Warum übernatürliche Methoden funktionieren - David R., PhD Hamilton - E-Book

Warum übernatürliche Methoden funktionieren E-Book

David R., PhD Hamilton

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Beschreibung

Warum sollen wir meditieren? Wie können Kristalle Geist und Körper heilen? Was macht Visualisierung so kraftvoll und effektiv? Übernatürliche Methoden, alternative Heilverfahren und spirituelle Praktiken werden oft belächelt, aber ihre Ergebnisse lassen sich meist deutlich nachweisen. David R. Hamilton geht entscheidenden Aspekten nach und zeigt aktuelle wissenschaftliche Studien zu -den beliebtesten alternativen Heilmethoden -der heilenden Kraft von Gedanken, Emotionen und Glaubenssätzen -dem wohltuenden Effekt der Natur und der Heilwirkung holistischer Methoden -der faszinierenden Verknüpfung zwischen Bewusstsein und menschlicher Bindung -den Zusammenhängen zwischen unterdrückten Emotionen und Krankheiten Übernatürliche Heilmethoden haben sich bereits jahrtausendelang bewährt, aber nun gibt es endlich eine wissenschaftliche Bestätigung für ihre physische, emotionale und energetische Heilkraft. David R. Hamilton erklärt sie auf sowohl unterhaltsame als auch seriöse Weise und regt zum Nach- und Umdenken an. Darum ist es an der Zeit, zu sagen: Ja, übernatürliche Methoden funktionieren!

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David R. Hamilton, Ph.D.

Warum übernatürliche Methodenfunktionieren

Die Wissenschaft hinter Meditation undalternativen Heilverfahren

Titel der Originalausgabe:

Why Woo-Woo Works. The Surprising Science Behind Meditation, Reiki, Crystals, and Other Alternative Practices.

Text © David R. Hamilton, Ph.D., 2021

Carlsbad/CA, New York City, London, Sydney, New Delhi: Hay-House www.hayhouse.com

Deutsche Ausgabe:

© 2022 NEXT LEVEL Verlag, ein Imprint der MOMANDA GmbH, Rosenheim

www.next-level-verlag.de

Alle Rechte vorbehalten

Übersetzung aus dem Englischen: Maria Müller-de Haën

Lektorat der Printausgabe: Gitta Lingen

Cover: © Guter Punkt, München, nach einer Idee von Antigone Konstantinidou

Foto des Autors: Elizabeth Caproni

Gesamtherstellung: Bernhard Keller

E-Book-Umsetzung: Brockhaus

eISBN 978-3-949458-29-3

Wichtige Hinweise

Die im Buch veröffentlichten Empfehlungen wurden von Verfasser und Verlag sorgfältig erarbeitet und geprüft. Eine Garantie kann dennoch nicht übernommen werden. Ebenso ist die Haftung des Verfassers bzw. des Verlages und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ausgeschlossen.

Die Publikation enthält Links zu externen Webseiten Dritter, auf deren Inhalte wir keinen Einfluss haben; für diese fremden Inhalte können wir keine Gewähr übernehmen. Rechtswidrige Inhalte waren zum Zeitpunkt dieser Veröffentlichung nicht erkennbar.

Auch wenn eine gendergerechte Sprache wünschenswert ist, gibt es aus Sicht des Verlages bisher keine befriedigende, gut lesbare Lösung. Der leichteren Lesbarkeit zuliebe haben wir zumeist von der Doppelung männlicher und weiblicher Formen nach dem Muster »der … oder die …«, »er bzw. sie« usw. Abstand genommen. Selbstverständlich liegt es uns fern, dadurch jemanden zu benachteiligen.

Inhalt

Einleitung

1. Geist über Materie

2. Meditation

3. Angestaute und freigesetzte Emotionen

4. Natur

5. Reiki

6. Kristalle

7. Wie die Wahrnehmung unsere Realität gestaltet

8. Bewusstsein

9. Telepathie, Fernheilung und Gebet

10. Die richtigen Bedingungen

11. Das Gesetz der Anziehung

Zum Abschluss

Quellen

Dank

Über den Autor

Kommentare zu diesem Buch

Einleitung

Die Oxford University Press definiert den englischen Ausdruck »Woo-Woo«* als »unkonventionelle Überzeugungen, die als wenig oder gar nicht wissenschaftlich fundiert angesehen werden, insbesondere solche, die sich auf Spiritualität, Mystizismus oder alternative Medizin beziehen«.1 Der Begriff wurde wohl in den 1980er-Jahren geprägt, möglicherweise in Anlehnung an den Heulton, der mit Geistern und dem Übernatürlichen assoziiert wird.

[* Der englische Originaltitel dieses Buches lautet: »Why Woo-Woo Works«, was im Deutschen nicht adäquat wiedergegeben werden kann. Das lautmalerische, im Deutschen bekannte »Huhu« ähnelt dem englischen »Woo-Woo« nur unvollkommen. Wir werden das englische Wort auch in der vorliegenden deutschen Ausgabe an einigen Stellen aufgreifen. Wörtlich übersetzt würde der Titel also lauten: »Warum ›Woo-Woo‹ funktioniert.«]

Viele komplementäre Therapien, Heilmethoden, Behandlungsansätze und weitere Praktiken, Theorien und Überzeugungen werden oft als »Woo-Woo« bezeichnet – was allerdings oft am mangelnden Verständnis liegt; die meisten Leute wissen nicht, dass diese Ansätze teilweise durchaus eine solide wissenschaftliche Grundlage haben.

Ende der 1990er-Jahre, nach meiner Promotion in organischer Chemie, war ich in der Pharmaindustrie tätig, wo ich an der Entwicklung von Medikamenten gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs mitarbeitete. Mit der Zeit faszinierte mich die Tatsache, dass sich in klinischen Studien bei Teilnehmern, die ein Placebo (ein Scheinmedikament) anstelle des echten Medikaments erhielten, sehr oft eine Besserung ihres Zustands einstellte.

Die vorherrschende wissenschaftliche Meinung besagte, dieses Phänomen, das als Placebo-Effekt bekannt ist, sei eine Art Illusion, also nicht real. Mein Vorschlag an Kollegen, dass es in der Tat eine Wirkung des Geistes auf den Körper geben könnte – eine mutmaßliche »Geist-Körper-Verbindung« –, wurde als Humbug abgetan.

Doch schon damals hatten Forschungen aufgezeigt, dass die Erwartung (»Es wird besser«) und der Glaube tatsächlich biochemische Veränderungen im Gehirn bewirken, und das unterstreicht, wie und warum der Placebo-Effekt funktioniert. Die Theorie, dass der Geist einen Einfluss auf den Körper hat, war also keine Quacksalberei; sie konnte sich auf wissenschaftliche Beweise stützen. Meine Kollegen und ich wussten das damals nur noch nicht.

Das ist oft der Fall. In der Wissenschaft geht es um ein sehr breit gefächertes Wissen, und es ist nahezu unmöglich, alles über jedes wissenschaftliche Fachgebiet zu wissen.

Die meisten von uns wissen viel über ein oder zwei Dinge oder wenig über eine Menge anderer Dinge. Wenn wir bestimmte Überzeugungen, Theorien oder Praktiken als »Woo-Woo«, »Humbug« oder »Pseudowissenschaft« abtun, zeigt das in vielen Fällen nur auf, dass wir nicht wissen, welche Überlegungen oder Forschungen dazu vorliegen – sei es aus Philosophie, Psychologie, Biologie, Physik, Chemie, Geologie, Kosmologie oder anderen Disziplinen.

Als ich eines Tages mit einem Freund in einem Park spazieren ging, deutete ich auf eine Wolke am Himmel und meinte, sie wiege wahrscheinlich so etwa 100 Tonnen. Er lachte – nicht unfreundlich, sondern einfach über die absurde Vorstellung, dass wir das Gewicht einer Wolke bestimmen können. Er hatte das Bild einer riesigen Küchenwaage vor Augen. So etwas kann man ja wohl unmöglich wissen.

Doch genau das stimmt eben nicht. Eine Wolke besteht aus Wassertröpfchen; um ihr Gewicht zu bestimmen, können wir einfach mit einer Drohne, die eine Tasse mit bekannter Breite dabeihat und unterwegs Wassertröpfchen sammelt, durch sie hindurchfliegen. Zunächst wird die Länge der Wolke gemessen; dazu wird berechnet, wie lang die Drohne braucht, um sie mit einer bestimmten Geschwindigkeit zu durchfliegen. Anhand dieser Berechnung lässt sich aus der Menge der im Becher gesammelten Wassertröpfchen und der ungefähren Größe der Wolke relativ leicht berechnen, wie viel die Wolke in etwa wiegt.

