Warum treiben junge Erwachsene kaum Sport? Gründe für die Aufnahme und den Abbruch sportlicher Aktivität -  - E-Book

Warum treiben junge Erwachsene kaum Sport? Gründe für die Aufnahme und den Abbruch sportlicher Aktivität E-Book

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Beschreibung

Der wirtschaftliche und gesundheitliche Nutzen sportlicher Aktivität ist sehr hoch. Es ist medizinisch erwiesen, dass sich regelmäßiger Sport positiv auf die Prävention von Adipositas und eine Vielzahl anderer chronischen Krankheiten auswirkt. Trotz dieser Erkenntnisse erfüllen die meisten Menschen die Bewegungsempfehlungen der Weltgesundheitsorganisation nicht. Es gibt einige Modelle und Erklärungsansätze, wieso manche Menschen viel und regelmäßig Sport treiben und andere nicht. Worin unterscheiden sich sportliche und körperliche Aktivität? Warum sind besonders die Aussteigerraten bei Sporttreibenden so hoch? Der Autor untersucht, welche Faktoren zur Aufnahme und zum Abbruch sportlicher Aktivität führen. Dabei ermittelt er, ob es verschiedene Typen von Sporttreibenden gibt und worin sie sich hinsichtlich ihres Aktivitätsverhaltens unterscheiden. Sein Buch richtet sich an Sport- und Gesundheitspsycholog:innen, Trainer:innen und an alle Menschen, die sich mit ihrem Sportverhalten kritisch auseinandersetzen wollen. Aus dem Inhalt: - Sportengagement; - Public Health; - Freizeitsport; - Wettkampfsport; - Sportaussteiger; - Sportverhalten

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Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Stand der Forschung

