Was so in mir steckt - Barry Jonsberg - E-Book
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Was so in mir steckt E-Book

Barry Jonsberg

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Beschreibung

Träume groß. Habe Mut. Und lass dich nicht aus der Ruhe bringen.

Rob Fitzgerald (13) ist verliebt: Herzflattern, Schweißausbrüche, spontane Sprachlosigkeit – die Zeichen sind eindeutig. Doch wie die Angebetete beeindrucken, wenn man obendrein mit äußerster Schüchternheit und Panikattacken zu kämpfen hat? Die Tipps, die Rob von seinem geliebten Großvater und seinem besten Freund Andrew erhält, scheinen nur bedingt tauglich. Denn weder als Torwart der Schulmannschaft noch als Hundeflüsterer lässt sich bei der holden Destry punkten. Als plötzlich anonyme SMS mit Aufgaben auf Robs Handy eintrudeln, wird aus der Challenge, Destrys Herz zu erobern, etwas viel Größeres: die Herausforderung, Rob Fitzgerald zu sein – mit allem, was dazugehört.

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Seitenzahl: 285

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Aus dem australischen Englisch

von Ulla Höfker

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Für

Stephanie Spillett

Lucy Gunner

Ira Racines

Auflage 2019

Copyright © 2018 by Barry Jonsberg

Copyright © für die deutschsprachige Ausgabe 2018

cbj Kinder- und Jugendbuchverlag

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Das Buch erschien erstmals 2018 unter dem Titel

»A Song Only I Can Hear« bei Allen & Unwin, Australia

Übersetzung: Ulla Höfker

Umschlaggestaltung: Suse Kopp

Umschlagmotive: © Trevillion Images (Giovan Battista D’Achille);

iStockphoto (Masopasi, K_Thalhofer);

Gettyimages (Ada Summer, H. Armstrong Roberts/ClassicStock)

TP • Herstellung: UK

Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach

ISBN 978-3-641-23619-9V002

www.cbj-verlag.de

Du liebst einen Menschen nicht wegen seines Aussehens, seiner Kleidung oder seines tollen Wagens, sondern weil er ein Lied singt, das nur du hören kannst.

Oscar Wilde

PROLOG

»Mum«, begann ich, »weiten sich deine Pupillen, wenn du Dad anschaust? Strömt dein Blut in deine Epidermis und spürst du ein Flattern in der Magengrube?«

Das Frühstück ist die beste Zeit für eine ernsthafte Unterhaltung. Ein neuer Tag beginnt, aber noch herrscht die Ruhe vor dem sprichwörtlichen Sturm des Tages.

Mum schaute Dad an.

Beschreibende Zwischenbemerkung: Vater. Name: Alan Patrick Fitzgerald. Alter: … Wer weiß so was schon? Alt. Nicht wirklich alt wie Großvater, der fast nur noch eine Ansammlung von Runzeln in einem Nest von Grautönen ist, aber durchschnittlich alt. Könnte fünfund…vierzig sein. Könnte auch achtund…fünfzig sein. Ein Alter, in dem du – so stelle ich es mir vor – aufgehört hast, dir Gedanken über dein Alter zu machen. Oder dich womöglich nicht mehr erinnerst. Dad ist, zumindest wenn er am Küchentisch sitzt, eine Kugel auf einer Kugel, ähnlich einem Schneemann, nur aus Fleisch und Blut. Er hat eine Glatze und mehr Kinn als gemeinhin üblich. Manchmal drängt es mich, meine Finger in seine Nasenlöcher zu stecken, so sehr ähnelt sein Kopf einer Bowlingkugel. Ich habe dem Drang aus offensichtlichen Gründen bis jetzt nicht nachgegeben. Alan Patrick Fitzgerald hat außerdem einen Bauch wie ein Segel bei starkem Wind. Der Stoff seines weißen Hemdes spannt sich so darüber, dass er zwischen den Knöpfen auseinanderklafft. Aus den Lücken lugt gelocktes dunkles Haar hervor, als hätte er sich entweder einen dunklen Teppich oder einen toten Affen unters Hemd gesteckt. Vielleicht sind die Haare von seinem Kopf auch gen Süden abgewandert.

Mum schaute Dad an. Dad schaute in den Sportteil unserer Lokalzeitung. Er war vertieft in die US Open Golf und hatte gar nicht mitbekommen, was ich gesagt hatte. Mum blickte wieder mich an.

»Beim Flattern in der Magengrube muss ich passen«, antwortete sie, »aber manchmal schafft er es, dass sich mir der Magen umdreht.«

Ich runzelte missbilligend die Stirn und neigte leicht den Kopf. Mum strich Butter auf ihren Toast.

»Warum fragst du, Rob?«, wollte sie wissen.

»Ich studiere seit einiger Zeit die Liebe«, antwortete ich. »Sie ist mir ein Rätsel, und ich hatte gehofft, du und Dad könntet etwas Licht ins Dunkel bringen, da ihr schon so viele Jahre zusammen seid. Zeigen sich bei euch immer noch alle diese äußeren Zeichen der Liebe?«

Mum biss von ihrem Toast ab und überdachte die Frage.

»Tatsache ist«, meinte sie schließlich, »dass kein Mensch sich das erste aufregende Aufwallen der Liebe bewahren kann. So viel Ausdauer hat niemand.«

Ich dachte darüber nach. Würde Mum mit geweiteten Pupillen und flatterndem Magen ständig erröten, wäre es schwierig, den normalen Tagesablauf zu bewältigen. Sie würde zum Beispiel in alles Mögliche hineinlaufen und wäre permanent orange wie Donald Trump.