Ich verwende dieses Beispiel des Wolkengewichts, um darzulegen, dass wir den Wahrheitsgehalt bestimmter Theorien oder Vorstellungen oft infrage stellen, einfach weil wir sehr wenig darüber wissen, und manchmal auch, weil andere, wie wir gehört haben, sie als unwissenschaftlich betrachten und es vernünftig erscheint, denselben Standpunkt einzunehmen. Schließlich sind wir soziale Wesen.

In diesem Buch gehe ich auf eine Reihe von Themen ein, die üblicherweise als Unfug bezeichnet werden, und zeige, dass es dafür eine ganze Reihe wissenschaftlicher Beweise gibt, von denen viele nur denjenigen bekannt sind, die in dem betreffenden Bereich arbeiten.

Der erste Teil beschäftigt sich mit dem Placebo-Effekt, mit Visualisierung, Meditation und dem Zusammenhang zwischen unterdrückten Emotionen und Krankheiten. Diese Phänomene gehören zu dem, was man als das »untere Ende« der Humbug-Skala bezeichnen könnte, weil zumindest manche Leute von den dafür vorliegenden wissenschaftlichen Beweisen Kenntnis haben. Ich stelle diese Beweise vor und erkläre genau, wie diese Phänomene und Praktiken funktionieren.

Anschließend gehe ich auf den Bereich der Komplementärmedizin ein, gebe einen Überblick über die vielen Forschungsstudien, die zeigen, dass Reiki eine wirksame Therapie zur Behandlung von Schmerzen, Depressionen und Ängsten ist, und erläutere die Wissenschaft, die hinter dieser »Energieheiltechnik« steht. Im Kapitel über Kristalle stütze ich mich auf die buddhistische Philosophie, die Wissenschaft der Farbpsychologie sowie auf die diamagnetischen und paramagnetischen Eigenschaften dieser Mineralsteine, um genau zu erklären, wie diese Phänomene und Ansätze wirken.

Im letzten Teil des Buches beschäftige ich mich mit Telepathie, Fernheilung und Gebet. Obwohl diese Phänomene oft als Pseudowissenschaft abgetan werden, gibt es in der Tat eine große Menge an sie unterstützenden statistischen Beweisen, auch wenn diese in der breiten Öffentlichkeit nicht bekannt sind. Wie wir noch erörtern werden, ist einer der Schlüsselfaktoren für die Funktionsweise dieser Phänomene die emotionale Verbindung: Wie EEG- und MRT-Studien aufzeigen, sind die Auswirkungen umso stärker, je intensiver die emotionale Bindung zwischen zwei Menschen ist.

Ich habe mich schon als Kind für esoterische Themen interessiert. Meine Mutter erkrankte 1976 nach der Geburt der jüngsten meiner drei Schwestern an einer postnatalen (bzw. postpartalen, nachgeburtlichen) Depression. Damals wusste man noch nicht viel über diese Krankheit. »Reißen Sie sich zusammen!«, lautete die Empfehlung eines Arztes.

Ihr wurden Antidepressiva und Medikamente gegen Angstzustände verschrieben, aber am besten half ihr die Meditation. Es heilte sie nicht, aber es half ihr beim Einschlafen, verlieh ihr mehr Kontrolle über ihren Zustand und bot in schwierigen Zeiten geistige und emotionale Unterstützung.

Meine Mutter hörte sich jeden Abend vor dem Schlafengehen eine Kassette mit einer geführten Meditation an und machte jahrelang damit weiter, weil es so gut funktionierte. Die entspannende Musik und die Naturgeräusche, die aufgenommen worden waren, wirken sich, wie man heute weiß, direkt auf das autonome Nervensystem aus.

Meditation wird seit Langem in Kulturen auf der ganzen Welt praktiziert und galt im Westen bis vor Kurzem als Pseudowissenschaft; mancherorts ist das heute noch der Fall. Inzwischen gibt es jedoch wissenschaftliche Beweise, dass Meditieren zu positiven strukturellen Veränderungen im Gehirn führt, die sich vorteilhaft auf die geistige Gesundheit, die Konzentration, das Gedächtnis und das Selbstwertgefühl auswirken und sogar den biologischen Alterungsprozess verlangsamen.

Als ich älter wurde, sprachen meine Mutter und ich oft über die Macht der Psyche, und dieses gemeinsame Interesse sowie meine Beobachtung, dass es ihr geholfen hatte, führten zu meiner Faszination für den Placebo-Effekt, als ich in der Pharmaindustrie arbeitete.

In den Jahren danach und auch heute noch rede ich mit meiner Mutter oft über diese und andere »Woo-Woo«-Themen, von denen viele in diesem Buch behandelt werden und die schließlich den Ausschlag für eine berufliche Veränderung gaben: Ich gab meine Arbeit in der Pharmaindustrie auf und schrieb mehrere Bücher, die sich mit der Verbindung von Geist und Körper, dem Selbstwertgefühl sowie den Auswirkungen von Freundlichkeit auf die geistige und körperliche Gesundheit befassen.

In diesem Buch präsentiere ich die Wissenschaft hinter dem »Woo-Woo« und zeige, wie und warum es wirklich funktioniert. Ich wünsche Ihnen viel Spaß dabei!

Dr. David R. Hamilton

März 2021

1. Geist über Materie

»Es geht ihnen nicht besser. Sie denken nur, es gehe ihnen besser.« Das war eine typische Äußerung meiner Kollegen aus dem Pharmaunternehmen, als ich sie nach ihrer Meinung zum Placebo-Effekt fragte, einem Phänomen, das für unsere Arbeit besonders relevant war, da die von uns entwickelten Medikamente in klinischen Studien getestet wurden.

Obwohl diese Ansicht immer freundlich geäußert wurde, unterstrich sich doch die jahrzehntelang vertretene Annahme, der Placebo-Effekt sei »nur Einbildung«. Wenn es einem Patienten, der in einer Arzneimittelstudie ein Placebo erhalten hatte, besser ging, wurde es als Teil des natürlichen Krankheitsverlaufs abgetan – es wäre ihm irgendwann ohnehin besser gegangen.

Ein Placebo ist eine inaktive (bzw. Schein-)Behandlung in Form einer Pille, einer Injektion oder einer Vorrichtung, die in klinischen Studien verabreicht wird, um das echte Medikament bzw. die echte Behandlung im Vergleich zu einer Kontrollgruppe zu testen. Ein Placebo soll also keine therapeutischen Wirkungen auf die Patienten haben, die es einnehmen. Allerdings ist in der Realität tatsächlich oft ein solcher Effekt festzustellen, und in solchen Fällen glauben die Patienten, das Placebo sei das echte Medikament oder die echte Behandlung: Es ist ihr Glaube, der die Wirkung erzeugt.

Der Glaube verändert die Biologie

Auch wenn der Placebo-Effekt scheinbar eine Illusion ist, so hat doch der Glaube bzw. die Überzeugung, wie wissenschaftliche Untersuchungen aufzeigen, durchaus echte biologische Auswirkungen. Zugegeben, das klingt ein bisschen nach »Woo-Woo«, aber es ist im Kopf nur so lange »Woo-Woo«, bis wir die Wissenschaft dahinter verstehen; dann ist es vielmehr »echt wow«.

Ganz fraglos ruft der Glaube chemische Veränderungen im Gehirn hervor, und diese Veränderungen hängen davon ab, was die betreffende Person glaubt.

So können Patienten zum Beispiel von ein und demselben Placebo genau das Gegenteil glauben, und dadurch stellen sich entgegengesetzte Wirkungen ein. Wenn Patienten glauben, dass eine Pille (ein Placebo) die Schmerzen lindert, wird sie in der Regel tatsächlich die Schmerzen lindern. Hätten sie jedoch geglaubt, dass sie Schmerzen verursacht, hätte sie stattdessen genau dies getan. Im ersten Fall bewirkt der Glaube die Produktion der natürlichen Morphinvarianten des Gehirns.

