Wattrennen in den Tod - Susanne Ziegert - E-Book

Wattrennen in den Tod E-Book

Susanne Ziegert

0,0

Beschreibung

Am Vorabend des Duhner Wattrennens verschwindet das berühmte Rennpferd Diamond Moon spurlos aus seiner Box. Kriminalhauptkommissarin Friederike von Menkendorf und die Malerin Margo Valeska folgen den Hinweisen bis an den Strand. Wurde der Vollblüter über das Watt entführt? Die Rennserie findet trotzdem statt, dabei fällt ein Jockey tot vom Pferd. Offensichtlich Mord. Wie hängen die Ereignisse zusammen? Spuren führen in die Rennszene und ins Tierschutzmilieu. Während die Ermittler das Puzzle langsam zusammenfügen, geschieht ein zweiter Mord …

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 368

Veröffentlichungsjahr: 2025

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Susanne Ziegert

Wattrennen in den Tod

Kriminalroman

Zum Buch

Galopp mortale Edle Vollblüter, Möwenschreie und die Weite des Wattenmeers. Tausende Zuschauer kommen alljährlich zum Wattrennen in Cuxhaven-Duhnen. Doch in der Nacht vor der Veranstaltung geschieht eine Katastrophe: Das berühmte Galopprennpferd Diamond Moon verschwindet spurlos aus seiner Box. Kriminalhauptkommissarin Friederike von Menkendorf und die Malerin Margo Valeska folgen den Hinweisen bis an den Strand. Wurde der Vollblüter über das Watt entführt? Die Rennserie findet trotzdem statt, dabei fällt ein Jockey tot vom Pferd. Es war Mord. Die Ermittler durchleuchten das Umfeld des Toten und die Rennszene. Lautstark protestierende Tierschützer geraten in den Fokus. Haben sie den Star der Veranstaltung entführt? Bevor die Polizei einen Zusammenhang herstellen kann, kommt es zu einem zweiten Todesfall. Fieberhaft arbeiten sie daran, die Puzzlestücke zusammenzusetzen, um weitere Taten zu verhindern.

Susanne Ziegert wurde im Erzgebirge geboren. Zwei Tage vor dem Mauerfall floh sie in den Westen, um endlich Paris zu sehen. Sie studierte in Aix-en-Provence, arbeitete mehrere Jahre in Brüssel. Nach dem Volontariat in Berlin arbeitete sie für überregionale Zeitungen wie Die Welt und die Neue Zürcher Zeitung am Sonntag. Seit 2019 lebt die Autorin mit ihrem Ehemann sowie Pferden und Eseln in einem 230 Jahre alten Bauernhof im Landkreis Cuxhaven. Neben ihrer schriftstellerischen Arbeit ist sie als Journalistin und Dolmetscherin für Französisch tätig. Land und Menschen im Norden inspirieren sie zu ihren Büchern.

Impressum

Die automatisierte Analyse des Werkes, um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen gemäß § 44b UrhG (»Text und Data Mining«) zu gewinnen, ist untersagt.

Bei Fragen zur Produktsicherheit gemäß der Verordnung über die allgemeine Produktsicherheit (GPSR) wenden Sie sich bitte an den Verlag.

Immer informiert

Spannung pur – mit unserem Newsletter informieren wir Sie

regelmäßig über Wissenswertes aus unserer Bücherwelt.

Gefällt mir!

Facebook: @Gmeiner.Verlag

Instagram: @gmeinerverlag

Besuchen Sie uns im Internet:

www.gmeiner-verlag.de

© 2025 – Gmeiner-Verlag GmbH

Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch

Telefon 0 75 75 / 20 95 - 0

info@gmeiner-verlag.de

Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt

Satz/E-Book: Mirjam Hecht

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

unter Verwendung eines Fotos von: © vlevelly / stock.adobe.com; C. Löser, CC BY 3.0 DE <https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/de/deed.en>, via Wikimedia Commons; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Cuxhaven_Neuwerk_April-2017_DSC_1547.JPG

ISBN 978-3-7349-3306-6

Haftungsausschluss

Personen und Handlung sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Kapitel 1

Die Wattfläche lag im Dunkeln, zart kündigte sich die Morgendämmerung an, zeichnete ein rötliches Band am Horizont. Das Rot verlief nach einem Moment wie kühne Pinselstriche eines Malers über den Himmel. Ein Windstoß verwirbelte ihre Haarsträhnen. Sie hatte keinen Blick für die Schönheiten der Natur und kniff die Augen zusammen. Prüfend sah sie auf die Uhr und den Meeresboden bis zu ihrem Ziel. Schwarz zeichnete sich die Silhouette der Insel Neuwerk mit dem burgartigen Leuchtturm in der Ferne ab.

Das Wasser hatte sich nicht vollständig zurückgezogen, Priele und tiefe Pfützen spiegelten das Farbspiel der aufgehenden Sonne. So war vor allem das Sahlenburger Loch auf der Strecke unpassierbar, das wusste sie von den vielen Touren zur Insel. Sie schätzte, dass sie in einer halben Stunde starten konnten. Sie drehte sich um und stapfte durch den Sand der Dünen und querte den Deich, entschlossenen Schrittes lief sie zwischen den Hotelhochhäusern in der ersten Reihe vorbei an der Strandstraße entlang in Richtung Dorfbrunnen. Der Platz um das reetgedeckte Brunnenhäuschen war menschenleer. Das konnte eine Weile so bleiben, hoffte sie. Sie eilte in die Einfahrt des Pferdehofes gegenüber. Das historische Stallgebäude mit seinen grünen Holztüren war das Überbleibsel des einstigen Bauerndörfchens Duhnen. Der Wattwagenhof Strobel war ihr seit ihrer Kindheit vertraut, hier lebte ihre beste Freundin Vanessa. Deren Großmutter hatte ihnen oft erzählt, wie Kühe und Pferde einst auf den Weiden hinter den Sanddünen grasten. Dort, wo sich jetzt die Betonburgen reckten, befanden sich Stallungen oder Wiesenflächen.

Durch eine Malerkolonie wurde Duhnen als Reiseziel entdeckt. Der Urgroßvater der Strobels hatte damals mit Freunden das Wattrennen organisiert, um die Gäste zu unterhalten. Mittlerweile waren die meisten alten Höfe Betonburgen gewichen und das Rennen eine Massenveranstaltung mit 10.000 Gästen. In wenigen Stunden sollte die Veranstaltung wieder starten. Doch dieses Mal würde einiges anders laufen, wenn ihr Plan gelang.

Seit vielen Jahren brachte die Familie ihrer Freundin während des Rennens in ihren Pferdeboxen die Galopper des Rennstalls Tonnac unter. Sie liebte diese edlen und sensiblen Pferde und kannte jedes von ihnen, denn ihr Vater war bis vor einem Monat der behandelnde Tierarzt gewesen, eines ihrer Praktika hatte sie in diesem Stall gemacht.

Sie sah den silbernen Pferdetransporter mit der Aufschrift des Rennstalls auf dem Hof und ging weiter zum Boxentrakt. Sie hatte keine Angst, entdeckt zu werden. Denn sie war ein häufiger Gast auf dem Hof und hätte sich mit einem Besuch bei ihrer Freundin herausgeredet.

