Was immer wir hoffen (Immer-Trilogie, Band 3) - Michelle Schrenk - E-Book
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Was immer wir hoffen (Immer-Trilogie, Band 3) E-Book

Michelle Schrenk

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Beschreibung

Seine Ziele sind ihre Hoffnung, ihre Wünsche seine Sehnsucht Nika braucht einen Tapetenwechsel – und zwar dringend! Also besucht sie ihre beste Freundin in den Bergen, wo sie bei einer Wanderung Bergführer Lukas kennenlernt. Obwohl sie nach einer fiesen Trennung Abstand von Männern halten will, fühlt sie sich unwillkürlich zu ihm hingezogen. Aber das ist egal, denn Lukas steht offenbar auf seine Kollegin – und weckt mit seinen miserablen Flirtversuchen Nikas Mitleid. Als sie ihm ihre Hilfe als Beziehungscoach anbietet, willigt Lukas ein. Nicht ohne die Beziehungstipps gleich auch an seiner Coachin zu testen … Im abschließenden Band ihrer New Adult-Trilogie zeigt Michelle Schrenk mit ihrer nach dem Abitur orientierungslosen Protagonistin auf unterhaltsame sowie einfühlsame Weise, wie aus Schlechtem Gutes und aus Hoffnung Wirklichkeit werden kann.

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INHALT

Playlist

Prolog – Nikas Notizbuchgedanken

Kapitel 1

Kapitel 2

Reisen beginnt im Herzen.

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Trau dich und alles wird gut.

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Aus schlechten Dingen entstehen oftmals gute.

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Was immer wir hoffen, lässt uns das finden, was wir lieben.

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

PLAYLIST

Badmómzjay – Sterne unterm Dach

Fabian Wegerer – Wenn ich von Liebe rede

Florentina – Alleine

JAMIE – Tiefschlaf

Kati K – Ohne dich

Kati K – Wegen dir

Kontra K – Hoffnung

Lea – Okay

Max Giesinger – Berge

Metrickz – Kämpferherz

Montez ft. badmómzjay – Mond

Mike Singer ft. Vanessa Mai – Als ob du mich liebst

Mike Singer – Licht

Pietro Lombardi – Lüg mich an

Revelle – Das Ungeklärte

Revelle – Erste Liebe

Sarah Engels – Gebe nicht auf

Sarah Engels – Ich

Sido – Mit dir

SOPHIA – Wenn du die Augen schließt

SOPHIA – Niemals allein

Tim Bendzko – Hoch

Tim Bendzko – Jetzt bin ich ja hier

Tim Bendzko – Leichtsinn

Tom Twers – Irgendjemand anders

Prolog

Nikas Notizbuchgedanken

Veränderungen kann man zwar nicht essen, aber gut tun sie trotzdem.

Wenn das Schicksal mit Vibratoren um sich wirft, dann ist es Zeit, in Deckung zu gehen.

Alles hat zwei Seiten. Jede Stadt, jedes Leben, jeder Kuss, jede Begegnung. Und auch die Liebe.

Wer Glitzer im Kopf hat, findet auch Lametta.

Was immer wir hoffen, wird sich erfüllen, wenn wir aus den Hoffnungen Ziele spinnen.

Wovon würdest du träumen, wenn alles möglich wäre?

Inmitten dieser kleinen Welt so große Fragen. Sag mir, was ist es, was dich hält? Was ist es, was immer du hoffst?

Trau dich und alles wird gut.

KAPITEL 1

»Hast du noch mal nachgesehen, ob du alles eingepackt hast, Nika?« Mama musterte mich besorgt und war dabei den Tränen nahe.

»Ach, Mama, ich habe alles. Und wenn nicht, dann besorge ich es mir, wenn ich angekommen bin.«

Sie schniefte. »Mein kleines Mädchen wird erwachsen. Erst das Abitur, jetzt die große Reise ins Unbekannte. Was, wenn du … wenn du … Hunger hast?«

Echt jetzt? Wenn ich Hunger hatte?

Ich lächelte und warf meinen beiden älteren Schwestern Lina und Kaia, die mir gerade beim Packen halfen, einen flehenden Blick zu. Ich würde nicht lange weg sein, also zumindest nicht ewig lange. Kein Grund zur Aufregung. Wobei ich wusste, dass Mamas Bedenken um meine Nahrungsaufnahme eher all ihre anderen Sorgen überdecken sollte.

Lina strich sich durch die langen blonden Haare. Auch Kaias blonde Haare, die sie heute zu einem Dutt gebunden hatte, schimmerten in der Sonne, die durch die Fensterscheiben brach. Wir waren alle drei blond, hatten blaue Augen und sahen uns ziemlich ähnlich. In unserem Charakter hingegen waren wir recht unterschiedlich. Sehr unterschiedlich, wenn man ehrlich war. Kaia war die Organisierte in der Familie, Lina eher diejenige, die sehr orientiert und zielstrebig war. Wenn sie eine Meinung vertrat, dann recht intensiv, um es mal vorsichtig auszudrücken. Und ich? Ich war meistens eher gefühlsbetont und emotional, was mir oft vorgeworfen wurde. Zumindest fühlte ich mich immer, als wären mir meine beiden Schwestern in vielen Dingen ein paar Schritte voraus. Ich war die jüngste und oft machten sich alle Sorgen um mich.

Deswegen war Mama vermutlich gerade so aufgewühlt. Ich konnte es auch irgendwie verstehen, in den letzten Monaten hatte es in meinem Leben tatsächlich ein ziemliches Auf und Ab gegeben. Ich hatte mich verliebt, gefühlt zum ersten Mal so richtig, und hatte anschließend ziemliche Herzschmerzen gehabt. Weil das, was ich mir erhofft hatte, ganz anders gekommen war. Hoffnung ist manchmal wie ein perfekt gedeckter Frühstückstisch ohne Brötchen.

Deswegen freute ich mich wirklich, jetzt wegfahren zu können. Nach dem Abitur musste das einfach sein. Ich hatte dafür mehrere Gründe. Zum einen wollte ich den Kopf freibekommen. Und zum anderen wollte ich Alex vergessen – das war der Kerl, mit dem ich etwas gehabt hatte und der mir viele schlaflose Nächte beschert hatte. Der Kerl, in den ich mich blöderweise verliebt hatte. Ich sehnte mich nach einem Tapetenwechsel. Woanders konnte man sich bestimmt besser über seine Gefühle klar werden.

Mein Blick glitt über die Bilder an der Wand meines Zimmers, über meine Bücherregale, die rosa Kissen auf dem weißen Bett, die kuschelige Decke und schließlich über mein Wish- beziehungsweise Thinkboard – so nannte ich die Tafel, auf die ich Gedankenfetzen – mein Kopfwirrwarr – klebte. Kleine Notizen mit Fragen, die ich hatte. Fragen an das Leben, an mich, an die Menschen um mich herum. Oder einfach ein paar Sprüche, die mir einfielen. Irgendwann hatte ich damit angefangen, sie aufzuschreiben. Sie kamen in den unterschiedlichsten Augenblicken zu mir und ich hatte immer Freude daran, auch mal den einen oder anderen Zettel irgendwo in der Stadt an Laternen oder Mülltonnen zu kleben. Auch im Supermarkt oder in Büchern der Bibliothek hatte ich schon Zettel versteckt, in der Hoffnung, dass derjenige, der sie finden würde, Freude damit haben würde. Kleine Tipps oder Anregungen. Niemand wusste davon und das fand ich gut so. Ich wollte den Leuten ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Ich meine, wie wertvoll ist so ein Lächeln, vor allem wenn man damit nicht rechnet?