»Dann verkümmert die Liebe also. Willst du das damit sagen?«

»Nein. ›Verkümmern‹ ist nicht das richtige Wort. Sie verändert sich.« Mum betrachtete den Küchentisch, als könnte sie sich von ihm Inspiration holen. Vielleicht wollte sie aber auch nur meinem Blick ausweichen. Nach dem, was ich zum Thema gelesen hatte, gibt es Menschen, die Gespräche über die Liebe peinlich finden, wenn nicht gar geschmacklos. Dann schaute sie mir doch in die Augen, als hätte sie einen Entschluss gefasst. »Du bist wahrscheinlich alt genug, um über solche Dinge zu reden«, sagte sie. »Und vielleicht ist es an der Zeit, dass wir es tun. Die Sache ist nur die: All die Dinge, die du beschreibst – das Erröten, die geweiteten Pupillen, die Schmetterlinge im Bauch –, also, sie haben mehr mit körperlicher Liebe zu tun, mit Begehren. Verstehst du, was ich meine?«

Ich schaute Dad an und versuchte mir vorzustellen, dass jemand ihn körperlich anziehend fand. Es gelang mir nicht, aber das hieß ja nicht, dass es nicht möglich war.

»Klar«, antwortete ich.

»Wahre Liebe ist mehr als das«, fuhr sie fort. »Sie hat etwas mit Vertrauen und Zuneigung zu tun und mit dem Wissen, was der Partner denkt, ohne dass er es einem sagen müsste. Sie hat mit den ganz gewöhnlichen Dingen des täglichen Lebens zu tun, die man mit einem besonderen Menschen teilt. Mit dem gemeinsamen Geschirrspülen, dem Bezahlen von Rechnungen, fernsehen, lachen. Lachen ist etwas ganz Entscheidendes. Liebe hat oft nichts Glamouröses. Man findet sie im Alltäglichen. Ergibt das einen Sinn?«

Ich nickte. Eltern gehen oft davon aus, dass ihre Kinder doof sind.

»Es ist ein komplexes Gefühl«, fasste ich zusammen.

»Wie wahr.« Mum begann Teller zusammenzustellen. »Und weshalb hast du angefangen, ausgerechnet dieses Thema zu ›studieren‹?« Ich hörte die Anführungszeichen.

»Ich glaube, ich habe mich verliebt.«

Mums Unterkiefer klappte herunter.

»Aber du bist erst dreizehn.«

»Gibt es eine Altersgrenze dafür?«, fragte ich. »Kann mich jemand davon abhalten, wie wenn ich versuchen würde, mir einen Horrorfilm im Kino anzuschauen?«

Dad faltete die Zeitung zusammen und kehrte ins Reich der Lebenden zurück.

Ich wandte mich an ihn. »Dad, die größte, wunderbarste Liebe deines Lebens?«

Er zögerte keine Sekunde.

»Golf.«

1

Da ich in der Schule im Leistungskurs Englisch bin, nahm ich vor einigen Monaten an einem Literaturfestival bei uns am Ort teil. Veranstaltet wurde es von einer bekannten Autorin, die für Kinder und junge Erwachsene schreibt. Ich bekam ein signiertes Exemplar ihres Romans und lernte auch etwas über die Technik des Bücherschreibens (zum Beispiel dieses hier). Sie legte ziemlich großen Wert auf die richtige Erzählperspektive. Ich habe lang und intensiv darüber nachgedacht.

Hi! Ich heiße Rob C. Fitzgerald (frag mich nicht, wofür das C steht – ich verrate es dir nicht, weil es hässlich und peinlich ist), und ich bin dreizehn Jahre alt.

Dann fiel mir wieder ein, was die Autorin über den Ton gesagt hatte. Ich betrachtete das Wort Hi!. Plötzlich fand ich es viel zu umgangssprachlich und informell. Ich drückte auf die Löschen-Taste.

Ich heiße Rob C. Fitzgerald (frag mich nicht, wofür das C steht – ich verrate es dir nicht, weil es hässlich und peinlich ist), und ich bin dreizehn Jahre alt.

Ich stützte den Kopf in die Hände. Denk nach. Sei kritisch. Sind die Klammern und die Worte darin nötig? Wenn ich nicht bereit bin zu verraten, wofür das C steht (und ich werde es garantiert nicht verraten, glaub mir), warum es dann erwähnen? Ein Tipp der Schriftstellerin fiel mir wieder ein: Die Löschen-Taste ist euer bester Freund.

Ich heiße Rob Fitzgerald und ich bin dreizehn Jahre alt.

Pfui. Hässlich. Es geht noch einfacher.

Ich bin Rob Fitzgerald und ich bin dreizehn Jahre alt.

Zweimal »ich bin« im selben Satz. Ein Kardinalfehler.

Ich bin Rob und dreizehn.

Perfekt. Falls ich tatsächlich unbedingt langweilig sein will.

Pass auf, vielleicht ist es das Beste, wenn wir so tun, als gäbe es dieses erste Kapitel gar nicht. Wenn ich mich als Schriftsteller nicht steigere, darfst du bei mir vorbeikommen, mich auf einen Stuhl binden und eine Lötlampe an meine Zehen halten. Was entschieden besser ist, als dein Geld zurückzubekommen, wenn du nicht voll und ganz zufrieden bist. Zumindest für dich.

2

Daniel Smith wartete am Schultor auf mich.

Daniel Smith wartet immer am Schultor auf mich, jeden Morgen. Manchmal wartet er auch nach Schulschluss auf mich. Das kommt darauf an.

