WATCH ME SCREAM - G.A. Rothhausen - E-Book

WATCH ME SCREAM E-Book

G.A. Rothhausen

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Beschreibung

Ein Lost Place, eine alte verlassene Irrenanstalt, verborgen in einem dunklen Wald ist Schauplatz einer neuartigen Fernsehshow! Hier kämpfen fünf Teams um eine hohe Gewinnsumme. Dauerüberwacht und ins Netz gestellt treten sie in nervenaufreibenden Spielen und Aufgaben gegeneinander an. Durch verschiedene Techniken kann der Zuschauer zu Hause aktiv in die Show eingreifen und die Spieler bloßstellen, sie verstören oder ihnen auch zur Seite stehen. Julia, die Erzählerin, stellt sich bald als begabtes Medium heraus. Alte Seelen, durch ein grausames Geheimnis an die Anstalt gebunden, nehmen Kontakt zu ihr auf. Aus der anfangs scheuen Frau wird eine mutige Kämpferin, die bald das Geld gewinnen und das Geheimnis lüften will...

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Seitenzahl: 630

Veröffentlichungsjahr: 2023

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WATCH ME SCREAM

G. A. Rothhausen

Inhalt

Cover

Titelblatt

Der Einzug

Tag 1

Tag 2

Tag 3

Tag 4

Tag 5

Tag 6

Tag 7

Tag 8

Tag 9

Tag 10

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Tag 12

Tag 13

Tag 14

Tag 15

TAG 16

Tag 17

Tag 18

Tag 19

Tag 20

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Urheberrechte

WATCH ME SCREAM

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Der Einzug

Wie war ich hier nur gelandet? Wir waren fünf Paare aus fünf Familien, ausgesucht aus einer Flut von Bewerbern, von der Produktionsfirma ausgewählt und in einem kleinen Flugzeug hierhergeflogen. Bis jetzt durften wir nicht miteinander sprechen. Vom Flughafen aus hatten sie uns in Kleinbussen hierhergefahren. Nun standen wir hier, in einer Art riesengroßer Lagerhalle, man hängte uns Mikrophone um, Kameras fingen unsere Gesichter ein, unsere Emotionen. Ich sah weiter hinten in der Halle ein eingerichtetes Studio, Kameras, ein großes, halbrundes Sofa, ein Tisch davor, Monitore dahinter.

Ich sah zu meiner Tochter, Sophia, die ängstlich neben mir stand und nach meiner Hand griff. Ihretwegen war ich hier, sie hatte diesen Flyer mitgebracht, sie hatte an die Produktionsfirma die Bewerbung geschrieben. Mit ihren 16 Jahren erschien es ihr wie ein großes Abenteuer, eine Abwechslung vom Alltag, eine Chance, ins Fernsehen zu kommen und berühmt zu werden. Ihretwegen hatte ich meinen ganzen Jahresurlaub genommen, um für 20 Tage eingeschlossen zu werden mit acht fremden Menschen, ständig überwacht von Fernsehkameras, um am Ende mit ihr dieses Spiel zu gewinnen und mit 500.000 Euro nach Hause zu fliegen.

Das hier sei etwas ganz neues, etwas ganz ungewöhnliches, hatten sie uns erzählt. Zehn Menschen aus fünf Familien, dauerüberwacht in einem unheimlichen Gebäude, wo es spuken soll, wo mysteriöse Dinge geschehen sollen. Wer das bis zum Schluss durchhält, der erhält die Siegerprämie. Sie hatten uns zu Fotoshootings gefahren und endlose Interviews geführt. Man sagte uns, überall in Deutschland hingen Plakate mit unseren Gesichtern und in Zeitschriften las man unsere Lebensgeschichten.

Sophia fand das wahnsinnig aufregend, ich fand es nur wahnsinnig. Ich hatte mich überreden lassen von einem Teenager, ich dachte, ich sei es ihr vielleicht schuldig. Ich hatte die letzten Jahre nicht viel Zeit für sie, hatte sie oft sich selbst überlassen. Das hier war also meine Wiedergutmachung. Wir zwei zusammen, wir würden ein ganz besonderes Abenteuer erleben. Sie hatte so gestrahlt, als ich zusagte, als sie mich endlich rumgekriegt hatte. Ich konnte nicht anders und nun stand ich hier.

Maggie kam auf uns zu, eine hübsche Frau in den besten Jahren, wir hatten sie in Deutschland schon kennengelernt. Sie hatte das Casting geleitet. Sie lächelte verschwörerisch und schaute uns aufgeregt durch ihre große runde Brille an. „Also dann, es geht los! Leute, ihr steht vor eurem größten Erlebnis, gleich zieht ihr in eure Unterkunft, wo ihr die nächsten zwanzig Tage verbringen werdet.“

Sophias Hand zuckte, ich blickte zu ihr und lächelte tapfer. Bisher wussten wir ja nicht viel, wir sollten gleich in dieses Studio, von wo aus wir dann live in unsere neue Behausung ziehen sollten. Gesehen hatten wir sie noch nicht, wir waren vom Flughafen mit verbundenen Augen bis hierher gebracht worden.

Mein Puls stieg, mein Herz klopfte stark, es pochte im Hals. Ich hielt die schwitzige Hand meiner Tochter und sah zu meinen Mitspielern. Es schien allen ähnlich zu gehen, ich vermutete es jedenfalls. Maggie instruierte uns, gleich würden sie uns ins Studio rufen, der Moderator würde kurz mit uns reden, dann würde man uns auf dem Monitor den unheimlichen Ort zeigen. Danach sollten wir unseren Koffer kriegen und zusammen einziehen. Hinter uns würden sie dann abschließen und ab da wären wir 24 Stunden am Tag für den Zuschauer präsent.

Ich räusperte mich, sollte ich nochmal eine Toilette aufsuchen? Während ich noch überlegte, kriegte ich einen Schubser, man trieb uns ins Studio. Lichter gingen an, Oliver, der Moderator, begrüßte uns. Waren wir schon auf Sendung? Ich war verwirrt … Wir setzten uns aufs Sofa und ich versuchte zu lächeln. Meine Tochter saß nah bei mir, sie strich sich die langen Haare aus dem Gesicht und beantwortete Oliver die Frage, ob sie schon ängstlich sei.

„Nö, jetzt noch nicht“, grinste sie in die Kamera, „Ich bin nicht so schreckhaft und an Geister glaube ich nicht. Meine Mum und ich werden hier gewinnen!“ Ich hasste es, wenn sie mich Mum nannte. Aber ich lächelte tapfer weiter.

Irgendwie ging es schließlich dem Ende zu und Oliver überreichte jedem von uns ein kleines Handy. „Auf diesem Handy ist nur eine einzige Nummer gespeichert, die die Kandidaten auswählen durften.“, sprach er in eine Kamera. „Mit dieser einen Nummer können sie Nachrichten schreiben, natürlich können wir die mitlesen … wir wollen ja alles miterleben ... alles.“

Wir sollten diese Handys an einem Gürtel immer bei uns tragen. Ich hatte die Nummer meiner Mutter angegeben, Sophia die von Anne, ihrer besten Freundin. Jemand kam mit unseren Koffern ins Studio. Ganz ruhig bekam jeder seinen gebracht, dann wurden wir mit lauter Musik und Rauchwolken zu einer Tür begleitet.

„Hinter dieser Türe geht es los“, sagte Oliver, „von dort kommt ihr an ein Gartentor. Geht hindurch. Wir schließen dann hinter euch ab und das Spiel beginnt!“

Also gingen wir zehn durch diese Türe. Wir kamen nach draußen, wir waren in einem Waldstück. Es war finster, obwohl es erst 19.00 Uhr war und es war Sommer. Ja und da war auch das Gartentor, ein riesiges altes rostiges Tor, das quietschte, als der Mann vor mir es aufschob. Dieses Geräusch ging mir durch und durch, eine Mitspielerin kreischte.

„Das ist ja jetzt schon unheimlich!“, schrie sie aufgeregt.

