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Grausam und auf mysteriöse Weise kommt ein Junge in Deutschland ums Leben. Alexandra ist Polizistin aus Leidenschaft und setzt alles daran, diesen Fall aufzuklären. Doch bleibt es nicht bei einem Vorfall – es kommt zu weiteren bizarren Todesfällen in den Niederlanden und England. Mit der Unterstützung ihrer Kollegen Bär und Sergey versucht Alexandra, die Zusammenhänge der rätselhaften Todesfälle zu verstehen. Dabei stößt sie nicht nur an ihre eigenen Grenzen. Zeitgleich betrachtet etwas aus einer fremden Galaxie das Geschehen – aus ganz anderer Perspektive. Was verbindet diese zwei Welten miteinander?
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Seitenzahl: 130
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Alexandra ist Polizistin aus Leidenschaft. Leider werfen der Tod eines Jungen und seltsame Vorkommnisse am Ort des Geschehens sie aus der Bahn. Nicht nur ihre Psyche spielt ihr übel mit, auch körperlich verspürt sie eine nicht kontrollierbare Veränderung. Die Ermittlungen in dem Fall gestalten sich komplizierter als gewöhnlich, da sich ein Team von Wissenschaftlern mit einer Gruppe gutsituierter Geldgeber verbündet. Diese Gruppe hat es sich zur Aufgabe gemacht, seltsame Vorkommnisse an den Tatorten für sich zu nutzen und vor der Menschheit zu verheimlichen. Gleichzeitig versucht der Bewohner eines Exoplaneten, sich und sein Volk vor einer Invasion von Aliens zu schützen.
Ich bin T. de Groot. Mit meinem Erstlingswerk möchte ich dem Leser ein paar unterhaltsame Stunden schenken. Viel Spaß!
Für Hanni und Pam
8. August 2008
10. September 2008
20. Oktober 2008
21. Oktober 2008
England – Wandsworth
Je-zem-lya – Jesaja
23. Oktober 2009
Interpol Zürich
Realität oder Fiktion
Wahrheit und Pflicht
30. März 2010
Gunar eins
Tatmotiv: Nebenbuhler
Drei Runs 2012
Runars Legacy
Bauernopfer
Der Brief
Seelenfrieden
8 August 2034
8. August 2008
Timo griff sein Holzschwert und steckte es seitlich in die Gürtelschlaufe. Er war bereit, den Kampf aufzunehmen. Der Zehnjährige stand mit seinem Golden-Retriever-Rüden Hermann am Rande des Kornfeldes und beobachtete die Umgebung mit Argusaugen. Er war bereit, mit seinem treuen Freund gegen die Römer zu kämpfen.
Seit der letzten Unterrichtsstunde in Geschichte war er Feuer und Flamme für die Varusschlacht, in der die Germanen damals im 9. Jahrhundert einen glorreichen Sieg davongetragen hatten. So standen Timo und sein Hund Hermann »der Cherusker« bereit, dieses Kornfeld von der Besatzung der Römer zu befreien.
Eine leichte Brise wirbelte das goldgelb glimmernde Feld auf. Dies war der Moment, seine Heimat zu verteidigen. Die golden schimmernden Rüstungen der Römer blendeten Timo und seinen heroischen Freund. Doch sollte dies Hermann und seine Cherusker nicht davon abhalten, Geschichte zu schreiben.
»Freiheit!«, rief Timo, zog sein Schwert aus der Scheide und lief siegessicher der Horde Römer entgegen. Hermann sprintete ebenfalls los und bellte unaufhörlich zum Kriegsgeschrei seines Mitstreiters.
Timo ließ das Holzschwert in zerstörerischen Windungen um seinen Körper herumkreisen und zerteilte einen Gegner nach dem anderen. Mitten im Feld kam sein Angriff annähernd zum Erliegen, denn auf die zwei Befreier stürmten hunderte kampfhungrige Römer zu. Hermann sprang wie ein Känguru um Timo herum. Er kläffte und wedelte mit dem Schwanz, als gäbe es kein Morgen. Timos Kampfstil hingegen war eine Mischung aus wildem Gefuchtel und choreografischen Elementen aus Star-Wars -Filmen.