Beschreibende Zwischenbemerkung: Daniel Smith. Alter: vierzehn (so um den Dreh – wir schreiben uns keine Geburtstagskarten). Dick, aber nicht wie ein guter Fleischeintopf. Stämmig und muskulös mit rotem Haar, das nach allen Richtungen absteht. Was dazu führt, dass sein Gesicht der Zeichnung eines Dreijährigen von einer aufgehenden Sonne ähnelt. Daniel ist klein, weiß das und versucht, es dadurch zu kompensieren, dass er andere tyrannisiert, vor allem mich. Er hat Sommersprossen und eine Art dazustehen, die Hände zu Fäusten geballt und die Arme wie Klammern rechts und links an seinem Körper, die den Eindruck erweckt, als sei er kurz davor, in die Hose zu machen. Er hat die Angewohnheit, sein Kinn vorzurecken, als sei es eine Waffe.

»Hey, Fitzgerald«, knurrte er, sein geladenes Kinn nur Zentimeter von meinem entfernt, »trittste gegen mich an, hm? Was sagste dazu? Hat’s dir die Sprache verschlagen? Trittste gegen mich an, hm?«

Daniel ist ein Fan von Wiederholungen. Und von der Redewendung »hat es dir die Sprache verschlagen?« Das ist eine seiner Lieblingssticheleien, weil ich in der Schule kaum den Mund aufmache, wenn es nicht unbedingt sein muss. Die meiste Zeit bin ich still. Das ärgert Daniel und meine Schüchternheit macht alles nur noch schlimmer.

Ich versuchte, mich an ihm vorbeizuquetschen. Wenn ich es auf den Schulhof schaffte, würde ein Aufsichtslehrer auf uns aufmerksam werden. Leider wusste Daniel das auch und versperrte mir den Weg.

»Komm schon, Fitzgerald, sei ein Mann, ja? Steh deinen Mann.« Er lachte mir ins Gesicht, was entsetzlich war, da sein Atem direkt aus einem Pavianhintern kam. Zu gern verlangt er auch, ich solle ein Mann sein. Daniel hält das offenbar für saukomisch, der Beweis, dass ihm für den IQ einer anständigen Pizza noch ein paar Zutaten fehlen.

»Ich sag dir was. Du kannst den ersten Schlag haben. Komm schon. Fairer geht’s nicht. Los. Schlag zu.«

Ich bemühte mich, nicht von der Stelle zu weichen, trotz seines schlechten Atems. Diese Konfrontation spielte sich nun schon seit Monaten so ab. Folgendes wollte ich sagen: »Ich werde nie gegen dich antreten, Daniel, da die gesamte Menschheitsgeschichte uns lehrt, dass kämpfen keine Probleme löst.« Aber ich hielt den Kopf weiter gesenkt.

»Hat’s dir die Sprache verschlagen?« Daniels Stimme triefte vor Verachtung. »Sag was, wenn du nicht willst, dass ich dir hier und jetzt den Schädel einschlage. Egal was, los, sag was. Sei ein Mann. Nur ein Wort.« Er knuffte mich in die Schulter. »Oder kannst du nicht reden?«

»Nein«, murmelte ich.

»Ha! Loser!«, gluckste er. »Du hast gesagt, du kannst es nicht, aber du hast ein Wort benutzt, um zu sagen, dass du es nicht kannst. Ha!«

»Gibt’s Probleme, Jungs?« Es war Miss Pritchett, die ein Näschen für potenzielle Schlägereien hat, eine Art sechsten Sinn. Sie war genau im richtigen Momentvor dem Schultor aufgetaucht, was selbst für einen auf Schlägereien abgerichteten Profisuchhund beeindruckend ist.

»Nein, Miss«, sagte Daniel.

»Nein, Miss«, sagte ich.

»Na, super«, sagte sie. »Dann kommt bitte rein und schlendert ziellos herum, bis es läutet. Das macht man als Schüler so.«

Wir gingen hinein und schlenderten ziellos herum, bis es läutete. Doch Daniel schaute immer wieder in meine Richtung. Seine Hände waren zu Fäusten geballt, die Arme angewinkelt und seine Augen zusammengekniffen. Er glich einem Jungen, der aussah, als müsste er dringend zur Toilette.

3

Großvater wartete nach der Schule auf mich, was Daniel nicht nur einen Knüppel zwischen die Beine warf, sondern ein ganzes Schlagstocksortiment.

Beschreibende Zwischenbemerkung: Großvater väterlicherseits. Name: Patrick »Pop« Fitzgerald. Alter: … uralt. Hat mal selbst von sich gesagt, er sei »älter als Adam und Eva«. Wenn man nicht lockerlässt, gibt er zu, so alt wie seine Zunge zu sein und etwas älter als seine Zähne. Er ist eine Ansammlung von Runzeln in einem Nest von Grautönen. War früher beim Militär und diente in einem Krieg irgendwo in Übersee, redet aber nie darüber. Hat eine höckerige Narbe am rechten Arm, die ein Andenken an den Krieg sein könnte, doch er redet nie darüber. Lebt allein in einem Dreizimmerapartment in einer Einrichtung für Betreutes Wohnen. Nennt die Einrichtung »einen Ort, an dem ein Haufen alter Fürze herumhängen und aufs Sterben warten«. Oder gelegentlich »Gottes Wartezimmer«. War mit meiner Großmutter verheiratet (ja, ja), aber sie muss schon lang tot sein, denn er redet nie über sie. Mum und Dad übrigens auch nicht. Großvater drückt sich oft ordinär aus und mag kaum jemanden. Mich mag er.