Sie blieb einen Moment auf dem Hof stehen. Auf der rechten Seite befanden sich das längliche Stallgebäude, daneben eine Weide für die Pferde, links schloss sich ein dreigeschossiges Haus mit Ferienwohnungen an, am anderen Ende des Hofs stand die Halle mit den gelben Wattwagen. Diese verdeckte den Blick auf das dahinterliegende Wohnhaus der Familie und deren Garten, ein kleiner Weg führte an der Kutschengarage vorbei nach hinten.

Noch war alles dunkel, die Stallhelfer hatten nicht mit der Versorgung der Pferde begonnen. Der Wind trug ihr Geräuschfetzen von Gelächter und Musik zu, sie versuchte festzustellen, woher die Geräusche kamen. Da fiel ihr das Gespräch ein, das sie kürzlich im Stall aufgeschnappt hatte. Das war vermutlich der berühmte Aperitif am Vorabend des Rennens, der in keinem offiziellen Programm stand. Alljährlich vor dem Großereignis luden die Hofbetreiber zu einem Fest, das offenbar bis in die Morgenstunden dauerte. Amkea verabscheute solche Besäufnisse zutiefst, doch in dem Fall kam ihr die Party gelegen. Wegen der lauten Musik würden die Anwesenden nichts von ihrer Aktion mitbekommen. Zügig ging sie zum Stallgebäude und öffnete die Tür. Die Stallgasse mit den Pferdeboxen auf beiden Seiten lag vor ihr, die Pferde dösten entspannt in ihren Boxen, und einige Köpfe hoben sich überrascht bei ihrem Eintreten. Sie musste ihn schnellstmöglich finden, ohne entdeckt zu werden.

Ganz leise rief sie seinen Kosenamen: »Dino. Bist du hier?« Sie vernahm ein Wiehern aus dem hinteren Drittel des Stalls, und schon schob sich Diamond Moons edler Kopf über seine Boxentür zur Mitte des Gangs. In dem Moment ging das Licht an, sie hörte Schritte. Innerlich fluchte sie, warum war sie nicht früher gekommen. Sie konnte nur den Rückzug antreten.

Schnell versteckte sie sich hinter einem der Heuballen in der Nachbarbox.

»Na, Großer, wie geht es dir? Mach mir keine Schande morgen«, vernahm sie eine männliche Stimme. Die Schritte endeten etwa auf Höhe von Dinos Box. Wer war das? Sie hörte ein Geräusch, der Mann schien Diamond Moon mit der flachen Hand auf den Hals zu klatschen. Am liebsten wäre sie aufgesprungen. Es hatte sich bei diesen Sportreitern offenbar noch nicht herumgesprochen, dass Pferde diese angebliche Liebkosung nicht mochten. Aber diese Form des Lobes hielt sich, weil man es schon immer so machte. Aus ihrem Versteck erkannte sie die ausgemergelte Silhouette des Jockeys Cristobal Bullwin, der Mann, der Dino bei dem Rennen reiten sollte. Was hatte er bloß um diese Uhrzeit bei Diamond Moon zu suchen? Sie spähte hinter ihrem Ballen hervor. Irgendetwas gab er dem Pferd zu fressen, er sah sich dabei nach allen Seiten um. War es eine verbotene Substanz? Sie würde es später herausfinden.

Die Schritte entfernten sich endlich, sie atmete auf, erhob sich und bewegte sich im Schatten der Wand auf den Hof. Sie schaute sich in alle Richtungen um. Nichts. Vielleicht war der direkt vom Feiern in den Stall gekommen und wieder dahin zurück gegangen? Sie sah keine Menschenseele weit und breit. Sollte sie das Unterfangen trotz der unliebsamen Störung wagen? Sie öffnete noch einmal die Boxentür und ging zu Diamond Moon.

»So, mein Schatz, bist du bereit?« Ruhig sprach sie auf ihn ein, tastete seine Beine sanft ab. Zum Glück war keine Schwellung an seinem rechten Vorderbein zu spüren, dort hatte er sich an der Sehne verletzt und deshalb mehrere Monate pausieren müssen. Hoffentlich hatte ihm der Mann kein Dopingmittel gegeben, beispielsweise ein Schmerzmittel. Sein Allgemeinbefinden schien gut zu sein, also konnten sie die Tour wagen. Sie streichelte seine Lieblingsstelle an der Stirn. Er hob den Kopf und verzog das Gebiss zu einer Grimasse. Es sah aus, als würde er lachen, weil sie sich wiedersahen.

Was sie vorhatte, war riskant. Für alle beide. Wenn sie nichts tat, ließ sie ihn in sein Verderben laufen. Vielleicht sogar direkt in den Tod. Ein Sehnenriss oder eine Fraktur waren noch immer schwer behandelbar und konnten für einen Galopper das Todesurteil sein. Sie würde sich selbst nicht mehr im Spiegel in die Augen sehen können.

Zum Glück hatte der Dreckskerl ihren Rucksack mit dem Reitpad nicht gesehen. Das war alles, was sie neben dem simplen Strickhalfter mitgebracht hatte. Dieses Bändle lag lediglich oberhalb der Ohren auf und formte einen Ring um die Nase, aus dem darunter die Zügel abgingen. Diese einfache Konstruktion war leicht und für das Pferd nach ihrer Einschätzung am verträglichsten. Damit hatte sie in seiner Rehazeit mit ihm schon geübt, er reagierte meist auf ihre Stimme. Sie vertraute auf ihre Beziehung, es würde gut gehen. Sie schob die Boxentür auf, legte Dino das Pad auf und verschnürte es unter dem Bauch, brachte das Strickhalfter an der Nase an. Sie hatte nur eine Chance, wenn sie im Stall aufstieg und direkt von hier losritt. Falls jemand seine Schritte hörte und Alarm schlug, hätte sie nicht mehr die Zeit, um aufzusteigen. Wie alle Rennpferde hatte er einen sensiblen Rücken, sie konnte nur über eine Aufstiegshilfe auf das Pad gelangen. Sie nutzte eine Trittleiter.

Ruhig ließ er sie gewähren, sie nahm die Zügel locker auf und ritt aus dem Stall, über den Hof und durch die Einfahrt auf die Straße. Dino schnaubte freudig, sie spürte seine Muskelspannung unter sich und murmelte beruhigende Worte. Im Schritt lenkte sie ihn über den Platz am Dorfbrunnen die Strandstraße entlang. Mittlerweile waren einige Fußgänger meist mit Hund unterwegs, niemand schenkte ihnen Beachtung. Kurz vor Niedrigwasser gehörten Reiter in Duhnen zum gewohnten Ortsbild. Sie waren an der ersten Reihe der Hotels direkt vor dem Deich angekommen. Sie ritt den steilen Weg auf den Damm hinauf, oben wieherte der Hengst aufgeregt und tänzelte. Dieser Blick auf die Weite des Watts vermittelte ein Gefühl von Freiheit. Wo sonst waren Reiter von einem solch gigantischen Naturraum umgeben, ohne Häuser, Beton und Autos. Die Wattfläche lag vor ihnen, erste Sonnenstrahlen glitzerten auf dem schon beinahe trockenen Meeresboden.

Vermutlich konnte der Hengst weiter in diese traumhafte Landschaft hinaussehen als sie selbst. Sein Wiehern hatte freudig geklungen.

