele Flächen Neuenglands in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu Sekundärwäldern zurück, während andere Gebiete für Holz, Ackerbau und Bauholz genutzt wurden. Walden Pond selbst, ein eiszeitlicher Kesselsee, war Teil eines Alltags, in dem Natur sowohl Erholungsraum als auch Ressource war. In kalten Wintern schnitten Arbeiter in Neuengland kommerziell Eisblöcke aus Teichen, auch an Walden. Thoreau beobachtete diese Eingriffe aufmerksam und fragte, wie wirtschaftliche Nutzung mit einem respektvollen Naturverständnis zu verbinden sei.

Ralph Waldo Emerson erwarb 1844 ein Waldstück am Walden-See. Mit seiner Zustimmung baute Thoreau dort 1845 eine kleine Hütte und begann sein Experiment. Die Besitzverhältnisse sind für den Kontext wichtig: Sie zeigen, wie bürgerliches Eigentum und persönliche Beziehungen Freiräume eröffnen konnten. Zugleich relativiert dieser Umstand spätere Mythen völliger Abgeschiedenheit. Thoreau positioniert sein Projekt zwischen Nähe und Distanz zur Gesellschaft: Er lebt am Rand der Stadt, nutzt deren Bibliotheken und Vortragsabende, bleibt aber in alltäglichen Entscheidungen – Wohnen, Nahrung, Arbeit – bewusst unabhängig von gängigen Erwartungen.

Der Alltag in Neuengland war von saisonaler Arbeit, Gartenbau, Brennholzbeschaffung und regionalen Märkten geprägt. Wohnraum in Städten wurde teurer, und viele Menschen sahen sich durch Hypotheken oder Mieten gebunden. Thoreau demonstrierte mit seinem einfachen Bau und eigenem Anbau, wie sich Grundbedürfnisse kostengünstig decken ließen. Das war keine Flucht vor der Gesellschaft, sondern ein sozialkritisches Rechenbeispiel: Wer die Kosten der Gewohnheiten prüft, gewinnt Handlungsspielräume. Walden argumentiert dadurch gegen die Selbstverständlichkeit des Schuldenmachens und für die Möglichkeit, Bildung, Muße und Nachdenken als zentrale Güter zu priorisieren.

Politisch stand Massachusetts in den 1840er und frühen 1850er Jahren im Zeichen des Abolitionismus. Zeitungen, Vorträge und Versammlungen prangerten die Sklaverei an, und der Fugitive Slave Act von 1850 veranlasste auch im Norden Proteste, besonders bei spektakulären Fällen in Boston wie 1854. Thoreau beteiligte sich mit Reden und Essays an dieser Debatte; im Erscheinungsjahr von Walden veröffentlichte er Slavery in Massachusetts. Obwohl Walden keine Kampfschrift ist, ist sein Freiheitspathos vom Zeitklima geprägt: Die Vorstellung persönlicher Unabhängigkeit erhält angesichts gesetzlich erzwungener Unfreiheit zusätzliche moralische Schärfe.

Die Gegenwart von Krieg und Expansion verstärkte die Gewissensfrage. Der Mexikanisch-Amerikanische Krieg (1846–1848) polarisierte die Öffentlichkeit; Kritiker sahen ihn als Ausweitung eines sklavenhalterischen Systems. Thoreau verweigerte die Zahlung einer Kopfsteuer, wurde 1846 kurzzeitig inhaftiert und begründete seine Haltung später im Essay über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat. Diese Erfahrung prägte sein Verständnis individueller Verantwortung gegenüber ungerechten Institutionen. Walden, in den Jahren nach diesem Konflikt geschrieben und 1854 veröffentlicht, atmet denselben Geist: Eigenständigkeit in Lebensführung und Urteil wird als politisch relevante Tugend dargestellt.

Religiös dominierte in Massachusetts ein liberaler Protestantismus, besonders der Unitarismus. Zugleich öffnete sich die gebildete Öffentlichkeit für außereuropäische Texte. Thoreau las Übersetzungen aus der indischen und buddhistischen Tradition sowie chinesische Klassiker, die er über Bibliotheken und Freunde erhielt. Diese Lektüren stärkten eine naturbezogene Spiritualität jenseits strenger Dogmen. In Walden verbindet sich dieses Interesse mit Kritik an konventionellen Sabbat- und Gemeindepflichten, ohne die religiöse Frage zu verflachen. Spiritualität erscheint als Übung der Aufmerksamkeit, die in der stillen Beobachtung von Jahreszeiten, Geräuschen und Formen der Landschaft konkrete Gestalt gewinnt.

Wissenschaftlich knüpft Walden an das zeitgenössische Ideal empirischer Naturforschung an. Gelehrte wie Alexander von Humboldt hatten die Verbindung aus Beobachtung, Vermessung und großer Naturbeschreibung vorgeprägt. Thoreau führte detaillierte Tagebücher, maß den See aus, notierte Eiszeiten, Blühtermine und Tierverhalten. Solche Phänologie machte seinen Blick historisch bedeutsam: Er dokumentierte Wandel über Jahre und schuf Daten, die später für ökologische Vergleiche herangezogen wurden. Walden ist daher nicht nur ein philosophischer Traktat, sondern auch ein Text, der die Methoden eines sorgfältigen Feldbeobachters sichtbar macht und damit Naturwissen demokratisiert.

Die demografische Lage veränderte sich durch Einwanderung, insbesondere Iren nach der Hungersnot ab Mitte der 1840er Jahre. Viele fanden Arbeit beim Eisenbahnbau oder als Tagelöhner in Neuengland. Diese Präsenz erzeugte Spannungen, die nativistische Bewegungen im Jahrzehnt vor dem Bürgerkrieg verstärkten. Thoreau beobachtete die Lebensbedingungen armer Zuwanderer in seiner Nachbarschaft und reflektierte über Chancen und Hindernisse sozialer Mobilität. In Walden erscheint Armut nicht als moralisches Versagen, sondern als gesellschaftlich erzeugte Lage, die durch Gewohnheiten und Institutionen verfestigt wird – ein Blick, der die ökonomische Kritik des Buchs schärft.

Parallel boomten Reformprojekte. Utopische Gemeinschaften wie Brook Farm (1841–1847) testeten kooperative Modelle, während Temperenz-, Bildungs- und Gesundheitsbewegungen das Alltagsleben verändern wollten. Die verbreitete Diätreform, inspiriert unter anderem von Sylvester Graham, propagierte Einfachheit und Mäßigung. Thoreaus eigenes Experiment unterscheidet sich von gemeinschaftlichen Versuchen: Es betont individuelle Verantwortlichkeit und Selbstbeschränkung, prüft aber ähnliche Fragen nach Arbeit, Nahrung und Lebenssinn. Die berühmte Bohnenkultur dient dabei nicht nur der Ernährung, sondern als praktische Ethik der Pflege, Aufmerksamkeit und des Maßhaltens – eng verbunden mit einer Kritik an Überfluss und Verschwendung.