Wie US-amerikanische Wissenschaftler der Universität von Kalifornien in San Francisco aufgezeigt haben, sind endogene Opioide, das hirneigene Morphin, für die schmerzlindernde Wirkung von Placebos bei zahnärztlichen Eingriffen verantwortlich.1 Der entscheidende Punkt ist jedoch: Die körpereigenen Opioide werden in Reaktion auf den Glauben oder die Erwartung einer Person, dass der Schmerz verschwinden wird, produziert. Glaubt ein Patient, eine Pille (auch wenn es sich um ein Placebo handelt) verursache Schmerzen, blockiert dieser Glaube diese natürlichen Opioide im Gehirn, was den Schmerz sogar eher verstärkt.2

Der Glaube, eine (Placebo-)Pille wirke entspannend, wird eine beruhigende Wirkung haben. Glauben wir dagegen, es handle sich um ein anregendes Stimulans, geraten wir in einen Zustand der Erregung und unsere Herzfrequenz und unser Blutdruck werden ansteigen – obwohl es sich bei beiden Pillen um ein wirkungsloses Scheinmedikament handelt.

Als einer Gruppe von Sportlern Substanzen verabreicht wurden, von denen sie überzeugt waren, diese würden ihre Kraft und Ausdauer steigern, gewannen sie tatsächlich an Kraft und Ausdauer. Allerdings handelte es sich um Placebos. Zum Glück konnten sie wegen dieser »leistungssteigernden Placebos« (abgekürzt PEPs für »performance-enhancing placebos«) nicht von Wettkämpfen ausgeschlossen werden, weil es, na ja, eben Scheinmedikamente waren. Vielleicht brauchen viele Sportler einfach einen »PEP-Talk«, also im Sinn des englischen Wortspiels auch ein motivierendes, aufbauendes Gespräch.3

In einer Studie von Wissenschaftlern der psychiatrischen und medizinischen Fakultäten der State University of New York erhielten 40 Patienten mit Asthma, Emphysemen oder einer restriktiven Lungenerkrankung einen Inhalator, der ein vernebeltes Kochsalz-Placebo enthielt; man sagte ihnen, er enthalte Allergene, die ihre Atemwege verengen würden.4 Schon bald reagierten 19 der Patienten mit einer erheblichen Verengung ihrer Atemwege. Zwölf von ihnen erlitten sogar einen vollständigen Asthmaanfall. Als man ihnen einen anderen Inhalator gab, bei dem es sich ebenfalls um ein Kochsalz-Placebo handelte, und ihnen sagte, er werde ihre Symptome abschwächen, erfuhren sie tatsächlich Linderung.

Somit hat dieser eine Placebo-Inhalator bei Asthmatikern entweder Bronchospasmen gelindert oder ausgelöst, je nachdem, was die Patienten glaubten, dass er bewirken würde. Eine Person entwickelte sogar Heuschnupfensymptome, nachdem ihr gesagt wurde, der Inhalator enthalte auch Pollen, und diese Symptome wurden wieder gelindert, als ihr ein anderer Kochsalzinhalator gegeben wurde, von dem sie glaubte, dass er eben dies bewirken würde.

Untersuchung des Placebo-Effekts

Auch Farben können als Placebos verwendet werden, weil sie für uns eine bestimmte Bedeutung haben. In den USA gaben Medizinprofessoren der University of Cincinnati einer Klasse von Studenten rosa und blaue Placebo-Pillen und erklärten ihnen, es handele sich um Stimulanzien und Beruhigungsmittel; damit sollte ihnen etwas über den Placebo-Effekt beigebracht werden.5 Wie sich herausstellte, waren die blauen Pillen zu 66 Prozent als Beruhigungsmittel wirksam, verglichen mit 26 Prozent bei den rosa Pillen.

Mit anderen Worten: Blaue Placebos waren als Entspannungsmittel etwa zweieinhalb Mal besser als rosa Placebos, weil Blau für die meisten Menschen eine beruhigende Farbe ist, und das beeinflusst auch die Wirkung, die wir ihr zuschreiben. Die Forscher fanden auch heraus, dass zwei Placebos eine höhere Wirksamkeit hatten als ein einziges Placebo.

Und so seltsam es klingt, außer vielleicht für Eltern: Bei Kindern lindert ein Pflaster, das mit einem bunten Cartoon oder einer magischen Figur bebildert ist, den Schmerz und heilt einen Schnitt schneller als ein einfaches Pflaster.6

Auch der Wohnort beeinflusst die Wirkung eines Placebos. In einer US-Studie über Migränebehandlungen erwiesen sich Placebo-Injektionen als 1,5 Mal wirksamer als Placebo-Pillen; einer europäischen Studie zufolge waren dagegen Placebo-Pillen etwa 10 Prozent wirksamer als Placebo-Injektionen.7

Der Grund für diesen Unterschied liegt in der Sprache unserer jeweiligen Kultur. Die Amerikaner sprechen eher von »getting a shot« [wörtlich übersetzt: »einen Schuss bekommen«], wenn man ihnen eine Spritze verabreicht, und glauben daher eher an Injektionen, während die Europäer (zumindest in Großbritannien) von »popping pills« sprechen [»Pillen schlucken«, doch engl. »to pop« bedeutet z.B. auch »knallen«] und daher an Pillen glauben.

In ähnlicher Weise war in Studien zu Tagamet, einem in den 1970er- und 1980er-Jahren beliebten Medikament gegen Magengeschwüre, das Placebo in Frankreich zu 59 Prozent wirksam, das Medikament selbst jedoch zu 60 Prozent in Brasilien.8 Die Werbebudgets für Medikamente sind in Westeuropa höher als in Südamerika, und höhere Werbeausgaben führen zu einer stärkeren Wahrnehmung der Wirksamkeit eines Medikaments; die Wirkung dieser Maßnahmen auf das Placebo war allerdings genauso stark.

Die Wahrnehmung zählt

Die Art und Weise, wie ein Placebo verpackt ist, beeinflusst seine Wirkung ebenfalls. In einer Studie der Universität Keele in Großbritannien erhielten 835 Frauen eine von vier verschiedenen Kopfschmerztabletten.9 Die erste Gruppe bekam eine Aspirin-Tablette einer bekannten Marke, eine zweite Gruppe eine Aspirin-Tablette mit der einfachen Aufschrift »Analgetikum«, die typisch für eine billigere Massenmarktmarke war; die dritte Gruppe nahm ein Marken-Placebo mit der Aufschrift »Aspirin« ein und die vierte Gruppe ein einfaches, markenloses Placebo mit der Aufschrift »Analgetikum«.

Wie sich herausstellte, wirkte das Marken-Aspirin besser als das markenlose, und der Hauptunterschied lag im Aussehen der Verpackung; erstaunlicherweise wirkte jedoch auch das Marken-Placebo besser als das markenlose Placebo – obwohl beide aus Zucker hergestellt waren.

Das erklärt, warum so viele Menschen darauf schwören, dass Marken-Schmerzmittel wie Nurofen (Advil) bei ihnen besser wirken als Ibuprofen-Generika, obwohl sie denselben Wirkstoff enthalten. Der Preisunterschied ist beträchtlich, und die Verpackung von Nurofen sieht teurer aus, sodass die Menschen eine höhere Erwartung hegen. Medikamente sollen eine biologische Aufgabe erfüllen, aber neben der Wirkung eines Medikaments auf den Körper hat auch die Psyche einen Einfluss.

Vielleicht verstehen Sie jetzt, warum bei den meisten Menschen ein teures Medikament besser wirkt als ein billigeres. Das Gleiche gilt vielleicht auch für einen teureren Therapeuten. Aber was beide wirklich besser macht – das Medikament und den Therapeuten –, ist der Geist (Mind) der betreffenden Person.

Die Wahrnehmung ist wichtig, auch wenn wir uns des Inhalts unseres Geists (Mind) nicht bewusst sind.

Einem in der Zeitschrift »Advances in Psychiatric Treatment« veröffentlichten Artikel zufolge könnte dies sogar die Wirkung des Medikaments Viagra, das zur Behandlung von Erektionsstörungen eingesetzt wird, über seine grundlegende pharmakologische Wirkung hinaus verstärken.10 Der Name »Viagra« klingt ähnlich wie die Wörter »vigor/vigour« [dt. »Kraft«, »Energie«, »Dynamik«, »Leidenschaftlichkeit«] und »Niagara«, und da die Niagarafälle eine Naturgewalt sind, könnte dies den Eindruck von Vitalität und natürlicher Kraft vermitteln. Ich frage mich, ob das Medikament so gut wirken würde, wenn es »Softy« hieße.

