Wanamurraganya - Sally Morgan - E-Book

Wanamurraganya E-Book

Sally Morgan

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Beschreibung

Sally Morgan war bereits eine erfolgreiche Schriftstellerin, als sie sich quer durch den australischen Kontinent auf die Suche nach dem unbekannten Mann machte, der nach Aborigines-Genealogie ihr Großvater war. Sie fand schließlich Jack McPhee, mit seinem eigentlichen Namen Wanamurraganya, und er erzählte ihr seine Lebensgeschichte. Diese Biografie voller Lebenskraft und Heiterkeit erzählt ebenso drastisch wie humorvoll von schwarzen Frauen und weißen Vätern, von einer entmündigenden Regierungspolitik, die dem ganzen Volk der Aborigines die elementarsten Rechte absprach, und der Gelassenheit, die man trotz allem erlangen kann. »Mein Leben ist reicher geworden durch die Bekanntschaft mit diesem prima Kerl, und ich bin überzeugt, eures wird es auch.« Sally Morgan

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Seitenzahl: 326

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Über dieses Buch

Sally Morgan schildert die Lebensgeschichte des Mannes, der nach Aborigines-Genealogie ihr Großvater war: Sie handelt von schwarzen Frauen und weißen Vätern, von einer entmündigenden Regierungspolitik, die dem ganzen Volk der Aborigines die elementarsten Rechte absprach, und der Gelassenheit, die man trotz allem erlangen kann.

Zur Webseite mit allen Informationen zu diesem Buch.

Sally Morgan (*1951), ausgebildete Psychologin und Bibliothekarin, Malerin und Lithografin, gilt als die wichtigste Vertreterin der Aborigines-Literatur. Sie wuchs in der weißen Gesellschaft Australiens auf und machte sich erst spät auf die Suche nach ihrer wahren Identität.

Zur Webseite von Sally Morgan.

Gabriele Yin übersetzt australische Literatur ins Deutsche. Sie ist Herausgeberin einer Anthologie von Erzählungen und Gedichten von Aborigines und arbeitet bei einer Galerie für Kunst der Aborigines.

Zur Webseite von Gabriele Yin.

Dieses Buch gibt es in folgenden Ausgaben: Taschenbuch, E-Book (EPUB) – Ihre Ausgabe, E-Book (Apple-Geräte), E-Book (Kindle)

Mehr Informationen, Pressestimmen und Dokumente finden Sie auch im Anhang.

Sally Morgan

Wanamurraganya

Die Geschichte von Jack McPhee

Roman

Aus dem Englischen von Gabriele Yin

E-Book-Ausgabe

Unionsverlag

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Impressum

Die englische Originalausgabe erschien 1989 bei Fremantle Arts Centre Press, South Fremantle, Western Australia.

Originaltitel: Wanamurraganya. The Story of Jack McPhee (1989)

© by Sally Morgan und Jack McPhee 1989

© by Unionsverlag, Zürich 2019

Alle Rechte vorbehalten

Umschlag: Rashmi Singh (Alamy Stock Vector)

Umschlaggestaltung: Sven Schrape

ISBN 978-3-293-30702-5

Diese E-Book-Ausgabe ist optimiert für EPUB-Lesegeräte

Produziert mit der Software transpect (le-tex, Leipzig)

Version vom 02.08.2019, 10:54h

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Inhaltsverzeichnis

Cover

Über dieses Buch

Titelseite

Impressum

Unsere Angebote für Sie

Inhaltsverzeichnis

WANAMURRAGANYA

Einführung

Meine Anfänge — 1905–1912/13

An die Arbeit — 1912/13–1918

Mein Leben mit Harry — 1918–1922

Ein Mann wird Mulba — 1922–1923

Kamelgespanne und Farmarbeit — 1923–1924

Auf der Corunna-Downs-Farm — 1924–1927

Ich gehe meinen eigenen Weg — 1927–1931

In der Moore-River-Siedlung — 1931–1932

Eine verpasste Chance — 1933–1935

Der Kampf um den Lebensunterhalt — 1935–1938

Ich finde einen besseren Weg — 1939–1941

Ein Gefühl der Sicherheit — 1941–1944

Ich wehre mich gegen das Ministerium — 1944–1946

Jetzt bin ich ein Weißer! — 1946–1951

Ein Arbeiter — 1951–1961

Mehr Arbeit — 1961–1971

Ein Regierungsmann — 1971 …

Epilog — Die Nummer eins

Worterklärungen

Anmerkungen

Abbildungsverzeichnis

Mehr über dieses Buch

Über Sally Morgan

Über Gabriele Yin

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Einführung

Jack McPhee und Sally Morgan, Port Hedland, 1985

Ich lernte Jack im Mai 1983 kennen, als ich Nachforschungen für mein erstes Buch, Ich hörte den Vogel rufen, anstellte. Ich war nach Port Hedland gekommen, ohne jemanden zu kennen, aber in der Hoffnung, mit einigen älteren Leuten aus der Gegend von Port Hedland und Marble Bar in Kontakt zu kommen, die sich an meine Großmutter und ihren Bruder erinnern konnten. Meine Großmutter stammte von der Corunna-Downs-Farm in der Nähe von Marble Bar. Sie war als Kind, wie andere aus ihrer Familie, fortgenommen und nach Perth gebracht worden, damals, als es schwarzen Frauen nicht erlaubt war, Kinder aufzuziehen, die von weißen Männern gezeugt worden waren. Jacks Name war uns vom Freund eines Freundes, der zu dieser Zeit in Hedland arbeitete, gegeben worden.