Walden ist auch ein Produkt der Vortrags- und Druckkultur Neuenglands. Der Lyceum-Betrieb bot Plattformen, um Ideen öffentlich zu erproben; Thoreau las dort Teile seines Materials vor, überarbeitete es jahrelang und kreiste zentrale Kapitel. Sein erstes Buch über eine Flussreise (1849) verkaufte sich schlecht, was seine Skepsis gegenüber dem Literaturmarkt verstärkte. Walden erschien 1854 bei einem Bostoner Verlag und fand gemischte Aufnahme. Die wirtschaftlichen Bedingungen der Autorschaft – Vorschüsse, Auflagen, Rezensionen – prägten somit Form und Ton: Der Text ist zugleich gelehrter Vortrag, persönliches Protokoll und gesellschaftliche Intervention.

Literarisch gehört Walden zur sogenannten Amerikanischen Renaissance, die in den 1840er und 1850er Jahren Werke von Emerson, Hawthorne, Melville, Fuller und bald auch Whitman hervorbrachte. Gemeinsame Themen waren Identität, Gewissen, Natur und Demokratie in einem territorial wachsenden, innerlich gespaltenen Land. Thoreau unterscheidet sich durch die Verbindung aus Prosa-Experiment, empirischer Genauigkeit und moralischem Ernst. Sein Stil nutzt Anekdote, Satire und Beobachtungsprosa, um Philosophisches ans Konkrete zu binden. Damit positioniert sich Walden als Gegenentwurf zu Pathos oder bloßer Naturidylle: Es ist ein Labor der Erfahrung in einer beschleunigten Gesellschaft.

Im Ergebnis kommentiert Walden seine Zeit auf mehreren Ebenen. Es kritisiert die Moral des bloßen Erwerbs, den Zeitdruck neuer Technologien und staatliche Forderungen, die dem Gewissen widersprechen, ohne pauschal Fortschritt zu verdammen. Es zeigt, wie politische Freiheit mit ökonomischer Mäßigung und aufmerksamer Naturwahrnehmung zusammenhängt. Zugleich entlarvt es gesellschaftliche Konventionen als historisch gewordene Gewohnheiten. Indem Thoreau demonstriert, dass ein anderes Maß für Erfolg möglich ist, entwirft das Buch eine praktische Ethik der Selbstbegrenzung, die inmitten von Industrialisierung, Reform und Konflikt eine alternative Lesart von Wohlstand, Bildung und Bürgerlichkeit anbietet.

Autorenbiografie

Inhaltsverzeichnis

Henry David Thoreau (1817–1862) war ein amerikanischer Schriftsteller, Essayist und Naturbeobachter des Transzendentalismus, der eng mit Concord, Massachusetts, verbunden blieb. Er gilt als einer der prägenden Denker des 19. Jahrhunderts, dessen Werk Literatur, politische Philosophie und Umweltethik nachhaltig beeinflusst. Bekannt wurde er vor allem durch Walden; or, Life in the Woods, eine Reflexion über einfaches Leben in der Natur, sowie durch den Essay Civil Disobedience, der das Verhältnis von Individuum, Gewissen und Staat radikal neu akzentuierte. Thoreaus nüchterne Prosa, genaue Feldbeobachtungen und moralische Konsequenz verbinden poetische Sensibilität mit praktischer Erprobung von Ideen.

Thoreau studierte am Harvard College und schloss 1837 ab; die anspruchsvolle, klassisch geprägte Ausbildung vermittelte ihm Latein, Griechisch, Mathematik, Rhetorik und Naturphilosophie. Früh prägten ihn die Ideen des Transzendentalismus, der in Neuengland um Ralph Waldo Emerson als Mentorfigur kreiste. Über Emerson fand Thoreau Zugang zu The Dial, wo er Essays und Naturstücke veröffentlichte. Ebenso wirkten Romantik und Lektüren aus Asiens Religionsphilosophien auf sein Denken, das Selbstkultivierung, Gewissensprüfung und unmittelbare Erfahrung der Natur verband. Wichtig blieb die Verbindung von Denken und Tun: Literatur als Probehandeln, Naturbeobachtung als Erkenntnispraxis, Sprache als präzises Werkzeug, um das Alltägliche geistig zu verwandeln.

Nach dem Abschluss arbeitete Thoreau zeitweise als Lehrer, wandte sich dann praktischen Tätigkeiten zu, darunter die Mitarbeit in einer Bleistiftwerkstatt in Concord und spätere Aufträge als Landvermesser. Diese Berufe verband er mit einer intensiven Vortragstätigkeit und kontinuierlichem Schreiben. Ab 1837 führte er ein umfangreiches Tagebuch, dessen Notate über Beobachtungen, Lektüren und Gedanken sein zentrales Laboratorium wurden. Seine Prosa entwickelte sich dort zu einer präzisen, erfahrungsgesättigten Sprache. Veröffentlichungen in regionalen Zeitschriften festigten seinen Ruf als scharfer Beobachter. Zugleich suchte er nach Formen, in denen Lebensführung, Erkenntnis und Stil zusammenfallen konnten: Experiment, Spaziergang, Messung und moralische Selbstprüfung.

Zwischen 1845 und 1847 lebte Thoreau in einer kleinen, selbstgebauten Hütte am Walden-Teich nahe Concord, um Einfachheit, Selbstversorgung und geistige Konzentration praktisch zu erproben. Er gärtnete, führte Haushaltsbücher, beobachtete Tiere, Gewässer und Jahreszeiten und empfing Besucher zu Gesprächen über Arbeit, Freiheit und Maß. Aus diesen Erfahrungen formte er Walden (1854), ein kunstvoll komponiertes Buch, das Tagebuchnähe mit sorgfältiger Rhetorik verbindet. Es verknüpft ökonomische Kalküle mit Naturstudien, soziale Kritik mit poetischer Anschauung und stellt die Frage, wie man „nach eigener Fasson“ leben kann, ohne sich der Hast und Konventionalität der Industriegesellschaft zu beugen.

Vor Walden veröffentlichte Thoreau A Week on the Concord and Merrimack Rivers (1849), eine Reise- und Erinnerungsprosa, die Naturbetrachtung mit Reflexion verbindet. Im selben Jahr erschien sein Essay Resistance to Civil Government, später als Civil Disobedience bekannt, ausgelöst durch seine Weigerung, eine Kopfsteuer zu zahlen; er argumentierte für die Vorrangstellung des Gewissens gegenüber ungerechten Gesetzen. In Reden und Essays wie Slavery in Massachusetts (1854) und A Plea for Captain John Brown (1859) bezog er klar Stellung gegen die Sklaverei. Zeitgenössisch oft widersprüchlich aufgenommen, fanden diese Schriften später weite Resonanz in politischen Bewegungen und der Demokratiekritik.