2.1 Sportliche Aktivität

2.1.1 Abgrenzung sportliche vs. körperliche Aktivität

2.1.2 Nationale Bewegungsempfehlungen

2.1.3 Aktivitäts- & Inaktivitätsquote

2.2 Life-Span-Orientierung in der Entwicklungspsychologie

2.3 Sportliche Aktivität über die Lebensspanne

2.4 Forschungsdefizit und Forschungsfragen

3 Theoretische Überlegungen

3.1 Theorien und Konzepte

3.2 Determinanten der Aufnahme und des Abbruchs sportlicher Aktivität

3.2.1 Individuelle Ebene

3.2.1.1 Soziodemographische Faktoren

3.2.1.2 Motive

3.2.1.3 Barrieren

3.2.1.4 Stress

3.2.1.5 Selbstwirksamkeit

3.2.1.6 Aktivitätsgeschichte

3.2.1.7 Gesundheitszustand/-verhalten

3.2.2 Soziale Ebene

3.2.3 Umweltbezogene Ebene

3.2.4 Interaktionen der verschiedenen Ebenen

4 Methodik

4.1 Studiendesign

4.2 Stichprobenbeschreibung

4.3 Datenerhebung

4.4 Datenanalyse

4.4.1 Auswirken verschiedener Determinanten auf Sportaktivität

4.4.2 Formen von sportlichem Aktivitätsverhalten

5 Ergebnisse und Ergebnisdiskussion

5.1 Aufnahme sportlicher Aktivität

5.1.1 Individuelle Ebene

5.1.1.1 Interesse/Spaß

5.1.1.2 Fitness/Gesundheit

5.1.1.3 Stressabbau/Ausgleich

5.1.1.4 Sozialer Anschluss

5.1.1.5 Sonstiges

5.1.2 Soziale Ebene

5.1.2.1 Freunde

5.1.2.2 Familie

5.1.2.3 Partner

5.1.2.4 Nachbarn

5.1.2.5 Trainer

5.1.2.6 Schule

5.1.3 Umweltbezogene Ebene

5.1.3.1 Infrastruktur

5.1.3.2 Klima/Jahreszeit

5.1.4 Diskussion der Faktoren für die Aufnahme sportlicher Aktivität

5.2 Abbruch sportlicher Aktivität

5.2.1 Individuelle Ebene

5.2.1.1 Mangel an Lust/Spaß

5.2.1.2 Zeitmangel

5.2.1.3 Erwartungen nicht erfüllt

5.2.1.4 Beschäftigungsverhältnis

5.2.1.5 Finanzielle Gründe

5.2.1.6 Faulheit

5.2.1.7 Sonstiges

5.2.2 Soziale Ebene

5.2.2.1 Trainingspartner/-gruppe

5.2.2.2 Trainer

5.2.3 Umweltbezogene Ebene

5.2.3.1 Wohnortwechsel

5.2.3.2 Klima/Jahreszeit

5.2.3.3 Infrastruktur

5.2.4 Diskussion der Faktoren für den Abbruch sportlicher Aktivität

5.3 Barrieren sportlicher Aktivität

5.3.1 Individuelle Ebene

5.3.1.1 Beschäftigungsverhältnis

5.3.1.2 Keine Passung

5.3.1.3 Verletzung

5.3.1.4 Finanzielle Gründe

5.3.2 Soziale Ebene

5.3.2.1 Trainingspartner

5.3.3 Umweltbezogene Ebene

5.3.3.1 Klima/Jahreszeit

5.3.3.2 Wohnortwechsel

5.3.3.3 Ressourcen

5.3.4 Diskussion der Faktoren für die Barrieren sportlicher Aktivität

5.4 Typen nach sportlichem Aktivitätsverhalten

5.4.1 Freizeitsportinaktive

5.4.2 Wettkampfsportaussteiger

5.4.3 Freizeitsportaussteiger

5.4.4 Diskussion der Formen von sportlichem Aktivitätsverhalten

6 Diskussion und Limitation

7 Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

Abkürzungsverzeichnis

DLRG                           Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft

iReAct                          individual response to physical activity

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Theorien und Modelle zur Erklärung von sportlicher Aktivität (mod. nach Sallis & Owen, 1999, S. 112)

Tabelle 2: Determinantenmodell auf Basis lerntheoretischer Modelle (Sallis & Hovell, 1990, S. 322)

Tabelle 3: Liste der thematischen Hauptkategorien, Subkategorien und jeweiligen Ausprägungen/Merkmale (eigene Darstellung)

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Darstellung der Einflusssysteme auf die lebenslange Entwicklung (nach Baltes, 1990)

Abbildung 2: Kategorisierung des Sportengagements (Allmer, 2002)

Abbildung 3: Entwicklungsverläufe von körperlicher Aktivität über den Lebensverlauf nach Alterskohorte (modifiziert nach Breuer, 2003)

Abbildung 4: Adapted social-ecological model of determinants of physical activity ( Nelson et al. (2010) modifiziert nach Lynch (2000))

Abbildung 5: Beispielgrafik zur Methode des biografischen Mappings

Abbildung 6: Ablaufschema einer inhaltlich-strukturierenden Inhaltsanalyse nach Kuckartz (Kuckartz, 2016)

Abbildung 7: Häufigkeit der Ausprägungen der Hauptkategorie „Aufnahme sportlicher Aktivität“ (eigene Darstellung)

Abbildung 8: Häufigkeit der Ausprägungen der Hauptkategorie „Abbruch sportlicher Aktivität“ (eigene Darstellung)

Abbildung 9: Häufigkeit der Ausprägungen der Hauptkategorie „Barrieren sportlicher Aktivität“ (eigene Darstellung)

Abbildung 10: Dimension „Umfang sportlicher Aktivität“ des Probanden B5

Abbildung 11: Dimension „Umfang sportlicher Aktivität“ des Probanden B8

Abbildung 12: Dimension „Umfang sportlicher Aktivität“ der Probandin B7

Abbildung 13: Dimension „Umfang sportlicher Aktivität“ der Probandin B3

Abbildung 14: Dimension „Umfang sportlicher Aktivität“ des Probanden B2

Abbildung 15: Dimension „Umfang sportlicher Aktivität“ der Probandin B4

Abbildung 16: Dimension „Umfang sportlicher Aktivität“ des Probanden B6

Abbildung 17: Dimension „Umfang sportlicher Aktivität“ der Probandin B1

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit und zur Verkürzung des Textes wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichwohl für beiderlei Geschlecht.

