Weihnachten im Ort der Wunder - Mila Summers - E-Book

Weihnachten im Ort der Wunder E-Book

Mila Summers

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Beschreibung

Beide Bände der erfolgreichen »Weihnachten im Ort der Wunder«-Reihe in einem Sammelband: Küsse unter dem Mistelzweig Nach fünf Jahren Beziehung wird Emily wenige Tage vor Weihnachten gegen ein brasilianisches Unterwäschemodel eingetauscht. Kurzerhand entflieht sie dem hektischen Trubel Londons in die Einsamkeit der schottischen Highlands, um sich Gedanken über die Zukunft zu machen. Doch in dem Cottage, in das sie sich zurückzieht, wartet ein geheimnisvolles Tagebuch auf sie. Was hat diese Geschichte mit dem eigensinnigen Gutsbesitzer Ben zu tun, dessen Anziehungskraft Emilys Herz mehr als einmal höherschlagen lässt? Emily wollte doch in Mìorbhail, dem Ort der Wunder, einfach nur zur Ruhe kommen. Als dann auch noch ihr Ex Tom eines Tages bei ihr vor der Tür steht, ist das Chaos perfekt. Liebe und andere Weihnachtswunder Suche nicht nach der Liebe ... denn sie findet dich! Der plötzliche Wintereinbruch in Edinburgh legt die Großstadt kurz vor Weihnachten lahm. Nichts geht mehr. Dabei muss Cailin dringend in ein verschlafenes Nest in den schottischen Highlands, um dem Vater ihres ungeborenen Kindes von den Folgen ihres One-Night-Stands zu erzählen. Noel ist auf der Flucht vor der Polizei, als Cailin seinen Weg kreuzt. Zähneknirschend nimmt er sie mit, auch wenn er damit riskiert, aufzufliegen und im Knast zu landen. Als Noel seinen ungebetenen Gast in Mìorbhail absetzt, streikt kurz darauf sein Wagen und er sitzt im Ort der Wunder fest. Schon bald widerfahren ihm wundersame Dinge. Dabei will er doch nur weg – vor allem von Cailin, die Gefühle in ihm weckt, die ihm schnell gefährlich werden könnten. Wird es ihm gelingen?

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Titelseite

Über die Autorin

Küsse unter dem Mistelzweig

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Liebes Tagebuch

Kapitel 6

Liebes Tagebuch

Kapitel 7

Kapitel 8

Liebes Tagebuch

Kapitel 9

Kapitel 10

Liebes Tagebuch

Kapitel 11

Liebes Tagebuch

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Liebe Emily

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Epilog

Liebe und andere Weihnachtswunder

Cailin

Noel

Cailin

Noel

Cailin

Noel

Cailin

Noel

Cailin

Noel

Cailin

Noel

Cailin

Noel

Cailin

Cailin

Noel

Cailin

Noel

Cailin

Noel

Cailin

Noel

Cailin

Noel

Epilog

Deutsche Erstauflage September 2025

Copyright © Mila Summers

Lektorat: Dorothea Kenneweg

Korrektorat: SW Korrekturen e.U. / Jil Aimée Bayer

Covergestaltung: Nadine Jindal / nkCoverdesign

Covermotiv: Fotolia © drogatnev / OlgaZ / Kathie Nichols / Yuliya Yurchenko / Shutterstock © drogatnev / OlgaZ / Kathie Nichols /

Yulia Yurchenko / Leremy / EniaB

Impressum: D. Hartung

Frankfurter Str. 22

97082 Würzburg

Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder teilweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Personen und Handlungen sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Menschen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Über die Autorin

Mila Summers, geboren 1984, lebt mit ihrem Mann und der kleinen Tochter in Würzburg. Sie studierte Europäische Ethnologie, Geschichte und Öffentliches Recht. Nach einer plötzlichen Eingebung in der Schwangerschaft schreibt sie nun dramatische und humorvolle Liebesromane mit Happy End und erfreut sich am regen Austausch mit ihren LeserInnen.

Weitere Weihnachtsromane der Autorin:

Ein zauberhaftes Weihnachtsgeschenk

Weihnachten in den schottischen Highlands

Winterzauber in Columbia Falls

Der besondere Zauber von Weihnachten

Weihnachtwünsche werden wahr

Weihnachtszauber in London

Weihnachtwunder gibt es doch

KapitelEins

Wahllos warf ich ein Kleidungsstück nach dem anderen in meinen Koffer. Meine Lippen bebten vor Erregung, doch ich zwang mich dazu, nicht zu weinen. Ich wollte nur weg. Weg von ihm. Wie konnte Tom mir das nach all den Jahren bloß antun?

»Emily, willst du es dir nicht noch mal überlegen? Es ist doch bald Weihnachten.« Vor Wut schnaubend warf ich den Deckel meines Hartschalenkoffers zu und setzte mich darauf, um die Laschen des prall gefüllten Gepäckstücks zu verschließen.

»Das kann ich doch machen«, kommentierte Tom wenig glaubhaft meinen Versuch, aus seinem Leben zu verschwinden, während er noch immer mit den Händen in den Hosentaschen im Türrahmen stand. Ohne ein Wort zu erwidern, hantierte ich weiter an den Verschlüssen des Koffers, die sich einfach nicht richtig schließen lassen wollten. Mein blondes langes Haar fiel mir dabei immer wieder ins Gesicht und nahm mir die Sicht auf den Mann, den ich die letzten fünf Jahre aus vollem Herzen geliebt hatte. Fünf Jahre, und wenn es nach mir gegangen wäre, auch noch für die Ewigkeit.

Doch Tom hatte mich gegen ein jüngeres Exemplar ausgetauscht. Brasilianisches Model. 90-60-90. Da konnte ich mit meinen 1,68 m und den fünf Kilo zu viel auf den Hüften beim besten Willen nicht mithalten.

Endlich war das erlösende Klacken zu hören. Müde wischte ich mir mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Jetzt würden mich keine zehn Pferde mehr davon abhalten, die Wohnung nahe dem Hyde Park, die in den letzten fünf Jahren zu meinem Zuhause geworden war, zu verlassen.

»Emily, ich finde es wirklich schade, dass wir nicht wie Erwachsene über die Sache reden können.«

Über die Sache. Bei Toms Worten kam mir beinahe die Galle hoch. Wie konnte dieses Arschloch die mehrmonatige Affäre mit dieser rassigen Schönheit, die aktuell Unterwäschemodel bei Victoria’s Secret war, als Sache bezeichnen? Sie war keine Sache. Sie war ein Hurrikan. Eine Naturkatastrophe oder ganz einfach: mein Untergang.

Dabei hatte noch am Morgen nichts darauf hingewiesen, dass heute, nach dem viel zu frühen Unfalltod meiner Eltern vor knapp zehn Jahren, einer der schwärzesten Tage in meinem Leben werden würde. Wie jeden Morgen hatte ich mir eine Müslischale aus dem Hängeschrank über der Spüle genommen und Porridge mit Milch aufgekocht. Tom war Langschläfer und damit frühstückte ich mal wieder allein. Doch das war okay. Nach fünf Jahren musste man nicht mehr ständig aufeinander hocken. Schließlich wusste man auch so, was man an ihm hatte. Gegen seine Gewohnheit hatte Tom plötzlich hinter mir in der Küche gestanden. Er müsse mit mir reden, hatte er gesagt und war sich dabei verlegen durchs Haar gefahren. Nachdem ich das Porridge vom Herd gezogen hatte, sah ich ihn erwartungsvoll an. Dabei war ich mir ganz sicher, dass jetzt endlich der Moment gekommen war, auf den ich schon so lange gewartet hatte. Ich glaubte mich bereits im siebten Himmel.