Aber nicht nur Zettel versah ich mit Sprüchen, sondern auch Steine. Der Trend war aus den USA zu uns herübergeschwappt und hatte für viel Aufsehen auf Instagram und in anderen sozialen Netzwerken gesorgt. Sie hießen Küstensteine, bei uns im Umkreis waren es #Hipstones und für andere Künstler #Hopestones – Hoffnungssteine. Man bemalte die Steine, verzierte sie mit Sprüchen und setzte sie aus, damit sie von Menschen gefunden würden, denen sie vielleicht einen kleinen Schimmer Hoffnung schenkten.

Mittlerweile hatte ich schon ein paar Steine ausgesetzt und weitere verziert, um sie an den passenden Orten auszulegen. Ich hatte Spaß daran gefunden, es in den letzten Wochen aber nicht mehr so aktiv betrieben. Den letzten Stein, an den ich mich erinnerte, hatte ich in der Nähe eines Ärztehauses ausgelegt und der Spruch darauf sollte Hoffnung schenken. Demjenigen, der ihn finden würde – und irgendwie auch mir. Damals war ich noch motiviert gewesen, doch dann waren die Zweifel gekommen. An allem und am meisten an mir selbst. Und Hoffnung? Was war das eigentlich? Mal ernsthaft? Wir alle hofften immer auf irgendetwas. Auf eine bessere Beziehung, einen besseren Job, ein besseres Leben. Aber wie war das möglich? Klar, es gab diese intelligenten Sprüche, die sagten, dass Hoffnung Licht ist und Zuversicht schenkt. Als ich wegen Alex down war, war mein Licht der Hoffnung das des Kühlschranks, den ich öffnete, um mich mit irgendetwas Essbarem vollzustopfen. Aber Licht ist Licht, oder? Und wenn es dann weiterging und alles irgendwann besser wird, warum nicht? Und so ist dieser Gedanke entstanden, den ich auch auf den Stein geschrieben hatte: Was ist es, was immer wir hoffen?

Vieles war in den letzten Monaten geschehen. Ich blickte zu meinem Notizbuch, das auf dem Schreibtisch lag. Ich durfte auf keinen Fall vergessen, es einzupacken. Auch darin verewigte ich den einen oder anderen Spruch. Dann blickte ich wieder zu Mama, die noch immer ganz geknickt aussah.

Jetzt wurde auch ich etwas wehmütig. Aber es war richtig wegzufahren.

Was ist es, was dich hier hält? Was ist es, was immer du hoffst?, hatte ich mich gefragt und war zu dem Schluss gekommen, dass es vieles gab. Meine Familie, meine Freunde. Dennoch wollte ich einfach losziehen. Aus dem Gedanken war ein Wunsch geworden, aus dem Wunsch ein Drang und aus dem Drang Hoffnung – darauf herauszufinden, was ich wirklich wollte, wenn ich mal nicht alles hatte. Woanders war. Irgendwo, wo immer es mich auch hintrieb. Zuerst war das ein kleiner Ort in den Bergen. Dennoch war es mal etwas anderes. Und zwischen mir und dem Abenteuer, das ich antreten würde, lag nur noch meine Mama, die schluchzte, weil sie glaubte, ich würde allein in der großen weiten Welt verhungern. Dabei wünschte ich mir, sie würde mir das einfach mal zutrauen. Genauso wie Lina und Kaia.

»Mama, ich bin kein Säugling mehr, ich schaffe es durchaus, mir etwas zu essen zu besorgen und alleine zu überleben, okay?« Ich sagte es voller Überzeugung. Irgendwie wollte ich meiner Familie beweisen, dass ich auch allein zurechtkam. Sie sollten sehen, dass Nika, das emotionale Nesthäkchen, das keinen Plan vom Leben hatte, zumindest versuchte, sich zu orientieren.

Kaia und Lina kicherten. Erst hatte ich das Gefühl, dass sie mich wieder mal nicht ernst nahmen, aber dann wandte sich Lina an Mama. »Nika wird das schon hinbekommen. Außerdem ist die große Reise gar nicht so groß. Unsere kleine Schwester wird nur ein paar Stunden entfernt sein.« Lina drehte sich zurück zu meinem Koffer. Dann glitt ihr Blick zur Kommode und sie griff nach dem rosa Täschchen, das dort lag. Mein Waschtäschchen. »Einpacken?«, fragte sie mich.

Ich war gerade dabei, meinen Kleiderschrank dahingehend zu checken, ob ich alle meine Lieblingsklamotten eingepackt und nichts vergessen hatte. Ich blickte über die Schulter zu Lina und nickte ihr zu.

»Nicht weit?« Mama schniefte erneut. »Das kann man auch anders sehen.« Sie wuschelte sich durch ihr kurzes blondes Haar. Auch Mama war blond und schlank. Doch Mamas Augen waren nicht blau wie die von uns drei Schwestern, sondern eher bräunlichgrün. Die Farbe der Augen hatten wir von unserem Papa.

Kaia trat zu ihr heran. »Mama.« Sie zückte ihr Handy und tippte darauf herum. »Schau mal, wenn man den Standort hier in die App eingibt, sind es nur … Moment …« Einen Augenblick später sah sie Mama freudig an. »Zweihundertfünfzig Kilometer.«

Mama zückte ein Taschentuch und putzte sich die Nase. »So weit?«

Lina fuhr herum und sah sie streng an. Das beherrschte sie perfekt. Man musste zwangsläufig Respekt vor ihr haben. »Mama, wirklich jetzt. Es ist ja nicht so, als würde Nika wie die meisten nach dem Abi nach Australien oder Neuseeland oder so gehen. Sie ist nur zweieinhalb Stunden entfernt!« Sie warf das Waschtäschchen in meinen Koffer und tätschelte Mama an der Schulter.

Doch so richtig beruhigt wirkte die immer noch nicht. »Vielleicht ist das so, aber ihr seid meine Mädchen und bleibt immer irgendwie meine Babys. Da könnt ihr sagen, was ihr wollt. Und jetzt, nachdem auch noch die Letzte von euch flügge wird, da darf eine Mutter ja wohl auch mal ein Tränchen vergießen. Egal, wie albern ihr das findet. Das wird sich nie verändern, auch wenn sich alles andere ändert. Bei keiner von euch.«

Sie wischte sich über die Augen und mit einem Mal spürte auch ich ein heftiges Klopfen in meiner Brust. Sie hatte recht, alles veränderte sich. Immerzu. Aber war das schlimm?

Veränderungen kann man zwar nicht essen, aber gut tun sie trotzdem.

Ich musste lächeln. Auch so ein Gedanke, der zu Worten geworden war. Ich tippte ihn schnell in mein Handy, um ihn später in mein Notizbuch übertragen zu können.

»Was machst du da?«, wollte Lina wissen.

»Ich schreibe nur kurz Sissy«, schwindelte ich.