Die Macht der positiven Konsultation

Die Psyche kann manchmal die Wirkung eines Medikaments verstärken – je nachdem, an welche Wirkung der Patient glaubt oder wie er den Arzt wahrnimmt, der es verschrieben hat – und in anderen Fällen die Wirkung unterdrücken, wenn eine entsprechende Überzeugung vorherrscht.

Wir wissen dies, weil unterschiedliche Placebo-Effekte unter Umständen einfach auf die Kommunikation zwischen dem medizinischen Personal und den Patienten zurückzuführen sind. Bei relativ häufigen Krankheiten ist eine Besserung des Zustands bei einem Arzt, der Zuversicht oder Optimismus im Hinblick auf die Genesung des Patienten ausstrahlt, viel wahrscheinlicher als bei einem unsicheren oder pessimistischen Arzt.

Ausgehend von Studien, die zeigen, dass bei etwa 40–60 Prozent der Patienten, die eine Allgemeinarztpraxis aufsuchen, keine eindeutige Diagnose gestellt wird, untersuchte eine Studie der Universität Southampton in Großbritannien die Auswirkungen unterschiedlicher Beratungsstile bei solchen Patienten.

In der im »British Medical Journal« veröffentlichten Studie wurden die Ergebnisse von 200 Patienten, von denen die Hälfte eine »positive« und die andere Hälfte eine »nicht positive« Beratung erhielt, miteinander verglichen.11

Bei den »positiven« Konsultationen wurde den Patienten eine eindeutige Diagnose gestellt; man teilte ihnen voller Zuversicht mit, dass sie sich in einigen Tagen erholen würden. Manchmal wurde ein Rezept ausgestellt, und der Arzt versicherte dem Patienten, es werde ihm dadurch besser gehen; ein anderes Mal wurde nichts verschrieben, und der Arzt versicherte dem Patienten, dass er nichts brauche.

Bei den »nicht positiven« Konsultationen zeigte sich der Arzt unsicher und sagte: »Ich bin mir nicht sicher, was mit Ihnen los ist.« Wurde eine Behandlung angeboten, fügte er hinzu: »Ich bin mir nicht sicher, ob meine Behandlung eine Wirkung haben wird.« War keine Behandlung vorgesehen, fügte er stattdessen hinzu: »… und deshalb werde ich Sie nicht behandeln.«

Den Patienten, die behandelt wurden, verschrieb man 3 mg Vitamin B1 mit der Bezeichnung »Thiaminhydrochlorid« – eine sehr niedrige Dosis, die eigentlich ein Placebo war. Nach zwei Wochen ging es 64 Prozent der Patienten, die eine positive Beratung erhalten hatten, besser; nach einer nicht positiven Konsultation hatten sich dagegen nur 39 Prozent der Patienten erholt. Dabei spielte es keine Rolle, ob sie behandelt wurden oder nicht. Der Unterschied war darauf zurückzuführen, wie der Arzt mit dem Patienten kommunizierte: Bei einer positiven Ansprache ging es fast doppelt so vielen Patienten besser.

Warum verursacht der Glaube diese Wirkungen? Schmerzstillende Placebos wirken, weil die Person eine Schmerzlinderung erwartet. Diese Erwartung veranlasst das Gehirn, seine eigenen natürlichen Schmerzmittel zu produzieren, die dann den Schmerz verringern.

Studien am Neurodegenerative Disorders Center der University of British Columbia in Kanada haben gezeigt, dass der Glaube, ein Placebo sei ein Anti-Parkinson-Medikament, das Gehirn dazu anregt, den Neurotransmitter Dopamin zu produzieren.12 Hier und ebenso im Fall der schmerzlindernden Wirkung mobilisiert der Glaube die natürlichen Ressourcen des Gehirns, um die Erwartungen der Person zu erfüllen. Das heißt, eine Überzeugung dahingehend, was passieren soll, weist das Gehirn an, das zu produzieren, was es produzieren muss, um dieses Ergebnis zu erzielen.

Das gilt natürlich nur in einem vernünftigen Rahmen. Der Glaube, ein Placebo sei ein Chemotherapeutikum, bringt das Gehirn nicht dazu, sein eigenes Chemotherapeutikum zu produzieren, und ein solches Experiment könnte niemals ethisch begründet werden. Einige dokumentierte Spontanremissionen bei Patienten könnten jedoch darauf zurückzuführen sein, dass der Glaube bzw. die Überzeugung das Immunsystem mobilisiert hat.

Können wir uns den Placebo-Effekt zunutze machen?

In der Abteilung für kardiovaskuläre Chirurgie des Herzzentrums der Universität Marburg wurden 124 Patienten, bei denen eine Bypass-Operation an den Koronararterien geplant war, nach dem Zufallsprinzip in drei Gruppen aufgeteilt.

Die erste Gruppe war die »Erwartungsgruppe«; hier ging es insbesondere darum, die positiven Erwartungen der Patienten an das Leben nach der Operation zu optimieren, wie zum Beispiel die Teilnahme an Aktivitäten. In der zweiten Gruppe, der »Unterstützungsgruppe«, wurde den Patienten emotionale Unterstützung zuteil. Und die dritte Gruppe der »medizinischen Standardversorgung« erhielt die übliche Behandlung.13

Die Patienten wurden nach ihrer Operation sechs Monate lang beobachtet. In der »Erwartungsgruppe« waren die Lebensqualität und die subjektive Arbeitsfähigkeit deutlich besser als in den beiden anderen Gruppen. Auch die Unterstützung war hilfreich, doch die Erwartung, dass alles gut gehen werde, hatte bei Weitem die größte Wirkung.

Wenn Ärzte den Patienten Hoffnung machen und ihnen helfen, eine Besserung zu erwarten, geht es ihnen tatsächlich schneller besser.

Placebokontrollierte Dosisreduktion

Ein spannender Forschungszweig zur Nutzung des Placebo-Effekts ist die placebokontrollierte Dosisreduktion (»placebo-controlled dose reduction«, PCDR); dabei wird einige Tage lang ein Medikament verabreicht und dann ohne Wissen der Patienten gegen ein Placebo ausgetauscht. Je öfter die Patienten das Medikament erhalten, desto stärker assoziieren sie die Linderung der Symptome mit der Verabreichung des Medikaments und desto stärker ist die Wirkung des Placebos, wenn der Austausch vorgenommen wird. Auf diese Weise kann die Dosis eines Medikaments reduziert und durch ein Placebo ersetzt werden.

Fabrizio Benedetti, Professor für Physiologie und Neurowissenschaften an der medizinischen Fakultät der Universität Turin in Italien, hat diesen Effekt in einer Studie mit Parkinson-Patienten eindrucksvoll nachgewiesen.14

Die Patienten wurden in mehrere Gruppen aufgeteilt. Alle bis auf eine Gruppe erhielten am ersten Tag der Studie eine volle Dosis des Anti-Parkinson-Medikaments Apomorphin; Benedetti maß ihre klinische Reaktion in Form einer Verringerung des Zitterns und der Muskelsteifheit sowie des Aktivierungsgrads einzelner Neuronen in der Gehirnregion, die bekanntermaßen von der Krankheit betroffen ist. Der anderen Gruppe gab er stattdessen eine Placebo-Injektion (Kochsalzlösung), die keinerlei klinische Wirkung zeigte. Im Lauf der nächsten Tage tauschte Benedetti in verschiedenen Gruppen das Medikament gegen das Placebo aus. Eine Gruppe, die das Medikament an Tag 1 erhielt, bekam an Tag 2 das Placebo. Eine andere Gruppe erhielt das Medikament zwei Tage lang und dann am dritten Tag das Placebo, und einer weiteren Gruppe wurde das Medikament drei Tage lang verabreicht, bevor es am vierten Tag gegen das Placebo ausgetauscht wurde. Sooft ein Patient eine Dosis Apomorphin erhielt, machte er folgende Erfahrung: »Wenn ich diese Injektion bekomme, nimmt mein Zittern ab, und meine Muskelsteifheit lässt nach«, und mit jedem Tag wurde die Wirkung des Placebos stärker.

Am fünften Tag wurde in der letzten Gruppe der Patienten, die an den vier vorangegangenen Tagen Apomorphin erhielten, das Medikament durch das Placebo ersetzt. Bei ihnen war die Erfahrung »Wenn ich diese Injektion bekomme, nimmt mein Zittern ab, und meine Muskelsteifheit lässt nach« noch stärker ausgeprägt.