Uns war nicht ganz wohl bei dem Gedanken, einfach aufzutauchen und Fragen zu stellen, aber es gab keine andere Möglichkeit. Glücklicherweise saß Jack vor seinem Haus im Schatten, als wir dort ankamen. Er muss sich gefragt haben, was für eine Wagenladung Fremder da auf ihn zukam: Paul, mein Mann, und ich, drei Kinder und meine Mutter Gladys. Es stellte sich heraus, dass Jack sehr freundlich war, und wir waren gleich von seiner starken Persönlichkeit und seinem Humor beeindruckt. Er war der Erste, an den wir uns wandten, und der Erste, der genau wusste, über wen wir sprachen. Da kam er uns besonders nahe, denn er bestätigte, dass diese Suche nach unseren Verwandten mehr als nur eine Fantasie war. Als er über die Schwester meiner Großmutter sprach, wurde uns klar, dass alles wirklich war. Diese Leute hatten gelebt und waren bekannt, und indem wir Leuten wie Jack zuhörten, konnten auch wir sie kennenlernen.

Nachdem wir aus dem Norden nach Perth zurückgekommen waren, begann ich, Jack zu schreiben. Aus diesem Briefwechsel entwickelte sich eine Freundschaft, und er entschloss sich, Weihnachten mit uns zusammen zu verbringen. Dies war 1983, und sein erster Besuch bei uns erwies sich als Wendepunkt. Jack war sehr an meinem Schreiben interessiert und erzählte mir, dass er all die Jahre hinweg mit verschiedenen Leuten Aufzeichnungen gemacht hatte, aber nie etwas dabei herausgekommen war. Er wollte wissen, warum ich schrieb und wie ich arbeitete. Wir diskutierten oft miteinander, warum es so wichtig war, das Leben von älteren Leuten festzuhalten. Jack hatte ein natürliches Gefühl für Geschichte, er war der Meinung, wir sollten die Vergangenheit kennen und aus ihr lernen. Er fand es auch wichtig, dass die Jüngeren wussten, was ihre älteren Verwandten durchgemacht hatten. Als wir einmal beschlossen hatten, dieses Buch zu schreiben, gab es kein Zurück mehr.

Es ist keine einfache Aufgabe, die Lebensgeschichte von jemand anders zu schreiben. Auf beiden Seiten gibt es stets Erwartungen und Vorbehalte. Jacks Geschichte zu schreiben, hieß für mich ebenso, für ihn zu waschen, zu bügeln, zu kochen, ihn zur Bank, Post oder zu Verabredungen zu fahren, Zusammentreffen mit Leuten aus seiner Vergangenheit zu arrangieren, und natürlich, ihn mit den Freuden des Burswood-Spielkasinos bekannt zu machen, wofür ich Paul und meiner Mutter danke.

Mich an seiner Geschichte teilhaben zu lassen, hieß für Jack, sich Hunderte von Fragen gefallen zu lassen, wieder und wieder dieselben Ereignisse und Erfahrungen durchzugehen, schwierige Themen zu diskutieren, über die er nie zuvor gesprochen hatte, drei Katzen (er hasst sie!), drei laute Kinder und meine Kochkünste hinzunehmen.

Ich wollte darauf hinaus, dass das Schreiben selbstverständliches Ergebnis einer Beziehung war, die sich zwischen uns entwickelte, nicht das Resultat einer eher akademischen Übung. Ich erinnere mich, wie wir einmal miteinander ausgingen und Jack jemandem erzählte, dass ich seine Geschichte aufschrieb. Ich witzelte: »Ja, ich weiß mehr über ihn als er selber!« Jack fand das sehr lustig, er sagte: »Weißt du, das stimmt, wenn ich jetzt einmal die Hälfte einer Geschichte vergesse, bitte ich dich, sie zu Ende zu erzählen, denn du kennst sie so gut!«

Die erste Regel für einen solchen Schreibprozess ist, dort zu beginnen, wo der Erzähler beginnen möchte. Wir begannen, indem wir den Namen jedes afghanischen Kameltreibers im Nordwesten aufschrieben, an den Jack sich erinnern konnte. Dann gingen wir zu Bahnstationen und Windmühlen über. Erst danach entschloss sich Jack, über seine Kindheit zu sprechen. 

Die meisten Menschen denken recht gerne an ihre Kindheit, da sie sie hinter sich gelassen und sich bis zu einem gewissen Grad damit abgefunden haben. Es gibt allerdings empfindliche Bereiche, und diese erfordern Geduld aufseiten des Aufzeichners. Anfangs unterbrach ich Jack nie mit Fragen, denn er war noch dabei, sich in den Erinnerungsprozess einzufinden. Stattdessen machte ich gelegentlich eine Notiz, denn ich wusste, dass ich später, wenn er entspannter wäre, darauf zurückkommen und nachfragen konnte. Jack gewöhnte sich an, jeweils drei Monate bei uns zu bleiben. Nach seinem ersten Besuch hatten wir einunddreißig Stunden Tonband aufgenommen. Als er zurückfuhr, setzte ich mich daran, sie zu transkribieren. Wenn wir nicht zusammen waren, riefen wir einander an.

Diese Tonbänder vermittelten mir einen groben Überblick über sein Leben. Jack konnte sich besonders gut an Daten erinnern, daher konnte ich die Informationen, die er mir gegeben hatte, zusammenstückeln und in eine grobe chronologische Abfolge bringen. Dieser Prozess führte zu neuen Fragen. Als ich Jack das nächste Mal sah, zeigte ich ihm, was ich gemacht hatte, und fuhr mit meinen Fragen fort. Dies wurde zu einem Schema, in das wir uns leicht und zufrieden einfügten. Die Antworten zu diesen Fragen wurden dann transkribiert und in den ersten Text eingefügt. Das bedeutete, dass der Text sich kontinuierlich veränderte, er wuchs und wurde ständig korrigiert und umgeschrieben.

Das erneute Erzählen ist unerlässlich, denn oft werden neue Details oder Blickwinkel hinzugefügt, die einer zunächst recht oberflächlich scheinenden Episode größere Tiefe geben. Zudem legen Menschen Erinnerungen unterschiedlich ab. Was zunächst als eine einfache Frage erscheint, die nur einen Satz als Antwort erfordert, kann vom Erzähler womöglich nur im weiteren Kontext einer viel verwickelteren Geschichte vollständig und korrekt beantwortet werden.