»Alles wird gut, mein Schöner«, murmelte sie mit sanfter Stimme und strich ihm über den Hals. »Auf geht’s, Dino«, forderte sie den Hengst auf, der gleichzeitig mit ihren Gedanken loslief. Der Vollblüter war zum Glück am Ende seiner Rehazeit täglich über den trockenen Meeresboden gelaufen und kannte die Strecke. Sie hatte jetzt genug Zeit, um die Tour in langsamer Gangart zu schaffen, bevor das Wasser wieder auflief.

Sein Schritt beschleunigte sich, sie spürte seine Energie, die Freude, endlich zu laufen. Und doch richtete er ein Ohr nach hinten, um mit ihr zu kommunizieren. Was für ein liebenswerter Bursche er war.

»Erst müssen wir durch den Priel, Dino. Hab Geduld«, bat sie ihn, und er ging weiter im Schritt. Ein wenig traben durfte er, doch eine zu starke Belastung würde die Regeneration seiner verletzten Sehne im rechten Vorderbein gefährden. Die Hufe patschten gleichmäßig ins Wasser und wirbelten den Schlamm nach oben. Noch waren sie alleine auf dem Weg, hinterließen ihre Spuren in der wellenförmig geformten Sandfläche. Deutlich erkannte sie die Umrisse der Insel Neuwerk vor ihnen. Die Sonne war mittlerweile aufgegangen und verwandelte das umliegende Watt in einen funkelnden Silberspiegel, außer ihren Schritten war nur das Plätschern der unzähligen Wattwürmer und das hohe Piepsen der Austernfischer zu vernehmen.

Endlich waren sie über die steinige Wegführung am Priel hinweggelaufen, eine trockene freie Strecke lag vor ihnen.

Kaum hatte sie an eine schnellere Gangart gedacht, als das Pferd seine Schritte beschleunigte und sich in einem gleichmäßigen Trab bewegte.

Sie hielt sich im Jockeysitz auf seinem Rücken. Gelernt war gelernt, sie genoss die Harmonie der gemeinsamen Bewegung. Nach ein paar Minuten in der Gangart gab sie einen Pfiff von sich, der in einer tieferen Tonlage endete – das Signal, wieder langsamer zu werden. Er reagierte so schnell, als könne er Gedanken lesen. Sie lobte Dino mit sanfter Stimme.

Niemand außer ihnen war im Watt unterwegs. Die Wattwagenfahrer vom Festland pausierten wegen des Rennens. Sie war erleichtert, dass ihr keiner in die Quere gekommen war, denn Pferdemenschen hätten sofort erkannt, wen sie vor sich hatten.

Endlich sah sie das schwache Licht des Leuchtturms direkt vor ihnen, sie hatten es fast geschafft. Jetzt nichts riskieren, sie stieg ab und führte das Pferd bis zum Ufer, dann den befestigten Weg über den Deich. Sie entschied sich gegen den Mittelweg auf der Insel, dort bestand am ehesten das Risiko, entdeckt zu werden, denn die Wattwagen oder der Versorgungstraktor der Neuwerker nutzten diese Verbindung.

Stattdessen ritt sie den Weg hinter dem Deich entlang, bis sie zum Stall kam, den sie für den Zweck vorbereitet hatte. Sie spülte die Beine des Pferdes ab und legte ihm eine Abschwitzdecke auf. Sie untersuchte ihn gründlich durch Abtasten und atmete auf. Alles war in bester Ordnung.

»Hier, mein Schatz, das magst du doch?«, sie stellte ihm eine Schüssel Pferdemüsli hin, das Dino mit einem erfreuten Brubbeln registrierte und restlos verspeiste. Als sein Fell unter der Decke getrocknet war, führte sie ihn in seine Box, hängte einen Heusack hinein und befüllte seinen Futtereimer mit einer Handvoll Möhren. »Danke, du Hübscher«, flüsterte sie ihm ins Ohr.

Der Stallbesitzer Kai-Uwe König, unterzog sich einer Hüft-Operation, und sie vertrat ihn während ihrer Semesterferien. Für die groben Arbeiten standen ihr noch zwei Stallhelfer zur Seite, der Geschäftsführer, ein entfernter Verwandter des Chefs, hielt den Pensionsbetrieb am Laufen. Sie hatte vor ein paar Tagen angekündigt, dass sie ihr Pferd auf die Insel kommen lassen wollte.

Dann ging sie ins Haus. »Warst du im Watt?«, fragte ihre Zimmernachbarin Katrin, mit der sie die Wohnung teilte. Die junge Frau lauerte stets auf ihr Kommen und Gehen. Sie war im Service und in der Küche tätig und offensichtlich unzufrieden mit ihrem Job, bei ihren Gesprächen spürte sie immer eine Prise Neid auf ihr selbstbestimmtes Tun im Pferdestall. Katrin ließ den Blick über ihre verschlammte Kleidung schweifen. Sie nickte: »Herrlich, so eine Tour in der aufgehenden Sonne.« Sie hoffte, dass die andere keinen Verdacht geschöpft hatte.

*

Facebook Gruppe Cuxhaven touristenfrei

Tourihasser

Morgen ist es soweit. Wir werden den Invasoren die Laune vermiesen. Das wird das letzte blöde Wattrennen sein :) :) :) Kein Besucher wird sich den Mist mehr anschauen. Denen wird das Lachen so gründlich vergehen. Wir haben eine wunderbare Überraschung geplant. Ich könnte mir einen Ast lachen, wenn nicht alles so traurig wäre. Der Ausverkauf unseres geliebten Cuxhaven darf nicht weitergehen. Alles Geld fließt nach Duhnen, weil da die meisten Touris hinkommen. Die kriegen jeden Wasserhahn vergoldet. Allein die Kosten für den Sand, der Strand muss ja aussehen wie auf der Postkarte. Und für die Einheimischen bleibt nichts übrig. Bis auf die Duhner. Wir wissen ja, wer dort wohnt und das Sagen hat! Diese ganzen Nasen aus der Provinzpolitik hocken da in ihren Villen. Schaut mal, wie unsere Straßen vergammeln. Kein Geld für den Schulneubau. Und Wahrzeichen der Stadt. Habt ihr das Schiff Hermine gesehen, wie es vor sich hin rottet?

120 Likes

4 Kommentare

Cuxhavenherz

Ein Skandal, wie du sagst. Die werden wir morgen richtig aufmischen. Wir haben genug von den Massen. Immer Stau, alle Läden voll. Und von wegen Arbeitsplätze. Das sind Sklavenverhältnisse für Billiglöhner. Nur zum Kotzen dieses blöde Rennen. Was das kostet. Aber das werden wir denen vermiesen, wie wir besprochen haben. Wir sind dabei. Für unsere Stadt, Cuxhaven tourifrei. Ich freue mich auf die Mädels.

PetraCux

Unglaublich, was das alles kostet. Für die Sicherheit, da gehen Tausende Euro drauf. Und die Stadt verfällt. Ich habe mir neulich die Hermine angesehen, total verrottet. Statt dieses traumhaft schöne Schiff zu sanieren, wurde einfach der Mast entfernt. Wie eine Amputation. Der Schiffsrumpf rottet weiter, irgendwann kommt auch der weg. Dafür gibt es kein Geld. Oder den letzten Hafenkran am Steubenhöft, der liegt auf dem Schrott. Für die blöden Touris sitzen die Millionen locker! Denen zeigen es die Mädels mal!