Erstaunlicherweise entsprach die Wirkung des Kochsalz-Placebos der des Medikaments; das Zittern und die Muskelsteifheit ließen genauso stark nach, und die Neuronen wurden in gleichem Maße aktiviert. Benedetti berichtet: »Bemerkenswerterweise rief die Verabreichung eines Placebos nach vier Apomorphin-Präkonditionierungsversuchen genauso starke klinische Reaktionen hervor wie das Apomorphin.«

Einigen Patienten wurde zunächst ein Placebo verabreicht, um zu sehen, ob es irgendwelche Wirkungen zeigte, aber das war nicht der Fall. Doch nach vier Tagen, in denen sie das Medikament mit einer Veränderung der Symptome in Verbindung brachten, konnte das Medikament abgesetzt und durch ein Placebo ersetzt werden. Bei diesen Ergebnissen handelte es sich keineswegs nur um »Einbildung«, denn es gab messbare Veränderungen im Gehirn, und zwar im Striatum, dem Gehirnareal, das bei Parkinson-Patienten in der Regel einen Dopaminmangel aufweist.

Derselbe Effekt wie bei der placebokontrollierten Dosisreduzierung wurde auch im Immunsystem nachgewiesen, wo ein schrittweiser Austausch eines immunsuppressiven Medikaments (Cyclosporin A) gegen ein Placebo das Immunsystem unterdrückte.15 PCDR funktioniert, weil Erwartungen und Überzeugungen physische Veränderungen in der Biochemie bewirken.

Ziel dieser Forschungslinie zum Immunsystem ist es, Patienten zu helfen, die eine Organtransplantation erhalten, oder auch Patienten mit Autoimmunerkrankungen wie Multipler Sklerose (MS), rheumatoider Arthritis und Lupus.

Wenn PCDR auf ein breiteres Spektrum von Krankheiten angewandt werden könnte, würde dies letztlich zu enormen Kosteneinsparungen führen, sodass die Mittel in andere Bereiche der Gesundheitsversorgung fließen könnten.

PCDR kann auch die Nebenwirkungen von Medikamenten verringern. In einer PCDR-Studie wurden bei Kindern mit ADHS 50 Prozent der Medikamentendosis durch ein Placebo ersetzt. Sie hatten nachweislich weniger stimulanzienbedingte Nebenwirkungen.16

Der Nocebo-Effekt

Manchmal kommt es vor, dass Menschen bei der Verabreichung eines Placebos bestimmte Nebenwirkungen erfahren, wenn sie wissen, was die Nebenwirkungen des eigentlichen Medikaments sind. Das ist der sogenannte Nocebo-Effekt. Das Wort »Placebo« ist vom lateinischen Wort für »ich werde gefallen« abgeleitet, das Wort »Nocebo« von »ich werde schaden«. Die Erwartung einer negativen Wirkung ruft also genau diese Wirkung hervor.

Eine randomisierte kontrollierte Studie (»randomized controlled trial«, RCT) ist eine klinische Studie, bei der die Patienten nach dem Zufallsprinzip ein Medikament oder ein Placebo erhalten, wobei weder der Patient noch das Forschungsteam weiß, wer was erhält. In Griechenland ergab eine statistische Analyse von 21 randomisierten kontrollierten Studien mit Antidepressiva, die in der neurologischen Abteilung des Athener Marinekrankenhauses und in der Ersten Psychiatrischen Abteilung des Eginition-Universitätskrankenhauses durchgeführt wurden, dass etwa 45 Prozent der Patienten, die Placebos erhielten, über die Nebenwirkungen Übelkeit, Kopfschmerzen und Schwindel berichteten, also über die erwarteten Nebenwirkungen des eigentlichen Medikaments.17

In einer anderen statistischen Untersuchung von 56 Studien traten bei 74 Prozent der Probanden mit MS nach der Behandlung mit Placebos Nebenwirkungen auf.18 Und in einer von Bayer Pharmaceuticals durchgeführten Studie, in der die Behandlung von Angina-pectoris- oder Diabetes-Patienten mit Medikamenten und Placebos untersucht wurde, stellten die Forscher fest, dass das Nebenwirkungsprofil des Placebos weitgehend dem des Medikaments entsprach.19

Wenn eine Person die Nebenwirkungen eines Medikaments kennt, bekommt sie sie in der Regel auch, wenn sie ein Placebo erhält – vorausgesetzt, sie weiß nicht, dass sie ein Placebo einnimmt. Sind die Nebenwirkungen eines Medikaments dagegen nicht bekannt, treten sie normalerweise auch nicht auf.

Die Erwartung des Besseren

Ich bezeichne den Placebo-Effekt manchmal auch als »Wahrnehmungseffekt«, unter anderem, weil viele Menschen ein Placebo immer noch für »leer« halten – jede scheinbare Verbesserung bei dem Patienten, der es erhält, muss ein Hirngespinst sein. Wie wir bereits erörtert haben, galt die Vorstellung, dass der Glaube die Biologie beeinflussen kann, jahrelang als Humbug.

Wie wir jedoch inzwischen mit faktischer Sicherheit wissen, treten im Körper chemische Veränderungen auf, wenn die betreffende Person glaubt, dass ein Placebo ein echtes Medikament ist. Menschen, denen ein Placebo als Schmerzmittel verabreicht wird, empfinden weniger Schmerzen. Sie bilden sich das nicht ein – ihre Schmerzen lassen tatsächlich nach, und das liegt an den natürlichen Schmerzmitteln, die in ihrem Gehirn produziert werden, weil sie glauben, das Placebo sei ein Schmerzmittel.

Wie ich bereits erwähnt habe, sind teurer aussehende Placebos bei der Schmerzlinderung wirksamer als billiger aussehende; die schickere Verpackung erzeugt den Eindruck, das Placebo sei besser, und somit sind die Erwartungen der Patienten höher. In unserer Kultur haben wir uns auf die Geschichte geeinigt, dass eine Sache, die teurer ist als eine andere, auch besser sein muss. Das haben wir in unserem Leben schon oft gehört, und wir haben es auch schon direkt erlebt: Die meisten Menschen tragen eine teure Jacke oder ein teures Paar Schuhe länger als ihre preiswerte Alltagskleidung.

Wenn wir also für das gleiche Medikament oder die gleiche Behandlung mehr bezahlen, dann geht es uns meistens deshalb besser, weil wir das erwarten. Natürlich gilt dies nur bedingt, und ich billige keineswegs sehr teure Behandlungen, deren Wirkung nicht belegt ist und für die manche Menschen ihr ganzes Erspartes hinlegen. Ich beziehe mich ganz allgemein auf die Tatsache, dass unsere Überzeugungen und unsere Wahrnehmung unser Gehirn und die Biochemie unseres Körpers in eine Richtung verändern, die das bestätigt, was gemäß unserer Überzeugung eben passieren soll.

Die Biologie wird immer der Wahrnehmung folgen. Wenn sich die Wahrnehmung ändert, ändert sich auch die Biologie. In einer Studie wurde Versuchsteilnehmern beispielsweise ein Bild eines schrecklichen Autounfalls gezeigt, bei dem Menschen schwere Verletzungen erlitten hatten. Die Nervensysteme der Probanden reagierten mit einem massiven Anstieg an sogenannten Spikes, da ihr Körper mit Stress auf das Bild antwortete.

Dann wurde ihnen jedoch versichert, dass auf dem Bild kein echter Unfall zu sehen war: Es war ein Standbild von einem Filmset, und die scheinbar verletzten Personen waren Schauspieler, die für die Szene geschminkt waren. Fast augenblicklich beruhigte sich das Nervensystem der Probanden, und zwar nicht nur mental; infolge ihrer Wahrnehmung gab es auch einen signifikanten physiologischen Effekt.

Die Macht unserer Vorstellungskraft

Das Gehirn unterscheidet größtenteils nicht zwischen Realität und Einbildung, was einige Aspekte des Placebo-Effekts untermauert. Wenn man sich vorstellt, dass etwas passiert, geschieht das für das Gehirn wirklich. Es setzt die erforderlichen chemischen Substanzen frei, die bestätigen, dass das, was man sich vorstellt, tatsächlich real ist.

Eine meiner favorisierten wissenschaftlichen Studien ist liebevoll als Klavierstudie bekannt.20 Im Jahr 1995 bat Alvaro Pascual-Leone, Professor für Neurologie an der medizinischen Fakultät der Harvard University in den USA, eine Gruppe von Probanden, fünf Tage lang täglich eine Folge von fünf Noten auf einem Klavier zu spielen. In jeder Sitzung spielten sie zwei Stunden lang Noten, pro Note ein Finger, und bewegten dabei die Finger eine Tonleiter aus fünf Noten auf und ab.