Der Erzähler muss genau darüber informiert sein, was geschrieben wird und wie sich das Buch entwickelt. Es mag Dinge geben, die der Aufzeichner gerne aufnehmen würde, aber gegen die der Erzähler Einwände erhebt. In diesem Fall fällt die letzte Entscheidung stets der Erzähler. Zudem müssen manchmal die Interessen einer Gemeinschaft, besonders die von gewissen Aboriginesgemeinschaften, gegen das Recht des Einzelnen abgewägt werden, eine bestimmte Information preiszugeben. Um das Buch flüssig und lesbar zu gestalten, muss der Schriftsteller verbindende Sätze und Wörter zufügen. Dies hat auf eine unauffällige Art zu geschehen, mit der auch der Erzähler zufrieden ist. 

In den drei Jahren durchliefen Jack und ich sechsmal diesen Prozess. Das war sehr arbeitsintensiv, aber unbedingt notwendig. Später bat ich Paul, die Fragen zu stellen. Jack und er waren mittlerweile gute Freunde, und er war froh, zur Abwechslung einmal mit einem Mann sprechen zu können.

Als sich das Buch seinem Endstadium näherte, arbeitete ich in der J. S.-Battye-Bibliothek für westaustralische Geschichte und überprüfte Schreibweisen, Daten, Namen, Farmen und Fotografien. Zur selben Zeit gelang es Jack und mir, seine Akte vom Department of Community Services zu erhalten. Sie bestand aus etwa dreihundert Seiten, und obwohl sie nichts Neues enthielt, war sie sehr nützlich in der Bestätigung von Daten, Entwicklungen und der allgemeinen Einstellung jener Zeit.

Jack interessierte es natürlich sehr, was die damals Verantwortlichen über ihn geschrieben hatten. Ich las ihm die gesamte Akte vor, und wir lachten viel. Einen Vorfall fand ich besonders interessant. Es war ein Bericht des »Protektors der Aborigines«, in dem dieser behauptete, mit Jack über seine bevorstehende Heirat in der Moore-River-Siedlung gesprochen zu haben. Jack lachte, als ich ihm dies vorlas. Der »Protektor« hatte wohl mit Arthur Neal, dem weißen Leiter der Siedlung, gesprochen, der ihm erzählt hatte, wie Jack sich fühlte. Dies wurde dann offiziell als ein Gespräch mit Jack festgehalten. Zu gewissen Zeiten ist ein mündlicher Bericht weit zuverlässiger als ein geschriebener. 

Natürlich gibt es bei einer solchen Arbeit wie in jeder anderen gewisse Einschränkungen. Da war einerseits die offensichtliche, dass Jack ein initiierter Mann war und ich nicht nur weiblich, sondern auch noch mit ihm verwandt war. Andererseits hatte ich zu akzeptieren, dass er mir Dinge mitteilte, die er aber nicht im Buch sehen wollte.

Als der Text in seiner Endfassung vorlag, las Paul ihm das Buch nochmals ganz vor. Jacks Hörvermögen war ständig schlechter geworden, und es war nun leichter für ihn, Pauls Stimme zuzuhören als meiner. Dieses Vorlesen ist sehr wichtig. Der Erzähler muss wissen, dass man sein Vertrauen nicht missbraucht hat, seine Geschichten nicht verzerrt wurden und sein Leben in einer Art vermittelt wird, wie er es selbst erzählen würde.

Unsere letzte Entscheidung galt dem Umschlag. Ursprünglich sollte es ein altes Foto sein, aber die Qualität war schlecht, daher entschieden wir, dass ich ein Bild malen sollte. Eines Abends bat ich Jack, mir »Wanamurraganya« zu beschreiben, und während er sprach, zeichnete ich.

»Gibt diese Zeichnung die Atmosphäre des Ortes wieder?«, fragte ich ihn.

»Beinahe. Mach die Hügel dort ein bisschen flacher, und dann brauchst du noch etwas Schilf da am Wasser.«

Als ich ihm meinen nächsten Versuch zeigte, sagte er: »Nein, nein, das ist nichts, die Hügel sind immer noch zu hubbelig. Los, gib mir den Stift.«

Ich beobachtete, wie er langsam meine Zeichnung veränderte. Schließlich sagte er: »Ja, das ist es. Das kannst du jetzt malen.« Und so entstand der Umschlag.1

Wir schufen dieses Buch als unser gemeinsames Anliegen, anderen ein Gefühl dafür zu vermitteln, wie es für jemanden wie Jack war, in jenem Zeitraum unserer Geschichte zu leben.

Bevor er in den Norden zurückkehrte und nachdem seine Geschichte abgeschlossen war, fragte ich ihn, was er davon hielt. Seine Antwort fasst zusammen, wovon dieses Buch handelt.

»Ich sehe es als die Geschichte eines Arbeiters, und ich glaube, dass Arbeiter sie verstehen werden, weil sie die Mühen kennen. Dann sehe ich es auch als die Geschichte von Wanamurraganya, dem Sohn einer Stammesaborigine. Andererseits ist es die Geschichte eines Mannes, der damit ringt, schwarz und weiß zu sein. Eines Mannes, der sich dafür entschieden hat, nicht nach Stammesart zu leben, aber der auch nicht wie die Weißen leben kann, weil die Regierung es nicht zulässt. Ich könnte immer so weiterreden, denn eigentlich will ich sagen, dass es die Geschichte von vielen Leuten ist, und sie alle sind ein Teil von mir!«

Sally Morgan

Meine Anfänge

1905–1912/13

Ich glaube, ich wurde um 1905 geboren, es kann aber auch früher gewesen sein. Einige sagen, ich sei älter, aber niemand weiß es genau. Damals gab es keine Geburtsurkunden. Ich habe das ungefähre Datum aus den Erzählungen der anderen und meinen frühesten Erinnerungen. Das war alles nie so wichtig, aber heutzutage braucht man seine Daten für Regierungsformulare und solche Dinge. Außerdem bin ich stolz auf mein Gedächtnis. Es ist doch wohl ziemlich gut für jemanden in meinem Alter, sich an so vieles erinnern zu können.