Schließlich waren wir ziemlich genau auf den Tag vor fünf Jahren zusammengekommen. Für gewöhnlich vergaß Tom Jahrestage jeder Art. Sogar an die Geburtstage seiner Eltern und seiner Schwester musste ich ihn erinnern. Umso glücklicher war ich also, als er dieses Jahr daran dachte.

Das konnte letztlich nur bedeuten, dass es heute endlich so weit war. Endlich würde Tom mir den langersehnten Antrag machen, auf den ich bereits sehnsüchtig wartete. Wenn es nach mir gegangen wäre, dann hätten wir längst geheiratet. Für mich stand schon früh fest, dass Tom der Mann war, mit dem ich alt werden wollte. Mit ihm an meiner Seite hatte ich mich weniger einsam gefühlt. Bei ihm hatte ich endlich wieder Halt gefunden. Mit ihm war ich einfach komplett.

Neben Mum und Dad hatte ich keine lebenden Verwandten mehr gehabt. Nach ihrem Tod stand ich plötzlich ganz allein da. Das war die dunkelste Zeit meines Lebens. Als Tom unerwartet vor mir auftauchte und mich nach einem Benzinkanister für sein liegen gebliebenes Auto fragte, hatte sich der Wind gedreht. Wir beide hatten uns so gut verstanden, dass ich, ohne mit der Wimper zu zucken, mit ihm in das quirlige London gezogen war, das mir anfangs viel zu groß und zu laut erschienen war. Seine Eltern hatten mich wie eine zweite Tochter in der Familie willkommen geheißen. Alles war perfekt. Unsere 4-Zimmer-Wohnung in der Nähe des Hyde Parks war perfekt. Mein kleiner Buchladen, den ich dank Toms finanzieller Unterstützung vor drei Jahren in der Carnaby Street eröffnet hatte, war perfekt. Und ja … eigentlich war auch die Beziehung zu Tom perfekt. So glaubte ich zumindest bis zu diesem Freitagmorgen.

Als ich mich zu ihm umwandte und ihn anstrahlte, fuhr er sich gerade abermals aufgeregt durch das blonde lockige Haar. Ich fand es regelrecht süß, wie er vor mir stand und nicht wusste, wie er mit dem Antrag beginnen sollte.

Als er schließlich offenbarte, was ihm wirklich auf dem Herzen lag, war mir die Müslischale samt dem heißen Porridge darin zu Boden geglitten und gleich meinem Herzen in tausend Einzelteile zersprungen. Mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen hatte ich den Mann angestarrt, der bis zu diesem Moment meine Vergangenheit, meine Gegenwart und meine Zukunft bedeutet hatte. Plötzlich war alles weg. Der Halt im Leben, den ich eben noch ganz deutlich gespürt hatte, war von jetzt auf gleich verschwunden. Ich war wieder allein.

Tom hatte mich nach seiner Offenbarung in seine Arme ziehen wollen und mir immer wieder erklärt, dass ich gerne noch einige Tage in der Wohnung bleiben könnte. Er würde so lange bei Geraldine, seiner neuen Flamme, wohnen, bis sie zu seinen Eltern fuhren, und erst nach Neujahr zurück sein. Ein Stich durchfuhr mein Herz, als mir unvermittelt vor Augen geführt wurde, wie ich praktisch über Nacht ausgetauscht worden war und neben Tom auch gleichsam seine ganze Familie verloren hatte.

Grandpa Eddi, Grandma Leonore, Großonkel Sam mit seinen anrüchigen Anglergeschichten und auch Toms Schwester Lilly, mit der ich mich immer ausgesprochen gut verstanden hatte, waren plötzlich kein Bestandteil meines Lebens mehr. Wie eine Marionette in einem Puppenspiel war ich einfach aus dem Schaukasten gezerrt worden, der meine Bühne dargestellt hatte. Die anderen Puppen würden weitertanzen. Auch ohne mich.

Plötzlich überkam mich eine Gänsehaut, als ich an den Moment zurückdenken musste, in dem mir der Officer erklärt hatte, dass meine Eltern nicht mehr zu mir zurückkommen würden. Sie waren nur kurz zum Einkaufen in den Supermarkt gefahren, um ein paar Besorgungen zu machen. Als sie den Parkplatz wieder verlassen wollten, hatte ihnen ein betrunkener Trucker die Vorfahrt genommen. Sie waren noch am Unfallort verstorben, ohne dass ich die Möglichkeit gehabt hätte, mich von ihnen zu verabschieden.

»Kann ich dir vielleicht wenigstens mit dem Koffer helfen? Wo willst du denn jetzt hin?«

Bloß weg von dir, ging es mir immer wieder durch den Kopf. Keine Sekunde länger würde ich Toms Gegenwart ertragen können. Beherzt packte ich den Griff des Koffers und eilte aus dem Schlafzimmer, in dem ich noch am heutigen Morgen neben Tom aufgewacht war. Seine Hälfte des Bettes war wie immer nicht gemacht. Doch das hatte mich nie gestört.

Ich wusste, dass es nichts brachte, um ihn zu kämpfen. Tom hatte mit diesem Leuchten in den Augen von Geraldine erzählt, mit dem er mich zu Beginn unserer Beziehung immer angesehen hatte. Jetzt blieb mir nur noch, das Feld für meine Gegnerin zu räumen, von der ich bis vor wenigen Minuten nicht einmal geahnt hatte, dass es sie gab.

Tom und ich waren doch glücklich gewesen. Oder? Klar, nach fünf Jahren Beziehung war die anfängliche Verliebtheit einem Alltag gewichen, der nur wenig Platz für Romantik ließ. Aber daran war nicht nur ich schuld gewesen. Schließlich hatte Tom als Broker an der Londoner Börse oft bis spät in die Nacht arbeiten müssen, während ich am frühen Morgen rausmusste, um meinen kleinen Buchladen zu öffnen. Dabei konnte es schon mal sein, dass wir uns einige Tage nicht viel sahen. Aber wir beide wussten dennoch stets, was wir aneinander hatten. Zumindest hatte ich das all die Zeit gedacht.

Dafür hatten wir unsere gemeinsame Freizeit, in der Tom nur für mich da gewesen war, in vollen Zügen genossen. Zumindest hatte ich geglaubt, dass es ihm auch so ergangen wäre. Offensichtlich hatte ich mich dabei geirrt.

Scheppernd stellte ich den Koffer an die Eingangstür der Wohnung, die ich gleich für immer verlassen würde. Mein Herz schlug mir bei diesem Gedanken bis zum Hals. Sobald ich über die Schwelle getreten wäre, gäbe es keinen Weg zurück. Mein Zuhause läge dann für immer hinter mir. Doch es gab keine Alternative. Ich konnte nicht bleiben.