»Hallo, Pop«, begrüßte ich ihn. Er stützte sich auf seinen Stock und sog an seinen Zähnen, was er fast ununterbrochen tut. Dabei entsteht oft ein hoher Pfeifton wie bei dem alten Wasserkessel, den er in seinem Apartment auf den Gasherd stellt. Es klingt gespenstisch.

»Hallo, Junge. Würdest du deinen alten Großvater vielleicht gern in ein Fast-Food-Restaurant begleiten und dort eine Kleinigkeit essen?«

»Ja, bitte.«

»Pech«, erwiderte er. »Ich war noch nie in einem und fang jetzt nicht damit an. Verknorkte Spelunken, wo sie dir verknorkte Schlachtabfälle vorsetzen.« (Du solltest vielleicht wissen, dass er nicht wirklich Ausdrücke wie »verknorkt« benutzt – lass deine Fantasie spielen.)

»Schlachtabfälle?«

»Schlachtabfälle. Därme, Hirne, Arschlöcher. Die tunken sie in Teig, frittieren und servieren sie. Verknorkt kriminell ist das.«

»Frittierte Arschlöcher?«

»Genau.«

»Warum wolltest du mich dann dorthin einladen?«

»Weil ich verknorkt noch mal freundlich und übertrieben großzügig bin, deshalb.«

»Und wo sollen wir jetzt stattdessen etwas essen?«

»Nirgends. Ich hab schließlich keinen verknorkten Geldscheißer.«

Es dauert eine Weile, bis man sich an Großvater gewöhnt hat. Bei mir sind es jetzt dreizehn Jahre, und ich arbeite immer noch daran.

Schließlich schlenderten wir zu seinem Apartment zurück, er kochte Wasser im Pfeifkessel und machte mir eine Tasse Tee. Dann fuhrwerkte er in einem Schrank herum und saugte an seinen Zähnen, weshalb ich das Pfeifen stereo hörte.

»Pop«, sagte ich, »ich bin verliebt.«

Das Herumfuhrwerken hörte auf. Das Pfeifen auch. Er drehte sich zu mir um.

»In wen?«

»Ein Mädchen.«

Er schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn.

»Also, ich hab jetzt nicht angenommen, dass du in einen Jungen verliebt bist, du verknorkter Hohlkopf. Wie heißt sie?«

»Destry.«

»Wie bitte?«

»Destry. Destry Camberwick.«

»Das ist kein Name. Das ist eine Rockband aus den Achtzigern.«

»Sie ist perfekt.«

»Ihr Name ist es jedenfalls nicht.«

Ich seufzte, wahrscheinlich ziemlich übertrieben. Großvater tat es mir nach.

»Los, Junge, ich mach die verknorkte Dose mit Keksen auf, du kannst sie in deinen Tee tunken und mir dabei die ganzen schlüpfrigen Einzelheiten erzählen.«

4

Als ich Destry Camberwick das erste Mal sah, brütete ich über einer schwierigen Matheaufgabe. Leider sind für mich alle Matheaufgaben schwierig. Frag mich, wie viel sechs mal zwei ist, und ich muss Schuhe und Socken ausziehen. Wahrscheinlich lugte meine Zungenspitze aus dem Mundwinkel. Die Tür zum Klassenzimmer wurde geöffnet, aber ich schaute nicht auf. Dann zwang mich die Stimme der Rektorin, doch den Kopf zu heben.

»Guten Morgen, Kinder«, bellte sie.

»Guten Morgen, Miss Cunningham«, erwiderten wir im Chor in einem entsetzlichen Singsangton. Ich sage »wir«, aber ich kam nur bis zur ersten Silbe des zweiten Wortes, bevor meine Zunge sich an den Gaumen klammerte, der so trocken wurde wie die Achselhöhle eines Kamels. Denn Miss Cunningham war nicht allein. Sie hatte einen Engel mitgebracht.

Beschreibende Zwischenbemerkung: Destry Camberwick. Alter: dreizehn (ungefähr). Größe: perfekt. Haut: perfekt. Augen: zwei, beide perfekt. Nase: eine, zwischen den perfekten Augen; ebenfalls perfekt. Haare: glänzend, perfekt und bis auf die Schultern, die perfekt sind. Ohren: Verborgen unter perfektem Haar, aber mit ziemlicher Sicherheit perfekt und mit ziemlicher Sicherheit insgesamt zwei. Stimme: … bis jetzt noch keine Ahnung, aber wahrscheinlich gibt es nichts daran auszusetzen.

»Bitte heißt eine neue Schülerin an unserer Schule und in eurer Klasse willkommen«, bellte Miss Cunningham. Unsere Rektorin kann nur brüllen; zu etwas anderem ist sie nicht fähig, was die Morgenversammlung zu einer ziemlich furchteinflößenden Sache macht und bekanntermaßen dazu geführt hat, dass ein paar kleine und besonders sensible Schüler sich eingenässt haben. Sie wechselt ab zwischen Gebrüll und Gebell. Heute war Gebell an der Reihe. »Das ist Destry Camberwick, und sie ist von Western Australia hierhergezogen. Ich weiß, ihr alle werdet ihr das Eingewöhnen leicht machen …«

Sie bellte noch andere Dinge, die ich jedoch nicht verstand, da in meinem Hinterkopf ein himmlischer Chor angefangen hatte zu singen. Erst nachdem Miss Cunningham gegangen war, wurde mir bewusst, dass Destry sich irgendwo hinsetzen musste, und es gab nur zwei Möglichkeiten: Neben Damian Pilling, der ein Körpergeruchsproblem hat, oder neben mich. Aus meiner Sicht war die Antwort sonnenklar, doch bei der Vorstellung, dass sie sich neben mich setzte, gluckerte es in meinem Bauch, und mir wurde mulmig. Was sollte ich tun, wenn sie »Hi« sagte? Wahrscheinlich würde ich mit meinem Kinn den Tisch zertrümmern und auf den Boden rutschen, wenn meine Knochen sich in Wackelpudding verwandelten. Man würde mich in einem Eimer nach Hause tragen müssen.