Als ich fertig war, wanderte mein Blick zu Mama. Noch immer wirkte sie bedrückt und irgendwie konnte ich sie auch ein Stück weit verstehen. Es war so viel in den letzten Jahren passiert. Lina war mit ihrer Freundin Emma in eine WG gezogen. Kaia wohnte ebenfalls nicht mehr hier, sondern hatte eine hübsche Wohnung in der Stadt. Und nun verließ auch ich, das Nesthäkchen, unser Zuhause. Irgendwie hatte in letzter Zeit bei uns allen die große Aufbruchsstimmung geherrscht und ich würde das alles hier für eine ganze Weile nicht mehr sehen.

Was würde bleiben?

»Ihr werdet mir fehlen, ehrlich«, sprudelte es nun aus mir heraus und auch meine Augen wurden feucht. Vor Abschiedsschmerz begann mein Herz, spürbar zu klopfen. Abschiedsschmerz und Neuanfangsfreude. Aufregung und auch ein bisschen Traurigkeit.

Ich würde vieles vermissen. Mein Zimmer. Mamas Freund Bernd, den sie bald heiraten würde, weshalb sie immer noch mitten in den Hochzeitsvorbereitungen steckte. Lina mit ihren Ratschlägen, die immer da war. Herzensgut, dennoch direkt und ehrlich. Kaia, die alles für uns organisierte und so hilfsbereit war, dass Mutter Teresa sich bestimmt gefreut hätte, sie kennenzulernen.

Aber jetzt war ich dran. Und trotzdem legte sich auf einmal eine schwere Decke aus Emotionen um mich. »Ach, Mama, wenn du weinst, dann muss ich auch gleich anfangen zu heulen«, flüsterte ich. Schnell kuschelte ich mich in ihre Arme. So standen wir da und ich drückte sie ganz fest.

»Ich will eure Stimmung ja nicht zunichtemachen, aber Nika, du bist nur vier Wochen weg und keine vier Jahre! Okay?«

Hatte ich schon erwähnt, dass Lina immer sehr direkt war? Vier Wochen waren nicht lang. Trotzdem … Vermissen konnte man sich ja dennoch –

Meine Gedanken wurden abrupt unterbrochen. »Und überhaupt, was hast du bitte damit vor?« Lina lachte. Als ich zu ihr aufsah, stand sie mit einem breiten Grinsen vor mir und hielt einen meiner Slips in die Höhe, den sie aus dem Koffer gezogen haben musste. »Um ehrlich zu sein, mir kommen auch gleich die Tränen. Das ist doch nicht dein Ernst, Nika! Das ist ja ein Kuhschlüppi! Was für ein Liebestöter. Du willst also wirklich nie wieder Sex haben, sehe ich das richtig?«

Direkt und ehrlich. Viel zu ehrlich. Was war an dem Höschen bitte verkehrt? Wenn jemand eine emotionale Stimmung zunichtemachen konnte, dann war es Lina. Doch auch Kaia hatte sichtlich Mühe, sich das Lachen zu verkneifen.

»Hey!« Ich löste mich von Mama und ging zu Lina hinüber. Mit einem Ruck griff ich nach dem Liebestöter, wie sie ihn genannt hatte.

Den Slip mit dem hübschen schwarz-weißen Muster hatte meine beste Freundin Elisabeth aka Sissy in einem Modeladen in Elsburg entdeckt und mir geschickt. Damit sollte ich mich auf das Landleben einstimmen.

»Lass den Schlüppi, ich mag ihn.« Lachend nahm ich Lina das Stück Stoff aus der Hand. »Außerdem war der Zettel, den Sissy mir dazu geschrieben hat, einfach süß. Da stand nämlich: Du suchst nach einem einfachen Trick, um morgens gut gelaunt aufzustehen? Zieh das Kuhhöschen an und genieße eine tolle Zeit. Ich freu mich auf dich.«

Gespielt vorwurfsvoll schüttelte Lina den Kopf. »Nur weil du aufs Land fährst, musst du doch nicht gleich so rumlaufen, als wärst du das Land selbst. Aber schön, ihr werdet wohl eine gute Zeit haben. Du und irgendwelche Kühe – oder du und dein Slip, wie auch immer.« Inzwischen ebenfalls lachend sah sie mich an und ich stemmte die Hände in die Hüften.

»Die hatten wir durchaus schon. Und wenn ich tolle Kühe treffen sollte, warum nicht?« Ich streckte ihr die Zunge heraus. »Muuuh.«

Kaia zog eine Augenbraue nach oben und lachte nun auch. »Eine gute Zeit zusammen«, gluckste sie und zwinkerte Lina zu.

Die grinste breit. Sie war noch lange nicht fertig, das merkte ich, und wie erwartet sprach sie auch gleich weiter: »Du und dein Schlüppi, ihr werdet von nun an immer zu zweit bleiben.«

Ich rollte mit den Augen. »Wie ihr wisst, bin ich sowieso auf nichts aus. Das mit Alex hat mir gereicht. Ich bin erst mal durch mit Jungs und muss wieder zu mir finden. Freut mich ja, dass ihr beide die Erfüllung gefunden habt, aber ich brauche weder einen Kerl noch Sex. Und wenn, dann mit mir selbst, das reicht völlig. Im Übrigen nehme ich einen Kerl nur, wenn er auch mein Kuhhöschen liebt, das ist Voraussetzung.«

»Das nenne ich klare Regeln.« Lina hob schmunzelnd den Daumen. »Ein Hoch auf deinen Slip!«

Ohne auf ihre Bemerkung einzugehen, stopfte ich ihn zurück in den Koffer. »Das wäre dann alles.«

Ich machte mich gerade daran, den Koffer zu verschließen, als Lina sich räusperte. »Moment, mach mal die Augen zu, wir haben noch was für dich.«

Mein Herz klopfte schneller. »Wirklich?«

In Mamas Blick war so viel Wärme, ebenso in den blauen Augen meiner Schwestern. Bei allen Neckereien, die wir uns in schöner Regelmäßigkeit an den Kopf warfen, liebten wir uns doch alle heiß und innig.

Unsere Familie war nicht perfekt, sie hatte ihre Ecken und Kanten. Unsere Mama war etwas verrückt. Deswegen passte sie auch so gut zu ihrem Freund und Bald-Ehemann Bernd, der mit ihr genau das Leben lebte, das sie sich immer gewünscht hatte. Gleichzeitig hielt er sie am Boden, was sie brauchte. Und er liebte sie vor allem so, wie sie war. Unser Papa war ganz anders, doch auch er liebte uns. Er war überall auf der Welt unterwegs, aber wir waren dennoch eine Familie und ich liebte jede unserer Ecken und Kanten.

Vor Rührung begann ich zu stammeln: »Das ist doch nicht nötig, ich …«

»Augen zu!« Kaia kicherte.

Also schloss ich die Lider und wartete ab. Es raschelte, kurze Zeit später hörte ich Gekicher. Was hatten sie vor?