Während ich die dicken Boots anzog, die im Flur bereitstanden, legte ich schweren Herzens die Schlüssel in das Schälchen auf der Kommode. Ich hielt einen Augenblick inne, ehe ich schließlich die Kraft fand, mit dem kläglichen Rest meines Lebens in Form von einem Koffer von dannen zu ziehen.

Vor fünf Jahren war ich mit einem einzigen Koffer zu Tom gezogen, und nach all diesen Jahren ging ich wieder mit exakt diesem einen Gepäckstück. Ganz so, als hätte es mich in Toms Leben nie gegeben.

KapitelZwei

Tränenüberströmt stand ich vor meinem Laden und kramte in der übergroßen Handtasche nach dem Schlüssel. Leise fluchte ich vor mich hin. »Scheiße, scheiße, scheiße.« Für einen Moment glaubte ich schon, ihn am Bund in Toms Wohnung zurückgelassen zu haben. Mein Herz setzte für einen Schlag aus. Doch dann fiel mir wieder ein, dass ich ihn kurz zuvor im Schlafzimmer von diesem abgenommen und achtlos in meine Tasche geworfen hatte.

Der Regen lief mir unnachgiebig in den Kragen meines pitschnassen Wintermantels und rann mir den Rücken hinunter. In der Glasscheibe der Eingangstür konnte ich mein langes blondes Haar in dünnen Strähnen nach unten hängen sehen. Ich sah aus wie eine dieser Wasserleichen, die man Wochen nach ihrem Verschwinden aus der Themse zog. Unterstrichen wurde dieser Look noch von den schwarzen Striemen. Die verlaufene Mascara rann stetig über meine Wangen bis zu meinem Kinn, benetzte mittlerweile mein ganzes Gesicht und verlieh mir beeindruckende Ähnlichkeit mit einem dieser Horrorclowns. Mit vor Kälte zitternden Händen kramte ich immer weiter in meiner Tasche, während ich mich am liebsten an der Tür nach unten gleiten lassen wollte, um auf dem kalten Steinboden auf mein Ende zu warten.

»Hey, Emily, du bist heute früh dran. Wolltest du nicht erst um elf kommen?«, ertönte hinter mir Maggys fröhliche Stimme.

Ich verharrte einen Moment an Ort und Stelle, atmete mehrmals tief durch, ehe ich Mut fasste und mich langsam zu meiner Angestellten umwandte. Dabei wagte ich es nicht, in ihre Augen zu sehen. Verlegen biss ich mir auf die Unterlippe, um ein neuerliches Aufschluchzen zu verhindern.

Bevor ich etwas sagen konnte, strich Maggy mir einfühlsam über den tropfnassen Mantelärmel, verzog dabei jedoch keine Miene. »Komm, wir gehen erst mal rein. So durchnässt, wie du gerade bist, holst du dir hier draußen sonst noch den Tod.« Maggy duldete keine Widerworte und schob sich an mir vorbei zur Tür. Sie griff in ihre Manteltasche und angelte ihren Schlüssel daraus hervor. Wenig später war der Eingang geöffnet.

Als ich noch immer keine Anstalten machte, mich in Bewegung zu setzen, zog mich meine Angestellte regelrecht in den dunklen Raum, der mir in den letzten Jahren zu einer Art zweiten Heimat geworden war. Wieder setzte sich das Gedankenkarussell in meinem Kopf in Bewegung. Was würde aus all den Büchern werden? Was würde mit Maggy passieren, wenn Tom mir den Kredit für meinen Laden streichen würde?

Es bestand schließlich keine Notwendigkeit mehr für ihn, mich in dieser Hinsicht zu unterstützen. Leider warf meine Buchhandlung jedoch noch immer nicht genug ab, um all die täglich aufschlagenden Rechnungen und Maggys Gehalt zu bezahlen und Toms Kredit zu bedienen. Schon sehr bald würde ich mich also auch von diesem Rückzugsort verabschieden müssen. Dann stünde ich wirklich vor dem Nichts.

Abermals bahnte sich eine Flut von Tränen ihren Weg. Ich hatte keine Ahnung, woher diese noch kommen konnte, ließ sie jedoch gewähren. Während Maggy den dunklen Raum erleuchtete, stand ich noch immer wie angewurzelt da. Ganz so, als könnte ich all das, was mir nun bevorstand, einfach aussitzen.

Natürlich wusste ich, dass das nicht möglich war. Ich wusste, dass ich mich von all dem hier trennen musste. Schon sehr bald. Mein Blick schweifte durch den kleinen Laden, der an den Wänden komplett mit deckenhohen Regalen versehen war. An die aktuellen Bestseller reihten sich die Liebes- und Fantasyromane. Danach folgten die Thriller und Krimis. Koch- und Handarbeitsbücher an der Wand mir gegenüber. Die Kinderbücher zu meiner Rechten. Viele Kinderbücher. Ich liebte sie. Ich liebte Kinder. Abermals schluchzte ich auf, als ich daran denken musste, dass mein Kinderwunsch nun sicher in weite Ferne gerückt war.

»So, jetzt komm erst mal mit in die Küche. Ich schließe den Laden noch mal ab und hänge das Geschlossen-Schild hin. Ich mache dir gleich eine schöne Tasse Tee, und dann erzählst du mir, was passiert ist. Okay?«

Ich war nicht in der Lage zu sprechen, also nickte ich Maggy nur kurz zu. Auf dem Weg zur Küche hängte ich meinen Mantel an der Garderobe auf. Maggys üppige kastanienbraune Locken schwangen vor mir übermütig auf und nieder. Nahezu feengleich schritt sie vor mir, während ich in meinen nassen Boots schlurfende Geräusche verursachte.

»Earl Grey oder English Breakfast? Worauf hast du Lust?« Auf einen Strick, an dem ich mich aufhängen konnte, wollte ich im ersten Moment erwidern, deutete dann jedoch auf den Earl Grey.

Maggy löcherte mich noch immer nicht mit Fragen. Wofür ich ihr wirklich dankbar war. Erschöpft ließ ich mich in den weinroten Sessel fallen, den Tom aus seiner Wohnung ausgemustert hatte. Da ich ihn noch viel zu schön fand, um ihn auf dem Sperrmüll verrotten zu lassen, hatte ich mich ihm angenommen.

Maggy weckte mich aus meinen Erinnerungen. »Soll ich uns noch ein paar Scones holen? Hast du denn schon gefrühstückt?«

»Danke, Maggy, das ist nicht nötig.« Ich nahm die heiße Tasse Tee, die sie mir reichte, zwischen meine beiden Handflächen und versuchte mich etwas daran zu wärmen. Erst jetzt fiel mir auf, wie die nasse Kälte dieses Dezembermorgens mir in die Knochen gestiegen war.

Zaghaft nippte ich daran, nur um mir im nächsten Moment die Zunge an dem Heißgetränk zu verbrennen. Doch ich spürte den Schmerz fast gar nicht. Wie betäubt saß ich da. Dabei war ich mir nicht einmal sicher, ob ich da wirklich saß. Es erschien mir fast so, als wäre ich ein stiller Beobachter und würde wie von oben herab auf diese Situation sehen. Denn das, was der jungen Frau in dem Sessel widerfahren war, konnte einfach nicht mein Schicksal sein. Nein, es durfte einfach nicht so sein.

»Magst du darüber reden?«, begann Maggy ganz leise zu fragen.