1 Einleitung

Der wirtschaftliche und gesundheitliche Nutzen sportlicher Aktivität ist sehr hoch und dies wird immer wieder neu bestätigt (vgl. Finger, Mensink, Lange & Manz, 2017; Senatsverwaltung für Inneres und Sport, 2016). Es ist medizinisch erwiesen, dass sich regelmäßige sportliche Aktivität positiv auf die Prävention von Adipositas und eine Vielzahl anderer chronischen Krankheiten, wie beispielsweise Herz-Kreislauferkrankungen, Depression, Diabetes, Krebs und Hypertonie auswirkt (Finger et al., 2017). Trotz dieser Erkenntnisse, erfüllen nur ein Fünftel der Frauen (20,5%) und ein Viertel der Männer (24,7%) die Bewegungsempfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bei Erwachsenen, so die Ergebnisse der Studie Gesundheit in Deutschland aktuell (GEDA 2014/2015-EHIS) (Finger et al., 2017). Während körperliche Aktivität viele positive Folgen hervorruft, sind bei zu wenig Bewegung negative Konsequenzen zu erwarten: Nach der Global Burden of Disease Study 2015 trägt körperliche Inaktivität in Deutschland zu einer enormen Reduzierung der Lebensqualität und Lebenserhaltung bei.

Die Gesundheitspsychologie verfolgt das Ziel eines bewegungsreichen Lebenswandels der Bevölkerung und erforscht die Gründe, die zu einem Zustand des Nichtstuns führen. Es gibt einige Modelle und Erklärungsansätze, wieso manche Menschen viel und regelmäßig Sport treiben und andere nicht. Eine Fülle an Studien untersucht die Motivation für das Beginnen einer sportlichen Aktivität. Doch mit dem Beginn ist es nicht getan: Vielen fällt es schwer, diese Aktivität regelmäßig fortzuführen. Die Aussteigerraten (Drop-outs) sind außergewöhnlich hoch. Studien zufolge sind bei Sport- und Fitnessprogrammen nach einem halben Jahr nur noch die Hälfte der Teilnehmer dabei (Pahmeier, 2008a; Wagner, 2007).

Meist kennt man jemanden aus dem eigenen sozialen Umfeld, der eine Sportaktivität anfängt und nach gewisser Zeit wieder aufgibt. Manche beginnen eine Sportart aus gesundheitlichen oder sozialen Gründen, aus Neugier oder als Entspannungsmöglichkeit. Aufgrund von Zeitmangel, Verletzungen, Wohnsitzwechsel, mangelnder Lust und Motivation oder anderen Gründen wird diese beendet. Die positiven Effekte körperlicher Aktivität bleiben somit vielen Menschen vorenthalten.

Der Problematik der Aufrechterhaltung wird deshalb in der Gesundheitspsychologie immer mehr Beachtung geschenkt. Dabei sind einerseits die komplexen Faktoren zu berücksichtigen, die zur Aufnahme und zum Abbruch der Sportaktivität führen, aber auch persönliche Veränderungen, die der Einzelne im Laufe seines Lebens erfährt. Demographische Prozesse und auch umgebungsbedingte Umwelteinflüsse spielen eine wichtige Rolle.

2 Stand der Forschung

2.1 Sportliche Aktivität

Ein zentraler Begriff für die vorliegende Untersuchung ist die Bezeichnung der sportlichen Aktivität. Um eine theoretische Grundlage zu schaffen, wird im Folgenden auf wichtige Begrifflichkeiten, nationale Bewegungsempfehlungen und die Aktivitäts- bzw. Inaktivitätsquote eingegangen. Es folgt ein Einblick in die life-span-Perspektive der Entwicklungspsychologie. Darauf aufbauend werden theoretische Überlegungen dargelegt, die für das weitere methodische Vorgehen grundlegend sind.