»Eins, zwei, drei – du kannst sie wieder aufmachen.«

Gespannt öffnete ich die Augen, sah aber nichts. Absolut nichts. Die Neugier ließ mir keine Ruhe und so rutschte es einfach aus mir heraus: »Und? Was habt ihr?«

Lina war es, die nun etwas hinter ihrem Rücken hervorzog. »Liebe Nika, wir dachten, wenn du mal einsam bist … Ehrlich gesagt hätten wir nie gedacht, dass das Geschenk so sehr passen würde. Aber nachdem du uns über deinen Schlüppi und deinen – offensichtlich nicht vorhandenen – Sex aufgeklärt hast …«

»Ihr seid doch so was von bescheuert!«, kam es mir über die Lippen, als ich erkannte, was die drei für mich besorgt hatten. Sofort musste ich lachen. Es kam direkt aus meinem Inneren und überrollte mich.

»Hätten wir gewusst, dass du Kühe so liebst, hätten wir natürlich versucht, einen in Kuhfelloptik zu bekommen. Aber so muss es dieser Delfin jetzt tun«, fügte Kaia hinzu.

Noch immer lachend nahm ich den Vibrator in Empfang und musterte ihn. Rosa, glitzernd, mit einem Stimulator, den man Delfin nannte. Wie verrückt war meine Familie bitte?

Von jetzt auf gleich breitete sich eine Wärme in meinem Bauch aus und mein Lachen schlug von einer Sekunde zur nächsten in Weinen um. Was total verrückt war, denn wer weinte schon wegen eines Vibrators?

Ich schluckte ein paarmal, während mein Blick zuerst zu Mama und dann zu meinen Schwestern wanderte. »Ich werde euch so vermissen, wisst ihr das?«

»Wir dich doch auch«, antwortete Lina und keine Sekunde später lagen wir vier uns in den Armen. Ich atmete ihren Duft ein und genoss es so sehr, bei ihnen zu sein. Ich würde sie wirklich vermissen, auch wenn ich nur für eine kurze Zeit weg sein würde.

»Ihr seid so bescheuert, wisst ihr das?«, flüsterte ich. Nach einer Weile lösten wir uns voneinander und ich betrachtete noch einmal mein Geschenk. »Aber genau dafür liebe ich euch!«

KAPITEL 2

Nachdem ich aus der Dusche gestiegen war, blickte ich in den beschlagenen Spiegel – etwas, das ich jedes Mal tat. Es war in all den Jahren zu meinem kleinen persönlichen Ritual geworden. Vielleicht war ich auch deswegen auf die Zettel mit den Botschaften, Sprüchen und Fragen gekommen. Darauf, meine Gedanken regelmäßig aufzuschreiben und irgendwo hinzukleben oder auch mal auf einem Stein auszusetzen. Weil ich sie immer, seit ich denken konnte, nach dem Duschen an den beschlagenen Spiegel schrieb. Dinge, die mich beschäftigten. Fragen oder auch mal Wünsche.

Heute war es eine Frage, auf die ich durch Mama gekommen war: Was bleibt, wenn ich weg bin? Der Gedanke ließ mich nicht los. Denn er zog weitere Fragen nach sich: Was brauche ich, um ich zu sein? Wer würde ich sein, wenn alles möglich wäre? Was erhoffe ich mir?

Oh Mann, schwere Kost. Was ich hinterließ, war auf alle Fälle ein voller Kühlschrank. Ich schmunzelte.

Eigentlich wünschte ich mir gerade nur, dass das Leben mir den richtigen Weg zeigen würde. Und ich hoffte darauf, dass alles gut werden würde. Darauf, dass ich mich von nun an besser fühlen würde als in den letzten Wochen. Nach Alex und der Herzkarambolage. Ich sollte zuversichtlich und offen sein. Und wieder lächeln. Mich hatte die Sache mit Alex echt mitgenommen, aber nicht nur das. Auch die Tatsache, nicht wirklich zu wissen, was ich wollte. Wobei ich schon so einige Vorstellungen hatte. Doch sie wirklich konkret zu machen, war gar nicht so leicht.

Nachdem Mama, Lina und Kaia gegangen waren, damit ich mich für die Abreise fertig machen konnte, hatte ich mein Notizbuch durchgeblättert und anschließend in den Koffer gepackt. Wenn ich schrieb – auch wenn es nur Gedankenfetzen waren –, dann fühlte ich mich gut. Frei. Irgendwie wirkte dann alles, was mich beschäftigte, nicht mehr so schwer. Wenn ich meine Gedanken festhielt, passierte etwas mit mir. Ich fühlte mich nicht mehr so klein.

Eigentlich war ich immer die fröhliche Nika gewesen, die ihr Herz geöffnet hatte, emotional und für jeden Spaß zu haben. Die Sache mit Alex aber hatte mich in ein tiefes Loch gezogen. Und noch etwas hatte mir mit einem Mal mitten im Abistress zu schaffen gemacht: Jeder um mich herum hatte gewusst, was er machen wollte, welchen Studiengang oder welche Ausbildung. Im Gegensatz zu den meisten aus meiner Klasse wusste ich noch nicht, was ich nach dem Abi studieren wollte – wenn ich überhaupt ein Studium anstrebte. Wohin es mich treiben würde. Ich mochte es, diese Zettel oder auch mal Steine zu verteilen, wenn mir danach war. Aber was brachte das schon? Sollte ich mir daraus eine Zukunft malen? Albern! Ich musste darüber nachdenken. Und dafür musste ich aus meinem Alltag raus.

Als Sissy nach Elsburg aufgebrochen war, um dort auf der Burg als Burgführerin zu arbeiten, war auch in mir der Wunsch aufgekommen wegzufahren. Ich wollte irgendwo anders darüber nachdenken, was ich wollte. Als sie schließlich vorgeschlagen hatte, dass ich für einige Zeit zu ihr kommen könnte, war ich überglücklich. Endlich war eine Möglichkeit greifbar, um den Kopf freizubekommen.

Ich liebte meine Familie, aber ab und an war es auch gar nicht so leicht, neben Lina, Kaia und Mama zu bestehen. Kaia wusste immer, was sie wollte, Lina ebenso und auch Mama. Auch wenn sie mir immer sagten, dass ich schon meinen Weg finden würde, war mir klar, dass sie sich Sorgen um mich machten.

Als Mama neulich mal wieder die Ausbildung-Studium-Diskussion angestoßen hatte, hatte Lina vorgeschlagen:

»Wie wäre es mit einem Praktikum? Da bekommst du vielleicht eine Idee, was dir Spaß machen könnte.«

Auch Kaia hatte mich schon zu meinen Zielen gelöchert und mir einen Fragebogen zu meiner Zukunft erstellt. So war meine Schwester eben. Organisiert. Vernunftorientiert. Aber war es wirklich so leicht? Man beantwortete ein paar Fragen und dann wusste man, was man sein Leben lang tun wollte?

Jeder wollte wissen, was ich vorhatte. Meine Lehrer und Lehrerinnen, Leute, die mit mir zur Schule gingen, die Angestellten bei den Berufsberatungen und auch meine Familie. Sie hatten es zwar nicht direkt gesagt, aber ich hatte dennoch gespürt, dass sie nicht verstanden, wie man nicht wissen konnte, was man wollte. Und das erzeugte ein Gefühl von Druck in mir. War ich merkwürdig, weil ich noch keine Ahnung hatte, wer und was ich sein wollte?

Ich betrachtete den Spiegel noch einen Moment, dann atmete ich tief durch. Was wollte ich? Ich beugte mich vor und malte an den Rand ein Fragezeichen. Kurz ließ ich meinen Blick darauf ruhen, bevor ich es wegwischte und mir selbst zulächelte. Was würde bleiben, wenn ich weg war? Hoffnung darauf, dass ich endlich wissen würde, was ich wollte?