Als Naturbeobachter verband Thoreau genaue Messungen von Wetter, Blütezeiten und Wasserständen mit literarischer Darstellung. Sein Journal wurde zur Quelle zahlreicher Essays, darunter Walking, Autumnal Tints und Wild Apples, die in den frühen 1860er-Jahren vorwiegend postum erschienen. Freundinnen und Freunde bereiteten zudem Sammelbände wie Excursions (1863), The Maine Woods (1864) und Cape Cod (1865) aus Vorträgen und Reiseberichten auf. Seine Arbeit als Landvermesser schärfte den Blick für Topografie und Veränderungsraten in Kulturlandschaften. Heute gelten seine phänologischen Notizen als wertvolle Langzeitdaten, die ökologische Forschung zu Klima, Artenwandel und dem Timing saisonaler Ereignisse empirisch ergänzen.

Thoreau verbrachte seine späteren Jahre überwiegend in Concord, wo er schrieb, vortrug und forschte. Eine langwierige Tuberkulose schwächte ihn; er starb 1862. Nach seinem Tod wurden weitere Manuskripte ediert, wodurch das Ausmaß seines Werks sichtbar wurde. Civil Disobedience prägte Debatten über gewaltfreien Widerstand und inspirierte unter anderem Leo Tolstoi, Mohandas K. Gandhi und Martin Luther King, Jr. Walden wurde zu einem Grundtext US-amerikanischer Natur- und Selbstkulturprosa. In Literaturwissenschaft, politischer Theorie und Umweltdenken ist Thoreau bis heute präsent; seine Beobachtungen, Ethik der Selbstbeschränkung und Idee zweckfreier Aufmerksamkeit wirken in Bildung, Aktivismus und Forschung fort.

Walden - Leben in den Wäldern

Hauptinhaltsverzeichnis
Sparsamkeit
Ergänzende Verse
Wo ich lebte und wofür ich lebte
Lektüre
Töne
Einsamkeit
Besuch
Das Bohnenfeld
Das Dorf
Die Teiche
Baker Farm
Höhere Gesetze
Meine Nachbarn: die Tiere
Heizung
Frühere Bewohner und Besuch im Winter
Wintertiere
Der Teich im Winter
Frühling
Schluß

Sparsamkeit

Inhaltsverzeichnis

Als ich die folgenden Seiten, oder vielmehr den größten Teil derselben schrieb, lebte ich allein im Walde, eine Meile weit von jedem Nachbarn entfernt in einem Hause, das ich selbst am Ufer des Waldenteiches in Concord, Massachusetts, erbaut hatte und erwarb meinen Lebensunterhalt einzig durch meiner Hände Arbeit. Ich lebte dort zwei Jahre und zwei Monate[1q]. Jetzt nehme ich wieder am zivilisierten Leben teil.

Ich würde meine Angelegenheiten nicht so sehr der Kenntnis meiner Leser aufdrängen, wenn nicht meine Mitbürger solch genaue Erkundigungen über meine Lebensweise eingezogen hätten, daß mancher ihr Vorgehen wohl als unerträglich bezeichnen würde, während ich es, in Anbetracht der obwaltenden Verhältnisse, als sehr erklärlich und gar leicht erträglich empfand. Die einen fragten, was ich gegessen, ob ich mich einsam gefühlt oder Furcht gehabt habe usw. Andere hätten gern gewußt, welcher Teil meines Einkommens von mir zu Wohltätigkeitszwecken bestimmt gewesen sei, und wieder andere, die große Familien hatten, wollten wissen, wieviel arme Kinder ich unterstützte. Ich bitte deshalb diejenigen meiner Leser, die kein besonderes Interesse für mich fühlen, um Verzeihung, wenn ich es wage einige dieser Fragen in diesem Buche zu beantworten. In den meisten Büchern sucht man das »Ich«, die erste Person, zu vermeiden. Hier will ich sie beibehalten. Das ist, was den Egoismus anbetrifft, der einzige Unterschied. Meistens vergessen wir, daß es doch nur die erste Person ist, die redet[2q]. Ich würde nicht so viel über mich selber sprechen, wenn es einen anderen Menschen gäbe, den ich gerade so gut kennen würde. Leider bin ich durch den engen Kreis meiner Erfahrungen auf dieses Thema beschränkt. Überdies verlange ich für meine Person von jedem Schriftsteller als Vorrede oder als Schlußwort einen einfachen und ehrlichen Bericht über sein Leben, und nicht bloß das, was er über anderer Menschen Leben hörte. Einen Bericht, wie er ihn etwa aus fernem Lande an seine Verwandten schicken würde. Denn wenn er ehrlich und lauter gelebt hat, so muß das in einem weit von mir entfernten Lande gewesen sein. Vielleicht sind diese Zeilen hauptsächlich an arme Studenten gerichtet. Meine übrigen Leser müssen sich schon die Stellen, die ihnen genehm sind, aneignen. Ich hoffe zuversichtlich, daß niemand bei der Anprobe die Nähte des Rockes ausdehnt, denn der Rock kann dem, dem er paßt, vielleicht gute Dienste leisten.

Ich möchte gern mancherlei sagen – nicht so viel über die Chinesen und Sandwichsinsulaner als über Euch, die Ihr diese Zeilen lest und die Ihr in Neuengland leben sollt; etwas über Eure Zustände, hauptsächlich über Eure äußeren Zustände oder Verhältnisse in dieser Welt, in dieser Stadt, welcher Art sie sind, ob sie notwendiger Weise so schlecht sein müssen wie sie sind, oder ob sie nicht ebenso leicht verbessert werden könnten wie nicht. Ich bin kreuz und quer in Concord herumgewandert, und überall in den Läden, in den Büros und auf den Feldern gewann ich den Eindruck, daß die Bewohner auf tausendfache, merkwürdige Weise für ihre Sünden büßten. Ich habe gehört, daß die Brahmanen[1] sich der Hitze von vier Feuern aussetzen, ins Antlitz der Sonne schauen, oder daß sie, den Kopf nach unten, über einem Feuer hängen, daß sie über ihre Schulter gen Himmel blicken, »bis es ihnen unmöglich wird ihre natürliche Stellung wieder einzunehmen, während durch die Verdrehung des Halses nur Flüssigkeiten in den Magen gelangen können.« Ich habe gehört, daß sie ihr ganzes Leben angekettet an die Wurzel eines Baumes verbringen, oder daß sie wie Raupen kriechend ungeheure Reiche ausmessen, oder mit einem Fuße auf der Spitze einer Säule stehen. Doch diese Äußerungen bewußter Reue sind kaum unglaublicher oder erstaunlicher als die Szenen, deren Zeuge ich täglich bin. Die zwölf Arbeiten des Herkules[2] waren belanglos im Vergleich mit denen, die meine Nachbarn unternommen haben. Denn Herkules hatte nur zwölf Arbeiten zu verrichten, dann war er fertig. Ich konnte dagegen niemals beobachten, daß diese Menschen ein Ungeheuer erschlugen oder einfingen, oder daß sie irgend eine Arbeit beendigten. Ihnen fehlte der Freund Jolaos[3], der mit glühendem Eisen den Hals der Hydra versengte. Darum wachsen, sobald ein Kopf zerschmettert ist, zwei neue nach.