Gleichzeitig praktizierte eine andere Gruppe das Gleiche, allerdings ohne Klavier. Diese Probanden schlossen die Augen und stellten sich vor, sie würden die fünf Noten auf diese Weise spielen. Das nennt man »kinästhetische Vorstellungskraft«. Dabei stellen wir Bewegungen nach, indem wir uns lebhaft ausmalen, wie es sich anfühlt, sich so zu bewegen.

Alle Probanden unterzogen sich täglich einem Gehirnscan. Nach Ablauf der fünf Tage wiesen diejenigen Teilnehmer, die die Noten auf dem Klavier gespielt hatten, erhebliche Veränderungen in der Hirnregion auf, die mit den Fingermuskeln in Verbindung steht; dasselbe galt für jene, die sich das Spielen der Noten im Kopf vorgestellt hatten. Tatsächlich war es beim Vergleich der Scans nicht möglich, zu erkennen, ob ein Scan von einer Person stammte, die die Noten mit den Fingern oder im Kopf gespielt hatte.

Visualisierung zur Verbesserung der Leistung

Zum Zeitpunkt der Klavierstudie war bereits bekannt, dass Sportler ihre Leistung durch Visualisierungsübungen steigern können, aber mit dieser Studie wurde erstmals anhand eines Gehirnscans aufgezeigt, was tatsächlich passiert, wenn wir etwas visualisieren. Die vorherrschende Meinung unter Sporttrainern war: Visualisierung funktioniert, weil sich dadurch die Konzentration des Sportlers verbessert und er mehr motiviert ist, zu trainieren und zu üben. Jegliche Vorstellung dahingehend, dass sich das Gehirn tatsächlich verändert, wurde schnell als Pseudowissenschaft abgetan.

Mitte bis Ende der 1990er-Jahre war ich als Teilzeit-Leichtathletiktrainer und Manager der männlichen Juniorenmannschaft (unter 20 Jahren) eines großen und sehr erfolgreichen Leichtathletikvereins in Manchester, Großbritannien, tätig. Ich nahm auch selbst als Weitspringer an Wettkämpfen teil.

Eines Tages erzählte mir eine Sportlehrerin bei einer Leichtathletikveranstaltung für Kinder, wie sie Ed Moses kennengelernt hatte, den ehemaligen Weltrekordhalter über 400 Meter Hürden bei den Männern und mehrfachen Weltmeister und Olympiasieger. Der große amerikanische Athlet war zu einem internationalen Wettkampf in Großbritannien und hatte ihre Schule besucht, um mit den Kindern über Sport zu reden.

Am nächsten Tag beobachtete die Lehrerin, wie sich die anderen Athleten vor dem Rennen aufwärmten, sich dehnten und auf der Bahn auf und ab liefen, aber Moses konnte sie nirgends erblicken. Schließlich entdeckte sie ihn, während er mit geschlossenen Augen neben einer Hürde lag. Sie fragte sich, was in aller Welt er da tat, wo er doch anscheinend wertvolle Aufwärmzeit verlor.

Kurz vor dem Rennen stand Moses auf, machte ein paar Dehnübungen und ein paar Sprints, lief los und gewann mit einem Vorsprung von gut 10 Metern. Die Lehrerin konnte sich danach mit ihm unterhalten und fragte ihn, ob er vorher eine Art Entspannungsübung gemacht oder sogar geschlafen habe.

Moses erklärte, er habe visualisiert, sich alles vorgestellt: das ganze Rennen, vom Startschuss bis zum Erreichen der ersten Hürde, sowie die Gefühle und Empfindungen in seinem Körper, wenn er sie übersprang; dann machte er genau 13 Schritte bis zur nächsten Hürde, bevor er auch diese überwand, und so weiter. Er hatte sich das Rennen genau so vorgestellt, wie er es laufen wollte.

Einige Jahre später traf ich die britische Leichtathletin Sally Gunnell, ebenfalls eine ehemalige Weltmeisterin und Olympiasiegerin sowie Weltrekordhalterin über 400 Meter Hürden bei den Frauen, bei einer Firmenveranstaltung, wo wir beide einen Vortrag hielten. Danach tauschten wir uns im Gespräch über das Thema »Visualisierung« aus, denn Sally hatte den Zuhörern erklärt, dass der Gewinn einer olympischen Goldmedaille zu 70 Prozent im Kopf stattfindet und dass ein großer Teil ihres persönlichen Trainings aus Visualisierung besteht.

Wie Moses visualisierte Gunnell das gesamte Rennen, Schritt für Schritt, Hürde für Hürde, aber mit besonderem Augenmerk auf dem letzten Abschnitt; bei einem 400-Meter-Hürdenlauf ist dies die Phase, in der die Athleten oft das Gefühl haben, ihre Beine seien schwer wie Blei. Wenn sie diesen Teil des Rennens visualisierte, stellte sich Gunnell vor, ihre Beine fühlten sich leicht an und sie würde sich mit Leichtigkeit bewegen; immer wieder visualisierte sie, wie sie entspannt lief, selbst wenn eine andere Athletin sie einzuholen schien, was bei Sportlern normalerweise zu Verspannungen führt.

Wie Gunnell erzählte, hatte sie nach einem enttäuschenden sechsten Platz bei den Europameisterschaften 1990 mit der Visualisierungsarbeit begonnen. Als sie 1992 Olympiasiegerin über 400 Meter Hürden wurde und im Jahr darauf bei den Weltmeisterschaften den Weltrekord brach, erntete sie die Früchte ihrer mentalen Praxis.

Praxis plus Visualisierung

Als ich in der pharmazeutischen Industrie arbeitete und nebenbei Leichtathletik trainierte und Wettkämpfe bestritt, erzählte ich ein paar Kollegen von meinen Experimenten mit dem Visualisieren. Die meisten reagierten durchaus unterstützend, aber einige fanden es eher lustig, dass ich als Wissenschaftler mit Techniken arbeitete, die weithin als Pseudowissenschaft angesehen wurden. Es war ein freundliches Geplänkel, jedoch typisch für die Meinung der damaligen Zeit.

Trotzdem habe ich damit weitergemacht, habe es aber für mich behalten. In einem dreimonatigen Experiment übte ich mich fast täglich im Visualisieren und hörte mir außerdem eine Selbsthypnosekassette von Paul McKenna, »Ultimate Athlete«, an, die mein Selbstvertrauen stärkte. Das Ergebnis war sogar für mich erstaunlich: Meine persönliche Bestleistung im Weitsprung verbesserte sich um fast einen Meter – eine wirklich signifikante Verbesserung, die mir klarmachte, wie effektiv Visualisierung sogar innerhalb kurzer Zeit sein kann, und zwar lange, bevor ich auf die entsprechenden neurowissenschaftlichen Forschungsarbeiten aufmerksam wurde.

Visualisierung verbessert nicht nur die Konzentration und die Motivation eines Sportlers bzw. einer Sportlerin, sondern wirkt sich auch auf die Gehirnnetzwerke aus und verändert erheblich die Stärke und den Bewegungsumfang der Muskeln.

In mehreren Studien haben Wissenschaftler die Kraft von Menschen, die Gewichte heben, mit der von Menschen verglichen, die sich vorstellen, Gewichte zu heben; dabei haben sie relativ geringe Unterschiede in der Kraft zwischen den »echten« und den »imaginären« Gewichthebern festgestellt.

Im Rahmen einer Studie von Forschern der Abteilung für biomedizinische Technik am Lerner Research Institute in Cleveland, USA, wurden beispielsweise Probanden, die mehrmals täglich einen Finger beugten, mit anderen verglichen, die sich vorstellten, die Finger zu beugen, und fand heraus, dass jene, die die reale Bewegung ausführten, ihre Fingerkraft um 53 Prozent steigerten; diejenigen, die keine Bewegung ausführten, sondern sie sich nur vorstellten, konnten ihre Kraft um 35 Prozent erhöhen.21

Aufgrund zahlreicher neuerer Forschungsarbeiten ist man sich heute darüber im Klaren, dass der optimale Weg zur Leistungssteigerung in jeder Sportart bzw. bei jeder Bewegung darin besteht, körperliches Üben mit Visualisierung zu kombinieren. Wie dabei auch aufgezeigt wurde, ist körperliches Training plus Visualisierung effektiver als körperliches Training ohne Visualisierung; Letzteres ist wiederum besser als reines »Üben im Kopf« durch Visualisierung.