Die Schlacht gegen eine römische Übermacht war eine Herausforderung für jeden Befreier. Timo merkte man dies auch an. Zerschunden von den Kornähren und triefend vor Schweiß tanzte er mit Hermann den Walzer des Todes. Der Leichenberg türmte sich haushoch auf.
Dann mit einem Mal: Stille. Zum Schlag bereit erstarrte Timo mit seinem Schwert in beiden Händen. Mit dem Gesicht zu Boden gerichtet lauerte er auf den nächsten Angriff. Hermann hielt ebenfalls inne und legte sich dann sprungbereit auf die Lauer.
Der Leichenberg teilte sich wie das Rote Meer und Timo erblickte seinen Endgegner. Publius Quintilius Varus stand am anderen Ende des Kornfeldes und lachte seinen Feind aus.
»Los!«, gab Timo das Zeichen zum Angriff. Hermann spurtete los und Timo folgte seinem Mitstreiter in Ninja-Angriffstil. Das Gesicht dem Boden zugewandt und das Schwert in Schulterhöhe zum Schlag bereit, stürmten die Cherusker voran.
»Nimm das!«, grölte Timo. Jeder Hieb traf seinen Gegner. Früchte und Blätter flogen durch die Gegend. Der Busch der Tollkirsche, oder eher gesagt, Varus, hatte keine Chance gegen die grazilen Schwerthieb-Attacken Timos. Hermann schnüffelte sich unterdessen durch die Schonung und pinkelte auf einen Tollwut-Impfköder.
Es war vollbracht. Eine römische Übermacht plus Endgegner zerstört. Timo rief Hermann zu sich und drückte diesen innig. Mit einem Leckerli aus der Hosentasche bedankte sich Timo für die Unterstützung im Kampf.
Nach der hitzigen Schlacht genossen die zwei den Schatten der Bäume und legten sich ins Gras. Die Wärme und das monotone Surren der Autobahn, ganz in der Nähe, sorgten für einen Sekundenschlaf, aus dem Timo unsanft gerissen wurde.
Timos Beine sackten in die Tiefe. Reflexartig hielt er sich an einem Strauch fest. Sein Blick fixierte die Hosenbeine, die in einem schwarzen Nichts zu verschwinden schienen. Der Strauch vermochte den Jungen wegen der Sogwirkung nicht zu halten. Dadurch rutschte der Bursche bis zum Bauchnabel in das schwarze Nichts hinein. Geschockt schossen ihm die Tränen in die Augen, und er weinte vor Angst. Hermann knurrte das schwarze Loch an und bellte immer lauter und aggressiver. Plötzlich verschwand das schwarze Loch und der Hund packte den Jungen am T-Shirt, um ihn aus der Schonung zu ziehen. Im Kornfeld ließ Hermann los, legte sich neben sein Herrchen und fing an zu wimmern.
Leichenblass lag Timo im Kornfeld mit weit aufgerissenen Augen, aus denen das Leben langsam entwich. Ohne Unterleib lag er dort und seine Innereien liefen allmählich aus dem Torso heraus. Ein letzter Atemzug und Timos Seele schwebte ins Licht. In diesem Augenblick heulte Hermann laut auf und legte sich danach wieder neben sein Herrchen.
Zur gleichen Zeit in einem Streifenwagen:
»Warum ließ sich dein Mann nochmal scheiden?«
»Das geht dich einen Scheißdreck an!«, antwortete Alex auf die Frage ihres Kollegen und trat in dem Moment auf die Bremse, als er an seinem heißen Kaffee nippte. Der Kollateralschaden der Uniform war immens. Der komplette Road Creme Coffee verteilte sich über die schusssichere Weste und suppte auf die Uniformhose des Beifahrers. Mit einem Grinsen im Gesicht lenkte Alex den Streifenwagen Richtung Wache. »Gott sei Dank ist der laktosefrei«, flachste sie und hörte sich geduldig die Beschimpfungen ihres Lieblingskollegen an.