Ich sehe junge Leute, meine Mitbürger, deren Unglück es ist, daß sie Bauernhöfe, Häuser, Scheunen, Vieh und Ackergerät geerbt haben. Denn solche Dinge sind leichter erworben als an den Mann gebracht. Es stände besser um sie, wären sie auf offener Weide geboren und von einer Wölfin gesäugt, denn dann würden sie mit klareren Augen erkennen, wo das wahre Feld ihrer Tätigkeit liegt. Wer hieß sie Sklaven des Bodens sein? Warum sollen sie ihre 60 Morgen Land verzehren, wenn ein Mensch doch nur dazu verdammt ist sein Häufchen Schmutz zu essen? Warum sollen sie gleich nach der Geburt damit beginnen ihr Grab zu graben? Sie sollen ein Menschendasein führen, sich dabei mit all diesen Dingen abplagen und so gut wie möglich vorwärts zu kommen versuchen. Wie manche arme unsterbliche Seele kreuzte meinen Weg, fast erdrückt und erstickt unter ihrer Last! Sie kroch des Lebens Gleis hinab und plagte sich mit Ställen ab, die 75 zu 40 Fuß groß waren – mit Augiasställen[4], die niemals gereinigt wurden, mit hundert Morgen Land, Äckern, Wiesen, Weiden und Waldparzellen! Die Unbegüterten, die sich nicht mit solchen unnötigen, ererbten Fronen herumbalgen, haben genug zu tun ein paar Kubikfuß Fleisch zu beherrschen und zu kultivieren.

Doch die Menschheit krankt an einem Irrtum. Der bessere Teil der Menschen ist bald als Dünger unter den Erdboden gepflügt. Das scheinbare Verhängnis – gewöhnlich Schicksal genannt – heißt sie, wie in einem alten Buche geschrieben steht, Schätze sammeln, welche die Motten und der Rost fressen und denen die Diebe nachgraben und stehlen. Ein Narrenleben haben sie geführt: das wird ihnen am Abend ihres Daseins, vielleicht auch schon früher klar werden. Man erzählt, daß Deukalion und Pyrrha[5] dadurch Menschen erzeugten, daß sie Steine über ihre Häupter hinter sich warfen:

»Inde genus durum sumus, experiensque laborum »Et documenta damus quia sumus origine nati.« Daher sind wir ein hartes Geschlecht, ausdauernd bei der Arbeit, Und für unsere Abkunft liefern wir selbst den Beweis.

Raleighs[6] wohlklingende Übersetzung dieser Worte lautet:

»From thence our kind hard-hearted is, enduring pain and care, »Approving that our bodies of a stony nature are.«

So kann es gehen, wenn man einem faselnden Orakel blind gehorcht, Steine über seinen Kopf wirft und nicht sieht wohin sie fallen.

Die meisten Menschen sind, selbst in diesem verhältnismäßig freien Lande, aus reiner Unwissenheit und Verblendung so sehr durch die künstlichen Sorgen und die überflüssigen, groben Arbeiten des Lebens in Anspruch genommen, daß seine edleren Früchte nicht von ihnen gepflückt werden können. Ihre Finger sind durch übermäßige Arbeit zu plump geworden, sie zittern zu sehr bei solchem Beginnen. Tatsächlich hat der arbeitende Mensch Tag für Tag keine Zeit zur inneren Läuterung. Es ist ihm unmöglich die menschlichen Beziehungen zu den Menschen zu unterhalten. Seine Arbeit würde auf dem Markte im Preise sinken. Er hat nur Zeit eine Maschine zu sein. Wie kann der seiner Unwissenheit abhelfen – und das fordert doch seine geistige Weiterentwickelung –, der seine Kenntnisse so oft gebrauchen muß! Wir sollten ihn ab und zu aus eigenem Antrieb ernähren und kleiden, ihm eine Herzerquickung geben, bevor wir ein Urteil über ihn fällen. Die kostbarsten Eigenschaften unseres Wesens können, wie der Flaum der Früchte, nur durch die zarteste Behandlung erhalten bleiben. Doch wir behandeln weder uns selbst noch die andern so zartfühlend.

Einige von Euch sind arm, das wissen wir alle. Einige von Euch haben schwer mit dem Leben zu kämpfen und schnappen, sozusagen, von Zeit zu Zeit nach Luft. Ich bezweifle nicht, daß einige Leser dieses Buches nicht imstande sind alle die Mittagsessen, die sie in Wirklichkeit verzehrten, oder die Kleider und Schuhe, die so schnell sich abnutzen oder schon abgetragen sind, zu bezahlen, daß sie nur deshalb bis hierher gelesen haben, weil sie geliehene oder gestohlene Zeit dazu verwendeten und somit ihre Gläubiger um eine Stunde betrogen. Für mich ist es eine nackte Tatsache, daß manche von Euch ein elendes und niedriges Dasein führen, denn meine Augen sind durch die Erfahrung geschärft. Alle Eure Versuche drehen sich darum, ins Geschäft hinein- oder aus Schulden herauszukommen, aus jenem uralten Moraste, den die Römer aes alienum nannten, eines anderen Kupfer, denn einige ihrer Münzen wurden aus Kupfer verfertigt. Ihr lebt, Ihr sterbt, Ihr werdet begraben durch das Kupfer eines anderen. Immer versprecht Ihr zu bezahlen, morgen zu bezahlen, und dabei sterbt Ihr heute – bankerott. Auf alle Arten versucht Ihr Euch bei anderen einzuschmeicheln, Kundschaft zu bekommen – nur vor Gesetzesübertretungen und Gefängnis hütet Ihr Euch. Ihr lügt, schmeichelt, wählt, kriecht mit Eurer Höflichkeit in ein Schneckenhaus hinein oder dehnt Euch zu einer Wolke seichter und dunstiger Großmut aus, um Euren Nachbarn zu bewegen Euch seine Schuhe oder seinen Hut, seinen Anzug oder seinen Wagen machen zu lassen oder seinen Gewürzkram für ihn importieren zu dürfen. Ihr macht Euch krank, damit Ihr etwas für Eure kranken Tage zusammenspart, etwas, was man in einer alten Truhe oder in einem Strumpf hinter dem Wandbewurf, oder um noch sicherer zu gehen, bei einem Bankier versteckt – einerlei wo, einerlei wieviel oder wie wenig.