Visualisierung unterstützt die Erholung

Die oben genannte Praxis hat auch Hunderten von Menschen geholfen, sich nach einem Schlaganfall schneller zu erholen. In mehreren Forschungsstudien erhielten Schlaganfallpatienten entweder eine Standard-Krankengymnastik oder eine Krankengymnastik plus Visualisierung. Wer zusätzlich zur Krankengymnastik eine Visualisierung durchführte, erholte sich besser und viel schneller als jene, die nur Krankengymnastik machten.

In einer Studie der Universität Cincinnati in der Abteilung für Physikalische Medizin und Rehabilitation hörten chronische Schlaganfallpatienten nach jeder Physiotherapiesitzung ein Tonband, das sie durch die Visualisierung der Bewegungen von Hand, Arm und Schulter ihrer beeinträchtigten Seite führte.22 Bei einem Test nach sechs Wochen war die Armfunktion dieser Patienten deutlich besser als die einer Kontrollgruppe, die sich nach der Physiotherapie lediglich entspannte.

Inzwischen wurde in einer großen Meta-Analyse die Visualisierung als »brauchbare Intervention« für Menschen, die sich von einem Schlaganfall erholen, bezeichnet.23 Dabei galt Visualisierung vor 20 Jahren noch als Pseudowissenschaft!

Weitere Analysen deuten darauf hin, dass bei manchen Schlaganfallpatienten die Visualisierung sogar dazu beiträgt, einige der geschädigten Hirnregionen zu reparieren; bei anderen wechselt das für die Bewegung zuständige Areal an einen neuen, nicht geschädigten Ort im Gehirn; dort können durch Neuroplastizität die Bewegungen wieder verbessert werden.

In einer neurologischen Studie stellte sich heraus, dass die Gehirne von Schlaganfallpatienten, die mit Visualisierung arbeiteten, als Folge dieser mentalen Praxis eine gewisse kortikale Reorganisation erfahren hatten.24

Gedanken der Freundlichkeit

Das Phänomen »real versus imaginär« betrifft jedoch sehr viel mehr Bereiche als bislang angesprochen. Das Gehirn produziert Stresshormone unabhängig davon, ob wir uns in einer stressigen Situation befinden oder uns eine stressige Situation vorstellen. Es sind die Stressgefühle, die die Ausschüttung von Stresshormonen wie Adrenalin und Cortisol auslösen, unabhängig von der Situation selbst.

Ein Beispiel: Zwei Freundinnen sitzen mit dem Auto im Stau fest. Die eine fühlt sich gestresst bei dem Gedanken, zu spät zu ihrem Termin zu kommen. Die andere akzeptiert die Situation; sie weiß, dass sie nicht viel dagegen tun kann, also entspannt sie sich. Die erste Frau wird einen erhöhten Spiegel der Stresshormone Cortisol und Adrenalin aufweisen, die zweite nicht. Haben diese Werte etwas mit der Situation selbst zu tun? Nicht so sehr. Sie haben mehr damit zu tun, wie jedes Individuum die Situation empfindet.

Das Gleiche passiert mit der Freundlichkeit. Wie ich in meinen Büchern »The Five Side Effects of Kindness« [übersetzt: Die fünf Nebenwirkungen von Freundlichkeit] und »The Little Book of Kindness« [übersetzt: Das kleine Buch der Freundlichkeit] dargelegt habe, ist das Gegenteil von Stress das Gefühl, das durch Freundlichkeit hervorgerufen wird.25 Fast alle Menschen halten Frieden, Ruhe oder ein Gefühl der Entspannung für das Gegenteil von Stress, doch diese Verfassungen stellen die Abwesenheit von Stress dar, nicht sein Gegenteil.

In einer Studie, in der der tägliche Stresswert der Probanden und die ungefähre Anzahl der freundlichen Worte und Taten aufgezeichnet wurden, waren Stress und Freundlichkeit Gegenspieler: Wie auf einer Wippe nahm der Stress ab, sobald mehr Freundlichkeit an den Tag gelegt wurde, und umgekehrt. Das bedeutet nicht, dass durch Freundlichkeit stressige Ereignisse ausbleiben, sondern nur, dass beide Gefühle nicht nebeneinander bestehen können. Indem wir also die durch Freundlichkeit ausgelösten Gefühle verstärken, nehmen sie den normalerweise stressigen Ereignissen etwas von ihrem Schrecken.

Wollen Sie Stress abbauen? Dann versuchen Sie es doch einmal mit Freundlichkeit!

Freundlichkeitshormone

Genauso wie Stressgefühle Stresshormone erzeugen, erzeugt auch Freundlichkeit ihre eigenen biologischen Substanzen. In meinen Büchern und Blogs nenne ich sie »Freundlichkeitshormone«; damit will ich sagen, dass sie genauso wie die Stresshormone von Gefühlen produziert werden.

Das wichtigste Freundlichkeitshormon ist Oxytocin. Oxytocin ist bekannt für seine Bedeutung bei der Fortpflanzung, beim Stillen und sogar im Hinblick auf soziale Bindungen; gelegentlich wird es auch liebevoll als »Liebesdroge«, »Umarmungshormon« und sogar »Kuschelhormon« bezeichnet. Es spielt allerdings noch bei ziemlich vielen anderen Vorgängen im Körper eine Schlüsselrolle.

Oxytocin schützt das Herz-Kreislauf-System, und so wie Stresshormone den Blutdruck erhöhen, hat dieses Freundlichkeitshormon eine blutdrucksenkende Wirkung. Es hat auch antioxidative und entzündungshemmende Eigenschaften, hilft bei der Verdauung und Wundheilung und ist sogar am Aufbau des Herzmuskels und vieler anderer Zellarten aus Stammzellen beteiligt.

Mit einem Alter von etwa 500 Millionen Jahren ist das Oxytocin-Gen eines der ältesten im menschlichen Genom, und in dieser Zeit hat es sich in viele wichtige Funktionen des menschlichen Körpers integriert. Deshalb werden alle diese Funktionen vom Gefühl der Freundlichkeit beeinflusst, ebenso wie viele Funktionen im Gehirn und im Körper davon beeinflusst werden, wie sich Stress anfühlt.

Die meisten früheren Arbeiten in diesem Forschungsbereich haben sich damit befasst, welchen Weg Stress durch das Gehirn und den Körper nimmt. Erst jetzt fangen wir an, die Nebenwirkungen positiver Gefühle zu untersuchen, und davon gibt es jede Menge. Auf psychologischer Ebene steigern positive Gefühle das Glücksempfinden, sie stärken die Widerstandskraft und schützen vor Depressionen. Sie wirken sich auf die Gehirnfunktion aus und bewirken sogar neurologische Veränderungen, wenn sie über einen längeren Zeitraum erlebt werden; sie verringern außerdem Entzündungen und helfen uns sogar, länger zu leben.

Sowohl positive als auch negative Gefühle können in einer realen oder imaginären Situation ausgelöst werden. Genauso wie unser Gehirn nicht zwischen einem realen und einem eingebildeten stressigen Ereignis unterscheidet, verhält es sich auch mit der Freundlichkeit.

Ihr Gehirn produziert Freundlichkeitshormone, wenn Sie selbst freundlich sind, eine freundliche Tat beobachten, sich eine solche vorstellen und auch wenn Sie sich an etwas Freundliches erinnern.

In beiden Fällen spüren Sie, wie sich Freundlichkeit anfühlt, und als Folge lösen Ihre Gefühle die entsprechenden physiologischen Wirkungen aus. Der Gedanke an Dinge, die uns ärgern, löst Stressgefühle und in der Folge die physiologischen Effekte von Stress aus. Der Gedanke an Freundlichkeit bewirkt das Gegenteil: Etwas Freundliches über Menschen zu denken, das wiederum freundliche Gefühle hervorruft, kann ein einfacher Weg sein, um Stress zu reduzieren.

Weitere Studien zur Visualisierung

Carey Morewedge, damals an der Carnegie Mellon University in den USA, bat Probanden, Süßigkeiten oder Käsewürfel zu essen; andere sollten sich vorstellen, das zu tun.26 Wie er herausfand, beeinflussten das reale und das imaginäre Essen den Appetit mehr oder weniger auf die gleiche Weise.