Ich atmete tief durch, schloss für einen Augenblick meine Lider. »Tom … Er hat … Es ist …« Doch ich brachte es einfach nicht über die Lippen. Es war das eine, am frühen Morgen mit einer derartigen Hiobsbotschaft konfrontiert zu werden, aber es war etwas ganz anderes, wenn man das, was vorgefallen war, einer dritten Person offenbarte. Damit wurde das Ganze real, greifbar, unverrückbar. Die Situation, die mir gerade mehr als abstrus vorkam, wurde zur traurigen Gewissheit.

In meinem Hals bildete sich ein dicker fetter Kloß, der mich nicht nur daran hinderte, die Worte hervorzubringen, er nahm mir auch die Luft zum Atmen. Wie eine Erstickende stellte ich hastig meine Tasse beiseite und griff mir an den Hals. Maggy sah mich derweil aus schockgeweiteten Augen an.

»Beruhige dich, Emily. Es ist alles gut. Langsam ein- und ausatmen.« Einfühlsam strich sie mir immer wieder über den Rücken und redete unermüdlich mit ganz leiser Stimme auf mich ein. Mein Brustkorb hob und senkte sich abwechselnd im Sekundentakt, während ich immer wieder nach Luft rang. Maggys ruhige Art half mir schließlich, die Panikattacke zu überwinden.

»Tom … Er hat … Er hat mit mir Schluss gemacht«, kam es mir nach einer gefühlten Ewigkeit schließlich über die zittrigen Lippen. Meine Hände presste ich dabei fest gegen meine Oberschenkel, um etwas Halt zu bekommen. Ich spürte, wie mein Körper erschlaffte. All das Adrenalin, das in den letzten Stunden meine Blutbahnen geflutet hatte, ebbte ab.

»Er hat was?« Maggy schaute auf mich mit einer Mischung aus Verwunderung und Unglauben drein. Ich konnte sie gut verstehen. Wenn ich es nicht selbst erlebt hätte, würde ich mir auch kein Wort glauben.

Tom und ich waren seit Jahren das Vorzeigepärchen schlechthin. Es gab wenig bis keinen Streit, wir respektierten die Wünsche des anderen, halfen uns gegenseitig, wo immer es nur ging. Außerdem waren wir ein tolles Team. Zwei Menschen, die durch dick und dünn gingen – oder sollte ich sagen, gegangen waren – und dem Schicksal müde lächelnd zunickten. Egal, was wir beide angepackt hatten, es wurde ein Erfolg.

»Brasilianisches Model«, fiepte ich leise, als neuerlich einzelne Tränen über meine Wangen liefen und ein Schluchzer meiner Kehle entwich.

»Was für ein Arschloch«, rief Maggy nun aufgebracht. Ich erschrak dermaßen, dass ich regelrecht zusammenzuckte. »Wie kann er dir das nur nach all den Jahren antun?«

Ja, das fragte ich mich auch, seit er mir von seiner Affäre erzählt hatte. Wie konnte es nur dazu kommen, dass dieses rassige Unterwäschemodel sich zwischen uns gedrängt hatte?

»Maggy, ich muss für einige Zeit weg. Weg aus London. Könntest du den Laden so lange übernehmen?«

Überrumpelt sah sie mich an. »Ähm, klar. Die paar Tage bis Weihnachten schaffe ich spielend und danach wärst du ja sowieso mit Tom …« Dann brach sie ab. Ja, wir wären gemeinsam zu seinen Eltern nach Eaton gefahren, um dort mit all seinen Verwandten Weihnachten und Neujahr zu feiern. So hatten wir es in all den Jahren gehandhabt.

Ich wischte den Gedanken wie eine leidige Fliege beiseite. »Das wäre sehr lieb von dir. Ich muss erst mal über alles nachdenken und überlegen, wie es jetzt weitergehen soll. Dazu brauche ich Zeit und Abstand.« Fahrig fuhr ich mir durch das noch immer klamme Haar.

Die eben noch dampfende Tasse Tee war erkaltet, als ich sie erneut an die Lippen führte. Gedankenversunken überlegte ich, wohin ich gehen sollte. Ich hatte nichts und niemanden, den ich besuchen konnte, und das wenige, was auf meinem Girokonto schlummerte, würde mir keine allzu großen Sprünge erlauben.

»Das verstehe ich natürlich voll und ganz.« Maggy bemühte sich, mich nicht mit diesem mitleidigen Blick anzusehen. Dafür war ich ihr sehr dankbar. Mitleid war nichts, was mir in meiner jetzigen Situation sonderlich weiterhelfen würde. »Hast du denn schon eine Idee, wo du hinfahren möchtest? So kurz vor den Weihnachtsfeiertagen sind die meisten Unterkünfte bestimmt schon ausgebucht. Ich kann meinen Onkel Matthew mal fragen, ob er jemanden weiß, der außerhalb von London noch eine günstige Unterkunft vermietet. Wenn uns einer helfen kann, dann er.«

Ich lächelte Maggy dankbar an. »Nein, ich werde selbst gleich mal im Internet recherchieren. Ich brauche etwas Ablenkung. Könntest du bitte den Laden aufschließen und dich um die Kunden kümmern? Ich mag mich so, wie ich im Moment aussehe, keinem zeigen.«

Maggy wischte mir mit ihren Händen liebevoll die schwarzen Mascara-Striemen aus dem Gesicht. »Nimm dir alle Zeit der Welt.« Vor Rührung zog ich sie in meine Arme und drückte mich ganz fest an sie. Es tat gut, nach dem katastrophalen Morgen etwas Halt zu finden.

Maggy war mir in den letzten Jahren von einer Angestellten immer mehr zu einer Freundin geworden. Wir verstanden uns blendend, und oft hatte ich mit ihr mehr Zeit des Tages verbracht als mit Tom. Sie hatte einen ganz ähnlichen Humor wie ich, verstand auch ohne viele Worte, was zu tun war, und verströmte mit ihrer Lebensfreude eine unglaublich heimelige Atmosphäre.

Als Maggy in den Verkaufsraum gegangen war, blieb ich noch einen Augenblick sitzen. Wie gelähmt starrte ich nach draußen auf das miese Wetter, das ausgesprochen gut meine aktuelle Gefühlslage widerspiegelte. Grau in Grau schoben sich die satten Regenwolken über den Londoner Himmel, ehe sie sich in vollen, stürmischen Güssen über der Stadt entluden.

Am heutigen Morgen waren mir kaum Passanten auf dem Weg zu meinem kleinen Buchladen begegnet. Dies würde wieder einer dieser Tage werden, an denen ich kaum fünfhundert Pfund in die Kasse bekäme. Doch um über die Runden zu kommen und meine offenen Rechnungen begleichen zu können, brauchte ich rund tausend Pfund am Tag. Ich seufzte, als ich mir bewusst wurde, wie abhängig ich von Tom war.

Er hatte nicht nur den Kredit für den Laden übernommen, sondern mich auch mit monatlichen Zahlungen unterstützt, wenn es mal wieder eng wurde. Ohne mit der Wimper zu zucken, hatte er mir die Pfundnoten zugeschoben. Damals war er noch der Meinung gewesen, dass das, was sein war, auch mein sein sollte.