Ich wundere mich manchmal darüber, daß wir – ich möchte fast sagen – so frivol sein können, uns um die schmutzige, aber etwas ferner liegende Form der Sklaverei, um die sogenannte Negersklaverei zu kümmern. Gibt es doch viele schlaue und findige Sklavenhalter gerade so gut im Norden wie im Süden. Es ist hart einem südlichen, härter einem nördlichen Sklavenaufseher zu unterstehen. Am schlimmsten aber ist es um den bestellt, der sein eigener Sklaventreiber ist. Da schwätzt man vom Göttlichen im Menschen! Schaut Euch den Fuhrmann auf der Landstraße an, der zu Markte fährt bei Tag oder bei Nacht. Offenbart sich in ihm die Gottheit? Seine höchste Pflicht heißt: Füttere und tränke deine Pferde! Was gilt ihm mehr – sein Schicksal oder der Frachtverkehr? Fährt er nicht für Herrn »Nimmerrast«? Inwiefern ist er gottähnlich, inwiefern unsterblich? Seht nur, wie er sich bückt und kriecht, wie er sich planlos den lieben langen Tag quält, er der weder unsterblich noch göttlich ist, sondern nur der Gefangene und Sklave des Bildes, das er von sich selbst entwarf, und das auf seinen Taten fußt. Die öffentliche Meinung ist ein schwacher Tyrann im Vergleich zu unserer eigenen Privatmeinung. Was ein Mensch von sich selbst denkt, das ist es, wodurch sein Schicksal bestimmt oder vielmehr prophezeit wird. Wo ist der Wilberforce, Wilberforce[7], britischer Philanthrop, 1759-1833. Er kämpfte hauptsächlich gegen den Sklavenhandel. der es vermag, selbst in den westindischen Gebieten einer launenhaften Phantasie Selbstbefreiung durchzusetzen? Man möge ferner an die Damen des Landes denken, die bis zum letzten Tage Toilettenkissen sticken, nur um kein allzu lebhaftes Interesse an ihrem Schicksal zu verraten! Als ob es möglich wäre die Zeit totzuschlagen, ohne die Ewigkeit zu verletzen.

Die Mehrzahl der Menschen verbringt ihr Leben in stiller Verzweiflung[3q]. Was wir »Resignation« nennen ist absolute Verzweiflung. Von der verzweifelten Stadt zieht man aufs verzweifelte Land hinaus. Dort tröstet man sich mit der Tapferkeit der Sumpfotter und der Moschusratte. Eine stereotype, wenn auch unbewußte Verzweiflung ist selbst hinter den sogenannten Vergnügungen und Unterhaltungen der Menschheit verborgen. Da kann von Vergnügen nicht die Rede sein, denn das kommt nach der Arbeit. Für den Weisen ist es charakteristisch, daß er nichts Verzweifeltes unternimmt.

Wenn wir uns überlegen, was (um die Worte des Katechismus zu gebrauchen) die Hauptbestimmung des Menschen ist und worin die notwendigen Lebensbedürfnisse wirklich bestehen, so scheint es, als ob die Menschen nach reifer Überlegung die ordinäre Art zu leben gewählt hätten, weil sie ihr vor jeder anderen den Vorzug geben. Sie glauben allen Ernstes keine Wahl zu haben. Frische und gesunde Naturen erinnern sich dagegen, daß die Sonne klar aufging. Es ist niemals zu spät unsere Vorurteile aufzugeben[4q]. Auf keine Folge von Gedanken oder Taten, einerlei wie alt, kann man sich ohne Prüfung verlassen. Was jedermann nachbetet oder mit Stillschweigen als wahr dahingehen läßt, kann morgen als falsch sich erweisen – als bloßer Ansichtsdunst, den manche für eine Wolke hielten, die befruchtenden Regen auf ihre Felder ergießen würde. Was alte Leute für unausführbar halten, wir versuchen es, wir finden, daß es ausgeführt werden kann. Alte Taten für alte Leute, neue Taten für die neuen! Einst genügte das Wissen unserer Ahnen nicht, um Brennmaterial zum Unterhalten des Feuers zu sammeln. Die Menschen von heute legen ein wenig trockenes Reisig unter einen Kessel und sausen um den Erdball so schnell wie die Vögel. Den Alten würde dabei, wie man sagt, angst und bange werden. Das Alter ist nicht besser, ja kaum so gut zum Lehrmeister geeignet als die Jugend. Denn es hat nicht soviel gewonnen als es verlor. Man kann mit Recht bezweifeln, ob der weiseste Mensch irgend etwas von absolutem Wert durch das Leben gelernt hat.

In Wirklichkeit vermögen die Alten der Jugend keinen wertvollen Rat zu geben. Ihre eigenen Erfahrungen sind Stückwerk geblieben, ihr Leben ist – aus persönlichen Gründen wie sie natürlich glauben– ein solch kläglicher Mißerfolg gewesen. Und doch ist es möglich, daß sie noch etwas Selbstvertrauen übrig haben, welches diese Erfahrung Lügen straft. Sie sind ja nur weniger jung als sie gewesen sind. Ich habe einige dreißig Jahre auf diesem Planeten zugebracht, und doch habe ich bislang noch nicht die erste Silbe eines wertvollen oder selbst ernsthaften Ratschlages von meinen älteren Mitmenschen gehört. Sie haben mir nichts Zweckentsprechendes gesagt, sind dazu auch wahrscheinlich nicht imstande. Hier ist das Leben – ein im wesentlichen von mir noch nicht versuchtes Experiment. Daß sie es versuchten, nützt mir nichts. Zu irgend einer Erfahrung, die ich für wertvoll halte, haben meine Ratgeber, nach meiner Überzeugung, nichts zu sagen gehabt.

Ein Farmer erklärte mir: »Sie können nicht von Pflanzenkost allein leben, denn sie trägt nichts zur Knochenbildung bei.« Darum widmet er gläubig einen Teil des Tages der Versorgung seines Körpers mit dem Rohmaterial für Knochen. Und während er, fortwährend sprechend, hinter seinen Ochsen hergeht, wird er von ihnen und ihren durch Vegetabilien genährten Knochen mit seinem schwankenden Pfluge über alle Hindernisse hin und her gezerrt. Manche Dinge sind für gewisse Kreise wirklich Lebensbedürfnisse, und zwar für die Hilflosen und Kranken, während sie für andere bloß Luxusgegenstände, und wieder anderen völlig unbekannt sind. Es gibt Leute, die da glauben, das ganze Gebiet des Menschenlebens sei bereits von ihren Vorfahren in allen Höhen und Tiefen durchforscht, alle Dinge seien bereits besorgt. Nach Evelyn Evelyn, englischer Rechtsgelehrter. gab der Weise Salomo sogar für die Entfernung der Bäume voneinander Vorschriften. Die römischen Prätoren bestimmten wie oft man, ohne die Gerechtsame zu verletzen, seines Nachbars Grund betreten dürfe, um die abgefallenen Eicheln aufzulesen, und wieviel davon dem Nachbarn gebühre, Hippokrates hat uns sogar Anweisungen hinterlassen, wie wir unsere Nägel schneiden sollen: nämlich in gleicher Höhe mit den Fingerspitzen, weder kürzer, noch länger. Ohne Zweifel sind gerade Lebensüberdruß und Langeweile, die voraussetzen, daß alle Abwechselung und Freude im Leben ausgekostet ist, alt wie Adam. Doch der Menschen Fähigkeiten hat man noch nicht ausgemessen. Wir können auch nach dem, was bislang geschehen ist, auf das was geschehen kann, nicht schließen, so wenig ist noch versucht worden. Wo auch immer Du bisher erfolglos gewesen bist: sei nicht bekümmert, mein Kind, denn wer soll Dich für das, was Du nicht vollbracht hast, verantwortlich machen?