Essen aktiviert bestimmte Gehirnareale und reduziert dadurch den Appetit allmählich – sonst würden wir nie damit aufhören –, und die Vorstellung vom Essen scheint die gleiche Wirkung zu haben. Laut Morewedge zeigen die Forschungsergebnisse auf, dass die Trennung zwischen Realität und Fantasie im Gehirn immer mehr verschwimmt.

Wichtig dabei ist, dass sich die Probanden in dieser Studie den gesamten Prozess des Essens vorstellen mussten. Ein kurzes Bild im Kopf von der Süßigkeit oder dem Käse funktionierte nicht: Sie mussten sich vorstellen, wie sie das Essen in die Hand nehmen und es kauen, so wie sie es beim wirklichen Essen eben tun würden – Bissen für Bissen, Kaubewegung für Kaubewegung. Wenn sie normalerweise 10-mal kauen, bevor sie schlucken, mussten sie sich vorstellen, 10-mal zu kauen, bevor sie sich das Schlucken vorstellten.

Auch das Immunsystem reagiert auf die Vorstellungskraft. Im Anschluss an Forschungsarbeiten, bei denen Probanden in der Lage waren, die Antikörper des Immunsystems zu erhöhen, indem sie deren Anstieg visualisierten, führten Forscher des United Lincolnshire Hospitals NHS Trust in Großbritannien eine randomisierte kontrollierte Studie mit Frauen durch, die wegen Brustkrebs behandelt wurden.27

Alle Frauen erhielten ihre übliche Behandlung (Chemotherapie, Operation, Bestrahlung und Hormontherapie). Die Hälfte von ihnen führte zusätzlich tägliche Visualisierungssitzungen durch. Jede Frau, die der Visualisierungsgruppe zugeteilt wurde, visualisierte, wie ihr Immunsystem Krebszellen zerstörte. Viele stellten sich ihre Immunzellen als Piranha-Fisch oder sogar als Pac-Man-Figur vor, einige stellten sich Makrophagen vor, die Krebszellen verschlingen.

Bei den visualisierenden Frauen wurde festgestellt, dass sie viel höhere Werte an wichtigen Immunzellen wie natürliche Killerzellen (NK), T-Zellen und T-Helferzellen aufwiesen als diejenigen, die nicht visualisierten, und das sogar nach vier Runden Chemotherapie. In der angesehenen Fachzeitschrift »The Breast« berichten die Forscher, dass das Immunsystem auch nach den vier Runden noch eine hohe Zytotoxizität gegen Krebszellen aufwies, allerdings nur bei den Frauen, die sich vorstellten, wie ihre Immunzellen die Krebszellen zerstörten.

Positive Affirmationen

Der Schlüssel zum Erfolg der Visualisierung liegt in der Wiederholung, die sich nachweislich auf die Netzwerke des Gehirns auswirkt und sie so ausbildet, dass das Vorgestellte produziert wird. Meine erste Erfahrung mit dieser Art von Wiederholung waren positive Affirmationen, die etwas Ähnliches bewirken. Das »Psychology Dictionary« definiert eine Affirmation als »eine kurze Phrase, die immer wieder gesprochen wird, um die Saat glücklicher und positiver Vorstellungen, Konzepte und Einstellungen in der eigenen Psyche auszubringen«28.

Im späten 19. Jahrhundert stellte der französische Psychologe Émile Coué fest, dass seine Patienten oft schneller gesund wurden, wenn er ihre Erwartungen dahingehend bestärkte, dass es ihnen besser gehen werde. Also entwickelte er sogenannte Autosuggestionen, deren bekannteste lautet: »Jeden Tag, so wie ich’s mag, geht es mir in jeder Hinsicht immer besser.«

Heutzutage bezeichnen wir Autosuggestionen als positive Affirmationen bzw. als positive Selbstaffirmationen, wenn sie unsere Grundwerte bestätigen. Sie helfen uns, positiver zu denken und zu fühlen und infolgedessen positiv zu handeln.

Die ernsthafte Erforschung von Affirmationen begann in den 1980er-Jahren, als der amerikanische Sozialpsychologe Claude Steele eine Arbeit über seine Theorie der Selbstbestätigung bzw. Selbstaffirmation veröffentlichte.29 Sie besagt, dass wir Menschen grundsätzlich motiviert sind, ein positives Selbstbild aufrechtzuerhalten – das heißt eine allgemeine Wahrnehmung von uns selbst als gut, tugendhaft, kompetent, stabil, fähig zu freien Entscheidungen und mit einem Gefühl der Kontrolle über wichtige Ergebnisse in unserem Leben.

Selbstbestätigungen sind also Aussagen, die unsere Grundwerte bekräftigen; den Grundwert Freundlichkeit würde man beispielsweise etwa so bestätigen: »Ich bin ein guter Mensch.« Wie die Forschung aufgezeigt hat, denken und fühlen wir positiver, wenn wir etwas sagen, das unsere Werte auf diese Weise bekräftigt; wir verhalten uns dann auch eher gesünder und unternehmen positive Schritte zur Verbesserung unseres Lebens. Dies gilt besonders, wenn die Affirmationen wiederholt werden.

Unser Verhalten zum Besseren verändern

Laut einer Studie von Wissenschaftlern der University of Pennsylvania in den USA könnte dies darauf zurückzuführen sein, dass die Wiederholung von Affirmationen physische Veränderungen in bestimmten Gehirnregionen hervorruft, die mit der Selbstverarbeitung assoziiert werden.30 Das Wiederholen von Affirmationen bewirkte nicht nur, dass sich die Probanden in dem Moment etwas besser oder positiver fühlten, sondern veränderte tatsächlich die Schaltkreise im Gehirn, die dieses Gefühl im Wesentlichen »vernetzten«. Und diese Veränderungen im Gehirn waren für die anschließende Veränderung des Verhaltens der Probanden verantwortlich.

Ein Projekt unter Zusammenarbeit von Wissenschaftlern der Universitäten Aston, Sussex und King’s College London, von dem im »Journal of Sport and Exercise Psychology« berichtet wurde, untersuchte die Wirkung von Selbstaffirmationen auf gesundes Verhalten.31 Von 80 Probanden wurde die eine Hälfte nach dem Zufallsprinzip einer Gruppe zugeteilt, die mit Selbstaffirmationen arbeiten sollte; die andere Hälfte bildete die Kontrollgruppe.

Die Probanden schrieben Selbstaffirmationen auf, die auf ihren wichtigsten persönlichen Werten basierten. Dann wurde ihnen ein Informationsblatt vorgelegt, das die Vorteile von Bewegung, beispielsweise eine bessere Stimmung und eine bessere Gesundheit, sowie die Risiken eines sitzenden Lebensstils, wie ein erhöhtes Risiko für Herzkrankheiten, beschrieb.

Bei der Nachuntersuchung eine Woche später waren die Probanden, die die Selbstaffirmationen durchgeführt hatten, deutlich aktiver, hatten eine positivere Einstellung zum Sport und waren eher bereit, sich zu bewegen, als die Teilnehmer der Kontrollgruppe, die keine Affirmationen durchgeführt hatten.

Eine Studie der Universität Sheffield, Großbritannien, ergab, dass Verhaltensänderungen für mehr Gesundheit auch für die Ernährung gelten.32 Nach dem Zufallsprinzip wurden 93 Frauen entweder zum Schreiben von Selbstaffirmationen ausgewählt oder einer Kontrollgruppe zugeteilt. Anschließend wurden ihnen Informationen über die gesundheitlichen Vorteile des Verzehrs von Obst und Gemüse vorgelegt. Im Lauf einer Woche aßen die Frauen, die die Selbstaffirmationen aufschrieben, im Durchschnitt 5,5 Portionen mehr Obst und Gemüse als jene Frauen, die keine Affirmationen aufschrieben.

Weiterhin ist durch Forschungen belegt, dass Selbstaffirmationen in Zeiten, in denen Herausforderungen und Bedrohungen wie Berge erscheinen, die es zu überwinden gilt, sehr hilfreich sein können – was im Wesentlichen das Ziel von Émile Coués Affirmation war.

Selbstaffirmationen können uns helfen, Stress zu überwinden und unser Leben und unsere Gesundheit schrittweise zu verbessern.

Nach Ansicht von Psychologen der University of California in Santa Barbara und der Cornell University liegt dies daran, dass uns Selbstaffirmationen helfen, unser Gefühl des Selbst bzw. unser Selbstbild zu erweitern und zu vertiefen, während Herausforderungen oder Bedrohungen dadurch gleichzeitig kleiner erscheinen.33