Ein Läuten erklang aus dem Buchladen. Die alte Glocke, die über der Eingangstür hing, war Toms Idee. Er war der Meinung, dass ein kleines antiquiertes Glöckchen über der Tür genau das war, was dieser Laden brauchte, und ich hatte ihm recht gegeben. Es war gar nicht so einfach gewesen, solch ein Eingangsglöckchen zu finden. Erst auf einem Flohmarkt waren wir schließlich fündig geworden. So wie mit dem Glöckchen hatte es sich mit den meisten Einrichtungsgegenständen des Ladens verhalten.

Wochenlang waren Tom und ich auf der Suche nach allem Nötigen und vielem Unnötigen, bis der Buchladen schließlich den Charme versprühte, den ich mir bereits bei der Besichtigung der Räumlichkeit gewünscht hatte.

Neben den wuchtigen dunklen Holzregalen hatten wir einige Sessel mitten im Raum aufgestellt, in denen die Kunden gemütlich in dem Buch schmökern konnten, das sie näher ins Auge gefasst hatten. Die breite Fensterfront war keine Werbefläche wie bei den meisten anderen Läden der Straße. Gut gepolstert hatten unsere Kunden auch hier die Möglichkeit, sich niederzulassen, für den Moment zu verweilen und sich dem trubeligen London zu entziehen.

Maggy hatte irgendwann angefangen, Tee auszuschenken. Das machte sie so gut, dass wir mittlerweile schon einige Stammkunden hatten.

Mein Blick streifte den Verkaufsraum, als ich mich mühselig von meinem Sessel erhob. Dabei erkannte ich Harry, einen unserer treuesten Kunden. Der Witwer war seit einiger Zeit in Rente und las seine Zeitung vorzugsweise in unserem Laden. Er war ein gutmütiger alter Mann mit Nickelbrille und Halbglatze, der uns beiden Frauen schon des Öfteren in handwerklichen Dingen zur Hand gegangen war.

»Hey, Harry, wie geht es dir heute?«, hörte ich Maggy den alten Mann begrüßen, der wie immer tadellos mit Anzughose, weißem Hemd und Sakko gekleidet war. Seine triefende Regenjacke hängte er neben meinen Mantel an die Garderobe.

»Abscheuliches Wetter heute«, gab er Maggy zur Antwort, während er sich in die Hände pustete, um die von der Kälte gerötete Haut etwas zu wärmen. »Ganz meine Kragenweite.« Dabei zwinkerte er Maggy freudig zu. »Ich liebe es, wenn draußen die Welt fortzuschwimmen droht und ich im Trockenen bei einer Tasse Earl Grey sitzen kann.«

»Na, dann werde ich mal in die Küche eilen und dir eine Tasse holen.« Maggy lachte, als sie sich von dem Mann abwandte, um ihm den Gefallen zu tun.

Um an den Laptop in meinem Büro zu gelangen, musste ich durch den Laden gehen. Da führte kein Weg dran vorbei. Als Maggy die Tasse Tee für Harry aufgebrüht hatte, lief ich dicht hinter ihr aus dem Raum. Nicht, dass ich Harry nicht leiden konnte. Ich mochte ihn sogar. Aber ich wollte in meiner derzeitigen Verfassung mit keinem Menschen reden. Belangloser Small Talk war gerade das Letzte, was ich ertragen würde.

»Ach, da ist ja auch die Chefin.« Zu spät. Harry hatte mich entdeckt. Jetzt würde ich nicht einfach durch die weiße Tür, an der ich bereits stand, schreiten können, ohne wenigstens ein paar Worte über das Wetter im Allgemeinen und die politische Lage des Landes im Besonderen verlieren zu müssen.

»Guten Morgen, Harry.« Ich rang mich zu einem Lächeln durch, auch wenn sich meine Gesichtsmuskeln dagegen zu sperren versuchten.

Harry schritt die wenigen Meter, die zwischen uns lagen, auf mich zu. Dabei schleifte er das rechte Bein etwas hinter sich her.

»Was ist denn mit dir passiert?«, fragte er unumwunden, als er vor mir zum Stehen kam. Seine leicht wässrigen blauen Augen musterten mich kritisch, während ich nach wie vor darum bemüht war, mein freudiges Lächeln aufrechtzuerhalten.

»Ich habe schlecht geschlafen«, log ich. »Ist sicher Vollmond«, schob ich schließlich nach, als ich bemerkte, dass Harry mir nicht glauben wollte.

»So. Vollmond. Du kannst mir ja viel erzählen, aber ich sehe, wenn ein Mädchen an einem gebrochenen Herzen leidet. Ich war nicht umsonst fünfzig Jahre Lehrer in einem Internat. Was ist los?«

Ich seufzte, als Harry einfach nicht lockerlassen wollte. »Ich muss für einige Zeit aus der Stadt verschwinden. Frag nicht warum.«

»Hast du schon eine Idee, wohin es gehen soll?« Harry schob sich die Nickelbrille, die ihm etwas nach unten gerutscht war, wieder nach oben.

»Nur weg«, erwiderte ich angespannt, während ich die rechte Hand auf die Türklinke in meinem Rücken legte.

Harry nickte verstehend. »Wie wäre es mit Schottland? In den Highlands kommt man prima zur Ruhe. Dort oben wohnen so wenige Menschen, dass man nicht Gefahr läuft, von irgendjemandem gestört zu werden. Wenn ich an deiner Stelle wäre, würde ich mich dort nach einem Zufluchtsort umsehen.«

Ich lächelte dem alten Mann dankbar zu. »Das werde ich.«

»Was ist mit meinem Tee? Bekomme ich den auch, wenn du nicht da bist? Wirst du den Laden schließen?« Auf Harrys faltiger Stirn war plötzlich eine tiefe Sorgenfalte zu sehen. Man konnte dem Mann überdeutlich ansehen, dass ihm die Vorstellung nicht behagte, morgen womöglich vor geschlossenen Türen zu stehen.

»Ich bleibe hier, Harry, und erwarte, dass du mich täglich besuchst und mir hier etwas unter die Arme greifst.«

Maggy stand in Harrys Rücken und zwinkerte mir verschwörerisch zu.

Man konnte den Stein sprichwörtlich von Harrys Herzen fallen hören.

Während sich dieser an die Lektüre seiner Zeitung machte, überschritt ich die Schwelle zu meinem Büro. Schottland also. Gut. Warum nicht?

KapitelDrei

»Das macht dann fünfundfünfzig Pfund.« Mit diesen Worten drehte sich der Taxifahrer mit der grau-beige karierten Schirmmütze und dem akkurat gezwirbelten Schnauzbart zu mir um und sah mich mit gerunzelter Stirn an.

Mir war bei dem Anblick des kleinen Cottages auch nicht ganz wohl bei der Sache. Der kalte graue Naturstein, mit dem das Haus vor einer Ewigkeit gebaut worden sein musste, erweckte auf mich nicht unbedingt den Anschein, als würde ich mich dort drinnen sonderlich wohlfühlen können. In nächster Nähe war auch kein anderes Haus zu sehen. Es stand dort mutterseelenallein auf weiter Flur.

Aber was sollte ich denn tun? Die Unterkunft war schon komplett bezahlt. Darauf hatte der Eigentümer bestanden, und eine Alternative hatte ich nicht. So kurz vor Weihnachten grenzte es an ein Wunder, dass ich überhaupt noch etwas gefunden hatte.