Wir gingen einen alten Pfad entlang, überwuchert und kaum zu erkennen. Um uns herum wuchsen wilde Brombeerbüsche und Bäume wuchsen scheinbar bis in den Himmel, es kam nur wenig Licht hindurch. Und dann sahen wir es … ein altes Gebäude, sehr groß, aus Backstein. Ein riesiger Haupttrakt mit drei Stockwerken, rechts ein eingefallener Turm, links ein langgezogener niedriger Flügel mit nur einem Stockwerk. Das Haus hatte hohe Fenster, ein paar waren zerbrochen, aus einem flatterte eine vergilbte Gardine.

Dann standen wir davor, auf einem Platz, von dem eine Treppe zur Eingangstüre führte. Wir hielten kurz an und dann sagte ein Mann um die 50: „Also los, Leute, lasst uns mal einziehen und essen machen, ich bin hungrig!“

Wir mussten alle lachen und gingen mit ihm ins Gebäude. Mir war nicht ganz wohl, es sah verkommen aus, ob es drinnen genauso war? Jetzt erst sah ich Kameras, auf uns gerichtet, neben dem Eingang, das Mikro um meinen Hals hatte ich schon fast vergessen.

Drinnen schlug uns ein Modergeruch entgegen. Wir waren in einer großen Eingangshalle angekommen. Diesmal sah ich die Kameras sofort, manche bewegten sich. Mitten in der Halle war ein Monitor an der Decke befestigt worden. Es erschien ein Bild mit Oliver, der uns von da oben anlächelte.

„Liebe Bewohner“, sagte er, „ Ab heute wohnt ihr in einer ehemaligen Anstalt, einer Anstalt aus dem 19. Jahrhundert, in der man versuchte … Geistesgestörte zu heilen.“ Er machte eine Pause. „Sie wurde 1954 geschlossen, es hatte zu viele mysteriöse Unfälle und Todesfälle gegeben und seitdem wollte niemand mehr dieses Gebäude kaufen. Es wurde von Geistersichtungen berichtet, von Stimmen, die markerschütternd schreien, von solchen Sachen, vor denen ihr alle keine Angst habt, oder?“

Wir alle verneinten lautstark, manche pfiffen, es wurde geklatscht.

„Ok“, sagte der Moderator, „dann bezieht bitte den linken Flügel wir haben dort Zimmer für euch hergerichtet. Das Wichtigste: Immer die Mikros umgehängt lassen! Und jetzt, viel Spaß!“ Wir sahen ihn noch grinsen, dann wurde der Monitor schwarz.

„Ok“, sagte ein junger Mann, der anscheinend mit seiner Mutter hier war, „dann gehen wir mal unsere Zimmer suchen!“

Alle setzten sich in Bewegung, ich blieb stehen und sah mich in der Halle um. Rechts schien ein endlos langer Gang wohl zu dem verlassenen Turm zu führen, dort war auch das kaputte Fenster, ich sah die Gardine wieder flattern. Der Eingangstüre gegenüber führte eine Treppe nach oben, eine breite Treppe, der Handlauf in Holz.

„Mum?“ Sophia rief mich. „Wo bleibst du denn? Alle sind schon drüben, bei unseren Zimmern!“

„Ich komme, ich wollte nur mal sehen ... ich komme“, entgegnete ich müde. Sie sah ungeduldig aus.

Wir kamen durch einen kahlen Gang in eine Art Wohnzimmer, es sah sogar gemütlich aus, drei Sofas, zwei Ohrensessel, ein Regal mit Büchern. Dahinter sah man die offene Küche, einen großen Tisch mit Stühlen, alles irgendwie ganz normal, ich hatte etwas anderes erwartet, etwas weniger einladendes. Vom Wohnzimmer gingen fünf Türen ab, neben jeder Türe ein Schild mit dem Familiennamen.

Förster - das war unser Zimmer. Ich sah den Anderen zu, wie sie lachend und schwatzend ihre Namen suchten, dann riss meine Tochter mich am Ärmel.

Ich betrat unser Zimmer. Es war hellblau gestrichen, rechts und links ein Bett, zwei Kleiderschränke, ein Schreibtisch mit Stuhl und daneben eine Kommode.

„Oh ist das toll!“ Sophia schien begeistert zu sein. „Oh Mama, das wird eine ganz geile Zeit hier!“ Sie schmiss ihren Koffer auf das linke Bett und rannte aus dem Zimmer, hin zu unseren Mitspielern. Ich schaute nach oben und sah die Kamera auf mich gerichtet, zuckte mit den Schultern und legte meinen Koffer auf das rechte Bett.

„Hast du auch so einen Hunger?“ Der Mann von vorhin stand in der Türe und schaute mich freundlich an. „Komm mit, meine Frau hat schon angefangen mit Kochen, es fehlt uns hier an gar nichts! Für den Anfang gibt’s Spaghetti, die mag wohl jeder. Und beim Essen können wir uns dann alle kennenlernen.“

Ich folgte ihm in die Küche, es roch tatsächlich richtig gut und fast alle Stühle waren schon besetzt.

„Ey, das wird hier so irre krass, hoffentlich mach ich mir nicht in die Hose vor laufender Kamera!“ Eine junge Frau sagte das zu dem Mann neben ihr und augenblicklich wünschte ich mich nach Hause und schloss kurz die Augen. Eine Frau setzte resolut eine große Schüssel Spaghetti auf den Tisch und holte einen Topf mit dampfender Soße dazu. Sofort fielen alle hungrig darüber her. Ich wartete und nahm mir zum Schluss ein wenig von den Nudeln.

„Ich bin übrigens Karl und bin hier mit meiner Frau Margit, die so gut kocht“ sagte der bärtige Mann von vorhin und begann das Vorstellungsritual. Neben ihm ein junger Mann machte weiter.

„Ich bin Jonas und meine Mutter heißt Maria.“

„Aber Junge, ich kann mich doch selber vorstellen!“, sagte eine Frau um die 40 mit strohblonden Haaren. Alle lachten.

Der Mann mir gegenüber räusperte sich. „Ich heiße Jens, bin 41 und habe meinen Sohn dabei … Sohn, sag was!“ Wieder lachten alle, Sophia etwas lauter als sonst.

„Ja, ich bin sein Sohn und heiße Kevin Barth, ich bin 17.“

„Ich heiße Sophia und bin 16 und meine Mutter hier ist Julia, 36 … ich musste sie überreden für diese Show.“

Ich sah sie verblüfft an. „Warum sagst du das?“ fragte ich sie grinsend.

„Also ich bin Senna, ich wollte sofort hier rein und das ist mein Mann Jason, wir sind seit drei Monaten verheiratet … das ist sowas wie unsere Hochzeitsreise!“ Alle lachten wieder und dann ging es kreuz und quer durcheinander. Ich hörte die Kameras surren.

„Wo kommt ihr her?“, fragte Jens, der mir gegenüber saß. Er sah freundlich aus, braunes Haar, braune Augen, Lachfältchen.

„Aus Düsseldorf“, antwortete ich etwas reserviert. „Und ihr?“

„Aus Hamburg … also jetzt wohnhaft, geboren wurde ich in Hannover. Kevin wurde aber in Hamburg geboren. Er lebt bei seiner Mutter.“

„Bei seiner Mutter?“, fragte ich überrascht nach.

„Ja, wir sind geschieden, schon seit fünf Jahren.“

Ich nickte stumm.

„Hoffentlich gibt’s hier ne Spülmaschine!“

Senna hatte angefangen abzuräumen und einige machten mit und räumten das Geschirr weg. Ich sah Sophia mit Kevin und Jonas im Wohnzimmer, sie unterhielten sich angeregt und anscheinend machte meine Tochter Eindruck auf die Jungs. Jemand stieß mich am Ellenbogen an, Karl.

„Na, ob die ganzen jungen Leute das hier aushalten? Soll ja tierisch unheimlich werden …“

„Keine Ahnung“, erwiderte ich, „Babys sind sie ja nicht mehr. Wer weiß, ob überhaupt was Unheimliches passiert?“

An diesem Abend passierte nichts mehr, wir suchten alle müde unsere Zimmer auf und richteten uns ein. Erschreckend war, dass es nur ein Bad für alle gab.