Unsere Lehrerin, Mrs Singh, wies ihr den Platz neben Damian zu, sodass meine Knochen nicht schmolzen. Wahrscheinlich war ihr klar, dass Damian zwar streng roch, aber wenigstens in der Lage war, eine Unterhaltung in Gang zu bringen. Ich war nicht enttäuscht. Es gab mir die Chance, Destry für den Rest der Stunde anzuschauen, was nicht möglich gewesen wäre, wenn sie neben mir gesessen hätte. Zumindest nicht, ohne komplett krank zu erscheinen.

Ich liebte die Art und Weise, wie sie die Nase rümpfte, als eine Duftwolke aus der Pilling’schen Achselhöhle sie traf.

5

»Weiß sie von deinen Gefühlen?«, fragte mein Großvater.

»Das ist jetzt nicht dein Ernst, Pop. Du weißt, dass ich es vermeide zu reden. Und selbst wenn ich mich dazu durchringen könnte, was tu ich dann? Zu ihr gehen und sagen ›Ich liebe dich, Destry‹? Sie würde mich für einen kompletten Loser halten.«

»Du bist verknorkt noch mal feige«, meinte Pop.

»Bin ich nicht.« Dann dachte ich darüber nach. »Bin ich doch. Und ein kompletter Loser dazu.«

»Und was glaubst du, wird passieren? Was erhoffst du dir?«

»Na ja, die ideale Situation sieht so aus: Destry kommt zu mir, zum Beispiel in der Pause, und sagt: ›Hi. Du bist Rob und wahrscheinlich der tollste Junge, dem ich je begegnet bin. Ich weiß, dass ich deiner nicht wert bin, aber ich muss dir einfach sagen, dass ich mich Hals über Kopf in dich verliebt habe. Weise mich ab, wenn es sein muss, aber ich musste es dir sagen.‹ Und ich würde ihr dieses echt coole Lächeln schenken, so als passierte mir das ständig. Dann würde ich einfach davongehen, ihr aber noch einen Blick über die Schulter zuwerfen, ihr vielleicht zuzwinkern, um sie wissen zu lassen, dass sie eine Chance hat …«

Großvater tunkte einen Keks in seinen Tee und wies dann damit auf mich. Das Ende brach ab und landete mit einem dumpfen Plopp auf dem Wohnzimmertisch.

»Feige und ein Idiot.«

»Brutal, aber wahr«, gab ich zu.

»Könnten wir nur für einen Moment in der realen Welt bleiben, Junge? Weiß sie überhaupt, dass es dich gibt? Hast du zum Beispiel schon mit ihr geredet?«

»Großvater, du weißt doch, wie entsetzlich schüchtern ich bin.«

»Dann hast du noch nicht mit ihr geredet?«

»Nein.«

»Hat sie dich schon einmal angeschaut?«

»Ich bin gestern gegen einen Basketballpfosten gelaufen, weil ich nur Augen für sie hatte und ihn nicht gesehen habe. Es hat laut gescheppert, ich saß auf dem Boden und Blut lief mir in die Augen.«

»Das hat sie gesehen?«

»Wahrscheinlich. Hundertprozentig sicher bin ich nicht, weil mir Blut in die Augen lief.«

Großvater tunkte den nächsten Keks ein und mümmelte daran, während er nachdachte. Mir kam zum ersten Mal der Gedanke, dass wir Menschen unsere Tage genauso beenden, wie wir sie anfangen. Wir mümmeln Brei, weil unsere Zähne für nichts anderes mehr taugen. Pop kniff ein Auge zu und wies mit seinem Keks auf mich. Auch von diesem brach das Ende ab und es gab ein dumpfes Plopp.

»Du wirst einen nachhaltigeren Eindruck auf sie machen müssen«, meinte er. »Ganz ehrlich: Jede Art von Eindruck wäre mal ein Anfang. Sport.«

»Sport?«

»Beeindrucke sie mit deinen sportlichen Fähigkeiten.«

»Ich habe keine.«

Großvater ignorierte mich. »Steht irgendein schulisches Ereignis an? Ein Sportfest, irgendwas in der Richtung, wo du die verknorkten hundert Meter in Bestzeit laufen und Ruhmeswolken hinter dir herziehen könntest?«

Es stand nur ein einziges Sportereignis an. Als ich Pop davon erzählte, nickte er.

»Perfekt. Und ich weiß auch schon, in welcher Position du spielen wirst. Sie kann dich nicht nicht bemerken, was schon mal ein Anfang ist. Mach deine Sache gut und die Schuppen werden ihr von den Augen fallen. Selbst wenn du deine Sache nicht so gut machst, aber Mut beweist, wird es funktionieren. Du wirst ihr wie ein Gott vorkommen, Rob, wie ein Gott.«

»Du bist verrückt, Großvater«, sagte ich. »Ich werde auf gar keinen Fall mitspielen.«

»Doch, du wirst.«

»Niemals.«

»Ich freue mich, dass wir einer Meinung sind. Jetzt, da wir einen Aktionsplan haben, können wir in den Gemeinschaftsraum gehen, und du kannst mir sagen, wer von den Insassen deiner Ansicht nach als Nächster stirbt. Ich kann es mir schon denken, aber deine Meinung interessiert mich.«

»Großvater!«, protestierte ich, »das ist ja krank.«

»Du hast recht. Es ist komplett krank, dass so etwas hier als Zeitvertreib durchgeht. Es ist so verknorkt langweilig hier, dass ich verknorkt noch mal hoffe, dass ich der Nächste bin, der ins Gras beißt.«

»Großvater!«, rief ich noch einmal. Er versuchte mich zu schockieren und ich versuchte nicht zu grinsen.