2.1.1 Abgrenzung sportliche vs. körperliche Aktivität

Auf die Schwierigkeit verwandte Begriffe wie körperliche Aktivität, Training oder Sport voneinander zu trennen, weisen viele Autoren hin (vgl. Rosner, 2017, Pahmeier, 2008b). Zum einen gibt es viele verschiedene Definitionen der Begriffe, zum anderen sind diese nicht klar voneinander abzugrenzen. Kopczynski (2008) versteht unter körperlicher Aktivität alle durch Muskelaktivität erzeugten Körperbewegungen, die zu einem Anstieg des Energieumsatzes führen und die bei allen Aktivitäten mit körperlichem Einsatz vorzufinden sind. Das schließt alle körperlichen Bewegungen einer Person unabhängig von Zweck beziehungsweise Motivation und Lebenskontext ein. Damit wird jegliche Art von Bewegung als körperliche Aktivität angesehen. Biddle und Mutrie (2008) erweitern den Begriff der körperlichen Aktivität (physical activity) um die Begriffe Training (exercise) und Sport (sport). Körperliche Aktivität umfasst auch hier jede körperliche Bewegung, bei der sich der Energieaufwand erhöht. Training (exercise) stellt davon eine Komponente dar und findet geplant, strukturiert und wiederholt statt. Sport bildet eine andere Komponente und ist regelgeleitet, strukturiert und durch intensive körperliche Aktivität charakterisiert. Zwar ist bisher keine allgemeingültige Definition von Sport vorhanden (Woll, 2006), aber folgende Definition von Woll enthält die beschriebenen Überlegungen und ist für die vorliegende Arbeit grundlegend.

„Sportliche Aktivität ist ein aktiver, zielmotivierter, spezifisch organisierter Umgang mit dem Körper innerhalb eines sportlichen Rahmens. Sportliche Aktivität ist immer körperliche Bewegung unter Ausnutzung bestimmter motorischer Fähigkeiten und Fertigkeiten, verbunden mit Befinden und Erleben und eine Form der sozialen Interaktion und Kommunikation“

(Woll, 2006, S. 20).

Sportliche Aktivität wird also in dieser Arbeit getrennt von anderen körperlichen Aktivitäten wie Gartenarbeit oder Alltagsaktivitäten wie Fahrradfahren als Fortbewegung betrachtet. Die Studie der vorliegenden Arbeit befasst sich ausschließlich mit der sportlichen Aktivität nach dem Verständnis von Wolls Definition.

2.1.2 Nationale Bewegungsempfehlungen

Die WHO veröffentlicht mit den Global recommendations of physical activity for health (World Health Organization, 2010) Bewegungsempfehlungen für unterschiedliche Altersgruppen. Diese dienen als Richtlinien für das Ausmaß und die Intensität körperlicher Aktivität, um Gesundheit und Fitness zu erhalten beziehungsweise zu fördern. Kinder und Jugendliche im Alter von fünf bis 17 Jahren sollen mindestens 60 Minuten pro Tag mäßig bis intensiv körperlich aktiv sein. Ist dies mehr als 60 Minuten der Fall, bringe dies zusätzlichen gesundheitlichen Nutzen. Zudem sollte intensive körperliche Aktivität an mindestens drei Tagen pro Woche durchgeführt werden, um Knochen und Muskeln zu stärken. Erwachsenen im Alter von 18 bis 64 Jahren wird empfohlen mindestens 150 Minuten pro Woche mäßig körperlich aktiv oder 75 Minuten pro Woche intensiv körperlich aktiv zu sein. Dabei ist eine Kombination aus mäßiger und intensiver Aktivität möglich. Jede Bewegungseinheit soll mindestens zehn Minuten dauern. Für einen zusätzlichen gesundheitlichen Nutzen sind bis zu 300 Minuten pro Woche mäßige oder bis zu 150 Minuten pro Woche intensive körperliche Aktivität anzupeilen. Auch hier kann mäßige und intensive Aktivität kombiniert werden. Dazu sind an zwei oder mehr Tagen pro Woche muskelkräftigende Bewegungen durchzuführen (World Health Organization, 2010).

2.1.3 Aktivitäts- & Inaktivitätsquote

Die im vorherigen Kapitel beschriebenen Bewegungsempfehlungen werden in Deutschland nur teilweise erfüllt. Im Rahmen der Studie Gesundheit in Deutschland aktuell (GEDA 2014/2015-EHIS) des Robert-Koch-Instituts wurden 22.959 Personen ab 18 Jahren mit einer deutschen validierten Version des European Health Interview Survey – Physical Activity Questionnaires (EHIS-PAQ) zu ihrer körperlichen Aktivität befragt. Die empfohlene Ausdaueraktivität erfüllen 42,6% der Frauen und 48% der Männer. Die WHO-Empfehlungen zur Muskelkräftigung erreichen 27,6% der Frauen und 31,2% der Männer. Beide Empfehlungen gemeinsam werden von einem Fünftel der Frauen (20,5%) und einem Viertel der Männer (24,7%) eingehalten (Robert Koch-Institut, 2017). Betrachtet man verschiedene Altersgruppen, kommen Querschnittsuntersuchungen zu dem Ergebnis, dass der Anteil der sportlich Aktiven mit Zunahme des Lebensalters abnimmt. Geschlechtsspezifische Unterschiede zeigen sich darin, dass im Jugendalter Jungen deutlich aktiver sind als Mädchen, im Erwachsenenalter ein Gleichgewicht besteht und im späten Erwachsenenalter Frauen mehr Sport treiben als Männer (Allmer, 2002). Durch körperliche Inaktivität entstehen Kosten durch Erkrankungen, Arbeitsausfälle und frühzeitige Sterblichkeit. Finger et al. (2017) sehen daher vermehrte Investitionen in bewegungsfördernde Maßnahmen als sinnvoll und notwendig an.