»Also wenn Sie es sich noch einmal anders überlegen wollen, kann ich Sie auch wieder mit in die Stadt nehmen. Ich würde Ihnen auch einen Freundschaftspreis machen. Ich habe Kinder und sogar schon Enkelkinder, wissen Sie? Ich würde nicht wollen, dass diese über Weihnachten allein am Ende der Welt in einem … Nun, alleine sind.«

Ich lächelte den Taxifahrer dankbar an. Ohne mich zu kennen, war er besorgt um mich. Das fand ich irgendwie rührend. Schließlich konnte es ihm ganz egal sein, was nach dieser Fahrt aus mir wurde.

Die Kälte und das Unnahbare, das dieses Haus ausstrahlte, war mit Worten gar nicht zu erklären. Auf den ersten Blick wirkte das Steingebäude in die Jahre gekommen, aber nicht unbedingt verwahrlost. Wenn man es so ansah, konnte man allerdings gleich erkennen, dass ihm etwas fehlte. Etwas, was ich allerdings nicht greifbar machen konnte.

Da sich der Eigentümer nicht die Arbeit gemacht hatte, Bilder von dem Ferienhaus ins Netz zu stellen, konnte ich nur hoffen, dass das Innere nicht einer Bruchbude glich. Wie verzweifelt konnte ich nur sein, um mir solch ein Ferienhaus zu mieten? Die Frage konnte ich mir selbst am besten beantworten.

Als ich am Freitagabend den Laden zugeschlossen hatte, war ich schnurstracks in Toms und Geraldines Arme gelaufen. Die beiden waren eng umschlungen unter einem Regenschirm verliebt kichernd durch die Stadt gelaufen. Für einen Moment konnte ich nicht anders, als sie anzustarren. Sie sahen so perfekt aus. Tom und das brasilianische Unterwäschemodel waren wie füreinander geschaffen. Geraldine war nur wenige Zentimeter kleiner als Tom, beide waren hochgewachsen und schlank. Neben Geraldine sah ich aus wie eine Tonne. Dabei waren es wirklich nur fünf Kilo zu viel auf den Hüften, zumindest laut BMI.

Als sich die beiden mir näherten, hatte ich noch versucht, unerkannt an ihnen vorbeizukommen. Leider war mir dies nicht vergönnt gewesen, und Tom, der Idiot, hatte nichts Besseres zu tun gehabt, als uns einander vorzustellen. Völlig perplex hatte ich Geraldine begrüßt, während ich gegen das Gefühl ankämpfte, dass sich von außen zwei kalte Hände um meine Kehle gelegt und sie immer fester zugedrückt hätten.

Seit diesem Moment konnte ich gar nicht schnell genug aus London verschwinden. Dabei war mir jedes Mittel recht. Also hatte ich Flüge bei einer mehr als zweifelhaften Airline zu horrend überteuerten Preisen gekauft – Angebot und Nachfrage bestimmte nun mal den Preis – und mir das erstbeste Cottage gemietet, dass A in meinem Budget lag und B noch zu haben war. Die Auswahl war gering, um nicht zu sagen verschwindend gering. Im Grunde war das Haus vor mir das einzige, das ich zu einem erschwinglichen Preis bekommen konnte.

Ich würde das Beste daraus machen. Etwas anderes blieb mir auch gar nicht übrig. Für eine Alternative fehlte mir das Geld. Außerdem war die Abgeschiedenheit der schottischen Highlands genau das, was ich gerade dringend nötig hatte. Raus aus London zu fliehen, hieß nämlich auch, dem Trubel einer Millionenstadt zu entkommen, dem ewigen Trott, den ich seit Jahren ging.

»Nein, nein. Machen Sie sich keine Sorgen um mich. Das Cottage ist genau das, was ich mir vorgestellt hatte. Würden Sie mir bitte noch mit dem Gepäck helfen?«

Ich ignorierte den unsicheren Blick des Mannes und öffnete die Beifahrertür. Die Luft war so klar, dass ich für einen Moment innehielt und tief ein- und ausatmete. Um das Cottage herum war nichts als Natur. Massige Baumstämme ragten bis in den grauen Himmel. Ihre weit verzweigten kahlen Äste überschatteten den kleinen Garten, der vor dem Cottage lag. Ein gusseisernes Tor, an dem filigrane Rosen eingearbeitet waren, trennte die schmale Landstraße, auf der wir gekommen waren, von dem Cottage.

Ich wandte mich nach hinten um. Auch hier war außer den Feldern und Bergen in der Ferne nichts zu erkennen, das auf zivilisiertes Leben schließen ließ. Ich seufzte, als mir bewusst wurde, dass ich mir keinerlei Vorräte mitgenommen hatte. Schließlich war ich fest davon ausgegangen, dass ich in dem kleinen Ort Mìorbhail, das in der Anzeige genannt worden war, einen kleinen Dorfladen finden würde, um dort einzukaufen. Diese Hoffnung schwand von Minute zu Minute. Von in der Nähe konnte schon mal keine Rede sein.

Aber in dem Koffer, den mir der nette Taxifahrer mit gerunzelter Stirn überreichte, war kein Platz mehr gewesen, etwas hineinzupacken. In ihm befand sich mein ganzes Leben; alles, was ich aus Toms Wohnung mitgenommen hatte.

Während der Fahrer mich noch einige Sekunden besorgt musterte, ging ich langsam auf das Tor zu. Als ich das Aufbrausen des Motors hörte, hielt ich einen Moment inne und blickte dem Taxi so lange hinterher, bis von ihm nichts mehr zu sehen war. Jetzt war ich ganz allein.

Als ich meine Hand auf die eiserne leicht geschwungene Klinke des Gartentores legte, ertönte eine laute freundliche Frauenstimme vom Haus aus. Ich zuckte unweigerlich zusammen. »Hab ich doch richtig gehört. Sie müssen Mrs. Keen sein.« Eine korpulente ältere Dame mit grauen zu einem Dutt gesteckten Haaren und einem breiten fröhlich grinsenden Großmuttergesicht kam auf mich zu gewackelt. Sie schien Probleme mit ihren Beinen zu haben, ließ sich davon aber nicht abhalten.

Als sie bemerkte, dass ich ihren Gang mit sorgenvoller Miene musterte, sagte sie: »Rheuma, Liebes. Nichts, was Sie beunruhigen sollte, Mrs. Keen.«

»Miss«, erwiderte ich kleinlaut.

»Wie bitte?«, fragte mich die Frau, während sie eine Hand um ihre rechte Ohrmuschel legte. »Entschuldigen Sie bitte, ich höre nicht mehr so gut. Mit mir müssen Sie etwas lauter sprechen.«

»Ich bin nicht verheiratet.« Meine Hand umklammerte bei diesem Bekenntnis ganz fest den Griff meines Koffers. Ich zwang mich dazu, nicht an Tom zu denken.

»Was nicht ist, kann ja noch werden.« Ein aufmunterndes Lächeln stahl sich auf die Lippen der älteren Dame, während die schmalen Fältchen um ihren Mund deutlicher zutage traten.