Aber es fiel schwer.

6

An diesem Abend redete ich mit Mum und Dad über Großvaters Plan.

Ich hatte auf dem Nachhauseweg darüber nachgedacht, und obwohl ich ihn immer noch für bescheuert hielt, schien er mir nicht mehr ganz so bescheuert wie zu Anfang. Du musst wissen, dass ich es absolut hasse, im Mittelpunkt zu stehen. Ich erstarre, sobald ich merke, dass alle mich anschauen oder erwarten, dass ich mich bei einer öffentlichen Diskussion äußere. Ich bekomme schwerste Panikattacken. Mündliche Präsentationen sind ein klassisches Beispiel. Mein Mund wird trocken, meine Beine zittern und ich kann ganz einfach nichts sagen. Inzwischen habe ich ein ärztliches Attest und die Schule muss sich für meine Beurteilung andere Wege einfallen lassen.

Nach dem Plan meines Großvaters wären die Augen jeder Menge Leute auf mich gerichtet, doch es gab nach meiner Denkweise zwei positive Aspekte. Der erste: Ich hätte etwas zu tun. Ich brauchte die Leute nicht anzuschauen, wenn sie mich anschauten, was garantiert eine Panikattacke auslösen würde. Der zweite: Ich wäre Teil einer Mannschaft. Es gäbe einundzwanzig andere, die angeschaut werden könnten.

Ich wäre praktisch verdünnt. Wie Apfelschorle.

Trotzdem: Die ganze Sache war grundsätzlich bescheuert. Ich stellte mir vor, dass Mum und Dad Großvaters Idee in der Luft zerreißen würden mit dem Argument, ich sei von Natur aus zurückhaltend und hätte keinerlei sportliches Talent. Großvater hört nie auf sie und ich brauchte Verbündete. Zum Glück kann ich mit meinen Eltern über so ziemlich alles reden, was, wie ich weiß, für einen Dreizehnjährigen ungewöhnlich ist, wenn nicht sogar komplett abnormal. Die meisten Kids in meinem Alter verdrehen die Augen, wenn Eltern nur nebenbei erwähnt werden, doch ich bin nicht so.

Tatsache ist, dass sie mich so akzeptieren, wie ich bin. Das tun die meisten Leute, wenn ich ehrlich bin, auch wenn es eine oder zwei Ausnahmen gibt. Daniel ist ein offenkundiges Beispiel dafür. Jedenfalls vertraue ich meinen Eltern und sprach das Thema ohne Umschweife an, während Mum die Lasagne austeilte.

»Pop findet, ich sollte versuchen, Destry mit meinen sportlichen Fähigkeiten zu beeindrucken«, sagte ich.

»Welche sportlichen Fähigkeiten?«, fragte Mum, und gleichzeitig fragte Dad: »Wer um alles in der Welt ist Destry?«

»Rob ist bis über beide Ohren in ein Mädchen von seiner Schule verliebt. Destry Camberwick«, erklärte Mum.

»Und sie weiß noch nicht einmal, wer ich bin«, fügte ich hinzu. »Deshalb muss ich, laut Pop, ihre Aufmerksamkeit auf mich lenken, indem ich beim Sport total mutige Sachen mache.«

»Aber, Rob.« Mum war skeptisch. »Beim Sport? Im Ernst? Schreib ihr ein Liebesgedicht – in Englisch bist du super –, aber niemand könnte im Ernst behaupten, du seist besonders sportlich.«

Ein Liebesgedicht. Ausgezeichnete Idee. Ich speicherte sie zur späteren Umsetzung ab. Das lief ja richtig gut. Mum gab nicht nur Verbündeten-Geräusche von sich, sondern hatte auch einen praxistauglichen Vorschlag parat.

»Aber das ist es ja gerade«, sagte ich. »Ich bin vielleicht ein bisschen nerdig, aber wenn ich zeigen könnte, wie mutig ich bin, indem ich bei einer körperbetonten Sportart auf der gefährlichsten Position auf dem Platz spiele, müssten doch alle beeindruckt sein, oder?« Man nennt diese Strategie Advocatus-Diaboli-Taktik. Dazu gehört, dass man sich für das Gegenteil von dem, was man glaubt, ausspricht, um seine Sache zu untermauern.

Mum stellte eine Schüssel mit Salat in die Mitte des Tisches.

»Ich mache dir die Sache nur ungern madig, aber normalerweise werden Leute im Sport aufgrund ihrer Leistungen für eine Mannschaft nominiert. Sie müssen tatsächlich gut in dieser Sportart sein, keine hoffnungslosen Fälle. Ein kleines, aber wichtiges Argument, wie ich finde. Stimmt doch, Alan, oder?«

»Destry Camberwick?«, fragte Dad. »Ist das nicht eine Rockband aus den Achtzigern?«

Ich ging nicht darauf ein.

»Du kannst nicht mit Sicherheit sagen, dass ich im Sport ein hoffnungsloser Fall bin, Mum.« Ich wollte, dass sie dagegenhielt, hatte aber andererseits die Beteuerung, ich sei bei allem, was mit Körperarbeit zu tun habe, eine Niete, langsam satt. Mütter sind dazu da, einen unter allen Umständen zu unterstützen.