2.2 Life-Span-Orientierung in der Entwicklungspsychologie

Die Betrachtung des Sportengagements sollte nicht auf einzelne Lebensabschnitte reduziert werden, da es alle Lebensphasen umfasst (Allmer, 2002). Lange betrachtete die Entwicklungspsychologie nur einzelne Abschnitte des Kindes- und Jugendalters, da sportliche Aktivität als deren Privileg galt (Pahmeier, 2008b). Anfang der 80er Jahre wurde der Fokus auf alle Zielgruppen und Altersstufen erweitert. Mit dieser Öffnung der Forschungsperspektive wurde zugleich die Sicht auf die Entwicklung verändert. Die life-span-psychology (Baltes, 1990), also die Entwicklungspsychologie der Lebensspanne, stellt den Anspruch, die Neuformulierung grundsätzlicher Konzepte voranzutreiben. Dem liegt die Annahme zu Grunde, dass Entwicklung als lebenslanger Prozess aufzufassen ist. Dabei finden in allen Lebensabschnitten intraindividuelle Entwicklungen statt (Plastizität), weshalb Entwicklung niemals als abgeschlossen anzusehen ist. Das Individuum produziert die eigene Entwicklung und schafft gleichzeitig durch das eigene Handeln Veränderungen der internen Bausteine der Situation und der objektiven Situationsbedingungen (Pahmeier, 2008b). Diese Forschungsperspektive ermöglicht, intraindividuelle Veränderungen zu betrachten und festzustellen (Allmer, 2002).

Abbildung 1: Darstellung der Einflusssysteme auf die lebenslange Entwicklung (nach Baltes, 1990)

Unter dem Aspekt, dass die Entwicklung über die Lebensspanne ein dynamischer Prozess ist und verschiedene Einflüsse zu unterschiedlichen Zeitpunkten auf das Individuum einwirken, hat Baltes (1990) Ende der siebziger Jahre das Dreifaktorenmodell entworfen (vgl. Abbildung 1).

Dabei stehen die Dynamik der Entwicklungsphasen, aber auch die interindividuellen Unterschiede in der Entwicklung jedes Einzelnen, im Vordergrund. Einflussfaktoren wie Heirat, Wohnortwechsel, Familiengründung etc. zählen laut Baltes zu normativen Alterseinflüssen und finden in bestimmten Altersphasen statt. Diese biologischen und sozialen Einwirkungen sind als Wendepunkte im Lebenslauf zu sehen und korrelieren mit dem chronologischen Alter. Damit sind diese Einflüsse in einer zeitlichen Abfolge gut vorhersehbar. Normative historische Einflussfaktoren beeinflussen zu gleicher Zeit alle Menschen, die in einer kulturellen, geographischen oder politischen Umwelt leben. Sie sind vom Lebensalter unabhängig und können auch indirekt einwirken. Solche Ereignisse können Kriege, Naturkatastrophen, Wirtschaftskrisen etc. sein. In Bezug auf das Bewegungsverhalten ist hier das Angebot von körper- und geistbezogenen Trendsportarten wie Pilates oder Yoga zu nennen, das als Folge eines schnelllebigen und überwiegend körperlich inaktiven Alltags immer mehr zunimmt. Nicht-normative Ereignisse agieren unabhängig von den alters- und kulturwandelbezogenen Geschehnissen. Sie treten bei Einzelpersonen oder Kleingruppen als positive Vorkommnisse (z.B. Lotteriegewinn) oder als negative Ereignisse (z.B. Autounfall) auf. Diese drei Einflussfaktoren bedingen einander und konfrontieren das Individuum über den Lebensverlauf (Baltes, 1990).