Wir können unser Leben an tausend einfachen Dingen erproben, zum Beispiel daran, daß die gleiche Sonne meine Bohnen reift und zugleich ein ganzes System von Weltkörpern wie unsere Erde beleuchtet. Wenn ich daran gedacht hätte, wären einige Irrtümer vermieden worden. Solche Erleuchtung besaß ich nicht, als ich Bohnen hackte! Wie wunderbar sind die Dreiecke, deren Spitzen von Sternen gebildet werden! Wie verschieden, wie weit voneinander entfernt sind in des Weltalls mannigfachen Wohnungen die Geschöpfe, die sie zu gleicher Zeit betrachten! Die Natur und das menschliche Leben sind so wandelbar wie unsere Konstitution. Wer vermag zu sagen, welche Aussicht das Leben einem andern bietet? Wäre es nicht das größte aller Wunder, wenn der eine für einen Augenblick mit den Augen der anderen sähe? In einer Stunde würden wir in allen Äonen der Welt, ja in allen Welten der Äonen leben! Geschichte, Poesie, Mythologie! – Ich habe über die Erfahrung anderer nichts gelesen, was so staunenswert und lehrreich wäre.

Im Herzensgrunde glaube ich, daß der größere Teil von dem, was meine Nachbarn für klug halten, schlecht ist, und wenn ich irgend etwas bereue, so ist es aller Wahrscheinlichkeit nach mein anständiger Lebenswandel. Was für ein Dämon beherrschte mich, daß ich mich so gut betragen habe? Sprich Deiner Weisheit Inbegriff aus, Du alter Mann, der Du siebenzig Jahre, nicht ohne in Ehren grau zu werden, gelebt hast, – ich höre eine unwiderstehliche Stimme, die mich von all dem fortlockt. Eine Generation verläßt die Unternehmungen der anderen wie gestrandete Schiffe.

Ich glaube, daß wir unbeschadet viel mehr Vertrauen haben könnten als wir zeigen. Wir sollten uns selbst gerade soviel Sorgfalt widmen, als wir ehrlich anderen schenken. Die Natur paßt sich ebensogut unserer Schwäche wie unserer Stärke an. Die unaufhörliche Angst und Anstrengung mancher Menschen ist eine nahezu unheilbare Krankheit. Wir pflegen die Wichtigkeit unserer Werke zu überschätzen! Und doch: wie viele Dinge geschehen ohne unser Zutun! Und wenn wir nun gar krank würden? Wie genau wir da Acht geben, fest entschlossen uns nicht auf unseren Glauben zu verlassen, wenn wir es vermeiden können. Den ganzen Tag sind wir auf unserer Hut, abends sprechen wir unwillig unser Nachtgebet und ergeben uns dem Ungewissen. So sehr hängen wir mit allen Fasern am Leben, daß wir es anbeten und die Möglichkeit eines Wechsels leugnen. Das ist der einzig richtige Weg, sagen wir. Und doch gibt es so viele Wege, als wir Radien von einem Mittelpunkt aus ziehen können. Jede Veränderung macht den Eindruck eines Wunders. Doch solch Wunder vollzieht sich in jedem Augenblick. Confucius[8] hat gesagt: »Zu wissen, daß wir wissen, was wir wissen, und daß wir nicht wissen, was wir nicht wissen, das ist das wahre Wissen.« Sobald nur ein Mensch ein Ergebnis seiner Phantasie auf ein Ergebnis seines Intellekts zurückgeführt hat, werden alle Menschen ihr Leben auf dieser Basis aufbauen. Ich sehe das voraus. Wir wollen einen Augenblick überlegen, um was sich die erwähnte Müh' und Sorge dreht und in wieweit es notwendig ist uns zu mühen oder wenigstens uns zu sorgen. Es wäre recht nützlich, bedürfnislos, wenn auch inmitten äußerlicher Zivilisation, ein Grenzerleben zu führen, bloß um die gröberen Lebensbedürfnisse und die Methode ihrer Gewinnung kennen zu lernen. Man könnte auch die alten Geschäftsbücher der Kaufleute durchblättern, um zu sehen, was die Menschen am meisten kauften, was vorrätig gehalten wurde, d.h. welche Waren am wichtigsten sind. Denn der Fortschritt im Laufe der Jahrhunderte hat nur geringen Einfluß auf die Grundgesetze der menschlichen Existenz gehabt. Sind doch auch unsere Skelette wahrscheinlich von denen unserer Vorfahren nicht zu unterscheiden.

Mit dem Worte »Lebensbedürfnisse« meine ich alle Güter, die der Mensch durch seine eigene Arbeit erwirbt, die von Anbeginn oder durch lange Gewohnheit so wichtig für das menschliche Leben geworden sind, daß nur einzelne, wenn überhaupt welche, sei es im Zustand der Wildheit, aus Armut oder aus Philosophie je versuchten ohne sie auszukommen. Viele Geschöpfe haben in diesem Sinne nur ein Lebensbedürfnis – Nahrung. Der Büffel in der Prairie findet sie in einigen Quadratzoll wohlschmeckenden Grases und in einem Trunk Wasser, falls er nicht des Waldes Schutz und des Berges Schatten aufsucht. Kein Tier der Schöpfung bedarf mehr als Nahrung und Unterschlupf. Die Lebensbedürfnisse der Menschen in unserem Klima kann man ziemlich erschöpfend unter folgenden Rubriken zusammenfassen: Nahrung, Obdach, Kleidung, Feuerung. Dann erst, wenn wir uns dieser Dinge versichert haben, sind wir vorbereitet, den wahren Problemen des Lebens in Freiheit und mit einiger Aussicht auf Erfolg nachzuforschen. Der Mensch hat nicht nur Häuser erfunden, sondern auch Kleidung und das Zubereiten der Nahrung. Und möglicherweise entstand durch die zufällige Entdeckung der Wärme des Feuers und durch die damit verbundene Nutzanwendung, die anfangs Luxus war, unser heutiges Bedürfnis am Feuer zu sitzen. Wir können bei Katzen und Hunden das Annehmen derselben Gewohnheit beobachten. Durch zweckmäßige Wohnung und Kleidung bewahren wir vernünftigerweise unsere innere Wärme. Wenn wir aber mit diesen Dingen, gerade wie mit der Feuerung, nicht Maß halten, d.h. wenn die äußere Hitze größer ist als unsere Eigenwärme, gibts da nicht ein Verbrühen?