Meine Mutter war eine ngayarda banujutha, eine Stammesaborigine. Ihr schwarzer Name war Marduwanyjawurru, ihr weißer Name Mary. Sie hatte vier Schwestern: Mugaari oder Eva, Nyamalangu (Nellie), Ngarlgaari (Fanny) und Yarriwawurru (Dinah). Ihre Leute sprachen Naml und kamen aus dem Gebiet, wo der Oakover und der Davis zusammenfließen, ungefähr einhundertzehn Meilen von Marble Bar weg. Das ist kein schlechtes Land da draußen, viele Flüsse durchziehen das Gebiet kreuz und quer, da gibt es immer Wasser. Ihr Volk lebte dort seit Generationen.

Mein Familienname ist Yirrabinya, grob übersetzt heißt das Zähne. Vielleicht hat er früher noch eine andere, wichtigere Bedeutung gehabt, das weiß ich nicht. Es gibt vier Gruppen bei uns: Banaga, Burungu, Milangga und Garimarra. Ich gehöre zu den Garimarras. Das ist sehr wichtig, denn es bestimmt mein Verhältnis zu allen anderen in der Gegend. Auf der Grundlage dieser Gruppe gelten andere Menschen als meine Mutter, mein Vater, Onkel, Sohn und so weiter. Das heißt, dass ich, auch wenn ich meine direkten Verwandten einmal verliere, immer eine Mutter, einen Vater oder Onkel in meiner Gruppe habe.

Nur zwei Kinder meiner Mutter überlebten, ich und mein Bruder Walyayingu (Jim Watson). Er war ein ngayarda banujutha und zehn Jahre älter als ich. Meine Mutter hatte mich wohl recht spät bekommen, denn ich erinnere mich daran, dass sie älter war als die anderen Frauen mit kleinen Kindern. Außerdem kannte sie viele alte Korrobori-Lieder, die nicht jeder singen konnte. Damals sangen die Leute sehr gerne, und alle sangen, es war nicht nur die Aufgabe ein paar weniger. Ich erinnere mich, als ich ganz klein war und meiner Mutter und meinen Tanten zuschaute, wie sie in einer Reihe tanzten. Mit ihren Körperbemalungen und den Kakadufedern sahen sie so hübsch aus. Es war wundervoll.

Mein Aboriginesvater kam aus derselben Gegend wie meine Mutter. Sein richtiger Name war Ngawarrangu, aber die Weißen nannten ihn Bandy Jim. Er starb vor meiner Mutter und wurde an einer Quelle am Mount Edgar begraben, der durch die Mount-Edgar-Farm fließt. Es gibt viele Quellen in der Gegend. Der Stammesname für die Quelle, an der er begraben liegt, ist Wanamurraganya. Genauso werden die Knollen genannt, die dort wachsen. Man kann sie herausziehen, trocknen lassen und dann mahlen, um Fladenbrot zu backen. Sie werden Wanamurraganya genannt, das Essen, das von Wanamurraganya, dem Wasser, kommt.

Meine Leute nennen mich Wanamurraganya wegen des Alten. Manchmal sagen sie: Wanamurraganyaurru. Wanamurraganya ist mein Name, und wenn man ein -urru anhängt, weiß man, dass ich so genannt werde, weil mein Vater oder ein anderer Verwandter dort begraben liegt.

Mein Aborigine-Stiefvater war nämlich ein sehr bedeutender Mann, er war bewandert in den Stammesriten und hoch angesehen. Es war vorgesehen, dass ich seine Kräfte erbe und ihm nachfolge, aber es kam ganz anders. Wenn mich meine Freunde auf der Straße sehen, rufen sie oft: »Hey, Wanamurraganya!« Dieser Name hat eine große Bedeutung für die alten Zeiten und die alten Leute, und ich reagiere immer darauf.

Der eigentliche Stammesname, den meine Mutter mir gab, war Juliingu, aber niemand nennt mich so. Mein weißer Name ist Jack, und meine Mutter nannte mich Jacky. Sie dachte wohl, es wäre gut für mich, einen weißen Namen zu haben. Die Leute in der Gegend kannten mich schließlich unter dem Namen Jack.

Als ich jung war, dachte ich immer, dass Sandy McPhee der Weiße war, der mich gezeugt hatte. Sein richtiger Name war Alec; Sandy war sein Spitzname. Er war ein Schürfer und der Bruder von William McPhee, der die De-Grey-Farm verwaltete. Sandy war sehr gut zu Mum und mir. Ich fand erst viele Jahre später die Wahrheit heraus; er war gar nicht mein Vater.

Mein Aboriginesvater Ngawarrangu hatte ein ziemliches Ansehen. Um 1899 tötete er Dr. Ed Vines auf der Braeside-Farm. Das geschah folgendermaßen: Er arbeitete mit meiner Mutter und ihrer Schwester Eva auf Braeside. Hodgson, der Besitzer, war brutal. Der alte Jack Mitchell, der damals als Kind auf Braeside lebte, erzählte, dass eine Frau und ihr ungeborenes Kind gestorben waren, weil er sie verprügelt hatte. Ich weiß nicht, ob es stimmt, das wurde jedenfalls erzählt.