»So, Kindchen, wir gehen jetzt mal ins Haus. Hier draußen ist es furchtbar kalt. In Ihrem dünnen Wintermantel holen Sie sich dabei schneller den Tod, als Sie Mìorbhail sagen können.« Ohne auf mich zu warten, griff sie sich meinen Koffer und marschierte auf das Cottage zu. Mitten auf dem Weg hielt sie inne, dabei wäre ich ihr beinahe aufgelaufen.

Sie drehte sich schwungvoll zu mir um. »Wo sind nur meine Manieren? Ich habe mich ja noch nicht einmal vorgestellt. Sie müssen denken, ich wäre eine dieser alten verdatterten Damen, die nichts mehr zuwege bringen.« Sie seufzte. »Das Rheuma macht es mir zwar nicht immer leicht. Ganz besonders in der kalten Jahreszeit, wenn es meine Glieder schwer werden lässt und ich mir jeden Schritt überlegen muss. Aber hier oben …« Dabei deutete sie auf ihren Kopf. »… ist noch alles in bester Ordnung.«

Ich lächelte unsicher, weil ich nicht wusste, was ich auf diese Worte antworten sollte.

»Mein Name ist Charlotte. Ben Cullen, der Eigentümer, hat mich gebeten, Ihnen das Haus zu übergeben.« Sie reichte mir ihre Hand. Ihre Haut war weich und zart und wirkte auf eine Art furchtbar zerbrechlich.

»Mein Name ist Emily.« Sie nickte mir noch immer mild lächelnd zu. Das Blau ihrer Augen war wässrig. Dennoch war das Wachsame darin gut zu erkennen.

»Komm, Emily, lass uns reingehen. Ich habe uns schon den Kamin angeschürt. Es hat seit Monaten keiner mehr in dem Cottage gewohnt. Es war richtig eisig, als ich ankam. Dass keine Eiszapfen von der Decke hingen, war noch eins. Ich werde uns gleich mal eine wärmende Tasse Tee machen und dir dann alles zeigen. Viel ist es ja nicht.« Noch immer ließ es sich die alte Frau nicht nehmen, meinen Koffer den schmalen Weg zum Haus zu rollen. Sie wirkte auf eine Art so autoritär auf mich, dass ich den Impuls, ihr den Koffer zu entreißen und ihn selbst ins Innere des Hauses zu befördern, unterdrückte.

Auf keinen Fall wollte ich ihr das Gefühl vermitteln, dass ich sie für eine alte tatterige Greisin hielt. Das wäre wohl das Schlimmste, was ich ihr antun konnte. Und obwohl ich Charlotte nicht wirklich kannte, wollte ich sie nicht verärgern. Sie war mir sympathisch. Sehr sogar.

Ich wusste nicht, was ich erwartet hatte, aber das Innere des Hauses entsprach so gar nicht den Vorstellungen, die ich noch vor wenigen Augenblicken hatte. Der schmale Flur mit dem dunklen Dielenboden und der aus dem scheinbar gleichen Holz gefertigten Kommode nebst Garderobe war das Erste, was ich sah. Von diesem zweigten die weiteren Zimmer ab. Ein Obergeschoss gab es nicht. Die Deckenhöhe war sehr niedrig, sodass ich meinen Kopf beim Betreten der Zimmer etwas senken musste.

Gleich zu meiner Linken befand sich die Küche, die ganz im Landhausstil eingerichtet war. Besonders gut daran gefiel mir das Weiß der Küchenzeile, das zu dem ebenfalls weißen Tisch und den Stühlen passte.

»Nimm doch hier Platz. Ich setze gleich den Teekessel auf.« Dabei kramte sie im Hängeschrank über der Spüle. »Wie wäre es mit einem Earl Grey?«, fragte sie und sah sich zu mir um. Ich nickte.

Während Charlotte mit dem Teekochen beschäftigt war, besah ich mir die Küche etwas genauer. Nicht nur die hellen Möbel machten den Raum so freundlich, auch die Tatsache, dass er gleich über zwei Fenster verfügte, trug zu diesem Eindruck bei. Gardinen fehlten, waren wegen der abgeschiedenen Lage des Anwesens aber auch nicht notwendig, wie ich fand. Ganz im Gegenteil. Sie wären wahrscheinlich in gewisser Hinsicht sogar störend gewesen. Im Frühling, wenn alles in den schillerndsten Farben zu blühen begann, und im Herbst, wenn die Blätter der Bäume gelbe, rote und orangefarbene Farbakzente setzten, war der Ausblick sicher atemberaubend.

»Ist schon sehr schön bei uns«, kommentierte Charlotte meinen sehnsüchtigen Blick nach draußen. »Trotz der Abgeschiedenheit verirren sich jährlich unzählige Touristen in diese Gegend. Besonders bei Wanderern ist die Umgebung sehr beliebt.«

Dabei reichte sie mir die dampfende Tasse Tee und setzte sich auf den Stuhl mir gegenüber. Sie besah mich genau, haderte dann mit sich. Sie schien etwas sagen zu wollen, war sich jedoch nicht sicher, ob sie es so offen aussprechen sollte. »Kindchen, du siehst so traurig aus. Es steht mir nicht zu, danach zu fragen, aber hier in Mìorbhail kümmern wir uns umeinander.«

»Das ist sehr lieb von Ihnen.« Ich führte den Tee an die Lippen und zwang mich zu einem Lächeln.

»Nenn mich bitte Charlotte. Sonst fühle ich mich noch älter, als ich ohnehin schon bin.« Sie lachte und schaffte es, dass auch ich einstimmte. Sie war genau der Großmuttertyp, den ich mir immer gewünscht hatte: warmherzig, liebenswürdig und sie roch sogar nach frischgebackenen Plätzchen.

»Ach, wo sind nur meine Gedanken.« Charlotte erhob sich ruckartig von dem weißen Stuhl, sodass dieser etwas ins Wanken geriet und beinahe umgefallen wäre. »Ich habe doch extra ein paar Cookies für dich mitgebracht. Morgen findet in Mìorbhail ein kleiner Basar zugunsten eines neuen Kirchendaches statt. Vor einiger Zeit ist ein Blitz in den Dachstuhl eingeschlagen. Das hat gebrannt wie Zunder. Jetzt müssen wir zusehen, dass wir es neu gedeckt bekommen. Bisher sind wir vom Schnee verschont geblieben, aber ich bin mir sicher, dass es nicht mehr lange dauern wird. Ich rieche das, weißt du?« Dabei deutete sie auf ihre Nase. »Lange Rede, kurzer Sinn: Ich werde morgen auf dem Basar meine Kekse verkaufen, um meinen Beitrag damit zu leisten«, berichtete sie, während sie schwerfällig in den Flur verschwand.

Ich hörte etwas rascheln, und keine Sekunde später hielt Charlotte mir eine runde geöffnete Keksdose unter die Nase, aus der ein unverschämt guter Duft aufstieg. Eine Mischung aus Zimt, Vanille und Schokolade ließ mir das Wasser im Mund zusammenlaufen. Mein Magen begann zu knurren. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich heute noch gar nichts gegessen hatte. Wie auch die letzten Tage. Seit Tom sich von mir getrennt hatte, wollte mir kein Bissen mehr runtergehen.

»Nimm ruhig«, forderte mich Charlotte auf. »Ich habe noch genug zu Hause.« Dabei lächelte sie mich auffordernd an und stellte die Dose nicht eher auf den Tisch, bis ich mir einen daraus genommen hatte.