„Mama, bist du mir böse?“ Wir lagen schon im Bett, das Licht war aus.

„Nein Sophia, wieso? Warum sollte ich böse sein?“

„Ich weiß, das ist nicht das Richtige für dich und du machst das nur meinetwegen …“

„Ich bin dir nicht böse, schlaf gut.“ Ich wollte Probleme bestimmt nicht vor ganz Deutschland besprechen, auch wenn ich die Kamera über mir fast vergessen hätte.

Tag 1

Ein Geräusch hatte mich geweckt. Ich rieb mir die Augen, knipste die Lampe auf dem Nachttisch neben mir an. Sophia gegenüber atmete ruhig und schlief fest. Mein Blick ging durchs Zimmer, war etwas irgendwo runtergefallen? Aber alles stand noch so, wie gestern Abend, als alle zu Bett gegangen waren. Seltsam, von irgendetwas war ich aber wachgeworden.

Ich bemerkte, dass ich durstig war. Hätte ich gestern mal eine Flasche Wasser ans Bett gestellt … ich schlug die Decke zurück und rutschte in meine Latschen, die ich mitgebracht hatte. Ich löschte das Licht und öffnete leise die Türe, um meine Tochter nicht zu wecken.

Das Wohnzimmer war schwach beleuchtet, würde es immer sein bei Nacht, hatte man uns gesagt. Ich versuchte so wenig Geräusche wie möglich zu machen, schlich auf Zehenspitzen Richtung Küche. Unser Zimmer war das erste, darum musste ich erst an allen anderen vorbei, um zum Kühlschrank zu kommen.

Ich sah auf das Schild neben der zweiten Türe - Barth – das waren Jens und sein Sohn. Auf dem nächsten stand Müller, ich musste kurz überlegen, ach ja ... Jason und Senna aus Köln, das frischvermählte Paar. Bei Schild Nummer drei musste ich länger grübeln. Fischer … es fiel mir wieder ein, Maria mit Sohn Jonas, unsere bayerischen Mitspieler. Das letzte Zimmer war für Karl und Margit gewesen, Smit las ich dort.

Dann war ich in der Küche, der riesige Kühlschrank war wirklich mit Allem gefüllt! Ich griff eine Flasche mit stillem Wasser und machte mich auf den Rückweg in mein Zimmer. Da hörte ich wieder was … ein Stöhnen, seltsame Geräusche … erschrocken blieb ich stehen und lauschte. Woher kam das? Im Wohnzimmer selbst schien alles normal zu sein. Ich ging zögernd weiter … da! Schon wieder! Diesmal näher … fröstelnd drückte ich die Wasserflasche an mich. Kam das aus Zimmer Nummer drei? Ich schlich näher und lauschte.

Augenblicklich fiel alle Anspannung von mir und ich musste mich beherrschen, um nicht laut zu lachen. Das Stöhnen da drin kam von Senna! Das frisch verheiratete Paar hatte Sex und ziemlich laut, wie ich jetzt mitbekam. Zu blöd von mir … ich schüttelte den Kopf und grinste. Das Surren einer Kamera war zu hören. Oh je, jetzt hatten sie mich ertappt, ging es mir durch den Kopf. Jetzt dachte ganz Deutschland, ich sei eine Spannerin, die bei Nacht Leute beim Kuscheln bespitzelt. Ganz schnell lief ich zu unserem Zimmer und huschte rein.

„Mama?“, nuschelte Sophia in ihr Kissen.

„Ich hab was zu trinken geholt“, antwortete ich schnell. Gierig trank ich einige Schlucke und setzte die Flasche dann auf dem Nachttisch ab. Nur schwer konnte ich wieder einschlafen, wälzte mich hin und her und musste an Frank denken, meinen verstorbenen Ehemann.

Er fehlte mir, fehlte schon 10 Jahre. Viel zu jung war er an Krebs gestorben, er hatte noch so viel vorgehabt … aber er ließ mich und Sophia allein zurück, sie war sechs, fragte immer, wo Papi denn ist. Ich war damals in ein dunkles Loch gefallen, hatte auf gar nichts mehr Lust gehabt, gab meine Tochter oft bei meiner Mutter ab und saß dann allein in unserer Wohnung und starrte stundenlang ins Nichts.

Langsam dämmerte es draußen, Licht fiel durchs Fenster über dem Schreibtisch und ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass es bereits 8.00 Uhr war. Jemand war wohl auch schon wach, ich hörte ein Klappern in der Küche.

Ich glitt aus dem Bett, warf mir den Bademantel über, den Mutter mir zu Weihnachten geschenkt hatte und verließ das Zimmer. Jens stand in der Küche in T-Shirt und Shorts und lächelte mich an.

„Hab ich dich geweckt? Ich konnte nicht mehr schlafen. Erstens bin ich Frühaufsteher, zweitens ist das Paar nebenan nicht gerade leise im Bett … hast du das auch gehört?“

Ich blickte in die Kamera an der Decke überm Tisch. „Ja“, sagte ich grinsend.

Jens hatte Kaffee gemacht und bot mir auch eine Tasse an, die ich gerne annahm. Der Kaffeeduft trieb dann auch die Anderen nach und nach aus ihren Betten und in die Küche, es wurde voll. Auch Sophia kam schlaftrunken angetapst.

„Mama, wo warst du heute Nacht … hast du was von trinken gesagt? Ich war nicht ganz wach …“

„Ja, ich war mal kurz auf“, sagte ich nur.

Jens schaute mich an. „Wenn du nachts durchs Haus streifst, kannst du mich ruhig dazu holen, dann können wir auf Entdeckungsreise gehen.“ Er lächelte verschmitzt und das versetzte mir kurz einen Stich, denn er sah dabei aus wie Frank damals.

Wir frühstückten durcheinander, irgendwie war Chaos … einer machte Eier mit Speck, Jonas suchte das Müsli, es wurden Smoothies gemixt, es ging drunter und drüber.

Noch schlimmer war das Chaos im Bad. Zehn Menschen und nur ein Bad, spätestens da bereute ich, hier zu sein.

Irgendwann später rief Karl uns zusammen ins Wohnzimmer. Er hatte den ersten Brief für uns am Briefkasten am Gartentor abholen müssen und wollte ihn nun vorlesen.

„Hey, jetzt seit doch mal still und lasst den Mann vorlesen“, rief Senna mürrisch, „Habt mal Respekt vor seinem Alter und haltet die Klappe!“

„Was fällt dir denn ein?“, rief Kevin, der Sohn von Jens. Aber dann waren doch alle still und Karl konnte vorlesen.

LIEBE BEWOHNER!

HEUTE WERDET IHR IN ZWEI GRUPPEN DIE ANSTALT ERKUNDEN. IHR KÖNNT ALLE RÄUME UND DEN GARTEN BETRETEN, VERGESST DEN KELLER NICHT, DORT SOLL ES BESONDERS GRUSELIG SEIN. GRUPPE EINS SIND: JULIA-MARGIT-JONAS-JENS-SENNA. GRUPPE ZWEI SIND: SOPHIA-KARL-MARIA-KEVIN-JASON. ES GEHT SOFORT LOS. HOFFENTLICH SIND ZUM MITTAGESSEN ALLE WIEDER DA!

Wir alle klatschten und lachten und redeten wild durcheinander. Das Abenteuer sollte beginnen, ich fühlte sogar selber so was wie Freude und Forscherdrang. Sophia drängte durch die Anderen zu mir.

„Schade, dass wir getrennt wurden, Mama, ich wäre gern mit dir gegangen.“

Ich lächelte ihr aufmunternd zu. „Da können wir uns heute Mittag aber besser austauschen! Und keine Angst, Geister gibt es nicht!“

„Gruppe eins, kommt schon, es geht los, trödelt nicht so rum, ich will was erleben“, rief Senna von der anderen Seite des Raumes und ich verdrehte die Augen. Ihre Stimme war echt nervig, schon heute, und warum war sie nur so laut? Ach ja, es hieß ja auch Show machen, wir waren ja im Fernsehen und Senna wollte mit Sicherheit berühmt werden, so wie auch meine Tochter.