»Ich war zu unzähligen Sportfesten an deiner Schule, Rob. Du hast dich gewöhnlich beim Eierlaufen ausgeklinkt, weil du es für gefährlich gehalten hast.«

Das war eine himmelschreiende Lüge.

»Du hattest Angst, dass du dir mit dem Löffel ins Auge stichst, wenn du hinfällst, und womöglich ein Ei in dein Nasenloch gelangt«, fuhr sie fort.

Ja, okay. Ich erinnerte mich. Dann doch keine himmelschreiende Lüge.

Es schien mir allerdings nach wie vor eine realistische Einschätzung einer ganz offensichtlich riskanten Sportart.

Dennoch fragte ich mich unwillkürlich, ob alle Leute das in mir sahen. Nicht nur einen kompletten Loser, sondern auch noch einen Feigling? Großvater hatte mich feige genannt, und ich hatte ihm recht gegeben, aber ich dachte, er machte einen Scherz. Oder so.

»Aber du bist jetzt älter«, sagte Mum. »Es wäre möglich, dass du den Eierlauf riskieren könntest. Planst du, dabei mitzumachen?«

Ich beschloss, ihren Sarkasmus zu ignorieren. Falls es Sarkasmus war.

»Nein, es geht um das jährliche Fußballspiel zwischen unserer Schule und St. Martin.« Ich bemühte mich um einen coolen Ton. »Sie sind richtig gut – wir haben sie nicht geschlagen seit … Noch nie, glaube ich. Und wir sind komplette Nieten. Letztes Jahr haben sie 14:0 gewonnen und dabei haben sie sich in der zweiten Halbzeit nicht mal angestrengt. Unsere Mannschaft hätte das Tor nicht mal mit einem Navi gefunden.«

Mum legte sich ein Stück Lasagne auf den Teller. »Ich glaube, ich weiß jetzt, wo dein Plan hakt. Du willst ein Mädchen beeindrucken, indem du ein hoffnungsloses Mitglied einer hoffnungslosen Mannschaft bist? Der Mitleidsfaktor bringt dich leider nur bis an einen gewissen Punkt. Außerdem kann ich mir unmöglich vorstellen, dass sie keinen besseren Spieler als dich finden können, selbst wenn euer Fußballteam grottenschlecht ist. Nimm’s mir nicht übel.«

»Schon gut«, erwiderte ich. Das entwickelte sich langsam zum Albtraum.

»War Destry nicht der Name eines berühmten Revolverhelden im Wilden Westen?«, fragte Dad.

»Niemand will Torhüter sein«, fuhr ich fort. »James Martin ist Torhüter, und er hat mir gesagt, dass er keinen Bock darauf hat. Aber er kommt aus der Nummer nicht raus, weil niemand den Job machen will, und der Trainer lässt ihn nicht gehen. Wenn ich mich freiwillig melde, wird James Luftsprünge machen, und ich bin in der Mannschaft.«

»Der Torhüter ist derjenige, der zu verhindern versucht, dass der Ball ins Netz geht?«

»Korrekt.«

»Wirst du dann nicht als ein noch größerer Loser dastehen, wenn du derjenige bist, der die Bälle ständig wieder rausholt? Und wer sagt dir, dass Destry sich das Spiel überhaupt anschaut? Wahrscheinlich interessiert sie sich gar nicht für Fußball.«

Ein noch größerer Loser? Ich atmete tief durch. »Sie hat keine andere Wahl. Die ganze Schule wird gezwungen zuzuschauen. Und, okay, selbst wenn wir 20:0 verlieren, werde ich doch bestimmt den einen oder anderen Ball halten, oder? Und sie wird mich bemerken müssen. Die ganze Action wird sich um mich herum abspielen.«

»Was sagst denn du dazu, Alan?«, fragte Mum.

»Oder war Destry PI eine amerikanische Show aus den Siebzigern?«

»Dad«, sagte ich, »du hast mir wahnsinnig geholfen. Danke.« Wenigstens beleidigte er mich nicht.

»Keine Ursache«, erwiderte er mit vollem Mund. »Dafür sind Väter da.«

»Außerdem brauche ich deine Zustimmung nicht, Mum. Ich werd’s machen. Ich tu’s.« Wir waren offensichtlich an einem Punkt angelangt, an dem ich mich Mum und Pop gegenüber beweisen musste. Ich würde nicht mein Leben lang ein Weichei bleiben. Es war an der Zeit, die Fesseln der Vorurteile aller zu sprengen und zu zeigen, dass ich aus hartem Holz geschnitzt war, dass ich keine Angst vor Löffeln und Eiern hatte, nicht einmal vor Fußbällen.

Ich glaube, ich sah ein kleines Lächeln um Mums Lippen spielen, als sie ein Glas Wasser an ihren Mund hob, aber ich kann mich auch getäuscht haben.

7

Andrew Harris ist mein bester Freund auf der ganzen Welt, weshalb ich ihm später im Bett eine SMS schrieb.

Beschreibende Zwischenbemerkung: Andrew. Alter: 14. Groß, langes, dunkles Haar mit Mittelscheitel. Ach, vergiss es. Ich habe die beschreibenden Zwischenbemerkungen langsam satt. Er ist einfach Andrew, okay? Es spielt keine Rolle, wie er aussieht. Zumindest nicht in unserem Zusammenhang.

Als mein bester Freund auf der ganzen Welt weiß Andrew natürlich um meine Destry-Obsession. Tatsache ist, dass er mir bereits Vorschläge unterbreitet hat. Allerdings von derselben Art, wie Großvater sie zunächst gemacht hat.