Hein BLD

Bin dabei, schade, dass keine mit dem Trekker kommen. Aber die Nackerten sind gut! Endlich was tun, nicht nur labern.

Tourihasser

@Hein BLD. Genau, jetzt schlagen wir Cuxhavener zurück. Wir lassen uns nicht länger in die Enge treiben. Bis morgen. Treffpunkt per PM, man weiß nie, Feind hört mit.

Kapitel 2

Unruhig hatte sich Friederike von Menkendorf in ihrer ersten Nacht in der Cuxhavener Wohnung hin und her gewälzt. »Was du an einem neuen Ort träumst, wird wahr«, hatte ihre Großmutter immer gesagt. Letztlich hatte sie gar nicht geschlafen, ihre Gedanken ließen sie nicht zur Ruhe kommen. War es die richtige Entscheidung, in diese Stadt zu ziehen? Es war kurz nach 4 Uhr, zwar fühlte sie sich gerädert, doch der Schlaf wollte nicht kommen. Eine gute Dosis Koffein würde helfen. Sie sprang aus dem Bett und begann, die Kaffeemaschine in den Kartons zu suchen. Eine Kiste wäre ihr beinah auf den Fuß gefallen, warum hatte sie nicht mehr ausgemistet? Zwar waren die Boxen mit dem Inhalt beschriftet, doch die Küchenutensilien verbargen sich ihren Blicken.

Sie verschob das Unterfangen und rief ihren Vierbeiner Prinz, um mit ihm einen Spaziergang zu machen. Im Juli ging die Sonne schon gegen 5 Uhr auf, das war ihre bevorzugte Tageszeit. Um diese Uhrzeit waren Straßen und Strände mitten in der Hochsaison menschenleer. Sie lief mit ihrem Hund zur Alten Liebe, bewunderte den roten Feuerball, der sich am Horizont hinter der fast glatten Wasseroberfläche erhob. Sie liebte diesen Geruch nach Holz, Teer und Meer und atmete einen Moment tief ein, betrachtete das Naturschauspiel. Prinz wurde ungeduldig, sie setzten ihren Weg hinter dem Radarturm fort, ein paar Mal warf sie sein Krokodil, doch er war mit dem Schnüffeln im Gras beschäftigt.

»Was steht in der Zeitung, Prinz?«, zog sie ihn auf, als er an einem Papierkorb verweilte und dann ein Bein hob. Er bellte und rannte weiter, sie befanden sich kurz vor dem Helgolandhafen. Sehnsüchtig sah sie auf die MS Nordsee, die in einigen Stunden ablegen würde. Wie gerne hätte sie Harry auf Helgoland besucht, doch er war leider auf einem Lehrgang in Heide und blieb dort über das Wochenende.

Sie hatte ohnehin ein straffes Programm, sämtliche Kartons standen unausgepackt in der Wohnung im alten Fischereihafen. Lange hatte sie nach einer Unterkunft gesucht, vergeblich. In irgendeiner gesichtslosen Mietskaserne würde sie sich nicht wohlfühlen. Schließlich hatte die Malerin Margo Valeska, mit der sie telefoniert hatte, ihr den Kontakt zu einer Nachbarin vermittelt, die ihre Wohn- und Arbeitsräume im Nebenhaus des Künstlerlofts hatte und für einige Monate nach Rom gehen wollte. Das Angebot hatte Rike gerne angenommen, das gab ihr die Gelegenheit, anzukommen und etwas Eigenes zu suchen. Sofort hatte sie sich in den Räumlichkeiten wohlgefühlt. Mit dunkler Holztäfelung und Lampen mit orangefarbenen Schirmen wirkten die Räume, als wäre die Zeit stehen geblieben. »Das war das Büro des Generaldirektors der Nordsee AG«, hatte ihr Margo Valeska erklärt. Sogar der schwere Originalschreibtisch stand vor dem Fenster, an den Wänden hingen farbige abstrakte Gemälde. Das Beste an der Wohnung war der Ausblick direkt auf das Hafenbecken und den Kai mit den Krabbenkuttern im alten Fischereihafen. Im Nebenhaus hatte eine Künstlerin in der früheren Auszahlungsstelle für die Heuer der Seeleute ein Kulturcafé eröffnet, in dem Ausstellungen und Konzerte stattfanden. Es war ein Glücksfall, dass sie in dieser Gegend wohnen konnte.

Sie fühlte sich erfrischt, als sie nach einer Stunde wieder vor der Tür ihrer neuen Wohnung stand. Prinz rannte bellend die Treppe hinauf, sie folgte gemächlich, da sie keine große Lust auf das Auspacken der Kartons hatte. Kaum hatte sie aufgeschlossen, als sie ihr Telefon hörte, das unaufhörlich klingelte. Wer rief um diese Uhrzeit an? Normalerweise würde sie noch tief schlafen. Es war vermutlich etwas Wichtiges.

Beinah wäre sie über ein paar Reisetaschen gefallen, die den Flur verstellten, sie hörte die atemlose Stimme der Malerin Margo Valeska. »Entschuldigung, dass ich Sie störe. Bekannte von mir bräuchten dringend Ihre Hilfe. Könnten Sie nach Duhnen kommen?«

»Ich bin nicht im Dienst, tut mir leid. Da wäre es besser, die Polizei anzurufen.« Sie wollte schon auflegen, doch die Valeska ließ nicht locker. »Genau deshalb rufe ich Sie an, es geht darum, die Lage einzuschätzen, ohne den offiziellen Weg zu nehmen. Die möchten eine erste Bewertung, vielleicht ist alles nur ein dummer Scherz. Wenn nicht, dann können Sie die Leute besser überzeugen, die Polizei einzuschalten.«

Rike seufzte tief. Sie konnte nicht ablehnen, denn sie schuldete Margo Valeska mindestens einen Gefallen. Sie hatte entscheidende Hinweise für den vertrackten Fall auf Helgoland recherchiert. Zudem hatte sie Rike bei der Wohnungssuche selbstlos unterstützt. Zwar hatte sie in der Vergangenheit Valeska das Leben gerettet, doch wäre es ihr kleinlich erschienen, das alles genau aufzurechnen. Sie hatte das Gefühl, der Malerin zumindest diesen Gefallen zu schulden.

»In Ordnung, wir kommen«, sagte sie, rief ihren Hund und stieg in ihren Mercedes-Oldtimer, den sie praktischerweise vor der Tür geparkt hatte. Um diese Tageszeit waren die Straßen menschenleer, nur einzelne Spaziergänger mit Hund waren in der Stadt unterwegs. Sie fuhr zur angegebenen Adresse nach Duhnen.

Weit und breit fand sie keinen Parkplatz, deshalb bog sie direkt an dem Hof in die Einfahrt. Sie befand sich auf einem der wenigen Bauernhöfe, die dem Bauboom in der Touristenhochburg standgehalten hatten. Rechts und links wurde er von Appartementhäusern überragt. Laut Werbeschild an der Straße, fuhren von hier aus Wattwagen auf die Insel Neuwerk. Sie stand neben einem Stallgebäude auf dem gepflasterten Hof.