Als unser Grüppchen zusammen war, klatschen wir erst mal alle ein, ein Team, wir würden das rocken, hier hat keiner Angst! Margit und Jonas drängten sich zu mir, Senna blieb bei Jens und wir gingen durch den Korridor. Erst in einer Stunde sollte Gruppe zwei losgehen.

Auf der rechten Seite waren nur Fenster, sehr hohe, mit vergilbten, teilweise zerrissenen Gardinen daran. Auf der linken Seite waren Türen, wohl mal weiß lackiert, heute schmuddelig gelb und teilweise war der Lack abgesplittert, in manche Türen waren Worte und Zahlen irgendwann mal eingeritzt worden. Obwohl es Tag war, war es doch recht dunkel in diesem Flur und es roch unangenehm … ein Gemisch aus Schimmel am Gemäuer und modriger alter Wäsche.

„Ist das aufregend, ich mach mir gleich in die Hose“, lachte Senna übertrieben laut.

Jens grinste zu uns Dreien hinter ihm und sagte: „Ich hoff doch nicht, der Geruch hier reicht mir schon!“

Dafür kriegte er einen leichten Schlag gegen seine Schulter von Senna. „Hey du, werd nicht frech, ja!“

Wir blieben vor der ersten Türe stehen und Jens öffnete sie. Es war dunkel, es gab kein Fenster. Er knipste den Lichtschalter ein und wir drängten alle in den Raum. Ein großes kahles Zimmer sahen wir, der Linoliumboden überall aufgerissen, weiße Tapete hing teilweise von den Wänden.

„Ok, hier gibt es nichts zu sehen, gehen wir weiter“, bestimmte Senna und wir schritten alle brav hinter ihr her zur nächsten Türe. Aber irgendwie sahen sich die Räume in diesem Korridor alle ähnlich, alle leer, fensterlos, verwahrlost.

„Ich bin irgendwie enttäuscht“, beschwerte sich Margit, „Ich hätte was Gruseliges erwartet.“

„Ja, ne“, erwiderte Senna sogleich, „Ich hab auch was krass Schlimmes erwartet, so mit Blut vielleicht!“

„Eventuell kommen wir im Haupthaus auf unsere Kosten“, kam von Jonas, den ich zum ersten Mal reden hörte. Er schien ein sehr verschlossener junger Mann zu sein, was hatte ihn wohl hierher geführt? Ach ja, es gab Geld zu gewinnen, ob es das war? Ich schaute direkt in eine Kamera, als wir in die große Eingangshalle traten.

Mir wurde schlagartig kalt, irgendwie zog es hier. Jemand berührte mich zaghaft an der Hand.

„Ja?“ fragte ich und sah Margit an, die mir am nächsten stand.

„Wie, ja?“ Sie sah mich verdutzt an.

„Ich dachte, du wolltest mir was sagen?“

Sie schüttelte den Kopf und ging an mir vorbei. Ich schaute zu Jonas rüber, hatte er mich berührt? Er sah in Richtung der großen Haupttreppe, gar nicht zu mir und war ansonsten wieder stumm.

„Ist was?“, fragte mich Jens und guckte besorgt. „Nein“, ich zögerte, „Es ist nichts.“

Ich schaute mich aber doch unsicher um und ich bereute, nicht meine Strickjacke mitgenommen zu haben, so sehr fröstelte ich.

„Ist dir kalt?“ Senna sah mich verständnislos an und da bemerkte ich, dass die andern Vier Schweißperlen auf der Stirn hatten und Margit ein ganz erhitztes Gesicht.

Jens legte seine Hand auf meinen Arm. „Du bist eisig kalt … aber es sind mindestens 30 Grad hier drin“, sagte er leise zu mir. Ich hörte eine Kamera zoomen.

„Ich bin halt ne Frostbeule“, lachte ich, „Lasst uns weitergehen.“

Wir sahen den großen Monitor in der Halle hängen, gingen darunter hindurch auf die Treppe zu. Mir wurde wieder wärmer und ich fühlte mich ganz ok. Jens war jetzt neben mir, er strahlte Sicherheit aus. Wir betraten die große Treppe.

Oben angekommen konnte man durch ein hohes Fenster in den parkähnlichen Garten sehen, alles sah verwildert aus, aber auch irgendwie romantisch, überall blühten Büsche mit Rosen und Rhododendren. Rechts und links von der Treppe gingen Gänge ab.

„Ok, wohin zuerst?“, fragte Senna, ging dann aber schnurstracks nach links und winkte uns, ihr zu folgen. „Na hoffentlich ist hier oben mehr los“, lachte sie, öffnete die erste Türe und hielt sich kreischend die Hand vor den Mund.

Sofort liefen wir zu ihr hin und sahen in den Raum.

„Was ist los? Was hast du gesehen?“, drängte Jonas auf eine Antwort.

Ich blickte in den Raum. Das schien mal ein Operationsraum gewesen zu sein, oder so. Eine altertümliche Trage stand in der Mitte, alte, schimmlige Wäsche darauf, verrostete Scheren lagen auf dem Boden. Es gab Metallschränke, die Schubladen waren rausgefahren, aber leer, eine Vitrine stand offen, darin kleine braune Fläschchen mit flüssigem Inhalt und latainischer Beschriftung.

„Boah, wie ekelhaft“, stieß Senna hervor.

„Ist doch gar nicht so schlimm“ sagte Jonas enttäuscht und kramte in einem vergilbten Notizbuch herum, das auf einem Hocker lag.

Margit zwinkerte mir zu. „Senna ist also doch etwas schreckhaft.“

Ich lächelte zurück und suchte Jens. Er lehnte im Türrahmen, die Arme verschränkt.

„Können wir weitergehen?“

Es folgten mehrere Zimmer, die teilweise alte Metallbetten und Schränke beinhalteten, vielleicht ehemals die Zimmer der Patienten. Als wir alle gesehen hatten, liefen wir den Gang zurück, um nun den rechten Flügel zu erkunden. Ich sah durch das Fenster an der Treppe wieder in den Garten, er lag so friedlich im Sonnenschein.

Da! Mir war, als hätte ich etwas gesehen, ich fasste mir erschrocken ans Herz, mein Atem stockte. Jens war sofort bei mir.

„Was ist? Was hast du gesehen … etwas hat dir Angst gemacht, oder?“

Ich nickte, brachte aber keinen Ton heraus. „Ein Mädchen … mir war, als hätte ich ein Mädchen gesehen, ein kleines Mädchen in einem Kleid, vielleicht neun oder zehn“, stammelte ich schließlich.

Jens sah nach draußen, erblickte aber nichts. Er sah mich ernst an. „Hast du wirklich was gesehen? Ich sehe gar nichts … da draußen ist nichts.“

Ob er dachte, ich würde nur Show machen? Ich sah nach oben, direkt über uns war eine Kamera. Jens folgte meinem Blick und sah mir dann eindringlich in die Augen.

„Ok, ich glaube dir. Bleib bei mir und sag, wenn wieder was ist. Eventuell will die Produktion uns auch Angst machen und treibt Scherze mit uns.“ Ich nickte stumm und war froh, dass er mir glaubte. Die Anderen waren schon einige Zimmer weiter und riefen nach uns. Wir zwei folgten ihnen, aber die Zimmer hier sahen ähnlich aus wie die im anderen Flügel.

Das letzte Stockwerk durchschritten wir etwas schneller. Hier gab es überwiegend Büroräume, Zimmer mit Schreibtischen, alten Telefonen, Regale mit teilweise noch Ordnern drin, auch einige alte Badezimmer gab es hier. In einem Raum waren mehrere Wannen aus Zink aufgestellt, es hingen sogar noch zerschlissene Handtücher an der Wand.

Wir beschlossen, den Haupttrakt zu verlassen und in den Turm zu gehen. Wir liefen gemeinsam die Treppe hinab. In der Eingangshalle ging es durch einen Korridor mit zerbrochenen Fenstern dorthin. Als erstes standen wir in der alten Küche.