Ich sah mich im Spiegel an. Hoffnung? Was war das eigentlich? Ich wusste es nicht. Nur, dass ich wieder mehr lachen wollte. Und na ja, irgendwie war Hoffnung doch wie Humor, oder? Auf jeden Fall fing beides mit H an. Wie auch immer, ich war bereit, es herauszufinden.

KAPITEL 3

»Wie schwer kann eine Reisetasche bitte sein? Warum hast du überhaupt noch mal umgepackt?« Kaia keuchte, als sie mein Gepäck aus dem Auto wuchtete.

Ich zuckte mit den Schultern. »Sorry. Ich habe doch noch ein paar Sachen entdeckt, die nicht fehlen dürfen. Und dafür war der Koffer zu klein, da musste ich die große Tasche nehmen. Schau, die Jacke, die ich jetzt anhabe, ist die nicht cool? So schön pink, passt super zu der Handtasche. Rosa ist heftig, aber doch irgendwie cool.«

Skeptisch musterte Lina meine riesige Reisetasche, die tatsächlich kurz davor war, aus allen Nähten zu platzen. »Du kannst froh sein, wenn das Ding nicht platzt.« Sie schlug die Kofferraumtür zu. »Aber die Jacke ist cool, so kann dich wenigstens keiner übersehen. Und die Tasche glitzert sogar ein bisschen. Würde sagen, passt zu deinem Geschenk.«

Sofort spürte ich die Röte auf meinen Wangen, ging aber nicht weiter darauf ein.

»Was ist eigentlich in der kleinen Tasche noch alles drin? Sollten da nicht nur das Handy und ein Ersatzakku rein?« Kaia, unser Organisationstalent, hatte mir vorgeschlagen, noch eine zweite Tasche mitzunehmen. Darin hatte ich neben meinem Handy auch mein Notizbuch verstaut.

Wir hatten das Auto ganz in der Nähe des Busbahnhofs geparkt, der dem Nürnberger Hauptbahnhof direkt gegenüberlag. Dennoch erschien der Weg angesichts meines unhandlichen, schweren Gepäcks plus Handtasche kilometerlang. Ich schnappte mir die Tasche und wollte sie gerade hochheben, als ich bemerkte, dass das gar nicht so leicht war. Warum war ich nicht bei dem Rollkoffer geblieben? Ich hatte einfach zu viele Schuhe eingepackt. Zu spät. Jetzt musste ich in den sauren Apfel beißen.

»Ich nehme einen Henkel, du den anderen«, schlug Kaia augenzwinkernd vor. Ich war ihr unheimlich dankbar dafür, zusammen ging es gleich viel leichter.

»Ich würde ja auch helfen«, kommentierte Lina, »aber ich muss Mamas Tasche tragen. Was hast du da bitte eingepackt? Die ist fast genauso schwer.«

Mama griff nach ihrer Tasche und lächelte. »Nicht viel. Außerdem trage ich sie schon selbst, mein Schatz.«

Also packte Lina nun auch mit an, wodurch wir eindeutig schneller vorankamen.

»Ob die ganzen Kekse nicht doch zu schwer sind? Das Ding explodiert wirklich gleich«, murmelte Mama, während wir die Straße überquerten.

Mama hatte es natürlich nicht lassen können und mir noch Kekse gebacken. Eine ganze Menge. Nach einem Rezept von Bernds Mutter Hilde. Die waren ebenfalls in meinem Gepäck gelandet, ebenso wie noch einige andere Lebensmittel.

Lina grinste. »Bei allem, was Nika da reingestopft hat, machen Kekse und das andere Essenszeug auch nichts mehr aus. Eher Nikas Klamottensucht und ihr altbekanntes Problem, dass sie sich nicht entscheiden kann.«

Ich warf Lina einen bösen Blick zu. »Als ob du nicht auch immer deinen Koffer völlig überpackst. Welches Mädchen, das schöne Klamotten liebt, macht das bitte nicht? Außerdem sind Schuhe auch schwer. Oder denkst du, ich nehme nur ein einziges Paar mit?«

»Gummistiefel hätten doch gereicht. Passend zum Schlüppi! Howdy, Girl!«, rief Lina aus. Sie war ja sooo witzig.

Die Bemerkung, dass ich mich nicht entscheiden könnte, ließ ich unkommentiert. Sie würde schon sehen, dass sich das ändern würde. Ich wollte es ändern.

Als wir endlich den Busbahnhof erreichten, war ich froh, die Tasche abstellen zu können. Kaia schien es genauso zu gehen, denn sie seufzte und schüttelte erleichtert die Hände aus. »Das war echt hart. Schau mal, ich habe voll die Abdrücke.« Sie zeigte mir ihre Hände. Auch meine Handflächen waren total rot. »Kriegst du das denn echt hin, wenn du damit hoch auf die Burg musst?«

»Sissy holt mich ab, sie hilft mir ganz bestimmt beim Tragen. Das schaffen wir schon. Starke Mädchen und so.« Ich winkte ab.

»Zur Not nehmt ihr ein Taxi«, meinte Mama und strich mir beruhigend über die Wange. »Jetzt noch was rauszunehmen, macht keinen Sinn. Außerdem ist Proviant. Du wirst froh sein, wenn du hungrig bist und gerade nichts findest. Wer weiß, wie das auf dieser Burg mit der Versorgung ist.«

Kaia grinste. »Sicherlich nicht wie im Mittelalter, Mama. Ihr habt doch die Bilder gesehen, die Sissy geschickt hat. Das war definitiv nicht mehr wie im Mittelalter.«

Ein Grinsen legte sich auf meine Lippen. Die Bilder waren toll gewesen. Ich hatte mich sofort verliebt und konnte es kaum mehr erwarten, mit Sissy auf einer Burg zu leben.

Ein Geruch von Zwiebeln und gebratenem Fleisch, der eindeutig von dem Dönerstand gleich nebenan stammte, drang in meine Nase. Unwillkürlich sog ich ihn ein.

»Hast du doch noch Hunger?«, wollte Mama prompt wissen.

Ich lachte. »Alles gut, wir haben doch vor der Abfahrt noch was gegessen. Ich verhungere nicht, Mama, wirklich.«

Sie nickte und wirkte beinahe verlegen. »Also schön, aber trotzdem habe ich da noch was.« Sie zog eine große Plastikbox aus ihrer Handtasche, woraufhin Lina und Kaia augenblicklich kicherten. Aha! Deswegen hatte sie dieses große Ding mitgenommen.

»Mama! Was hast du da?«

»Brot, was zum Knabbern und Äpfel. Kriegst du das noch in deine Tasche rein?«

Am liebsten hätte ich ihr gesagt, dass das echt nicht nötig war. Aber dann sah ich ihren bittenden Blick und nickte. Sie meinte es ja wirklich nur gut. »Klar, kriegen wir bestimmt noch reingestopft, oder?«

Kaia und Lina wirkten dagegen nicht so zuversichtlich. Zumindest taten sie gerade so, als ginge sie das alles nichts an.