Margo Valeska kam aus dem Tor und winkte, als sie Rike entdeckte. »Danke, das werde ich Ihnen nicht vergessen«, sagte sie statt einer Begrüßung und bat sie, ihr in das Gebäude mit den Pferdeboxen zu folgen. Vor den Boxengassen befand sich eine Art Scheune, in der Tische und Stühle aufgestellt waren, die Wände waren mit alten Kutschelementen und Bildern von Wattausfahrten und Pferden dekoriert. An einem Tisch saßen zwei Frauen, vermutlich Mutter und Tochter. Die ältere der beiden sprach beruhigend auf das schluchzende junge Mädchen ein.

Margo ging auf den Tisch zu und stellte Rike vor. »Tina Strobel, ich bin die Hofbesitzerin, und das ist meine Tochter Vanessa. Sie betreut zum ersten Mal die Rennpferde. Wir sind so erleichtert, dass Sie da sind. So etwas ist hier auf unserem Hof noch nie geschehen«, sagte die Mutter und schüttelte Rikes Hand.

»Worum geht es denn?«, fragte Friederike von Menkendorf. Die jüngere Frau wischte sich die Tränen ab und begrüßte sie ebenfalls mit einem matten Händedruck. Das Mädchen zeigte auf eine der hinteren Boxen. »Hier stand bis gestern Diamond Moon, der Name sagt Ihnen sicher etwas.« Rike sah sie fragend an.

»Heute ist doch Duhner Wattrennen, das ist der Star der Galopper. Zweifacher Derbysieger, er ist eine Berühmtheit«, setzte sie hinzu. Rike fiel ein, dass sie schon einmal einen Bericht über den Vollblüter gelesen hatte, ein Jahrhundertstar hieß es.

»Und wie kann ich helfen?«, wollte sie wissen.

»Er ist weg. Gestern hat er abends seine Schüssel bekommen mit dem Spezialfutter, der Jockey hat danach nach ihm gesehen. Es war alles in Ordnung. Heute Morgen war er verschwunden. Bitte helfen Sie mir«, bat sie in flehendem Ton.

»Vielleicht in einer anderen Box, hat ihn jemand auf die Koppel gebracht?«, vermutete Rike, die nicht glauben konnte, dass ein Pferd einfach so verschwand. Das Mädchen und seine Mutter verneinten. »Wir haben alles durchsucht, in Kürze geht es los mit den Vorbereitungen für den Renntag. Wir haben gehofft, dass Sie das vorher aufklären.«

Margo Valeska fragte: »Vielleicht kann Prinz ja eine Spur finden, ist er im Auto?« Rike nickte zögerlich. »Er kann es versuchen, aber er ist nicht ausgebildet, erhoffen Sie sich nicht zu viel.« Für sie war das Verschwinden unwahrscheinlich, sie erwartete, dass sich der Verbleib aufklären würde. Wenn Prinz dazu beitragen konnte, umso besser.

Sie holte ihren Hund aus dem Wagen und brachte ihn zur Box, wo er ausgiebig schnüffelte. »Gibt es irgendeinen Gegenstand, der nach dem Pferd riecht?«

Das Mädchen kam mit einem Halfter und einer Pferdedecke aus der Box. »Das sind Sachen von Diamond Moon, die bestimmt nach ihm riechen.« Rike hielt ihrem Hund die Pferdesachen hin, und er beschnüffelte sie ausgiebig.

»Und jetzt such!«, bat sie ihn. Prinz hatte verstanden, was sie von ihm erwartete, und ging mit gesenkter Nase den Weg bis zur Auffahrt. Rike holte ihren Hund ein und leinte ihn an, die drei Frauen folgten. Prinz zog an der Leine, lief in Richtung Straße.

»Er hat eine Spur«, schrie das Mädchen. Prinz trabte über den Platz am Dorfbrunnen, von dort schnurstracks an der Strandstraße weiter, überquerte an der Übergangsstelle für die Wattwagen den Deich. Einen Moment blieb er stehen, und Rike ließ den Blick über den herrlichen Sandstrand mit den gelb-weiß gestreiften Strandkörben schweifen. Prinz bellte aufgeregt, dann rannte er weiter bis zum Watt, tapste zögernd ein paar Meter hinein, kam zurück. Am Ufer drehte er einen kleinen Kreis, lief am Ufer hin und her. Schließlich ließ er sich neben Rike in den Sand fallen.

»Wenn ich das richtig deute, dann hatte er eine Spur, die hier endet. Das kann heißen, dass Diamond Moon ins Watt oder ins Wasser gegangen ist. Vielleicht hat Prinz den Pferdegeruch der Wattwagen verfolgt, man kann nicht genau sagen, was sein Verhalten bedeutet, und er ist auch nicht offiziell ausgebildet. Tut mir leid«, entschuldigte sich Rike angesichts der enttäuschten Gesichter. Prinz bekam sein Leckerli, er hatte sein Bestes getan.

»Danke, dass Sie gekommen sind«, sagte Margo Valeska. Die Mutter dankte ihr und nahm ihre Tochter in den Arm. »Du kannst nichts dafür.« Das Mädchen entzog sich ihr. »Ich habe nicht auf ihn aufgepasst. Und du bist schuld. Sonst hätte ich in seiner Box geschlafen!«

Rike ging mit den Frauen zum Hof zurück. Sie entschied, sich später das Wattrennen anzusehen. Noch immer vermutete sie, dass das Pferd ohne das Wissen seiner Pflegerin auf der Weide stand oder in einem anderen Stall. Bei der Veranstaltung würde sich zeigen, ob es wieder auftauchte. Sie würde beim Bäcker nebenan frühstücken und später das Rennen anschauen, das am Nachmittag während des folgenden Niedrigwassers stattfand. Sie pfiff vor sich hin. Das Sportereignis im Watt war für sie ein echter Lichtblick. Statt an diesem herrlichen Sommertag Kartons auszupacken, würde sie den Blick auf edle Pferde auf dem Meeresboden genießen. Ein Blick auf die Uhr verriet, dass sie genug Zeit hatte, Prinz nach Hause zu bringen. Für ihn waren solche Menschenmassen nichts.

Kapitel 3

Wer in aller Welt störte ihn um diese Uhrzeit? Eric de Tonnac-Rusch warf einen Blick auf die schlafende Frau neben sich, zog den seidenen Morgenmantel über und schaute durch den Türspion des Wohnmobils. Das junge Mädchen, das sich um seine Champions kümmerte, und ihre Mutter klopften zum wiederholten Mal.

»Ja bitte?«, er öffnete die Tür einen Spalt, fragend sah er die Besucherinnen an. Die Kleine machte sich gut als Pflegerin seines Stars auf vier Beinen, genügend Pferdeverstand, fand er. Doch warum behelligte sie ihn in aller Früh, noch dazu mit ihrer Mutter? Tina hatte einst auch auf seiner Jagdliste gestanden, aber die hatte ihn längst durchschaut. Die blieb bei ihrem Bauern-Peter.

Wie immer, während des Wattrennens hatte er seinen Stellplatz auf dem Parkplatz der Rennteilnehmer hinter dem Deich bezogen, ein paar Schritte vom Veranstaltungsgelände entfernt. Mit seinem E-Bike war er innerhalb von fünf Minuten auf dem Hof, der den Favoriten Diamond Moon und die anderen Galopper aus dem Rennstall untergebracht hatte.