Der Naturforscher Darwin[9] erzählte folgende überraschende Beobachtung, die er bei den Feuerländern machte: während er und seine Begleiter warm gekleidet nahe am Feuer gesessen hätten, ohne es auch nur im geringsten zu warm zu finden, sei an den nackten Wilden, die weit vom Feuer entfernt standen, »ob solchen Röstens« der Schweiß in Strömen heruntergelaufen.

Auch wissen wir, daß der Neuholländer ungestraft nackt umherspaziert, während der Europäer in seinen Kleidern fröstelt. Ist es unmöglich die Widerstandsfähigkeit dieser Wilden mit der Intelligenz der zivilisierten Menschen in Einklang zu bringen? Nach Liebig[10] ist des Menschen Körper ein Ofen, und Nahrung die Feuerung, die den inneren Verbrennungsprozeß in der Lunge unterhält. Bei kaltem Wetter essen wir mehr, bei warmem weniger. Die animalische Wärme ist das Produkt einer langsamen Verbrennung, und Krankheit und Tod treten ein, wenn sie zu rasch von statten geht oder wenn aus Mangel an Feuerung oder an Sauerstoffzufuhr das Feuer erlischt. Natürlich kann die Lebenswärme nicht mit dem Feuer verglichen werden. Doch genug von dieser Analogie. Es ergibt sich also aus dem soeben Gesagten, daß der Ausdruck »animalisches Leben« nahezu gleichbedeutend mit dem Ausdruck »animalische Wärme« ist. Und wie die Nahrung als Feuerung betrachtet werden kann, die unser inneres Feuer unterhält – und Feuerung nur dazu dient, diese Nahrung herzustellen oder unsere Körperwärme durch Zufuhr von außen zu erhöhen – so dienen Wohnung und Kleidung auch nur dazu, die also erzeugte und absorbierte Wärme festzuhalten.

Das Hauptbedürfnis für unsern Körper besteht also darin warm zu bleiben, die Lebenswärme in ihm zu erhalten[5q]. Was für Mühen machen wir uns aber auch, nicht nur wegen unserer Nahrung, Kleidung und Wohnung, sondern auch wegen unserer Betten, die unsere Nachtkleider sind! Nest und Brust der Vögel berauben wir, um diese Wohnung in einer Wohnung herzurichten, gerade wie der Maulwurf, der sein Bett aus Gras und Blättern am Ende seines Ganges macht. Arme Menschen klagen gewöhnlich über diese kalte Welt; auf Kälte, physische sowohl wie soziale, führen wir unmittelbar einen großen Teil unserer Leiden zurück. In einigen Klimaten gestattet die Sommerzeit den Menschen eine Art paradiesisches Leben. Feuerung ist dann nicht notwendig außer zum Kochen. Die Sonne ist ihr Feuer und manche Früchte sind genügend durch ihre Strahlen gekocht. Die Nahrung wird abwechselungsreicher, ist leichter zu beschaffen. Kleidung aber und Wohnung sind ganz oder teilweise entbehrlich. Heutzutage sind in diesem Lande – ich habe das an mir selbst erfahren –, einige Werkzeuge: ein Messer, eine Axt, ein Spaten, eine Schubkarre usw., und für den Gelehrten: Lampenlicht, Schreibmaterial und die Gelegenheit einige Bücher zu benutzen die nächst wichtigen Lebensbedürfnisse. All diese Dinge sind für billiges Geld zu haben. Doch einige Toren wandern auf die andere Seite des Erdballs in unkultivierte und ungesunde Gegenden, widmen sich zehn oder zwanzig Jahre lang dem Handel, damit sie leben, d.h. sich gemütlich warm halten können, und schließlich sterben sie in Neuengland. Die im üppigen Reichtum Lebenden sitzen jedoch nicht in behaglicher Wärme, sondern in unnatürlicher Hitze; ich sagte es schon: sie werden gekocht, natürlich à la mode.

Fast jeder Luxus und viele der sogenannten Bequemlichkeiten des Lebens sind nicht nur absolut überflüssig, sondern geradezu Hindernisse für die fortschreitende Entwickelung des Menschengeschlechtes. In Hinsicht auf Luxus und Bequemlichkeit haben die Weisesten immer ein einfacheres und armseligeres Leben geführt als die Armen. Niemals war jemand an weltlichen Gütern ärmer, an inneren Gütern reicher als die alten Philosophen in China, Indien, Persien und Griechenland. Wir wissen nicht viel über sie. Merkwürdig ist, daß wir überhaupt so viel über sie wissen. Dasselbe gilt von den neueren Reformatoren und Wohltätern ihrer Völker. Nur wer den freien Blick besitzt, den freiwillige Armut eröffnet, kann unparteiisch und weise das menschliche Leben betrachten. Ein luxuriöses Leben zeitigt Luxus, sei es im Ackerbau, im Handel, in der Literatur oder in der Kunst. Heutzutage gibt es Dozenten der Philosophie, aber keine Philosophie. Wie man einst trefflich sein Leben verbrachte, darüber hört man heute trefflich dozieren. Geistreiche Gedanken und selbst die Gründung einer Schule machen noch keinen Philosophen. Vielmehr muß man die Weisheit solchermaßen lieben, daß man nach ihren Vorschriften lebt, ein Leben der Einfachheit, Unabhängigkeit, der Großmut und des Vertrauens. Einige Probleme des Lebens sollen wir nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch lösen. Der Erfolg großer Gelehrter und Denker ist häufig eine Art Höflingserfolg, kein königlicher, kein männlicher Erfolg. Mit ihrem Anpassungsvermögen schlagen sie sich kümmerlich durchs Leben, gerade wie auch ihre Väter. In keiner Hinsicht sind sie die Erzeuger einer edleren Menschenrasse. Doch warum degenerieren die Menschen stets? Warum sterben Familien aus? Wie muß der Luxus beschaffen sein, der Nationen entnervt und vernichtet? Sind wir sicher, daß nichts davon in unserem eigenen Leben vorhanden ist? Der Philosoph eilt seiner Zeit voraus, selbst in der äußeren Lebensform. Er unterscheidet sich durch seine Nahrung, Wohnung, Kleidung und durch sein Wärmebedürfnis von seinen Zeitgenossen. Wie kann man den Menschen einen Philosophen nennen, der keine besseren Methoden zur Erhaltung seiner Lebenswärme kennt, als andere Leute?