»Kaia?«, sprach ich sie direkt an. »Du kriegst doch immer alles organisiert!«

Sie wiegte den Kopf nachdenklich hin und her, dann klatschte sie in die Hände. »Na gut, ich versuche es.« Sie kniete sich neben die Tasche, öffnete den Reißverschluss und probierte nun, Mamas Box noch irgendwie unterzubringen. Allerdings waren ihre Versuche nicht besonders erfolgreich. Kaia bemühte sich, aber mit jedem weiteren Moment schwand meine Hoffnung.

Doch Kaia blieb hartnäckig, wie immer. »Also schön, wenn ich das hier rüberschiebe und dann … Mist, geht nicht. Okay, noch mal. Wie sagt man so schön? Die Hoffnung stirbt zuletzt.«

»Lass doch einfach den Reißverschluss oben ein Stück offen, dann geht das schon«, schlug Lina irgendwann pragmatisch, wie sie war, vor.

Warum eigentlich nicht? »Gute Idee«, pflichtete ich ihr also bei. Und so blieb der Reißverschluss an einer Seite geöffnet. Was sollte schon passieren?

Wenig später fuhr bereits mein Bus ein. Ich hatte einen Sitzplatz in der einzigen Buslinie gebucht, die durch Elsburg fuhr. Gleich war Abschied angesagt und mein Herz begann, heftig zu klopfen und zu summen.

Es dauerte ein paar Augenblicke, bis ich in meiner Aufregung realisierte, dass es nicht mein Herz war, das summte, sondern mein Handy. Schnell zog ich es aus der Tasche, und nachdem ich die eingegangene Nachricht gelesen hatte, breitete sich ein Strahlen auf meinem Gesicht aus. »Sissy freut sich total auf mich und wünscht mir eine gute Fahrt«, sagte ich zu Mama und meinen Schwestern, die mich fragend musterten.

»Da bin ich ja beruhigt.« Mama umklammerte ihre Tasche trotzdem noch ein wenig fester und sah zu dem Bus hinüber, mit dem ich in ein paar Minuten abreisen würde. »Gleich geht es los.« Sie seufzte. »Ziemlich zweischneidig so eine Situation, oder?«

Ich sah sie fragend an. Was meinte sie damit?

»Da ist die Freude darüber, dass du etwas erlebst, und die Trauer, weil du gehst.«

Ich nickte. Sie hatte recht. Zwei Seiten. Alles im Leben hatte zwei Seiten, oder?

Als der Busfahrer ausstieg, beschleunigte sich mein Puls noch einmal spürbar. Jetzt war es tatsächlich so weit. Manchmal brauchte man keine Worte, um zu beschreiben, wie sehr man sich fehlen würde, manchmal reichte es aus, wenn man sich fest drückte. Dadurch spürte man mehr, als Worte ausdrücken konnten. Und so standen wir da und umarmten uns einfach. Freudentrauer. Irgendwie passte das Wort zu der Situation.

Während wir uns in den Armen lagen, sah ich über Linas Schultern hinweg einen jungen Mann mit blonden Haaren auf den Bus zugehen, der sich jetzt zusehends füllte. Dass so viele mitfahren würden, hatte ich nicht erwartet. Fuhr der Blondschopf auch mit? Mit einem Handy am Ohr drehte er sich um. Neben seinen hellen Haaren fielen mir als Erstes seine unfassbar sinnlichen Lippen auf. Keine Ahnung, was es war, aber etwas an ihm zog mich an.

Als unsere Blicke sich trafen, lächelte er. Mein Herz klopfte, summte und hüpfte. Da war ein heftiges Gefühl in meinem Bauch, das ich nicht kannte und das mich voll und ganz einnahm. Auf der einen Seite wollte ich so etwas nicht spüren, doch auf der anderen fühlte es sich auch verdammt gut an. Und ich konnte es sowieso nicht bestimmen, wie ich gerade feststellen musste. Mein Körper reagierte, ließ sich von dem Gefühl umfassen und plötzlich alles um mich herum verstummen. Alles, bis auf meinen unruhigen Herzschlag.

Ich musste mich sammeln, wollte die Reaktion meines Körpers irgendwie verstehen, aber es gelang mir nicht. Mein Blick wanderte über sein dunkles Shirt, das erahnen ließ, wie sportlich er war. Über dem Shirt trug er eine Brusttasche, darunter eine helle Hose und Sneakers. Seine Haut war gebräunt und er sah aus, als käme er direkt aus dem Urlaub im Süden. Er wirkte sportlich, aber lange nicht so durchtrainiert wie Alex, dieser Muskelprotz.

»Alles gut, Nika?«, schob sich Linas Stimme in meine Gedanken.

Ich wandte mich den dreien zu und löste meinen Blick von dem jungen Mann. Denn das war jetzt wirklich nicht wichtig. Auch wenn es sich, keine Ahnung warum, so anfühlte. Zweischneidige Gefühle, zweischneidige Gedanken. Ich schob sie weg. »Ich muss nicht noch mal sagen, wie sehr ich euch jetzt schon vermisse, oder?«

Kaia lächelte. »Wir dich doch auch. Aber ich glaube, du musst jetzt mal einsteigen, sonst kriegst du am Ende keinen Platz mehr.«

»Echt heftig, wie viele da mitwollen. Wo kommen die alle her?« Mama zupfte an meiner Jacke und schluckte. »Pass auf dich auf, mein Schatz. Und wenn was ist, dann meldest du dich, ja?«

Ich drückte alle drei noch einmal, ehe ich mich zusammen mit Lina und Kaia daranmachte, meine Tasche in Richtung Bus zu befördern.

»Bitte da ruff, ins oberste Fach geht das«, rief der Busfahrer in irgendeinem mir unbekannten Dialekt, während er nebenbei mit seinem Lesegerät das Ticket einer Frau mit Kind scannte. »Oder wardet, isch schwear, gell? Ich seh scho, ich komm gleich.« Woher er wohl kam? Aus Ischgl?

In der Zwischenzeit hatten Lina und Kaia es schon allein geschafft, meine Tasche oben ins Gepäckfach zu wuchten. Ich war bereit. Bis ich zu dem Busfahrer hinübersah und es mich wie ein Blitz durchfuhr, als ich das Lesegerät in seiner Hand sah. Verdammt!

»Scheiße, das Ticket. Wo hab ich das noch mal hingetan?«, brummte ich und spürte Panik in mir aufsteigen.

Und da passierte es. Die Tasche kippte aus dem Gepäckfach heraus und plumpste auf den Boden. Weil wir den Reißverschluss nicht ganz zugezogen hatten, purzelte Mamas Proviantbox heraus – zusammen mit meinem Reisegeschenk. Das durfte doch jetzt nicht wahr sein! Letzteres landete ausgerechnet direkt vor den Füßen des Blondschopfs. Keine Ahnung, warum er hier bei den Gepäckfächern stand, denn er hatte nur einen Rucksack dabei.

»Warte, ich helfe dir.« Lächelnd sah er mich an und seine Stimme ging direkt durch mich hindurch und löste ein Vibrieren in mir aus.

Ehe ich mich’s versah, bückte er sich und hielt die Verpackung des glitzernden Vibrators, der auf den Namen Glitter G Spot hörte, in der Hand.

Himmel! Ging es noch peinlicher? Augenblicklich glaubte ich, im Boden versinken zu müssen.