»Er ist weg«, rief die Kleine schluchzend. Sie wurde von ihrer Mutter gestützt und sah komplett verheult aus. Nur mit Mühe verstand er überhaupt, was sie ihm sagen wollte. Verständnislos sah er sie an: »Wer ist weg? Der Jockey? Der kommt schon rechtzeitig.«

Die Kleine schüttelte den Kopf. »Dino ist verschwunden, ich meine Diamond Moon.« Die Mutter nickte. »Das ist leider so, so unglaublich das klingt«, bestätigte sie und reichte ihrer Tochter ein Taschentuch.

»Das kann doch nicht sein. Ein Pferd verschwindet doch nicht einfach so!«

Er meinte, seinen Ohren nicht zu trauen. Sein Favorit konnte unmöglich aus seiner geschlossenen Box entkommen sein. Und sie befanden sich in Cuxhaven. Für ihn war das ein wenig heile Welt, ein beschauliches Städtchen. Dieses Wattrennen war eine entspannte familiäre Veranstaltung anders als die Wettbewerbe mit internationaler Konkurrenz wie in Berlin-Hoppegarten oder gar in Paris. Sein Vollblüter war nach einer Verletzungspause in Hochform, er war ein freundliches und unkompliziertes Pferd – und er schien seinen Job genau zu kennen: gewinnen. Zuverlässig ließ er sich in der ersten Hälfte des Rennens zurückhalten, im letzten Drittel ging er aufs Ganze. Er war ein Kämpfer und galoppierte so schnell wie kein anderer. Auf dem Derby hatte er um eine Pferdelänge die zwei Mit-Favoriten geschlagen – und dann die Krönung beim wichtigsten europäischen Wettbewerb am Arc de Triomphe in Paris. Was für ein unglaubliches Pferd. Er hatte noch große Pläne mit ihm.

Das Millionengebot, das ihm der Scheich von Dubai gemacht hatte, würde er nicht ausschlagen. Mit dieser Summe konnte er seinen Kaffeeunternehmen Schwung geben, ansonsten sahen sie dem sicheren Niedergang entgegen. Sein Kreditgeber setzte ihm täglich zu, mischte sich in seine Geschäfte ein.

Das Blut rauschte in seinen Adern. Das musste ein Irrtum sein, ein blöder Scherz. »Wie genau ist das denn passiert?«, wollte er wissen.

Das Mädchen zuckte mit den Schultern. »Gestern war er gesund und munter in seiner Box, er hat sein Müsli bekommen, und ich habe den Stall frisch gemacht. Und heute, als ich mit dem Frühstück kam, war er weg.«

»Wann war das?«, wollte er wissen. »So gegen 7 Uhr.«

Er bedeutete ihr, dass er sofort nachsehen wollte. Er rüttelte die Frau neben ihm wach, zog sich die erstbesten Kleidungsstücke über. »Ich muss leider los und den Wagen abschließen.« Schimpfend erhob sich die Dame und kleidete sich an, die würde er nach dem nicht charmanten Abschied eher nicht wieder sehen. Aber das war jetzt sein kleineres Problem. Er nahm das E-Bike aus seiner integrierten Garage im Fonds des Fahrzeugs und raste auf den Hof, ging zur Box. Tatsächlich war diese leer. Er sah sich den kompletten Stall an, jedes Abteil war besetzt, die Pferde mümmelten friedlich Heu. Nur sein Star war nicht auffindbar.

Er stürmte zum Haupthaus der Anlage und rannte in die Küche ohne anzuklopfen. »Wir suchen Diamond Moon. Wo habt ihr den hingestellt?«

Der Mann der Chefin sprang überrascht auf. »Was meinen Sie, Herr Graf?«

»Er ist nicht in seiner Box, steht er auf einer Weide oder in einem anderen Stall?« Der Mann der Stallbesitzerin bekam hektische rote Flecke im Gesicht, rannte mit de Tonnac in den Pferdestall, um ebenfalls nachzusehen. Dann brüllte er im Hof das Personal zusammen. »Alle sofort herkommen, es gibt einen Notfall.« Die Mitarbeiter und Helfer für das Wattrennen hatten sich versammelt, verschreckt standen sie vor dem Stallgebäude und sahen ihn fragend an. »Ihr kennt alle den Hengst Diamond Moon. Er ist verschwunden. Hat irgendjemand ihn woanders hingebracht? Oder habt ihr etwas beobachtet?«, fragte er in die Runde.

»Gestern war alles in bester Ordnung. Heute früh sollte die Kleine ihn füttern. Dem Kerl ging es gut, er hat sich bei uns wohlgefühlt. Keine Ahnung, was da passiert ist«, sagte der Stallhelfer. Gemurmel setzte ein.

»Hat irgendjemand ihn gesehen oder in einen anderen Stall gestellt?«, wollte nun Tina Strobel wissen. Niemand meldete sich mehr zu Wort.

Eine junge Frau, die sich um die Ferienwohnungen kümmerte, kam zu ihnen und fuchtelte mit irgendetwas herum. Eric erkannte seine Handyhülle mit dem Familiensiegel. »Das haben Sie auf dem Küchentisch liegen lassen, es hat geklingelt.«

Eric de Tonnac-Rusch sah auf den Bildschirm und wurde blass. Die Nachricht enthielt ein Foto des Rennstars und den folgenden Text: »Diamond Moon ist in Sicherheit. Ihm wird nichts passieren, wenn Sie eine Ablöse von 15 Bitcoin bezahlen. Bitte schalten Sie keine Polizei ein.«

Er starrte ungläubig auf den Bildschirm. Was für ein Albtraum. Das musste er verdauen.

»Vielen Dank, Sie können die Leute wegschicken, jemand hat meinen Dino in seiner Gewalt.«

Die Hofchefin kam mit zwei Frauen auf ihn zugelaufen. »Falls Sie Unterstützung brauchen, das sind Friederike von Menkendorf, Kriminalhauptkommissarin, und Margo Valeska«, stellte sie die beiden vor.

Die blonde schlanke Frau war die Polizistin, was ihn beunruhigte, denn er war nicht bereit, die Polizei einzuschalten. »Ich bin privat hier, Margo Valeska hat mich benachrichtigt. Sie hat ebenfalls Erfahrung in Kriminalfällen«, erläuterte diese und deutete auf eine dunkelhaarige Frau neben sich. Diese nickte ihm einen Gruß zu.

Er schüttelte den beiden die Hände. »Ich möchte vorerst auf keinen Fall offiziell die Polizei einschalten«, erklärte er. Doch die blonde Frau beruhigte ihn erneut. »Ich bin privat hier, meine Bekannte hat mich gebeten, eine Einschätzung abzugeben. Falls sich das nicht irgendwie als Scherz erweist, sollten Sie unbedingt die Polizei hinzuziehen.«

»Dem Hund der Kommissarin ist es gelungen, der Spur des Pferdes zu folgen«, ergänzte Margo Valeska und deutete auf den Vierbeiner neben der Polizistin.