„Cool“, staunte Senna, „Ey guckt mal, die alten Herde, wie bei meiner Uroma! Boah, krass!“

Es roch echt übel, ich sah einige Schüsseln mit schimmeligem Inhalt, die Spüle war schwarz vor Dreck, Spinnen krochen erschrocken weg. Neben der Küche führte eine enge Treppe nach oben. Man konnte kaum zu Zweit nebeneinander gehen, aber Jens blieb an meiner Seite.

Wir kamen an eine Holztüre mit einem Schild daran, aber die Schrift war nicht mehr zu lesen, die Farbe fast weg. Jens drückte sie auf.

Abgestandene Luft kam uns entgegen. Spinnweben waren zu sehen und Jens nahm sie mit seinen Händen weg.

„IIhh“, schrie Senna schrill. Es war ein kleiner runder Raum, ein Bett, ein Kleiderschrank, ein Tisch, darauf eine Kinderzeichnung. Gitter waren vor dem Fenster. Auf einer Kommode lagen medizinische Instrumente, mit Staub überzogen, aber ordentlich in Reih und Glied.

„Wow, echt gruselig“, flüsterte Senna wieder, „Ob sie hier Leute gefoltert haben? Krass!“

Ich nahm die Kinderzeichnung in die Hand. „Dann hätten sie wohl ein Kind gefoltert“, sagte ich traurig und sah auf die Buntstiftzeichnung, ich glaubte, den Garten zu erkennen in dem Bild.

„Ey, das geht gar nicht … Kinder foltern oder wehtun … Never!“ Senna regte sich richtig auf.

„Oh Gott!“, rief Margit plötzlich panisch aus und alle blickten sie an. „Habt ihr das auch gehört? So ein flüstern, nein leises singen? Wie von einem Kind?“

„Margit, hör auf!“, schrie wieder mal Senna. „Du machst mir Angst!“

„Habt ihr das denn nicht gehört? Als ob ein Kind leise singt … aber so tieftraurig … oh Gott, das war so schaurig!“ Sie schlug die Hände vors Gesicht. Ich entdeckte die Kamera über dem Bett und sah, wie Jens zu Margit ging und sie in den Arm nahm.

Dann sah er uns alle an. „Ich denke, wir haben genug gesehen. Lasst uns zurückgehen, den Keller können wir später ansehen. Margit braucht was zu trinken und ich glaube, ich hab da auch Whiskey im Kühlschrank gesehen.“

Alle stimmten zu, nur Jonas maulte vor sich hin. Wir verließen den Raum. Ich ging als letztes … und spürte wieder diese leichte Berührung am Arm. Ein Schauer überkam mich.

„Bitte, geht schneller da vorne“, drängte ich und wollte nur noch hier weg.

Schnell waren wir dann in der Eingangshalle und liefen fast durch den langen Flur zurück in unser sicheres Wohnzimmer. Gruppe zwei war noch nicht da, ob es Sophia gut ging? Ich ängstigte mich. Jens holte fünf Gläser und den Alkohol und goß jedem etwas ein. Dankbar nahm ich mein Glas und trank. Es brannte in der Kehle und im Magen wurde es ganz heiß, aber es beruhigte auch die Nerven. Wir setzten uns auf die Sofas.

„Boah, Wahnsinn, das war gruselig, total abgefahren!“, fand Senna als erste ihre Sprache wieder.

„Es war beängstigend“, erwiderte Margit und nahm einen langen Schluck.

Jonas drehte sein Glas unsicher in seinen Händen.“Ob das echt ist? Oder ob die uns veräppeln?“

„Ich weiß nicht“, antwortete Jens ruhig, „Julia hatte da auch was gesehen vorhin, im Garten.“ Er zuckte mit seinen Schultern. „Vielleicht wollen sie uns nur Angst einjagen, zur Sicherheit, falls hier wirklich nichts passieren sollte!“ Er grinste und zwinkerte mir zu. Ich lächelte zurück.

Ein Blick auf die Uhr sagte uns, dass es kurz nach 13.00 Uhr war. „Ich mache mal eine Kleinigkeit zu essen“, sagte Margit bestimmt und ging rüber in die Küche.

„Soll ich helfen?“, rief ich hier hinterher.

„Nein, lass mal, ich machs allein, dann komm ich wieder runter. Kochen ist wie ne Therapie bei mir“, lachte sie.

Wir hörten aufgeregte Stimmen, Gruppe zwei kam zurück. Karl stützte Maria, die sehr bleich war und kaum gehen konnte.

„Was ist geschehen?“, rief ich bestürzt und suchte Sophias Blick.

„Wir waren im Keller“, berichtete Jason, „Und dann ging plötzlich eine Türe zu und wir kamen nicht mehr aus dem Raum raus, der Hammer! Dann ging noch das Licht aus und irgendjemand schrie wie am Spieß! Voll der Horror!“

„Es war schrecklich, Mama“, wimmerte Sophia und drückte sich an mich, sie zitterte leicht.

Jens versorgte Maria auch mit Whiskey und langsam kriegte sie wieder Farbe im Gesicht.

Er drehte sich zu einer Kamera. „So leicht kriegt ihr uns hier nicht raus … das sind ja Effekte wie in einem schlechten Gruselfilm. Gut, wir hatten jetzt alle ein gruseliges Erlebnis, aber jetzt sind wir darauf gefasst. Lasst euch was Besseres einfallen!“

Margit rief aus der Küche zum Essen und alle nahmen Platz und unterhielten sich durcheinander über das Erlebte.

„Alles gut, Mama?“, fragte mich meine Tochter mit großen Augen.

„Aber ja, es war unheimlich, aber ja, alles gut. Im Keller waren wir noch gar nicht.“

„Jason wollte da unbedingt als erstes hin!“

„Es ist eine Show … es wäre langweilig, wenn wir unerschrocken hier nur rumsitzen würden“, entgegnete ich.

„Denkst du, das machen die?“, fragte Sophia mit großen Augen.

Ich war mir nicht sicher … die Erinnerung an die Berührung im Turm war furchteinflößend. Und das Kind im Garten … „Ja“, hörte ich mich sagen, „ Das denke ich.“ Die Kamera zoomte wieder.

Margit hatte uns eine schnelle Suppe gezaubert, aber sie schmeckte gut. Allmählich hatten sich die erhitzten Gemüter wieder beruhigt und es wurde wieder gelacht.

„Boah, Leute, ihr wisst nicht, wie sehr ich mein richtiges Handy vermisse, was hätte ich hier coole, abgefahrene Fotos schießen können!“ Das war natürlich Senna.

„Baby, überleg doch mal … die sehen uns hier 24/7 … das ist doch viel krasser! Was meinst du, wie viele neue Abonnenten du bald hast?“, antwortete Jason grinsend und seine Frau rieb sich nickend die Hände.

„Aha“, fragte Kevin nach, „Machst du was auf Instagram oder so?“

„Ja klaaar“, kam sofort die Antwort, „Ich habe 576 Follower!“

Jens gegenüber schaute mich an und verdrehte grinsend die Augen. Ich musste lachen.

„Macht dir das Spaß, dass dich alle immer beobachten und alles mitbekommen?“, interessierte sich Maria.

Senna zog die Nase kraus und schaute verdutzt. „Halloo?? Wo sind wir denn hier?“ Sie zeigte auf verschiedene Kameras in der Küche.

Maria lief rot an. „Ok, das war hier und jetzt eine doofe Frage gewesen.“

„Oh“, kreischte Senna plötzlich und sah Jason mit großen Augen an, „Ey, Jason, Kameras … 24/7

… gestern Nacht? Checkst du das? Oh Gott, die haben uns beim Sex gesehen!“

Fassungslos guckte ich in Jens Augen … hatte sie das gestern wirklich ausgeblendet oder war das hier nur Show?

Wir erhoben uns schließlich alle, Margit, Maria und Karl räumten die Küche auf, meine Tochter unterhielt sich mit Kevin im Wohnzimmer über Autos. Senna verschwand mit Jason in ihrem Zimmer.

Ich ging auch in mein Zimmer, wollte eine Nachricht an meine Mutter tippen, dass es uns gutging. Da merkte ich, dass Jens mir folgte. Ich drehte mich um, er stand im Türrahmen und lächelte und ich wusste nicht, was er erwartete.