Wenn ein Mensch durch die verschiedenen Methoden, die ich beschrieben habe, gewärmt ist, was hat er dann zunächst nötig? Sicherlich nicht noch mehr Wärme derselben Art, z.B. reichlichere und reichere Nahrung, größere und prächtigere Häuser, bessere und elegantere Kleider, zahlreichere, beständigere und wärmere Feuer usw. Wenn er die Dinge erlangt hat, die für das Leben notwendig sind, ist es ihm anheimgestellt sich um etwas anderes als um das Überflüssige zu bemühen, d.h. er kann sich jetzt, wo er niedriger Arbeit enthoben ist, an das Leben selbst wagen. Der Boden ist, wie es scheint, für die Saat geeignet, denn sie hat in der Tiefe Wurzel gefaßt; so mag sie denn jetzt ihre Sprossen auch vertrauensvoll nach oben senden. Warum hat der Mensch seine Wurzeln so fest in die Erde geschlagen, wenn er nicht in demselben Maße in den Himmel dort oben wachsen will? Edlere Pflanzen beurteilt man nach ihren Früchten, die sie schließlich, frei vom Erdboden, in Luft und Licht erzeugen. Sie werden darum auch nicht wie die niederen Nährpflanzen behandelt, die, auch wenn sie zweijährig sind, nur so lange gepflegt werden, bis ihre Wurzel ausgewachsen ist und deren oberer Teil oftmals gerade zu diesem Zwecke ganz abgeschnitten wird, so daß die Menschen sie in ihrer Blütezeit gar nicht kennen würden.

Ich habe nicht die Absicht starken und mutigen Naturen Vorschriften zu geben. Sie können ihre eigenen Angelegenheiten selbst erledigen, sei es im Himmel oder in der Hölle. Sie bauen vielleicht großartiger, verschwenden freigebiger als die Reichen, und werden doch nie arm. Sie wissen selbst nicht wie sie leben – vorausgesetzt, daß es überhaupt solche Menschen gibt. Man nimmt das ja an. Auch zu denen rede ich nicht, die Ermutigung und Begeisterung gerade in den gegenwärtigen Zuständen finden und sie mit der Innigkeit und mit dem Enthusiasmus Liebender hegen und pflegen; bis zu einem gewissen Grade gehöre ich selbst zu dieser Zahl. Auch wende ich mich nicht an diejenigen, welche sich, einerlei unter welchen Umständen, gut beschäftigen, und die wissen, ob sie sich gut beschäftigen oder nicht. Nur zu der Masse jener Menschen spreche ich, die unzufrieden sind, die sich vergeblich über die Härte ihres Schicksals oder der Zeiten beklagen, während sie beides verbessern könnten. Manche Leute stöhnen auf das heftigste, sind untröstlich, weil sie, wie sie sagen, ihre Pflicht tun. Ich denke auch an die reiche und doch so unendlich arme Klasse jener Menschen, die Tand auf Tand häufen, und nicht wissen, was sie damit tun, wie sie denselben los werden können. Sie haben sich ihre eigenen goldenen oder silbernen Fesseln geschmiedet.

Wenn ich versuchen wollte zu schildern, wie ich in früheren Tagen mein Leben zu verbringen wünschte, würden wahrscheinlich diejenigen meiner Leser, die meinen wirklichen Lebenslauf kennen, überrascht sein. Diejenigen, die gar nichts davon wissen, würden einfach staunen. Ich will nur einige Unternehmungen, an denen ich meine Freude hatte, andeuten.

Bei jedem Wetter, zu jeder Tages- oder Nachtstunde versuchte ich den gegebenen Augenblick zu benutzen. Immer war ich bedacht dort festen Fuß zu fassen, wo zwei Ewigkeiten – Vergangenheit und Zukunft – zusammentreffen, d. h. gerade im jeweiligen Augenblick. Gerade dort wich ich keinen Zoll. Mit einigen Unklarheiten muß der Leser schon Nachsicht haben, denn in meinem Handwerk gibt es mehr Geheimnisse als in den meisten anderen. Und doch werden diese nicht vorsätzlich gehütet, sondern die Natur der Sache bringt es mit sich. Ich würde mit Freuden alles, was ich darüber weiß, mitteilen und niemals an meine Tür schreiben: »Zutritt verboten«.

Vor langer Zeit verlor ich einen Jagdhund, ein rotbraunes Pferd und eine Turteltaube. Noch immer suche ich sie. Zahlreich sind die Wanderer, mit denen ich über die Verlorenen sprach, denen ich die Spuren beschrieben habe und die Rufe, auf die meine Tiere hörten. Ein paar Leute hatten das Bellen des Hundes, den Hufschlag des Pferdes vernommen, ja sie hatten auch die Taube gesehen, wie sie gerade hinter einer Wolke verschwand. Und sie waren so erpicht darauf sie wieder einzufangen, als ob sie selbst sie verloren hätten.

Es gilt, nicht nur dem Sonnenaufgang und der Morgendämmerung, nein, womöglich der Natur selbst zuvorzukommen! Wie oft bin ich in der Frühe, im Sommer wie im Winter, bevor noch irgend ein Nachbar zur Arbeit sich anschickte, bei meiner Arbeit gewesen. Sicherlich haben mich manche meiner Mitbürger gesehen, wenn ich von meiner Beschäftigung zurückkehrte: Farmer, die im Zwielicht nach Boston wanderten oder Holzhacker, die zur Arbeit gingen. Allerdings, ich half der Sonne nicht wesentlich beim Aufgehen, aber zweifellos war allein schon meine Anwesenheit bei diesem Ereignis von allerhöchster Wichtigkeit.

Wie viele Herbst- und Wintertage verlebte ich außerhalb der Stadt, um zu hören, was der Wind sagte, und dann das Gehörte als Eilgut weiterzutragen: Fast mein ganzes Vermögen steckte ich hinein und verlor obendrein meinen Atem bei dem Handel, wenn ich ihm entgegenstürmte. Hätte er von politischen Parteien erzählt, Ihr könnt Euch drauf verlassen, es hätte unter »Neueste Nachrichten« alsbald in der Zeitung gestanden. An anderen Tagen hielt ich von dem Observatorium eines Felsens oder eines Baumes aus Wache, um irgend eine ungewohnte Ankunft weiter zu telegraphieren, oder ich wartete abends auf den Gipfeln der Hügel darauf, daß der Himmel sich herniedersenke, damit ich ein Stückchen davon erwischen könne. Doch ich erwischte niemals viel, und selbst das zerschmolz wie Manna in der Sonne.

Lange Zeit war ich Berichterstatter bei einer nicht sehr weit verbreiteten Zeitung, deren Herausgeber sich bisher noch nicht bewogen fühlte den größeren Teil meiner Beiträge zu drucken. So bezahlte sich, wie das bei Schriftstellern fast regelmäßig geschieht, meine Mühe nur durch meine Arbeit. In diesem Fall trug übrigens meine Mühe ihren Lohn schon in sich.

Lange Jahre hindurch war ich selbstangestellter Inspektor der Schneestürme und Regenschauer; ich tat getreulich meine Pflicht. Ich war auch Aufseher, zwar nicht der Landstraßen, aber der Waldpfade und Feldwege, die ich in allen Jahreszeiten gangbar erhielt. Auch Schluchten überbrückte ich, wenn die Fußstapfen des Publikums zu solch nützlichem Tun ermunterten.