Diese nickte. »Wir haben ihn an seinen Sachen den Geruch aufnehmen lassen. Die Spur führt in Richtung Nordsee. Entweder ist er ins Wasser oder auf das Watt gelaufen. Ein offizielles Ergebnis ist das allerdings nicht, mein Prinz ist kein Polizeihund.« Panisch hörte er ihr zu, noch immer hatte er den Eindruck, in einem Albtraum zu stecken. Statt das Rennen zu gewinnen und den Scheich zu beeindrucken, war sein Favorit von irgendwelchen Verbrechern gekidnappt worden oder gar in der Nordsee ertrunken.

»Ich habe das hier bekommen, deshalb möchte ich keine Polizei hinzuziehen.« Er zeigte den Frauen sein Mobiltelefon. »Ich rechne auf Ihre Diskretion«, bat er.

Besorgt lasen diese die Nachricht mit dem Bild des Vollblüters.

»Haben Sie einen Verdacht, wer das gewesen sein könnte?«, wollte die Polizistin wissen. Er schüttelte den Kopf, sah jedoch nachdenklich aus. »Erfolg macht Neider, aber deshalb ein Pferd entführen?«

»Sie sollten eine Liste der Personen erstellen, die davon einen Vorteil haben«, riet die Kommissarin. »Mein dringender Rat ist es, die Polizei einzuschalten. Es werden erfahrene Kollegen eingesetzt, die schon solche Fälle gelöst haben«, empfahl sie und sah ihn eindringlich an. Er nickte. »Danke für den Ratschlag.«

Er verstummte, als er den Präsidenten des Rennvereins auf sie zulaufen sah. Der hochgewachsene blonde Mann im grauen Anzug hatte hektische rote Flecke im Gesicht. »Stimmt das, was ich gehört habe? Was ist passiert? Wird Diamond heute antreten?«

Wie aus einem Maschinengewehr schossen die Fragen heraus.

Die Antworten hätte er selbst gerne gekannt, er musste den Mann abwimmeln. »Ich weiß leider noch nichts und muss mich erst mit meinem Tierarzt beraten«, wimmelte er ihn ab.

»Ich melde mich nach der Untersuchung.«

Er musste nachdenken. Was sollte er tun? Würden die Verbrecher sein Pferd vor dem Rennen freilassen oder erst danach? Doch woher das Lösegeld nehmen? Das würde seinem kriselnden Kaffeeunternehmen den Todesstoß versetzen, ebenso ein weiterer Kredit zu Wucherzinsen. Seit der Scheidung vor einigen Jahren hangelte er sich von einem Tief zum nächsten.

Kapitel 4

Margo hatte ursprünglich geplant, paar Skizzen von Rennpferden im Watt anzufertigen. Noch nie zuvor war sie bei einem Pferderennen gewesen. Zeitungsbilder der edlen Vollblüter mit der Insel Neuwerk und Ozeanriesen im Hintergrund hatten sie gereizt, diese Motive künstlerisch zu verarbeiten. Das Verschwinden des berühmten Rennstars hatte sie zu einer Planänderung veranlasst. Sie würde nachforschen, was dahinterstecken konnte. Bei ihrer Malschülerin Tina Strobel hatte sie sich nach einem strategisch günstigen Punkt erkundigt, um undercover in das Pferdemilieu einzutauchen. Diese hatte ihr einen Kontakt vermittelt.

Margo schlenderte an der Strandpromenade entlang, wo für das Großereignis mobile Verkaufsstände für Getränke, Essen oder verschiedene Souvenirs aufgebaut waren. Sie würde beim Getränkestand direkt neben dem Führring für die Pferde aushelfen, wo die Rennteilnehmer zusammenkamen. Daneben verwies ein Schild an einem weiteren Häuschen auf die Wiegestation. Tina hatte erklärt, dass dort die Jockeys vor und nach dem Rennen ihr Gewicht überprüfen ließen, ebenso kamen Trainer und Besitzer zu der abgezäunten Wiese davor, wenn die Galopprennpferde vor dem Wettkampf für die Zuschauer im Kreis vorgeführt wurden. Ihre Tochter Vanessa sollte dort helfen, die Pferde aus dem Stall Tonnac zu satteln und ebenso beim Führen vor den Zuschauern mit anfassen.

»Da wird am ehesten geredet, manchmal kommen Wetter und holen sich Tipps ab«, hatte Tina erklärt. Sie kannte den Betreiber des Ausschanks und hatte ihn gefragt, ob er Margo als Verstärkung einplanen könnte.

»Da wird jede Hand dringend gebraucht«, gab sie grünes Licht. Als Margo an dem Holzhäuschen eintraf, räumte der Gastronom gerade die Getränke ein, sie stellte sich vor. »Danke, das hätte ich mir nicht zu träumen gewagt, wir suchen seit Wochen Arbeitskräfte«, erklärte der stattliche Mann, der einen imposanten Schnauzbart trug.

Sie half, die Getränkekästen mit einer Karre aus dem Lieferwagen in den rückwärtigen Bereich zu befördern. Als der Vorrat eingeräumt war, sah sie sich an ihrem Arbeitsplatz um. Direkten Meerblick hatten sie von der Promenade aus nicht, hingegen sah sie den Führplatz und die Häuschen, wo die Reiter gewogen wurden, und den Raum für die Kontrolle der Dokumente. Gegenüber verlief der asphaltierte Weg über den Deich, diesen mussten die Galopper queren, um zu ihrer Rennbahn zu gelangen. Auf vier Bildschirmen, die im angrenzenden Verpflegungszelt hingen, konnte sie die Flächen vor dem Deich überblicken. »Da werden die Wettkämpfe mit Start und Einlauf aus allen Perspektiven übertragen, du überblickst das komplette Gelände vor dem Deich«, hatte ihr Tina erklärt. Einen Moment blieb sie stehen und sah sich die Strecke im Watt auf dem Bildschirm an. Noch liefen dort die Vorbereitungen. Traktoren mit Anhängern waren unterwegs, um den Boden zu präparieren. Sie sah Absperrgitter und Markierungen, die den Rundkurs für das Rennen abgrenzten. Eine erstaunliche Idee, während der Ebbe hier Pferde laufen zu lassen. Wie Margo erfahren hatte, hatte die Veranstaltung eine lange Tradition. Neben ihrem Imbiss an der Promenade befanden sich weitere Stände mit Speisen aus aller Herren Länder, Besucher konnten an mehreren Stellen auf den Ausgang der Rennen wetten, zudem waren Souvenirs und Modeartikel im Angebot. Noch waren wenige Menschen auf dem Gelände unterwegs.

Als sich Margo neben dem Stand eine Zigarette drehte, telefonierte ein Mann im Anzug lautstark. »Wie stellen Sie sich das vor, das Rennen absagen? Die Karawane rollt«, schnaubte dieser. »Fast alle Teilnehmer sind da, ich kann die doch nicht für nichts Hunderte Kilometer mit ihren Pferden bis in die Pampa reisen lassen und dann direkt annullieren. Oder all den Besuchern, die erreiche ich nicht mehr. Da ist eine ganze Kleinstadt in Bewegung!«

Einen Moment schwieg er und hörte seinem Gesprächspartner offenbar zu. »Sicherheitsgründe? Das können wir doch gar nicht einschätzen, ob dem Pferd etwas passiert ist. Ich habe gehört, dass Diamond Moon verschwunden ist. Vermutlich war es ein blöder Streich, und er kehrt sogar rechtzeitig zurück«, erklärte er. Dann schüttelte er entschieden den Kopf. »Herr Bürgermeister, das können Sie selber absagen, ich werde es nicht tun. Die Maschinerie läuft, ob mit oder ohne Diamond Moon. Wenn ich dieses Riesenereignis abblase, ist diese Veranstaltung tot.« Wie ein Tiger im Käfig lief er auf der Promenade hin und her, während er seinem Gesprächspartner zuhörte.