Während er das musterte, was er gerade aufgehoben hatte, sah ich panisch zwischen Lina, Kaia und Mama hin und her. Kaia war so rot im Gesicht geworden, dass sie locker als Tomate durchgehen konnte. Und Lina hatte ihr Handy gezückt und schoss ein Foto. Was zur Hölle …? Meine Ohren wurden ganz heiß.

Als wäre das alles nicht schon peinlich genug, kam jetzt auch noch der Busfahrer zu uns. »Isch denn alles gut?«, fragte er in seinem ungewöhnlichen Singsang. »Also, ich hätt’s doch hochgeschobe, aber so isch die Jugend, immer ungeduldisch, nie könnas warden. Des habt a dann davon und …« Sein Blick glitt nun auch zu meinem glitzernden Freund und er hob eine Augenbraue. »Was isch na das? A Kochgerät?«

Lina lachte laut auf. Der Kerl neben mir reichte mir das Kochgerät mit einem verschmitzten Grinsen. Das kräftige Türkisblau seiner Augen traf mich so heftig, dass mir kurz schwindelig wurde.

»Danke«, presste ich hervor, griff nach dem Glitterding, ging in die Knie und stopfte es eilig zurück in die Tasche.

Der Busfahrer hob die Tasche an – glücklicherweise ohne weitere Kommentare oder Fragen – und verstaute sie im obersten Fach.

»Man braucht immer auch ein bisschen Glitzer im Leben, oder? Also kein Problem, gern geschehen«, sagte der Typ, der noch immer neben mir stand, nachdem ich mich wieder aufgerichtet hatte.

Hatte er das wirklich gerade gesagt? Man braucht immer auch ein bisschen Glitzer im Leben? War das sein Ernst?

»Es ist nicht so, wie … es aussieht«, stammelte ich. »Alles wirkt immer auf den ersten Blick erst so und ist dann anders. Ach, egal …« Was tat ich da bitte? Was redete ich da?

Doch er sah mich grinsend an und nickte. »Ist mit allen Dingen im Leben so«, sagte er, dann wandte er sich ab, ließ sein Ticket einlesen und verschwand im Bus.

Das Ticket, ja, da war doch was gewesen! Aber ehe ich erneut in Panik verfallen konnte, hatte Kaia es mir schon gereicht. Erleichtert atmete ich aus und ließ es ebenfalls einlesen.

»Was war da denn los? Es ist nicht so, wie es aussieht?« Kaia lachte. Ich hätte ihm am liebsten den Hals umgedreht.

Lina stimmte mit ein. »Der Typ war irgendwie scharf.« Klar, dass so ein Kommentar von ihr kommen musste.

Ich schüttelte den Kopf. »Du hast echt ein Foto gemacht, du Spinnerin?«

»Tut mir leid, aber dein Gesichtsausdruck war einfach göttlich.«

Na toll.

»Keine Ahnung, was los war, ich war total überfordert. Man lässt schließlich nicht jeden Tag einen Vibrator vor die Füße irgendeines Fremden fallen.«

Kaia grinste noch immer. »Zumindest weiß er jetzt, dass du Bedürfnisse hast. Oder er hält es am Ende auch für ein Kochgerät.«

Als ob!

»Daran ist nichts falsch«, wies Mama die beiden zurecht. »Wir Frauen haben durchaus unsere Bedürfnisse, dafür müssen wir uns nicht schämen. Und du musst dich auch nicht für den Vorfall schämen, Nika.«

Es wurde immer schlimmer. Ob ich mich schämte oder nicht, es machte das Ganze nicht ungeschehen. Also konnte ich nur hoffen, dass ich ihm nie mehr über den Weg lief.

»Aber das Schicksal hat immer einen Plan, wer weiß, was es sich ausgedacht hat«, fügte Mama hinzu. »Wer weiß, warum das passiert ist und ihr euch auf diese Art und Weise begegnet seid.«

Oh nein, darauf hatte ich echt keine Lust. Denn mal ehrlich, wenn das Schicksal mit Vibratoren um sich warf, dann war es Zeit, in Deckung zu gehen. Denn dann war das Schicksal verrückt geworden oder ihm war langweilig. Und mit beidem war nicht zu spaßen.

Glücklicherweise klatschte der Busfahrer in diesem Augenblick in die Hände und befreite mich damit vor weiteren peinlichen Diskussionen oder Ideen zu meinem Schicksal.

»Es ist so weit, ich muss rein«, sagte ich schnell. »Hab euch alle lieb. Superlieb!« Dann wandte ich mich ab und ging zum Bus, winkte noch einmal und stieg die Treppen nach oben ins Innere.

Verdammt, war das voll hier drin. Die Luft. Über meinem Kopf rauschte die Lüftung, dennoch roch es nach einem Gemisch aus alten Socken, Parfüm und irgendetwas anderem. So ging also die große Reise los. Oder auch nicht, denn es schien keinen freien Platz mehr zu geben. Verkauften die etwa am Ende mehr Tickets, als Sitze verfügbar waren? Angespannt ging ich durch die Sitzreihen, doch tatsächlich waren alle Plätze belegt. Alle Plätze – bis auf einen. Und der führte mich direkt zu dem Kerl von eben.

Das konnte doch echt nicht wahr sein. Das durfte nicht wahr sein. War das wirklich der einzige freie Platz? Ich sah mich noch einmal um, und ja, es war so. Zu meinem Erstaunen war das Schicksal heute, falls man es ihm in die Schuhe schieben konnte, doch ziemlich gewieft. Es warf nicht nur mit Vibratoren, es hatte auch noch den Plan, dass ich die ganze Fahrt über neben dem sitzen musste, vor dem ich mich eben blamiert hatte.

Oder er wartete auf eine Begleitung, für die der Platz reserviert war. Konnte ja auch sein, und das Schicksal war gar nicht so hinterhältig, wie ich es ihm gerade unterstellt hatte.

»Du kannst dich neben mich setzen.« Wieder diese Stimme. Und das Vibrieren in mir, das darauf folgte.

Ich schluckte. Das Schicksal war verdammt hinterhältig.

Er sah zu mir auf und mein Herz klopfte schneller.

Sollte ich das wirklich tun? Was war sonst der Plan? Mich auf den Boden zu legen?

»Ist denn neben dir noch frei?«

Er schmunzelte. »Sonst hätte ich dich doch nicht gefragt.« Er stand auf und machte mir Platz.

Als ich mich an ihm vorbeidrückte und anschließend auf den Sitz neben ihm fallen ließ, berührten wir uns flüchtig. Sofort kribbelte es in mir, noch mehr, als ich feststellte, dass er gut roch. Nach einer Mischung aus Waschmittel und etwas Herbem. Angenehm und frisch.

Er nickte mir noch einmal zu und steckte sich dann seine Kopfhörer ins Ohr. Okay, er wollte seine Ruhe, was definitiv gut so war. Dann würde er auch nicht den Vorfall mit Mister Glitter G Spot ansprechen. Warum sollte er auch?

Schicksal?, flüsterte meine innere Stimme.

Ich brachte sie augenblicklich zum Schweigen. Unsinn!