Ngawarrangus Aufgabe war es, die Schafe zu hüten. Davon gab es eine ganze Menge, und weil es keine eingezäunten Koppeln gab, war das ein recht schwieriger Job. Wenn er ein paar Schafe verlor, verprügelte Hodgson ihn. Ngawarrangu hatte die Nase voll, deshalb fragte er Hodgson, ob meine Mutter mit ihm hinausgehen und ihm helfen könnte. Doch nur für die Frage allein spürte er schon Hodgsons Stiefel. Hodgson war außerdem knauserig mit dem Essen. Wenn es je Brot gab, war es sauer, er gab den Leuten gerne verdorbenes Essen.

Ngawarrangu hatte diese Behandlung satt, daher verließ er die Farm und ging in die Gegend von Balfour Downs, wo er eine wirri, eine Armee von Aborigines, zusammentrommelte. Man muss sich klarmachen, dass das nicht jeder Schwarze geschafft hätte. Er konnte es nur, weil er ein maban war. Das Wort maban deutet auf geheime Dinge hin, die mit der Geisterwelt zu tun haben. Genauer kann ich es auf Englisch nicht beschreiben.

Ein maban hat spirituelle Macht. Er kann Dinge in Bewegung setzen, ohne sie zu berühren. Er kann Geisterstöcke wie ein Flugzeug fliegen lassen. Er kann jemanden töten, ohne eine Spur zu hinterlassen. Er hat Gewalt über Leute und Geister.

Wenn ein maban jemanden töten will, muss er sich vom Essen der Weißen fernhalten, denn das schwächt den Geist. Er muss essen, wozu er geboren wurde. Richtiges Essen, so wie Echse, Emu und Känguru. Das Essen, mit dem er als Kleiner aufgezogen wurde. Das ist das Essen, das ihn stark macht.

Wenn er seine Kraft gefestigt hat, kann sein Geist den Körper verlassen und in den Körper seines Feindes eintreten. Dann verflucht er den Mann, und wenn er ihn schließlich verlässt und in seinen eigenen Körper zurückkehrt, weiß er, dass der Mann, den er verflucht hat, bald krank werden und sterben wird.

Ich erzähle das alles, um eine Vorstellung davon zu geben, was für ein Mann Ngawarrangu war. Er war nicht nur ein einfacher maban, er war außergewöhnlich mächtig.

Wie dem auch sei, er trommelte ungefähr fünfzig Mann zusammen, und sie kamen spät in der Nacht nach Braeside und versteckten sich unten am Fluss, der ungefähr eine Dreiviertelmeile vom Herrenhaus entfernt lag. Beim ersten Morgenlicht schlichen sie sich heran. Vorne am Eingang war ein Hirtenhund angebunden. Sie schlugen ihm auf den Kopf, damit er nicht Alarm schlagen konnte. Dann schlüpfte Ngawarrangu leise ins Haus und stieg langsam die Treppe hoch.

Unglücklicherweise erschien als erster Weißer Dr. Vines. Ngawarrangu hatte es so eilig mit seiner Rache, dass er Dr. Vines mit dem Speer aufspießte und tötete, bevor er merkte, dass es der falsche Mann war. Zu der Zeit war eine schwangere Frau auf der Farm, deshalb war Dr. Vines da, und man erzählt sich, dass meine Mutter und ihre Schwester später der Frau halfen, ihr Kind zu bekommen.

Ngawarrangu und die anderen Männer der wirri verließen die Farm, und bald war die Polizei hinter ihnen her. Andere Aborigines warnten Ngawarrangu, dass die Polizei ihm übel gesinnt sei, daher nahm er zeitweilig einen falschen Namen an. Zwei Männer aus der Gegend wurden dann verhaftet und für den Mord gehängt.

Am Ende fingen sie auch meinen Stiefvater und steckten ihn ins Gefängnis in Roebourne. Das war ein Gefängnis, wo man damals Leute hängte, deshalb wollte er wohl nicht allzu lange dort bleiben.

Als der Wärter ihm eines Morgens sein Essen brachte, war er verschwunden. Kein zerbrochenes Schloss, keine fehlenden Nägel, die Tür fest verschlossen, die Fenster in Ordnung, nichts hatte sich verändert. Die Polizei konnte nicht verstehen, wie er entkommen war, aber mein Volk verstand es. Er war ein maban, es geschah auf magische Art.

Die Polizei verfolgte ihn bis in die Hamersley Ranges und gab dann auf. Ngawarrangu schlug sich bis nach Marble Bar durch, wo er einen Sack Mehl abholte, was damals die Hauptnahrung war. Er hielt sich weiterhin versteckt und machte sich in Richtung der Black Ranges auf, wie wir sie nennen, denn er suchte meine Mutter. Bei Sonnenuntergang stieß er auf ihre Leute, aber als er sah, dass sie mit einem anderen Mann zusammen war, wurde er sehr wütend, griff nach einem gezackten Speer und stieß ihn seinem Rivalen durchs Bein. Dann stieß er ihn auch noch meiner Mutter ins Bein, aber ihre Wunde war nicht so schlimm und machte ihr nur eine Weile zu schaffen. Danach waren sie wieder zusammen.

Natürlich passierte die Geschichte, die ich gerade erzählt habe, lange bevor ich geboren wurde, aber ich kenne sie gut, weil sie zu meiner Familie gehört und immer weitergegeben wurde.

Als ich ein Baby war, verbrachten wir viel Zeit auf der Mount-Edgar-Farm. Mum half beim Schafehüten und Kuhmelken, und Ngawarrangu räumte den Hof auf. Ich freundete mich mit Alma, der kleinen Tochter der Corboys, an. Den Corboys gehörte Mount Edgar.