Dann schrie er in den Hörer: »Da machen wir uns lächerlich. Der Galoppsport kämpft ums Überleben. Sagen Sie doch selber ab, wenn Sie Ihre Stadt blamieren wollen. Das gibt bundesweite Schlagzeilen, aber nicht die besten!«

Er ging weiter, und Margo hörte nicht, ob der Mann, der vermutlich die Organisation leitete, nachgegeben hatte. Die Gläser mussten ausgepackt werden, und Margo half mit, um keinen Verdacht über den Zweck ihrer Anwesenheit zu wecken. Es war ungewöhnlich warm an diesem Junitag. Auf der Rennbahn hatten die Traktoren ihre Vorarbeiten beendet, Kontrolleure mit gelben Schutzwesten schritten die Strecke ab.

»Hey, ich bin Jana und hier eingeteilt worden«, eine junge Frau mit dunklen langen Haaren schüttelte ihr mit festem Druck die Hand, »bist du neu, ich habe dich hier noch nie gesehen?«

Margo nickte: »Ja, bin zum ersten Mal dabei.«

Pferdetransporter rollten in einiger Entfernung auf die Wiese hinter dem Deich zu den Aufstellflächen. Sie hatte bei ihrem kurzen Rundgang gesehen, dass sie dort ihre Pferde ausluden und in kleine provisorisch gebaute Umzäunungen entließen. »Jetzt kommen die ersten Jockeys.« Jana zeigte auf drei Männer in bunten Funktionsshirts, die mit dünnen Sätteln unter dem Arm zur Wiegestation gingen. »Die müssen vor dem Rennen alle auf die Waage und am Ende noch mal«, erklärte sie, als sie Margos Blick aufgefangen hatte.

Zwei der Reiter gestikulierten heftig, als sie näherkamen, hörte Margo mehrmals den Namen »Diamond Moon«. Da schon einige Personen mitbekommen hatten, dass der Star der Veranstaltung verschwunden war, zirkulierten vermutlich auch die ersten Gerüchte.

»Was soll der Schwachsinn, natürlich reite ich Diamond Moon!« Die Jockeys, die farbgleiche gelb-grün gestreifte Oberteile trugen, waren an den Stand getreten. »Ein Wasser«, bestellte der eine, der die Nachricht über das Verschwinden offenbar nicht glauben wollte. Sein Nachbar mit den gleichen Farben hatte einen fast belustigten Gesichtsausdruck.

»Ein alkoholfreies Weizen«, orderte er, bevor er sich wieder seinem Kollegen zuwandte. »Das wird nichts. Der Goldschatz ist verschwunden, den wirst du heute nicht zum Sieg prügeln. Du bleibst Fußgänger, Cristobal.«

Noch immer mit einem Grinsen im Gesicht hob er sein Bier, prostete dem anderen zu und stürzte das Getränk hinunter. Dann ließ er ihn stehen. »So, mal schauen, was mein Mädchen treibt. Wenn Diamond Moon nicht antritt, ist seine Schwester ja die Favoritin.«

Grimmig sah der Reiter ohne Pferd ihm hinterher, er hatte sich an die Bar gesetzt und tippte auf seinem Mobiltelefon. Dann tätigte er einen Anruf. »Das stimmt also. Er ist tatsächlich verschwunden?«, stammelte er ungläubig. »Dann möchte ich ein Ersatzpferd. Was ist mit der Schwester von dem Goldgaul?« Wieder schwieg er und hörte seinem Gesprächspartner zu. »Muss ich erst Erwin anrufen? Der wollte unbedingt einen Sieg – und wer sonst garantiert den, hä? Kann ich gern direkt mit ihm klären«, sagte er.

Sie hörte nicht, was der Angerufene entgegnete. Doch der Jockey hatte aufgelegt und hob seine Faust siegessicher und hatte ein Grinsen im Gesicht. »Yes«, rief er beim Verlassen des Ausschanks. Margo dachte sich ihren Teil, der hatte soeben das Pferd des Kollegen für sich klargemacht.

Kapitel 5

Rike schloss die Wohnungstür. Prinz war nach der Schnüffeltour und einem langen Spaziergang anstandslos in sein Körbchen verschwunden. Sie freute sich auf das Wattrennen am Nachmittag und ging zum Wagen. Unten am Hafenkai hatte das Künstlercafé Nordseekantine Tische und Stühle herausgestellt, Mitglieder einer Band waren dabei, ihre Lautsprecher und Notenständer aufzubauen. »Hey, herzlich willkommen, du musst Rike sein«, rief ihr eine junge Frau mit rotblonden Haaren zu.

Als sie nähertrat, streckte sie ihr die Hand entgegen.

»Ich bin Andrea – habe mein Atelier neben dir und ab und zu organisiere ich hier ein Konzert. Du bist herzlich willkommen.« Rike hatte von der Malerin gehört, die Musik und Kunst in den Hafen brachte, sie war mit Margo Valeska befreundet.

»Sehr gerne, wenn es der Dienst zulässt. Heute habe ich schon eine Verabredung auf dem Duhner Wattrennen«, bedauerte sie und versprach, auf einen Kaffee vorbeizuschauen. Auf dem Weg zu ihrem Wagen sah sie sich um. An den Tischen mit bunten Stühlen saß ein gemischtes Publikum verschiedener Altersgruppen. Die Stimmung wirkte einladend.

Sie stieg in den Mercedes und fuhr los. An der Klappbrücke am Schleusenpriel geriet sie in den ersten Stau. Das Bauwerk war geöffnet, da gerade eine Yacht hindurchfuhr. Während sie an der Schranke wartete, sah sie vor und hinter sich Kennzeichen aus der gesamten Republik. Die Stadt war voller Touristen, dieses Rennen war ein Publikumsmagnet. Die Schranken hoben sich. Sie nahm einen Schleichweg über kleine Straßen durch die Innenstadt. Als sie endlich in Duhnen eintraf, stellte sie den Wagen auf dem ersten öffentlichen Parkplatz ab, zu Fuß würde sie schneller sein als die im Stau dahinschleichenden Autos.

Es war ungewöhnlich heiß an diesem Junitag, mit einem Taschentuch betupfte sie sich die erhitzte Stirn und machte sich in einem Menschenstrom auf den Weg. Sie freute sich darauf, wunderschöne und durchtrainierte Rennpferde zu sehen, ein paar Fachsimpeleien aufzuschnappen – und die Geschichte um den verschwundenen Favoriten ließ sie nicht los. Vielleicht hatte sich das alles aufgeklärt, jemand hatte den Galopper in einen anderen Stall oder auf eine Koppel gestellt. Oder es war eine Art Scherz gewesen.



Tausende von E-Books und Hörbücher

Ihre Zahl wächst ständig und Sie haben eine Fixpreisgarantie.