Zwei Jahre war es her, dass sich ihr Mann hatte scheiden lassen. Der freischaffende Künstler begründete die Trennung damit, dass sie mit ihrer Arbeit liiert sei. Ihr gesamtes Privatleben richtete sich nach Schichtzeiten und Lösungsstrategien für den reibungslosen Betriebsablauf auf der Wache. Sogar intime Momente mit ihrem Mann unterbrach sie, um den Verlauf der WhatsApp-Gruppe ihrer Wache zu folgen. Sie konnte einfach nicht mehr abschalten und fühlte sich für alles verantwortlich, Prioritätensetzung zählte nicht zu ihren Kompetenzen. Auch den Auszug ihres Mannes verpasste sie, um die Schicht eines erkrankten Kollegen zu übernehmen.
Ihr Lieblingskollege Peter Bärlauch alias Bär schaffte es, Familie und Beruf zu trennen. Das berichtete er immer stolz. Seine Frau war ein erfolgreicher Fitnesscoach, die sich stets auf Europatournee befand, und seinen Sohn hatte es nach Zürich verschlagen, um bei Interpol seine Karriere zu starten. Wenn überhaupt, meldeten sich die Zwei sonntags, um Peter von ihren grandiosen Erlebnissen zu erzählen.
Fluchend stampfte Bär durch die Flure der Wache, um in der Umkleide seine Arbeitskleidung zu wechseln. Alex gesellte sich indes zu dem wachhabenden Kollegen und machte sich über Bärs Fauxpas lustig. Dass sie selbst daran schuld war, verschwieg sie tunlichst.
Ein Funkspruch der Hauptwache störte das amüsante Gespräch der Beamten. »Leichenfund in Weetfeld!« Alex zwinkerte dem wachhabenden zu und machte ihm damit klar, dass sie zur Tatortsicherung solo führe, da ihr Kollege sich noch umziehen musste. Der Wachhabende ließ sie ungerne ohne Kollegen losziehen, dennoch würde er mit einem Verbot bei ihr auf Granit stoßen.
Am Tatort angekommen, blickte die Polizeiobermeisterin erstaunt drein. Die freiwillige Feuerwehr sperrte den Ort des Geschehens weiträumig ab. Die gesamten Dorfbewohner standen an der Feldgrenze und reckten ihre Hälse. Mit Feldstechern versuchten sie, einen Blick auf das Geschehen zu erhaschen. Verdutzt stieg Alex an der Absperrung aus, als ein junger Mann auf sie zutrat.
»Sie sind allein?«, fragte der attraktive Feuerwehrmann. »Ja. Wieso?«, entgegnete die resolute Vorzeigebeamtin. »Das ist nicht hübsch anzusehen!«, antwortete er. »Das ist Alltag für mich«, zwinkerte sie zurück und begab sich auf den Weg über das Feld.
Ein Gefühl von Leichtigkeit überkam Alex, als sie ihre Hände über die Ähren gleiten ließ, was der warme Sommerwind jäh unterstrich. Ein Knurren riss sie aus ihrer Leichtigkeit und ihre Hand wanderte Richtung Holster. Hochgradig angespannt schritt sie auf das Knurren zu. In einem Kornkreis erblickte sie den Torso eines Kindes.
Sie erstarrte bei dem Anblick, denn der Hund biss in diesem Augenblick ein Stück Wange aus dem Kopf des Jungen und kaute knurrend auf diesem herum. Vorsichtig entriegelte Alex ihre Waffe, startete ihre Bodycam und zielte auf den Gourmet. Sie versuchte den Retriever mit Husch und Geh von dem Kind fernzuhalten. Der nahm jedoch unterdessen einen Nachschlag aus der Schulter des Jungen. Bevor die Würgattacken sie übermannten, schoss sie dem Hund direkt zwischen die Augen. Hermann sackte in sich zusammen.
Im Verborgenen löste sich ein Weeseblatt aus dem Fell des Hundes und wirbelte in Richtung Beamtin.
Die schaulustige Gemeinde löste sich panisch nach dem Schuss, den Alex auf den Hund abgefeuert hatte, auf und verschwand in ihren Häusern. Zwei ältere Kollegen der Feuerwehr liefen direkt über das Feld, um der Polizistin beizustehen. Die rief den Männern entgegen: »Nicht näherkommen!«
Vorsichtig bewegte sich Alex um den Tatort herum und fotografierte mit ihrem Diensthandy jedes Detail der Bluttat. Sie ahnte im Voraus, dass sich die Kriminalpolizei mit diesem Fall befassen würde und sie als kleine Beamtin nichts mehr davon hören würde. Darum filmte sie mit ihrem Privathandy den Bereich ebenfalls ab, um selbst Recherchen über den Ablauf des Tathergangs durchführen zu können. Nachdem sie alles gespeichert hatte, forderte sie Unterstützung von der Kriminalpolizei an. Auf ihrem Weg zum Dienstwagen instruierte sie die Feuerwehrmänner, niemandem Zutritt in die Nähe des Tatortes zu gewähren.