Eine meiner frühesten Erinnerungen war, wie Alma und ich mit einem Kalb herumspielten und es furchtbar neckten. Als die Mutterkuh sah, was wir taten, wurde sie sehr wütend und griff uns an. Wir rannten zu einem großen Granitblock, aber wir konnten nicht hinaufklettern, weil er zu glatt war, also rannten wir nur um ihn herum und schrien um Hilfe. Meine Mutter hörte uns schließlich, sie rief, wir sollten keine Angst haben, dann kam sie und trieb die Kuh fort. Sie schimpfte mit uns, aber sie muss es auch lustig gefunden haben, denn sie lachte gleichzeitig. Das ist eine der wenigen Erinnerungen, die ich an Mum habe. Dies und der Klang ihrer Stimme, wenn sie mir vorsang oder etwas erzählte.

Wir verließen schließlich Mount Edgar und gingen in die Gegend von Moolyella, denn es kam die Zeit der Korroboris. Ngawarrangu und Mum sangen und tanzten sehr gerne, es war ein wichtiger Teil ihres Lebens.

Es gab einen Tanz, auf den sich Ngawarrangu besonders freute. Das Lied zu diesem Tanz erzählt von einem Mann, der einen Speer hält und den Arm gegen den Himmel hebt. Er könnte einen Feind oder ein Känguru jagen, aber Ngawarrangu gefiel wohl die Vorstellung von einem Feind. Der Jäger gräbt die Speerspitze in die Brust seines Feindes, umpf!, und zieht sie dann wieder heraus. Ich sehe ihn immer noch mit hoch erhobenem Arm vor mir, wie er umpf! den Speer hineinstößt und umpf! wieder herauszieht. Ach ja, Ngawarrangu mochte diesen Tanz wirklich sehr!

Nach dem Korrobori bekam meine Mutter Arbeit in Bert Watsons Laden, der im Zinngebiet von Moolyella war. Die eine Hälfte war ein Wirtshaus und die andere ein Laden, sie verkauften dort alles, was man so brauchte, besonders Konserven. Ich erinnere mich an einen Kuchen in der Dose, den sie Canterbury-Kuchen nannten. Der schmeckte gut. Sie verkauften Bonbons, Mehl und allen möglichen Krimskrams. Dann gab es noch einen anderen Laden ein paar Meilen weiter, der von jemandem betrieben wurde, dessen Vorname McDonald war. Die einzigen anderen Gebäude in der Gegend waren Buschhütten, die von den Zinngräbern gebaut wurden. Die Gegend war immer reich an Zinn gewesen.

Sogar in Marble Bar gab es damals nichts Nennenswertes. Die Polizeiwache war das Hauptgebäude, es war aus Stein und Lehm gebaut – damals gab es nicht viel Zement, nicht so wie heute. Bis in die Vierzigerjahre gab es nicht einmal eine vernünftige Kirche.

Je älter ich wurde, desto mehr interessierte sich mein Bruder Jimmy für mich. Wenn meine Mutter arbeitete, kümmerte er sich um mich. Er setzte mich vor sich aufs Pferd und nahm mich mit, um das Lager der alten Leute zu besuchen. Sie veranstalteten immer einen großen Wirbel um mich. Ich habe wirklich meinen großen Bruder Jimmy sehr bewundert.

Eine Erinnerung, die ich habe, ist eigentlich wie ein Traum. Ich stand neben Bert Watsons Laden, und Jimmy musste etwas angestellt haben, denn Bert boxte ihn und trat dann auf ihn ein, als er am Boden lag. Jimmy muss so vierzehn oder fünfzehn gewesen sein. Ich machte mir große Sorgen und hatte Angst, dass er verletzt würde, und ich konnte daraufhin Bert Watson überhaupt nicht mehr leiden.

Bald danach gingen wir fort und zogen zu den alten Leuten. Sie verbrachten ihre Zeit damit, Zinn zu waschen und ihn dann gegen Essen einzutauschen. Wir waren noch nicht lange bei den Alten, als meine Mutter krank wurde und starb. Ich kann mich nicht richtig daran erinnern, wie sie starb, aber ich weiß noch, dass die Alten einen großen Wirbel um mich gemacht und mir nichts gesagt hatten. Ich fand erst eine Woche später heraus, dass meine Mutter gestorben war. Jimmy konnte es mir nicht sagen, weil er zu der Zeit irgendwo auf einer Farm arbeitete. Ich begann, meine Mutter zu suchen und nach ihr zu rufen, bis meine Tanten mich schließlich mitnahmen und mir das Grab zeigten. Ich nehme an, ich muss da so um die fünf Jahre alt gewesen sein.

Meine Tante Eva nahm mich zu sich, da meine Tante Yarriwawurru (Dinah) nach Marble Bar ging, um als Putzfrau und Wäscherin auf der Polizeiwache zu arbeiten. Sie nahm ihren Sohn Gubiingu (Jack Doherty) mit, er war zwei Jahre jünger als ich und mit so schlechten Augen geboren worden, dass er praktisch blind war. Das muss wohl in der Familie liegen, denn ich wurde selber mit nur einem guten Auge geboren. Ich habe Jack sehr vermisst, denn er war einer meiner Spielkameraden. Er hatte einen Bruder namens Jiliyangu (Clancy), der ungefähr zur selben Zeit wie Albert und Arthur Brockman in die Swan-Mission für Eingeborene und Mischlinge geschickt wurde. Albert und Arthur waren von der Corunna-Downs-Farm, die damals den Drake-Brockmans gehörte. Eine meiner Tanten war mit jemandem von Corunna Downs verheiratet und hatte dort viele Jahre gelebt. Albert und Arthur sind mit mir verwandt, obwohl ich jünger bin als sie. Viele Kinder wurden damals weggenommen, und diese zwei hatte es eben erwischt. Albert gelang es, nach Hause zurückzukehren, aber Arthur nicht. Jacks und Clancys Vater war Mick Doherty, dem zusammen mit Morris McKenna die Meetheena-Farm gehörte. Ich habe Clancy erst 1923 kennengelernt, wir wurden später sehr gute Freunde.