Für die Entwicklungsforschung sind zudem die Erkenntnisse der ökologischen Sozialisationsforschung bedeutsam, als deren Wegbereiter der Psychologe Urie Bronfenbrenner gilt. Besonders seine ökologische Systemtheorie aus den siebziger Jahren ist von Bedeutung. Bronfenbrenner analysiert komplexe Systeme zwischenmenschlicher Beziehungen, in denen sich das Kind entfaltet, und hinterfragt differenziert umweltbedingte Einflussfaktoren auf die menschliche Entwicklung (Bronfenbrenner, Lüscher & Cranach, 1981). Wie Baltes vertritt auch Bronfenbrenner die Ansicht, dass das Individuum sowohl die eigene Umgebung beeinflusst als auch von dieser geprägt wird. Dabei bezieht sich die Umwelt nicht nur auf einen direkten Lebensbereich, sondern setzt sich aus mehreren und deren Verbindungen zusammen. „Man muß sich die Umwelt aus ökologischer Perspektive topologisch als eine ineinandergeschachtelte Anordnung konzentrischer, jeweils von der nächsten umschlossener Strukturen vorstellen. Diese Strukturen werden als Mikro-, Meso-, Exo-, und Makrosysteme bezeichnet“ (Bronfenbrenner et al., 1981, S. 38). Peppler (2017) vergleicht die Darstellung mit einem Set russischer Puppen, den Matrjoschkas.

Das Mikrosystem definiert Bronfenbrenner als „ein Muster von Tätigkeiten und Aktivitäten, Rollen und zwischenmenschlichen Beziehungen, das die in Entwicklung begriffene Person in einem gegebenen Lebensbereich mit seinen eigentümlichen physischen und materiellen Merkmalen erlebt“ (Bronfenbrenner et al., 1981, S. 38). Der Lebensbereich ist als Ort zu verstehen, an dem das Individuum mit anderen Menschen interagieren kann. Im Sportkontext kann dies der organisierte Sport sein.

Auf der zweiten Ebene, dem sog. Mesosystem, findet eine Wechselbeziehung zwischen den verschiedenen Lebensbereichen statt. Das Mesosystem besteht aus mehreren Mikrosystemen, die sich neu bilden oder erweitern können. Bei Erwachsenen wären hier interaktive Beziehungen zwischen Familie, Freunden und Arbeitskollegen zu nennen. Bezogen auf das Sportengagement spielen hier Trainer, Eltern, Freunde etc. eine wichtige Rolle.

Die dritte Ebene, das Exosystem, sind ein oder mehrere Lebensbereiche, an denen das Individuum nicht direkt beteiligt ist, aber die auf den eigenen Lebensbereich einwirken. Beispielsweise nehmen Peppler (2017) zufolge Kinder, deren beide Elternteile berufstätig sind, an weniger Freizeitaktivitäten teil als Kinder, bei denen mindestens ein Elternteil zuhause ist und das Kind entsprechend zur Aktivität bringen und von dort abholen kann.

Die vierte und somit äußerste Ebene ist das Makrosystem. Sie bezieht sich auf Werte- und Normsysteme, Traditionen, Kultur und Subkultur einer Gesellschaft und wirkt auf alle drei zuvor genannten Einheiten (Bronfenbrenner et al., 1981).

Zusammenfassend konzentriert sich die Ökologische Systemtheorie über die direkte Umwelt des Kindes bzw. des Individuums hinaus auf verschiedene Beziehungen und Lebensbereiche. Dabei werden Einrichtungen, wie Ausbildungsstätte oder Arbeitsplatz des Individuums und des sozialen Umfelds, Bildungssystem oder Einfluss von Massenmedien berücksichtigt. Kulturelle Werte oder wirtschaftliche Bedingungen können ebenfalls einflussreiche Umweltfaktoren sein, die auf die menschliche Entwicklung einwirken. Die moderne Entwicklungsforschung basiert auf Bronfenbrenners Modell und betont damit dessen Bedeutung für die heutige Zeit (Steinberg, Vandell & Bornstein, 2011).

2.3  Sportliche Aktivität über die Lebensspanne