„Ja?“, fragte ich deshalb etwas unsicher.

„Oh nichts, sorry“, sagte er entschuldigend, „ ich dachte nur, wir könnten uns noch unterhalten ...?“

Da riefen Karl, Kevin und Sophia aus dem Wohnzimmer. „Kommt alle schnell her, schnell!!“ Ich lief an Jens vorbei zu meiner Tochter. Die Anderen kamen auch und Karl zeigte auf die Wand. Gegenüber von einem Sofa war ein grässliches Bild, naive Malerei, das bewegte sich nach oben und dahinter wurde ein Flatscreen sichtbar. Oliver, unser Moderator erschien. Wir drängten uns auf alle Sitzflächen und schauten erwartungsvoll in Olivers Gesicht.

„Liebe Bewohner“, begann er, „Der Tag war ja für einige schon aufregend, aber wir wollen ja nicht, dass es euch langweilig wird! Zwei von euch können gleich am Briefkasten ein Spiel abholen, ein Zeitvertreib für heute Abend!“ Er grinste schmierig. „Und heute Abend, vergesst nicht, sehen wir uns wieder. Abends gibt es für den Fernsehzuschauer die Zusammenfassung eures Tages, aber vorher gibt es eine Liveschaltung zu euch, ja euch und ihr werdet Neuigkeiten erfahren! Es wird spannend, sage ich euch! Also … schönes gruseln … wir sehen uns pünktlich um 20.15 Uhr.“ Der Monitor wurde schwarz und das Gemälde fuhr wieder runter.

„Das hab ich gar nicht mitgekriegt, dass da was hinter dem Bild war!“, rief Kevin und Sophia lachte.

„Ich geh zum Briefkasten“, rief ich laut, ich brauchte frische Luft.

„Ich komm mit“, hörte ich Jens sagen. Wieso hatte ich das schon fast erwartet?

„Jens, kann ich nicht mitgehen, ich muss mir mal die Beine vertreten“, bat Karl.

Jens nickte und so ging ich mit Karl los. Wir öffneten die Türe unseres modernisierten Wohlfühlbereiches und traten in den verwahrlosten Flur. Der Modergeruch nahm mir fast den Atem, Karl musste husten.

In der Halle angekommen gingen wir beide schnell zur Eingangstür und öffneten sie. Da spürte ich wieder etwas … als würde eine Hand mich weg von der Türe ziehen wollen.

Ich blieb stehen und sah hinter mich, aber da war nichts … Karl drehte sich zu mir um.

„Ist was, Julia?“, fragte er besorgt, „Du siehst blass aus.“

„Nein“, erwiderte ich, „Lass uns gehen!“

Wir stiegen die Treppe runter, über den kleinen Vorplatz und gingen dann den kleinen schmalen Pfad zum Gartentor.

„Ich habs auch gespürt“, sagte Karl leise.

Ich blieb stehen und sah forschend in seine Augen.

„Da war etwas in der Halle vorhin … ich habe etwas gespürt … mir wurde eiskalt, Julia.“

„Es scheint dort zu ziehen“, sagte ich und ging weiter, „Ist ein altes Gebäude, viele kaputte Fenster, es zieht halt.“

Der Park war sehr schattig, es war angenehm kühl und bald waren wir am Briefkasten. Darin war ein Paket, in Packpapier eingewickelt. Wir nahmen es an uns und machten uns auf den Rückweg.

Ich hörte ein Hundebellen, als käme es aus dem Park, weiter hinten. Karl schien es auch gehört zu haben, er blickte auch in die Richtung.

„Haben wir einen Hund?“, fragte er scherzend. Ich zuckte mit den Schultern. „Sollen wir nachsehen?“

„Nein“, entschied er, „Vielleicht hat sich einer hierher verirrt, dann wird die Produktion den wohl finden und wieder zurückbringen.“

Ein paar Minuten später kamen wir wieder bei unseren Mitspielern an. Sie drängten sich alle zu uns.

„Halt Leute“, rief Karl laut, „Lasst uns das Paket erst mal auf den Küchentisch legen und auspacken.“

Alle liefen ihm hinterher. Neben mir befanden sich meine Tochter, Jens und Margit.

„Habt ihr auch den Hund gehört?“, fragte ich beiläufig.

„Ich hab nichts gehört, Mama“, antwortete Sophia.

Margit schüttelte den Kopf und Jens hakte nach:

„Wo? Welcher Hund? Was habt ihr gehört?“

Ich antwortete kurz, dass wir Hundegebell gehört hatten und damit war für mich die Sache erledigt. Aufgeregt sah ich nach dem Paket.

Senna hatte es an sich genommen und packte es aus. „Kraaass!! Boah, ey, guckt mal!!“

„Ein Witchboard!“, rief Jonas, der sonst Stille.

„Ein … was?“, fragte seine Mutter, Maria.

„Ein Witchboard ... ein Hexenbrett … damit kann man die Geister Verstorbener anrufen und mit ihnen reden!“, erklärte ihr Sohn aufgeregt. Er drängte sich nach vorne und sah das Brett ehrfürchtig an und nahm es in die Hand.

„Wahnsinn“, sagte er anerkennend und streichelte fast zärtlich über die Holzfläche dieses Boards.

„Was?“, kreischte Senna laut, „Wir sollen mit Toten reden?? Mit Zombies oder so? Das mach ich nicht! Da mach ich nicht mit … ich mach mir doch nicht selber Angst!“

Jason nahm sie in den Arm. „Baby, du bist doch kein Angsthase! Wir wollen das Spiel hier doch gewinnen, oder nicht?“ Sie nickte stumm.

„Ok“, sagte Jens dann und nahm das Brett an sich und klemmte es sich unter den Arm, „Sie wollen, dass wir das spielen, dann spielen wir es auch … Leute ... das hier ist eine Show! Karl und ich lesen uns die Beschreibung mal durch und heute Abend, nach dem Essen, nach der Liveschaltung, haben wir dann ein Date mit Geistern!“

Alle lachten, ich auch, aber mir machte Jonas ein wenig Sorgen. Er war ziemlich verärgert, als Jens ihm das Brett weggenommen hatte und saß jetzt mürrisch in einem der Ohrensessel. Ich hatte das Gefühl, das war nicht das erste Mal gewesen, dass er so ein Witchboard gesehen hatte, er schien es zu kennen.

Während sich ein Grüppchen um Jens und Karl versammelte und zuschaute und –hörte, ging ich in mein Zimmer, legte mich auf Bett und nahm das Smartphone vom Gürtel. Ich schrieb an meine Mutter:

ES GEHT UNS GUT, MAMA. MACH DIR KEINE SORGEN, HEUTE ABEND KANNST DU UNS IM FERNSEHER SEHEN. ICH FREUE MICH JETZT SCHON WIEDER AUF ZU HAUSE UND AUF DEINEN STREUSELKUCHEN.

Ich steckte das Handy wieder zurück und schloss müde die Augen, die schlaflose Nacht machte sich jetzt bemerkbar.

Als ich wieder wach wurde, dämmerte es bereits. Ich rieb mir die Augen, hatte ich so lange geschlafen? Jemand klopfte an den Türrahmen. Ich setzte mich auf, es war Jens.

„Ausgeschlafen?“, fragte er nett nach und reichte mir ein Glas Saft.

Ich nahm das Glas und trank. „Ich wollte eigentlich gar nicht schlafen“, sagte ich, „ Ist wohl so über mich gekommen … wie spät ist es?“

Jens sah auf seine elegante, flache Armbanduhr. „Gleich halb sieben“, stellte er fest, „Wir wollen gleich essen, dann haben wir noch Zeit, um uns für die Liveschaltung hübsch zu machen!“

Er grinste. „Also ich zumindest … du bist auch so hübsch.“ Er drehte sich um und ging.

Ich stand auf, schüttelte mein Haar zurecht und sah nach, wo Sophia sich aufhielt. Sie half Margit und Senna, den Tisch zu decken und lächelte mir zu, als sie mich sah. Sie sah glücklich aus, so, als wären wir hier im Urlaub und nicht eingeschlossen und den Blicken der Zuschauer ausgesetzt. Ich ging in die Küche um zu sehen, was es denn gab. Senna hatte wohl verschiedene Salate gemacht und Margit hatte Hähnchenbrust und Steaks dazu gebraten. Es roch sehr gut, im Backofen wärmten sie Tiefkühlbaguettes dazu auf.