Direkt auf dem Parkplatz der Wache polterte Bär los. Was ihr einfiele, allein zu einem derart prekären Tatort zu fahren. Das würde sie dem Wachleiter niemals erklären können. Wortlos drückte sie Bär das Diensthandy in die Hand und fing an den Bericht zu schreiben, um nichts zu vergessen. Per Mail versendete sie das Text-Dokument an ihren Vorgesetzten und den Film der Bodycam an ihr privates Handy. Sie verabschiedete sich recht zügig in den Feierabend. Bär schaute seiner Kollegin perplex hinterher.
Auf der untersten Treppenstufe blieb Alex kurz stehen und steuerte auf die Fußgängerzone zu, um sich in ihrem Lieblingscafé niederzulassen. Die Situation mit dem halben Jungen war derart grotesk, dass sie sich bei einem Milchkaffee entspannen musste.
»Wenn sie weiter so grübeln, bleiben die Falten für immer«, sprach der Besitzer sie mit holländischem Akzent an. Dem smarten Geschäftsmann fiel Alexandra schon damals bei der Eröffnung seines Cafés auf. Da seine Angestellte sich spontan arbeitsunfähig gemeldet hatte, nutzte er die Chance, die betörende Stammkundin persönlich anzusprechen.
»Einen Milchkaffee, bitte«, antwortete sie und sah unentwegt auf ihr Handy, um sich das Video anzusehen, das sie vom Tatort gemacht hatte. »Sehr wohl, die Dame.«, bedankte sich Geschäftsführer Jop für die Bestellung und machte sich daran, den Milchkaffee zu kreieren.
Alex pausierte nach jeder dritten Sekunde das Video und schloss die Augen, um die Umwelteindrücke in diesem Moment nochmal zu fühlen. Ohne Vorwarnung sprang sie auf und lief zum Parkplatz. Durchgehend fragte sie sich, warum der Hund die Leiche gegessen hatte. Zwei Querstraßen von ihrer Wohnung entfernt, besuchte sie einen Veterinär, um Informationen über jegliche Art von Verhaltensmustern zu erfahren.
Da der smarte Holländer nicht mitbekommen hatte, dass Alex einfach gegangen war, stand er verdutzt mit dem Milchkaffee am Tisch, schaute sich um und zuckte mit den Schultern.
Kopfschüttelnd standen der Tierarzt und seine Sprechstundenhilfen vor Alex und konnten die Geschichte nicht glauben. Der Tierarzt gab an, dass, egal wie verletzt oder verstümmelt ein Mensch ist, ein Hund ihn niemals verspeisen würde. Die Beamtin bedankte sich bei dem Tierarzt und fuhr direkt in ihre Wohnung.
Sie beschloss, niemanden über ihre Aufnahmen in Kenntnis zu setzten und des Öfteren die Kollegen auf dem Kommissariat zu besuchen. Da sie die Schwäche für Kuchen jedes einzelnen Mitarbeiters kannte, würde sie dies ausnutzen, um Einzelheiten in Erfahrung zu bringen.
Mit hochrotem Kopf und leicht entnervt parkte Sven vor dem Deltapark. Er hatte sich den Urlaub in Holland entspannter vorgestellt. Leider kam es wieder anders als gedacht.
Seine Frau war auf Shoppingtour in Burgh mit ihrer neuen Urlaubsfreundin, deren Mann einen unaufschiebbaren Termin in Rotterdam hatte. Infolgedessen fand sich Sven mit fünf Kindern in seinem Familienauto wieder und dachte sich: »Was ihr könnt, kann ich schon lange.«
Er drückte seinem ältesten Sohn ausreichend Geld in die Hand und erinnerte ihn daran, sich um seine zwei Geschwister zu kümmern. Die zwei Teilzeitkinder der Businesseltern übergab er an die Aufsichtspflicht der Bademeister des Hallenwellenbades.