Onkel Hector war einer von denen, die damals gut zu mir waren, er war ein großer, starker Mann aus der Wüste. Er nahm mich immer auf den Schoß und sang mir Korrobori-Lieder vor. In seinem Volk war er als Liedermacher berühmt. Er sang auf Balgoo, einige seiner Korroboris dauerten über eine Woche und hatten mehrere Teile.

Immer wenn Hector sich ein neues Lied ausdachte, waren alle erstaunt. Sie waren nämlich alle so unterschiedlich, so klug und bedeutungsvoll. Er wurde deswegen sehr respektiert. Was das Liedermachen anbelangt, so betrachtete man Hector als jemanden ganz Besonderen. Die Sache lief folgendermaßen ab: Hector dachte sich diese verschiedenen Lieder aus, und dann war es an den anderen, einen Tanz zu entwickeln, der diesem Lied Ehre machte. Das war nicht immer leicht, da Hectors Lieder so gut waren, dass die Leute sich Sorgen machten, ob sie einen Tanz von diesem Niveau zustande bringen könnten. Hector hatte die vollständige Macht, Ja oder Nein zu diesen Tänzen zu sagen. Wenn er den Tanz nicht leiden konnte oder wenn er ihn nicht gut genug fand, durfte er nicht aufgeführt werden. Erst wenn alles geklärt war, konnte der Korrobori stattfinden. Seine Lieder wurden so berühmt; einige verbreiteten sich sogar bis in die Kimberleys hinauf und auch nach Meekatharra hinunter.

Auch ohne meine Mutter war ich sehr glücklich dort bei den alten Leuten, sie waren alle auf die eine oder andere Weise mit mir verwandt und kümmerten sich gut um mich. Ich war ein Kind, das gerne andere ärgerte, das war ein Problem und brachte mich in einige Schwierigkeiten, die meinem Leben eine andere Richtung gaben.

Eines Tages spielte ich mit einigen Kindern in einer Grube, als ein alter Känguruhund namens Mounter angelaufen kam. Wer je einen Känguruhund gesehen hat, weiß, dass sie groß und bissig sind und mit ihnen nicht zu spaßen ist. Und was tat ich? War ich etwa vernünftig? Nein! Ich ging geradewegs auf ihn zu und ärgerte ihn mit einem Stock. Er hatte bald die Nase voll von mir und biss mich in den Kopf. Glücklicherweise war Gudanyawurru, einer meiner Onkel, in der Nähe und erstach Mounter mit dem Speer, bevor er mich noch einmal beißen konnte.

Es war eine schlimme Bisswunde, und die Leute machten sich Sorgen, dass ich krank werden würde, also schickten sie jemanden, der Hilfe holen sollte. Frank Williams, der Postmeister, und Corporal Strapp kamen von Marble Bar, um mich mit dem Zweispänner abzuholen. Corporal Strapp musste kommen, denn damals galten die Polizisten als sogenannte Beschützer der Aborigines, und sie waren es im Allgemeinen, die die mardamarda-Kinder in die Missionen brachten. Sie hoben mich auf den Wagen und brachten mich nach Marble Bar. Mittlerweile fühlte ich mich ziemlich mies. Damit ich nicht alleine war, kam meine Tante Eva mit.

Ich wurde zu Dr. Triado gebracht, der sehr nett war. Er sagte: »So, Jacky, jetzt setzt du dich hier hin und isst diesen Apfel, und unterdessen nähe ich die Wunde an deinem Kopf.« Der Apfel war wohl meine Medizin!

Als er fertig war, sagte er: »Solange du hier bist, musst du jeden Morgen zu mir kommen, Jacky, damit ich mir deinen Kopf anschauen kann, ob er auch gut verheilt.«

Ich wurde dann zu Corporal Strapp gebracht, denn meine Tante Dinah arbeitete noch dort. Die Strapps hatten zwei Jungen, und mein Cousin Jack Doherty war da, ich war also ziemlich zufrieden. Meine Tante machte einen großen Wirbel um mich. Wenn es um Kinder ging, war sie sehr gutherzig.

Jimmy kam mich besuchen, sooft er konnte, spielte ein bisschen mit mir und nahm mich auf Ausflüge mit. Es war schade, dass er so viel älter war als ich, denn das bedeutete, dass unsere Lebenswege in verschiedene Richtungen gingen, und obwohl wir einander wichtig waren, waren wir uns doch nie so nahe, wie wenn man nur ein paar Jahre auseinander ist.

Mein anderer Besucher war Sandy McPhee. Seit Mum gestorben war, hatte er mich, sooft er konnte, besucht und mir eine Tüte Bonbons gebracht. Er war sehr gut zu mir.

Corporal Strapp und seine Frau waren beide sehr nett, ich kann mich überhaupt nicht über sie beklagen. Sie behandelten Jack und mich genauso wie ihre eigenen Jungen und waren in jeder Hinsicht gut zu uns. Corporal Strapp war ein sehr gutmütiger Mann. Ich bin mir sicher, dass er die Nase voll davon hatte, dass wir ihm überallhin folgten und in sein Büro kamen, aber er schimpfte nie mit uns.

Mrs Strapp mochte es nicht, wenn Jack und ich nackt herumliefen, deshalb nähte sie etwas für uns. Sie wollte, dass wir genau wie ihre Jungen aussahen. Morgens zog sie uns an und schickte uns zum Spielen, aber wir fanden die Sachen zu unbequem, daher zogen wir sie aus und kamen nackt nach Hause. Sie hatte bald genug davon, sodass sie schließlich versuchte, uns auszutricksen, indem sie Sachen nähte, die am Rücken zugeknöpft wurden.

Ich erinnere mich, wie sie uns eines Morgens diese Sachen anzog, sie lächelte und sagte uns, wie nett wir aussähen. Sie dachte wohl, sie hätte uns endlich gekriegt, und wir glaubten das auch. Als wir jedoch draußen spielten und uns wieder warm und eng wurde, stellten wir fest, dass wir, wenn wir uns voreinander stellten, recht einfach einander die Sachen aufknöpfen konnten. Genau das taten wir auch, und als wir am Mittag wieder nackt nach Hause kamen, warf Mrs Strapp nur die Hände in die Luft und gab auf!