Nachdem wir alle gegessen hatten, und wir hatten wirklich gut gegessen, wurde die Küche blitzschnell aufgeräumt und geputzt. Alle Paare strömten in ihre Zimmer und zogen sich schnell noch um oder frisierten und schminkten sich.

Ich kämmte mein Haar und tuschte meine Wimpern, Sophia brauchte länger, aber auch zu Hause saß sie stundenlang am Frisiertisch und pinselte und malte.

Es war 20.10 Uhr, allmählich füllte sich das Wohnzimmer und wir nahmen alle auf den Sofas Platz. Jonas nicht, er wählte den Ohrensessel. Das olle Gemälde fuhr wieder nach oben, der Monitor wurde sichtbar. Senna war unzufrieden und lief in letzter Minute noch einmal ins Zimmer zurück, um die Ohrringe zu wechseln.

Oliver erschien auf dem Screen, er trug einen sportlich eleganten Anzug. Ich hörte sämtliche Kameras im Wohnzimmer zoomen, ich war höllisch aufgeregt.

„Liebe Zuschauer“, begann Oliver die Moderation, „Wir sehen uns heute zur Zusammenfassung des ersten Tages unserer Spieler von WMS - Watch Me Scream!“ Applaus war zu hören, waren Zuschauer im Studio? „Unsere Bewohner sind uns in diesem Augenblick zugeschaltet! Hallo Bewohner! Noch keine Geister gesehen?“ Er grinste in die Kamera „Zuerst einmal muss ich euch sagen: Wisst ihr eigentlich, was hier schon an Tag 1 in Deutschland abgeht??!! Wie euch bekannt ist, kann man euch 24 Stunden online sehen und Bewohner - man sieht euch! Ach übrigens Senna … hübscher rosa String letzte Nacht!“

„Nein!“, kreischte sie und lachte danach. Wir lachten mit und dann sprach Oliver weiter.

„Ein paar kleine unheimliche Sachen sind ja schon passiert, ich will dem Fernsehzuschauer noch nicht zu viel verraten, aber heute habt ihr ja auch noch einen Spieleabend! Was es damit auf sich hat, erklären wir später unseren Zuschauern. Aber was wir jetzt schon unseren Zuschauern verraten: Ihr müsst unbedingt anrufen, denn es gibt etwas zu gewinnen! 1.000Euro? Nein! 10.000 Euro? No! Auch nicht 100.000 Euro! Ihr könnt um ein Telefongespräch mit eurem Lieblingsbewohner spielen! Ja, wirklich! Wie das geht? Ihr ruft unter 01568/33226 an, sagt den Namen eures Lieblings und unter allen Anrufern werden je drei Leute pro Bewohner ausgewählt. Ihr bekommt dann die Handynummer zugesendet und einmal - e i n m a l - während der 20 Tage könnt ihr für 10 Minuten mit dem Teilnehmer eurer Wahl telefonieren. Ja! Über was? Ihr könnt ihm oder ihr nen Heiratsantrag machen, Kochrezepte austauschen, lästern … oder richtige Angst machen … jaa! Bedenkt, ihr habt nur einen Anruf, nur 10 Minuten … überlegt gut, wann ihr anruft und über was ihr reden möchtet. Am besten, ihr bleibt online dran, um euren Liebling zu sehen, zu sehen, wann ihr am besten anrufen könnt! Und jetzt … an die Telefone, an die Handys, los!!“

Wir sahen uns verdutzt an. Davon hatten sie uns nichts gesagt. Aber gut, was machte das schon für einen Unterschied. Ok, wir würden mit fremden Menschen reden müssen, aber das würde wohl auch noch gehen.

„So, liebe Bewohner, ihr habt gehört, was auf euch zukommt, jeder von euch wird drei Anrufe erhalten, irgendwann, keiner weiß den Zeitpunkt. Und damit wollen wir uns von euch verabschieden, ihr habt noch zu spielen, und wir hier sehen uns die Highlights des heutigen Tages an … bis morgen!“ Er winkte und auch wir winkten brav zurück.

„Bis Morgen!“, riefen Senna und Jason und dann alle zusammen. Der Monitor ging aus und das Bild fuhr wieder runter.

„Ach, das hatte ich mir aber anders vorgestellt.“, meinte Maria enttäuscht.

„Ja, ich dachte auch, der unterhält sich mit uns“, stimmte ihr Margit zu und auch Senna war unglücklich.

„Ey, ob man mich auch richtig gesehen hat?“

„Leute, findet ihr das nicht irre, dass uns drei Menschen hier anrufen können?“, fragte Kevin aufgeregt.

„Na, solange die nicht nachts anrufen und uns vom schlafen abhalten …“ scherzte Karl.

„Schhhht, Karl!“, rief Senna, „ Du gibst denen böse Tipps!“

Ich lachte.

„Spielen wir jetzt endlich?“, murrte Jonas aus seinem Ohrensessel. Ich sah kurz zu ihm hin.

Man vergaß ihn manchmal, weil er so still war, aber es musste ja auch stille Menschen geben. Eine Welt voll Sennas wär jetzt auch nicht so erstrebenswert.

Jens kramte das Board heraus und Karl half ihm.

„Ok“, begann Jens, „Die haben uns hier geschrieben, wir sollen das Witchboard auf den Boden legen, also müssen wir die Sofas zur Seite rücken. Danach sollen wir Kerzen, die hat Maria in der Küche gefunden, im Kreis aufstellen und anzünden und wir sitzen dann ebenfalls im Kreis um dieses Board herum.“

„Unheimlich … krass!“, flüsterte Senna.

Jens holte kurz Luft und sprach weiter: „Wir sollen dann zusammen die Toten anrufen und auffordern, mit uns Kontakt aufzunehmen.“

„Ich weiß, wie das geht!“, rief Jonas. Ich fragte mich, woher er das wusste.

„Darauf sollen dann jeweils drei Personen ihre Hände auf die Planchette legen und dann zusammen ihre Fragen stellen“, beendete Jens die Erklärung des Spiels.

„Planch … was?“, fragte Senna.

Keiner antwortete ihr, es begann hektisches Treiben. Jason holte die Kerzen, Jens, Kevin und Jonas verschoben die Sofas, Karl legte das Brett aus.

„Oh je“, stöhnte Margit, „Meine armen Knie, hoffentlich halte ich das durch auf dem Boden.“

Sophia stellte mit Jason zusammen die Kerzen auf, ich zündete sie nacheinander an mit Streichhölzern aus der Kommode des Wohnzimmers. Wir setzten uns um das Brett und wie von Zauberhand wurde das elektrische Licht gedimmt, bis wir nur noch Kerzenschein hatten. Ich schaute in die Gesichter um mich herum … im Licht der Kerzen sahen sie anders aus, noch fremder. Jemand räusperte sich.

„Fasst euch an den Händen, alle zusammen“, forderte uns Jonas auf. Er blickte alle prüfend an und als unser Kreis geschlossen war, schloss er die Augen und begann wieder zu sprechen: „ Wir rufen die Verstorbenen um uns herum an, meldet euch. Wir rufen die Toten um uns herum an, gebt uns ein Zeichen. Wir rufen euch an, mit uns in Kontakt zu treten!“

Eine Kerze begann wild zu flackern und Senna sah sich ängstlich um.

„Ist das das Zeichen, Jonas?“, fragte sie flüsternd.

Er nickte stumm und öffnete seine Augen wieder. „Ja“, sagte er mit düsterer Stimme, „Wir haben Kontakt! Wer will eine Frage stellen?“

„Ich“, sagte Karl leise und legte seine Hände zusammen mit Margit und Maria auf die Planchette. „Ich möchte wissen: Bist du männlich oder weiblich?“ Zuerst tat sich gar nichts. Jens musste husten. Dann jedoch bewegte sich dieses Ding und berührte nacheinander die Buchstaben, die dann das Wort „weiblich“ bildeten.