Nachdem er die Horde Hobbits in Beschäftigung wusste, schlenderte er vergnügt zum Bootsanleger hinter dem Wasserpark. Ein modriges Brett wies ihm den Weg. Mit Wachsmalstiften bekritzelt machte es Werbung für Tietjes Bootsverleih.
Am Ende des Anlegers erblickte er einen alten Mann in heruntergekommener Seemannskleidung. Eingeschüchtert von dem Aussehen des Seemanns zögerte er ein wenig, marschierte dann aber doch entschlossen auf den gruselig wirkenden Mann zu. Vor Aufregung streckte er dem Seebären seine Hand entgegen, was sehr unbeholfen wirkte, denn der Abstand zwischen ihm und dem Seemann betrug gut und gerne zehn Meter.
»Guten Tag!«, rief Sven und stand nach mehreren Schritten direkt vor dem Mann. »Sie müssen Tietje sein. Nicht wahr?« »Nein. Ich heiße Jochen!«, antwortete der Holländer. »Der Name und die Kleidung ist lediglich für euch Touristen«, raunte er hinterher.
Verdutzt schaute sich Sven den Seemann genauer an und bemerkte den maßgeschneiderten Anzug unter dem Friesennerz. »Ich muss gleich zu einer Hochzeit«, sagte Jochen und verwies Sven auf ein kleines Motorboot mit Anglerequipment. Er drückte dem Familienvater eine Gebrauchsanweisung in die Hand und wünschte ihm Petri Heil. Bevor Sven Fragen stellen konnte, war der Holländer verschwunden.
Sven las sich die kurze Gebrauchsanweisung durch und bereitete sich vor, in das Boot zu steigen. Dies fiel dem adipösen Bürokaufmann sichtbar schwer, da körperliche Betätigungen nicht sein Ding waren. Die Idee, sich ein Ruderboot zu mieten, verwarf er bei der Buchung schnell und war froh darüber, eines mit Motor gemietet zu haben.
Ein tiefer Seufzer unterstrich die Bereitschaft loszufahren, da bemerkte er, dass er vergessen hatte, die Leinen zu lösen. Ergo machte er sich daran, auf dem wackeligen Boot nicht das Gleichgewicht zu verlieren und die vermaledeiten Leinen zu lösen. Das Boot ließ sich kinderleicht bedienen. Dadurch schaffte es Sven recht schnell, auf seine persönlichen Weltmeere zu schippern. Er lenkte das Motorboot an einer kleinen Sandbank vorbei und ließ sich in der Mitte des Deltas treiben. Dort genoss er die Ruhe und Einsamkeit.
Ihm schossen tausende von Gedanken durch den Kopf. Es fiel ihm schwer abzuschalten. Er griff sich eine Angelrute und machte sich daran, einen Fisch zu fangen. Direkt verhedderte er sich mit der Angelschnur und stach sich den Angelhaken in seinen Oberschenkel. »Verdammte Scheiße!«, rief er vor Wut in die Welt hinaus. Dabei stand er auf und schmiss den gesamten Anglerbedarf über Bord.
»Ich möchte einmal in meinem Leben außergewöhnlich sein!«, schrie er genervt in die Welt hinaus. Nach diesem Satz ummantelte Stille den Familienvater und er beobachtete fassungslos, wie das Flusswasser sich zu erheben begann und um ihn herumwirbelte. Sein Gedanke: »Jetzt kommt Aquaman!«, verpuffte recht schnell. Dunkelheit und ein ohrenbetäubender Lärm ließen ihn für kurze Zeit ohnmächtig werden.
Als er wieder zu sich kam, lag er inmitten eines braunen, kreisrunden Matschhaufens aus einem verwesenden Unterleib. Mit jedem Atemstoß sog er einen unangenehmen Aas-Geruch in sich auf, den er kurz darauf zusätzlich schmeckte. Auf dem Bauch liegend und paralysiert vom Schmerz, beobachtete er den prachtvollen Farbwechsel einer untergehenden roten Sonne. Tränen der Rührung flossen über seine Wangen, bei dem Anblick dieser Schönheit. Das Letzte was er wahrnahm, bevor er starb, war ein Kinderschuh.