Jack und ich führten immer etwas im Schilde, aber Kinder sind wohl so. Ich erinnere mich, wie einmal ein alter Schwarzer in einer der Zellen saß. Wir mussten ihm sein Essen bringen. Eine große, schwere Kugel war an seinem Bein festgebunden, es fiel ihm schwer, sich zu bewegen, und wir rollten immer seine Kugel, damit er aus seiner Zelle kommen und unter einem Baum zu Mittag essen konnte. Natürlich hatten wir nie genug, wenn es ums Essen ging. Wir machten uns mit ihm über seine Bohnen her. Wenn sie dann alle waren, rannten wir zu Mrs Strapp und sagten: »Dieser alte Kerl ist furchtbar hungrig, er braucht noch mehr!« Sie gab uns immer eine zweite Portion.

Ich erinnere mich, wie Halleys Komet vorüberzog, als ich in Marble Bar war. Ein paar alte Leute hatten ihr Lager ein wenig außerhalb von Marble Bar in der Nähe des Cemetery Creek aufgeschlagen, und Jack und ich waren bei ihnen. Wir spielten und spielten und wurden immer müder. Schließlich legten wir uns auf den Boden und schliefen ein. Es kam uns so vor, als ob wir nur ein paar Minuten geschlafen hatten, als es wieder taghell wurde.

»Wach auf«, sagte Jack, als er mich rüttelte, »muss schon Morgen sein, es ist nicht mehr dunkel.« Ich wollte nicht aufwachen, ich fühlte mich, als wäre ich gerade erst eingeschlafen.

Wir schauten auf und sahen dieses helle, hübsche Ding am Himmel. Wir hatten zu viel Angst, es lange anzuschauen, denn wir dachten, es könnte ein böser Geist sein. Wir jagten uns gegenseitig Angst ein und rannten den ganzen Weg nach Hause zur Polizeistation.

Jeden Sonntag gingen Jack und ich ins Lager der alten Leute und besuchten sie. Wir waren gerne bei den Alten, weil sie immer einen großen Wirbel um uns machten und uns Geschichten erzählten. Einmal kamen wir dorthin, als sie gerade einen kleinen Korrobori veranstalteten, sie sangen und lachten. Plötzlich stürmten drei Polizisten heran, aber ich kann mich nicht erinnern, ob Corporal Strapp dabei war, denn es waren damals eine Reihe von Polizisten in Marble Bar stationiert. Es war ein Einsatz gegen Hunde. Damals gab es die Vorschrift, dass jeder nur einen Hund haben durfte, aber die alten Leute mochten Hunde so gerne, dass sie am Ende immer mehr hatten, als ihnen eigentlich zustanden. Die Polizisten hatten das wohl bemerkt und entschieden, dass es an der Zeit war, ein paar umzulegen. 

Alle klagten und weinten, als die Hunde erschossen wurden. Old Rosie versteckte ihren Foxterrier unter ihrem Kleid. Jack und ich hatten so viel Angst, dass wir uns davonmachten und ins Lager der Afghanen rannten, das nicht weit weg war. Sie müssen sich gewundert haben, was los war, als wir außer Atem angerannt kamen und riefen: »Polizisten schießen, Polizisten schießen!«

Sie packten und versteckten uns in ihren Zelten und sagten: »Ihr Kinder bleibt da drinnen und kommt nicht heraus, bis wir es euch sagen!«

Jack und ich flüsterten miteinander in unserer Sprache: »O weh, der Polizist erschießt die Hunde, womöglich erschießt er uns auch!« Wir haben uns wirklich für nichts und wieder nichts in etwas hineingesteigert. Sie waren hinter den Hunden her, nicht hinter zwei dummen Kindern.

Als ich ein halbes Jahr bei Corporal Strapp war, sagte mir meine Tante eines Tages, dass er mich eine Zeit lang zu den Brüdern Stuart bringen würde, da sie einen Jungen brauchten, der ihnen mit dem Vieh half. Sie sagte, sie würde mich trotzdem täglich sehen, da sie nicht weit außerhalb lebten, ich sollte also ruhig mit Corporal Strapp mitgehen.

Ich tat, was Aunty mir sagte, verstehst du. Ich wusste nämlich damals nicht, dass ich von der Polizei überallhin geschickt werden konnte, weil ich ein mardamarda war, sogar in eine weit entfernte Mission oder eine Regierungssiedlung. Ich denke, Aunty wusste das, hoffte aber, es verhindern zu können. Obwohl sie mich lieber bei sich gehabt hätte, wenigstens die Stuarts waren in der Nähe.

Die Brüder Stuart hatten ihre Kühe und ihren Gemüsegarten jenseits des Coongan. Ich war mittlerweile ungefähr sechs und daran gewöhnt, Black Billy Marr zu helfen, die Kühe heimzutreiben. Wenn die Stuarts mit ihrem Pferdewagen die Milch in der Stadt auslieferten, musste ich die Kelle halten und anreichen, wenn sie gebraucht wurde. Sie behandelten mich gut, aber ich war wohl einfach zu jung, um von großem Nutzen für sie zu sein. Nach drei Monaten brachten sie mich in die Stadt zurück und gaben mich Corporal Strapp. Aunty war hocherfreut, sie hoffte wohl, dass ich nun ständig bei ihr bleiben durfte. Es gefiel ihr, Jack und mich beide bei sich zu haben, da sie Clancy an das Aboriginesministerium verloren hatte, und es war nun wieder so, als hätte sie zwei Söhne. Manchmal fragte ich sie nach meinem Cousin Clancy, aber sie schüttelte nur den Kopf und sagte: »Die Mission hat ihn.« Offenbar sprach sie nicht gerne darüber.