Als der Bus sich in Bewegung setzte, sah ich zum Fenster hinaus. Lina, Kaia und Mama standen auf dem Platz und winkten mir zu. Ich winkte zurück. Lina lachte und deutete neben mich. Kaia grinste ebenfalls, während Mama mit ihren Händen ein Herz formte. Sie machten sich über mich lustig. Ganz klar. Und genau in dieser Sekunde vermisste ich sie noch mehr. Zwar freute ich mich auf die Reise, spürte jedoch gleichzeitig einen kleinen Knoten im Magen. Ich dachte an die zwei Seiten. Es war tatsächlich so. Ich war froh zu fahren, aber traurig zu gehen. Ich warf den dreien noch eine letzte Kusshand zu, ehe sie endgültig aus meinem Sichtfeld verschwanden. Sicherlich würden sie mich später nach dem Typen neben mir ausfragen. Sie würden wissen wollen, wie die Fahrt mit ihm war.

Ich warf ihm einen flüchtigen Blick zu, dann blickte ich wieder aus dem Fenster. Da saß ich also nun, auf dem Weg zu Sissy. Ab und an ging es doch schneller, als man dachte. Auch wenn meine Reise mich nicht weit wegführen würde, führte sie doch ins Unbekannte. Mit einem Haufen Gepäck. Und einem ebenso großen Haufen an Überraschungen.

Neben mir knisterte etwas. Neugierig linste ich zu meinem Sitznachbarn, der etwas aus seiner Tasche geholt hatte, und entdeckte in seinen Händen eine kleine Metalldose, die leicht glitzerte. Ein Kerl mit einer Glitzerdose. Himmel! Was war das für eine blöde Denkweise von mir? Warum durften Männer keine funkelnden Dosen haben? Er meinte ja, man brauchte immer ein bisschen Glitzer im Leben, oder?

Neugierig musterte ich die Dose in seiner Hand und bemerkte dabei gar nicht, dass er seinen Kopf in meine Richtung gedreht hatte. Wie merkwürdig musste das für ihn rüberkommen, dass ich die Dose so offensichtlich anstarrte? Er zog sich einen der Kopfhörer aus dem Ohr und grinste. »Willst du einen Pfefferminz?«, fragte er unerwartet und ich schreckte auf.

»Gern«, entgegnete ich stotternd.

Er öffnete die Dose und hielt sie mir hin. Ich nahm eins der kleinen weißen Dragees und schob es mir in den Mund. Sofort breitete sich Frische in meinem Mund aus. »Danke, nett von dir.«

»Klar doch. Gern geschehen.« Er hatte wirklich eine angenehme Stimme.

»Die Dose glitzert auch echt schön.« Ich verzog das Gesicht. Warum sagte ich in seiner Nähe so komische Sachen?

Er hob eine Braue und grinste. »Ja, sehr schön, oder? Du magst glitzernde Dinge, kann das sein?«

Ich musste lachen. »Irgendwie schon. Also meistens. Aber nicht immer in dieser Form, also, wegen vorhin, aber egal, ich rede zu viel.«

Er sah mich belustigt an. »Du bist wirklich witzig. Und es muss dir nicht peinlich sein. Ich mag ja auch glitzernde Bonbondosen. Jeder kann sich auf die eine oder andere Art und Weise Glitzer ins Leben holen.« Ich spürte, wie ich rot wurde. Mist. »Also, es ist nicht so, wie es aussieht.«

Er grinste. »Ich habe die Dose von meiner Schwester. Sie hat sie mir erst vor paar Tagen in die Hand gedrückt, für die Fahrt. Mit den Worten, die ich vorhin auch zu dir gesagt habe. Und wenn man etwas geschenkt bekommt, muss man es benutzen. So sehe ich das.«

»Oh ja, das kenne ich, denn na ja … das, was du da in der Hand hattest, vorhin … das hab ich auch geschenkt bekommen. Also ist es doch auch meine Pflicht …« Erschrocken hielt ich inne. Was gab ich denn da schon wieder von mir?

Sein Grinsen wurde breiter. »Du sagst es, es ist einfach deine Pflicht, ihn zu benutzen.« Was für hübsche Lippen er hatte und wie nett er aussah, wenn er lachte.

Auch ich musste lachen, so verrückt war das Ganze.

Er reichte mir seine rechte Hand. »Ich bin übrigens Lukas.«

»Nika.«

Unsere Hände berührten sich und seine Haut fühlte sich warm an. Mein Puls raste. Was war nur los mit mir? War es die Aufregung wegen der Reise, das Adrenalin? Oder doch vielleicht … er?

»Freut mich, Nika.« Seine Lippen verzogen sich erneut zu einem warmen Lächeln und ich schaffte es kaum, meine Hand wieder aus seiner zu lösen. »Das vorhin waren deine Schwestern und deine Mama, oder?«

»Kann man kaum übersehen, oder?«

»Eine gewisse Ähnlichkeit war zu erkennen. Da ist sicher immer was los. Bei so vielen Mädels im Haus.«

»Das kannst du laut sagen.«

»Und wohin geht es für dich? Großes Abenteuer?«

Perplex sah ich ihn an. Wie kam er denn darauf?

Aber er hatte sofort eine Erklärung parat. »Ihr habt euch alle so innig voneinander verabschiedet. Da bist du sicher länger weg, oder?« Er machte eine Handbewegung, als würde ein Flugzeug starten.

Ich räusperte mich. »Ähm, also … so abenteuerlich ist es nicht. Ich fahre nur in die Berge. Elsburg. Zur Burg, um genau zu sein.«

Er nickte wissend. »Nicht die weite Welt, aber auch cool. Hauptsache, man unternimmt was, oder? Reisen beginnt im Herzen.«

Das Blau seiner Augen war wirklich unglaublich schön. Zwar waren meine Augen auch blau, aber sein Blau – es war anders. Ein tiefes Türkisblau.

Ein ganz besonderer Farbton, der mich anzog. Ein leichter Hauch eines Bergsees oder des Himmels oder …

Erde an Nika, Erde an Nika!

»Und du?«, presste ich hervor, nur um irgendetwas von mir zu geben. »Geht es für dich in die weite Welt? Hoch hinaus?«

»Für mich geht’s vorher schon raus. Also, vor der Burg. Aber ja, Elsburg …« Er nickte mir noch einmal lächelnd zu, dann steckte er sich den Kopfhörer wieder ins Ohr. Anscheinend war unser Gespräch für ihn beendet und mir blieb nichts anderes übrig, als meinen Blick von ihm abzuwenden.

Ich lehnte mich in meinem Sitz zurück und sah stattdessen erneut aus dem Fenster. Mittlerweile waren wir auf der Autobahn angekommen und die Landschaft zog nun schneller an uns vorbei. Einige Wolken betupften den Himmel, doch je länger wir fuhren, desto sonniger wurde es. Ich beschloss, mir ebenfalls die Kopfhörer in die Ohren zu stecken und einem Podcast zu lauschen. Ich liebe Podcasts. Genauso wie Hörbücher. Dabei kann ich supergut abschalten. Dazu schlug ich mein Notizbuch auf. Ich hatte es aus der Tasche gezogen, um ein bisschen darin zu blättern. Na gut, eigentlich wollte ich noch etwas aufschreiben, das mir mit einem Mal eingefallen war. Ich fand Mamas Gedanken über das Schicksal lustig. Schicksal war für jeden irgendwie etwas anderes.

Wenn das Schicksal mit Vibratoren um sich wirft, dann ist es Zeit, in Deckung zu gehen, kritzelte ich also ins Buch und grinste.

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