»Lade sie einfach irgendwohin ein, Alter.«

»Das geht nicht.«

»Warum nicht?«

»Was ist, wenn sie Nein sagt?«

»Dann sagt sie eben Nein. Aber was ist, wenn sie Ja sagt?«

»Das wird sie nicht.«

»Warum nicht?«

»Weil ich sie nicht fragen werde.«

»Warum nicht?«

»Was ist, wenn sie Nein sagt?«

Es war eine Unterhaltung, die, wie er zugab, den Wunsch in ihm weckte, mir eine reinzusemmeln. Ich sagte ihm, er solle sich hinter Daniel Smith anstellen. Aber Andrew (nenne ihn nie Andy, es sei denn, du willst, dass er wirklich sauer wird) ist so was wie ein Experte, wenn es um die Wünsche der Mädchen geht. Er hatte, wie ich mit Sicherheit weiß, schon drei Freundinnen und ist gerade erst vierzehn geworden. Das ist beeindruckend. Unfassbar, wenn du mich fragst. Jedenfalls würde er wissen, ob mein Plan gut war.

Andrew, ich überlege, dieses Jahr beim Freundschaftsspiel gegen St. Martin als Torwart mitzumachen, um Destry mit meiner Unerschrockenheit und ganz allgemein meinen Machoqualitäten zu beeindrucken. Was hältst du davon?

(Ich achte immer auf Rechtschreibung und Grammatik, selbst in SMS. Man nennt es Standards haben.)

Dubi verükt.

(Die meisten Leute scheren sich nicht darum.)

Ja, aber was hältst du davon?

Du kö dabei sterben

Dann wäre sie von Trauer überwältigt. Ein super Aphrodisiakum.

Was

Aphrodisiakum. Eine Art Liebestrank.

Dachte es wär ne trendy Frisur egal weil du tot wärst du depp

Stimmt. Plan hängt von meinem Überleben ab. Beherzter Soldat. Tapfer, allen Widrigkeiten zum Trotz. Heldenhaft im Angesicht größter Gefahr.

Kö funktionirn dukösi aber auch einfach einladen.

Was ist, wenn sie Nein sagt? Und schreib funktionieren nicht so, nur um zwei Buchstaben zu sparen. Faulpelz.

Ich legte mich voller Begeisterung für meinen Plan schlafen. Aber ich beschloss auch, noch vor dem Spiel das Liebesgedicht zu schreiben. Aufgrund meiner Nachforschungen zur Position des Torhüters (fünf Minuten auf der offiziellen Seite der A-Liga) war mir klar, dass schwere Gehirnschäden eine reale Möglichkeit waren. Das Worstcase-Szenario wäre, dass ich zu Daniel Smith würde.

8

Ich liebe meine Schule. An meinem ersten Schultag dort hatte ich ein Problem mit der Schuluniform, aber Mum und Dad haben das geklärt, und von da an war alles nur super. Alle sind nett. Klar, es gibt ein paar Typen wie Daniel Smith, aber die gibt es überall. Und die einzige Möglichkeit, mit den Daniels dieser Welt umzugehen, ist, sie zu ignorieren.

Nein, die Milltown Highschool ist wunderbar und unterstützt ihre Schüler in jeder Hinsicht.

In der Pause ging ich zu Mr Broadbent, dem Sportlehrer. Er war in der Sporthalle und beaufsichtigte ein paar Kids beim Baseball. Doch er setzte sich mit mir auf die Tribüne und überließ das Spiel sich selbst.

Ich brachte mein Anliegen vor. Er betrachtete mich von oben bis unten und pfiff.

»Torwart, Rob? Du weißt, was man sagt?« Ich wusste es nicht, dachte mir aber, dass er mich gleich aufklären würde. »Du musst verrückt sein, um Torwart zu sein. Du kannst einen Tritt gegen den Kopf bekommen – mit ziemlicher Sicherheit wirst du einen Tritt gegen den Kopf bekommen. Der Strafraum gleicht einem Kriegsgebiet. Du musst unglaublich mutig sein. Stell dir vor, ein Fifty-fifty-Ball kommt auf dich zu.«

Ich versuchte es, da ich jedoch keine Ahnung hatte, was ein Fifty-fifty-Ball war (halb Ball, halb etwas anderes?), gelang es mir nicht, weshalb ich nur nickte.

»Der Mittelstürmer kommt angeprescht, entschlossen, dir den Ball wegzuschnappen. Er ist riesig und fies und hat nur eins im Sinn: dieses Tor zu schießen. Was tust du in einer solchen Situation?«

Ich dachte: Wer bin ich, dass ich ihm im Weg stehe, wenn es ihm so viel bedeutet? Da dies aber, wenn ich in die Mannschaft aufgenommen werden wollte, wahrscheinlich keine kluge Antwort war, sagte ich: »Ich stelle sicher, dass ich vor ihm an den Ball gelange.«

»Genau. Aber du wirst Kopf voraus in den Boden tauchen, während seine Stollen auf dich zukommen. Wer wird wohl verletzt?«

»Ich.«

»Genau. Hältst du das aus, Rob? Denn wenn du es nicht aushältst, nützt du uns in der Schulmannschaft nichts.«

»Ich kann es aushalten, Mr Broadbent.«

Er schnaubte. »Pass auf. Das Spiel ist in einem Monat. Ich will dich drei Mal die Woche nach der Schule zum Training auf dem Platz haben. Da werden wir dann sehen, woraus du gemacht bist.«

Aus Blut, dachte ich, wenn das, was Sie über Torhüter gesagt haben, stimmt. Blut, aber nichts Gehirnartiges.

Laut sagte ich: »Ich werde Sie nicht enttäuschen.«

Ich enttäuschte ihn.