„Oh Gott“, entfuhr es Senna und sie hielt sich die Hände vor den Mund.

„Wie heißt du?“, fragte Karl weiter. Die Planchette setzte sich wieder in Bewegung.

U-R-S-U-L-A

„Oh Scheiße!“, zischte Senna, „Jason, ich will hier weg!“

„Frag, ob sie hier gewohnt hat“, forderte Kevin Karl auf. Karl formulierte seine Frage und sofort kam die Antwort: Ja.

Ich bestaunte fasziniert das Geschehen. War das echt? Ich hielt Margit und Karl nicht für Leute, die sich mit uns Scherze erlauben würden. Oder doch? Es ging immerhin um 500.000 Euro. Plötzlich begann dieses Ding, die Planchette, wie wild zu zucken und hier hin und dorthin zu fahren. Margit, Karl und Maria sahen uns hilfesuchend an.

„Wir machen das nicht!“, rief Margit voll Angst.

„Da!“, schrie Jonas, „Sie will uns was sagen!“ Tatsächlich beruhigte sich das Holzstück und fuhr wieder von Buchstabe zu Buchstabe.

J-U-L-I-A

Mein Herz zog sich zusammen und alle sahen mich erschrocken an.

„Hört sofort auf mit dem Scheiß!“, kreischte Senna und sprang auf und lief zum Lichtschalter. Augenblicklich wurde es hell.

Es war vorbei, die Planchette kam zur Ruhe.

Jens war dabei, die Kerzen auszublasen und sah mich dabei ernst an. Jonas saß wie angewurzelt und sah mich auch an.

„Julia“, sagte er leise, „ Sie will Kontakt mit dir aufnehmen! Sie will dich, sie hat dich ausgewählt!“

„Halts Maul, du Psycho!“, meckerte Senna laut, „Du bist doch voll krank, ey!“

„Lass meinen Sohn in Ruhe!“, ging jetzt Maria dazwischen und funkelte die junge Frau böse an.

„Jonas komm“, rief sie ihren Sohn und verschwand mit ihm in ihrem Zimmer.

Karl zog mich an der Hand hoch. „Es tut mir leid, aber das war echt, Julia, wir haben nichts gemacht, das war keine Show!“, wollte er erklären.

„Hey, es ist gut“, lachte ich, „Ich bin nicht so ängstlich … das macht mir gar nichts.“ Ich versuchte ein Lächeln für alle, was nicht so einfach war. Innerlich war ich aufgewühlt und total durcheinander.

„Mama“, Sophia berührte mich an der Hand und ich zuckte zusammen. „Mama, was ist denn los? Was passiert denn hier?“

Auf ein Zeichen von Jens nahm Kevin Sophia zur Seite und ging mit ihr in die Küche was trinken. Jens kam zu mir und legte einen Arm um meine Schulter. Ich hörte plötzlich wieder Kameras zoomen.

„Ich glaube, Julia, du bist sowas wie ein gutes Medium … du scheinst hier echt Kontakt zur Geisterwelt herzustellen.“ Ich schaute ihm in die Augen. Dann streifte ich seinen Arm ab und begab mich in mein Zimmer, ohne ein weiteres Wort.

Ich saß eine ganze Weile auf meinem Bett, still, vor mich hin starrend, an Frank denkend. Sollte ich abbrechen? Wir konnten jederzeit das Spiel abbrechen, hatten sie gesagt. Und dann? Die Tür öffnete sich, meine Tochter trat ein und setzte sich auf ihr Bett, zog ihre Schuhe aus und sah mich besorgt an.

„Willst du heim?“, fragte sie besorgt.

Ich suchte nach einer Antwort in ihren Augen. Dann schüttelte ich den Kopf. „Nein, wir bleiben hier. Sowas macht mich nicht fertig“, sagte ich kämpferisch und Sophia strahlte. Ich hatte sie beruhigt.

„Richtig!“, sagte sie bestimmt, kam rüber und zog mich auf die Beine. Wir beide schauten hoch zur Kamera.

„Meine Mama und ich gehen nicht, wir gewinnen nämlich hier!“

Tag 2

Es klingelte und ich wurde wach davon. Ich knipste die Nachttischlampe an. Es war 3.56 Uhr. Was klingelte hier? Ich kam nur langsam zu mir, ich hörte das Klingeln immer noch, ein Telefonklingeln, wie in alten Krimifilmen. Aber, es gab hier kein Telefon …

Ich stand vorsichtig auf, Sophia schlief fest und ruhig. Ich öffnete unsere Tür und sah ins Wohnzimmer. Niemand war da, das Klingeln war auch weg. Ich tapste müde zum Kühlschrank, wenn ich jetzt wach war, dann wollte ich etwas Kaltes trinken. Orangensaft stand vom Mittag noch da, ich füllte ein Glas und leerte es in einem Zug. Im nächsten Augenblick erschrak ich. Da war es wieder, das Klingeln, leise, so als stünde das Telefon dazu irgendwo im Haus, aber nicht hier.

Die Türe der Barths öffnete sich, Jens lugte raus, die Haare strubbelig, sich die Augen reibend. „Julia? Hast du das auch gehört? ... wie ein Telefon?“

Ich nickte stumm. Er schloss die Türe und kam zu mir. Es klingelte immer noch.

„Was ist das?“, fragte ich. Er horchte angestrengt. Er nahm mich wortlos an die Hand und zog mich mit sich. Wir steuerten die Eingangstür zu unserem Bereich an.

„Jens, wo willst du hin?“, flüsterte ich verärgert.

„Na, sehen, wo das herkommt!“, sagte er bestimmt und drückte die Klinke runter. Wir gingen vorsichtig ein paar Schritte in den Korridor, es war dunkel, wir sahen nichts, aber das Klingeln hörten wir immer noch.

„Lass uns zurückgehen“, bat ich ihn.

„Wir müssen nur eine Taschenlampe besorgen“, entschied er und ging zurück ins Wohnzimmer und kramte und kam tatsächlich mit einer Taschenlampe zurück. Jens nahm meine Hand, schaltete die Lampe ein und leuchtete in den Flur. Sie gab nur einen schwachen Schein ab. „Hörst du noch was?“, fragte er mich.

„Nein“, gab ich zur Antwort, „Ich höre nichts mehr. Wir können wieder gehen.“

Doch er hielt mich fest und ging entschlossen weiter. Sein Griff war stark und ich wollte das hier eigentlich gar nicht. Wir waren schon fast an der Eingangshalle, da hörten wir es wieder. Ich bekam Angst. Der Flur hinter mir lag im Dunkeln, die Halle konnten wir mit der kleinen Taschenlampe nicht wirklich heller machen und Mondlicht schien unheimlich durch die hohen Fensterscheiben oben an der großen Treppe.

„Es kommt von oben“, flüsterte Jens und führte mich Richtung Treppe.

„Jens ich will nicht, ich ängstige mich … verdammt, das macht mir Angst!“ Er hielt sich die Lampe ans Gesicht und sah mich an. Im Lichtschein sah er unheimlich aus, ich wollte ins Bett zurück.

„Willst du denn nicht wissen, wo das herkommt? Willst du nicht nachsehen?“, fragte er eindringlich.

„Nein, ich will zurück, sofort!“ Meine Stimme wurde lauter und echote etwas in der Halle.

„Ok“, sagte er schließlich und lockerte seinen Griff um mein Handgelenk. „Aber morgen, wenn es hell ist, werde ich dieses verdammte Telefon suchen. Irgendwo hier muss ja offensichtlich eines sein.“

Endlich gingen wir zurück und als wir wieder in unserem Wohnzimmer waren, ließ ich mich erleichtert in einen Sessel fallen. Jens brachte mir ein Glas Wasser.

„Entschuldigung“, sagte er zerknirscht, „Ich wollte dir keine Angst machen. Ich wollte sehen, wo ein Telefon ist, wollte nur die Bestätigung, dass wir uns das nicht nur einbilden.“

„Es ist ok“, sagte ich müde, „Aber bitte, mach mir nicht mehr solche Angst!“ Er nickte.