»Vielen Dank.« Als ich den Cookie probierte, war es wie eine Geschmacksexplosion in meinem Mund. Neben den Zutaten, die ich bereits gerochen hatte, kamen noch weitere hinzu, die ich allerdings nicht mit Sicherheit benennen konnte. Ich wusste nur eins: Das waren die besten Cookies, die ich je gegessen hatte.

Charlotte bemerkte es und grinste mich wohlwissend an. »Ein altes Familienrezept meiner Urgroßmutter. Sie hat diese Kekse schon vor über hundert Jahren so gebacken, und seither wurde das Rezept von Generation zu Generation weitergegeben. Schade, dass James und mir keine Kinder vergönnt waren.« Doch anstatt wehmütig dreinzusehen, griff sie ebenfalls nach einem Cookie und tunkte ihn in ihren Tee.

»Meine Mum hat früher auch immer Kekse für mich gebacken. Geliebt habe ich dabei besonders ihre Butterkekse, auf die sie mit Erdbeermarmelade kleine Gesichter gemalt hat. Nur für mich.« Tränen stiegen mir in die Augen, als ich an diese Kindheitserinnerungen zurückdachte. Mums und Dads Wärme, ihre Fürsorge, ihr Zuspruch fehlten mir furchtbar. Die letzten Jahre war Tom an meiner Seite gewesen und hatte mich den Verlust nicht mehr gar so schmerzlich fühlen lassen, doch nun sah ich mich am Abgrund. Die Einsamkeit hatte wieder Besitz von mir genommen. Faser um Faser nahm sie mich ein, durchzog beinahe meinen ganzen Körper.

»Liebes, was hältst du davon, mich morgen zu dem Basar zu begleiten? Unser kleines Dorf ist nur wenige Gehminuten von hier entfernt, und ich könnte dir auf diese Weise gleich alles zeigen. Was meinst du?«

Ich haderte mit mir. Einerseits wollte ich das nette Angebot der liebreizenden alten Dame nicht ausschlagen. Schließlich war sie redlich bemüht um mich, ohne mich wirklich zu kennen. Andererseits hatte ich mir die Abgeschiedenheit der Highlands nicht ohne Grund ausgesucht. Ich wollte etwas Zeit für mich haben und mir über einige Dinge klar werden.

In vierzehn Tagen musste ich zurück nach London. Bis dahin würde ich eine Entscheidung fällen müssen, wie es mit meinem Buchladen, ja, wie es mit meinem ganzen Leben weitergehen sollte. Im Moment sah ich kein Licht am Ende des Tunnels.

»Hier in Mìorbhail achten wir aufeinander. Das gilt nicht nur für die Dorfbewohner, sondern auch für unsere Gäste. Wenn du zu uns in unsere Gemeinschaft kommst, dann bist du ein Teil davon. Egal, wie lange du bleibst. Ich lasse dich sicher keine vierzehn Tage allein in diesem alten Cottage versauern. Das kannst du dir gleich wieder abschminken.« Das Lächeln war aus Charlottes Gesicht verschwunden. Sie meinte es ernst. Mahnend hob sie ihren Zeigefinger in die Höhe. »Egal, was dir widerfahren ist, mein Kind, es gibt immer einen Ausweg. Mìorbhail ist als der Ort der Wunder bekannt, weißt du? Mach dir keine Sorgen. Es wird alles wieder gut.«

Ich runzelte verblüfft die Stirn. »Ort der Wunder?«

»Ja, Mìorbhail ist gälisch und bedeutet so viel wie Wunder.« Dabei zwinkerte mir Charlotte verschwörerisch zu, ehe ihr Blick die Uhr an der Wand hinter mir erblickte. »Himmel, es ist ja schon sechzehn Uhr. Ich muss zurück in den Ort. James wird seinen Tee wollen.« Plötzlich stürmte die gebrechlich anmutende Frau flink wie ein Wiesel in den Flur, griff sich ihre Tasche, ehe sie neuerlich bei mir in der Küche aufschlug.

»Im Kühlschrank steht noch eine Hühnerbrühe. Die wärmt und sättigt. Ich wusste nicht genau, wann du ankommen wirst und ob du dir selbst etwas mitgebracht hast. Der kleine Gemischtwarenladen im Dorf hat nicht so lange geöffnet.«

Vor Rührung stiegen mir abermals ein paar Tränen in die Augen. »Das ist sehr lieb von dir, Charlotte.« Ich erhob mich von meinem Platz, um die ältere Dame noch hinauszubegleiten. Als ich die Eingangstür öffnete, zog ich mir den langen beigen Strickmantel etwas enger um den Körper.

Charlotte schlüpfte in ihren dicken Wintermantel und zog die Stiefel über, ehe sie sich von mir verabschiedete. »Und morgen hole ich dich gegen zehn Uhr ab. Ja?«

Ich konnte ihr diesen Wunsch nicht abschlagen und willigte schließlich ein.

An den Türrahmen gelehnt blickte ich der alten Frau hinterher. An der kleinen Gartentür hielt sie inne und winkte mir noch einmal zu. Als ich sie in der einbrechenden Dunkelheit nicht mehr sehen konnte, ging ich wieder ins Haus und setzte mich im Wohnzimmer auf die Couch. Plötzlich war es furchtbar still in dem Cottage. Zu hören war das stetige Knistern des Kaminfeuers. Sonst war da nichts.

KapitelVier

Für einige Zeit saß ich nur da und ließ meine Gedanken kreisen. Ab und zu legte ich ein Scheit auf das Feuer im Kamin, setzte mich dann zurück auf die geblümte Couch und zog mir die roséfarbene Decke über die Beine, die augenscheinlich selbst gestrickt war. Ich hatte es noch nicht einmal geschafft, meinen Koffer auszupacken. Eine bleierne Schwere hatte mich überfallen, nachdem Charlotte gegangen war. Ganz so, als würden die Ereignisse der letzten Tage wie zentnerschwere Steine auf mir lasten.

Obwohl die letzten Monate niemand das Haus bewohnt hatte, war es dennoch sehr gemütlich eingerichtet und offenbar erst kürzlich geputzt worden. Zumindest konnte ich keine Staubschicht auf den Möbeln oder Spinnweben entdecken.

Irgendjemand hatte sogar frische Blumen besorgt und diese auf den kleinen runden Holztisch gestellt, der gleich neben der Couch stand. Die gelben und roséfarbenen Callas setzten sommerliche Farbakzente, während draußen Nebel aufgezogen war.

In einem Schrank in meinem Rücken waren unzählige alte Bücher zu sehen, vorzugsweise Liebesromane älteren Datums. Also würde mir der Lesestoff hier sicher nicht ausgehen, auch wenn ich nicht vorhatte, meine Zeit mit Lesen zu verbringen. Ich seufzte, als mein Blick auf ein paar Bilder fiel, die auf dem Kaminsims standen. Aus der Ferne konnte ich nicht richtig erkennen, wer darauf zu sehen war. Sicher waren es die ehemaligen Bewohner des Hauses. Womöglich hatte Bens Familie ja selbst einmal hier gewohnt. Ich schaute in die strahlenden Gesichter der Menschen und fühlte mich noch eine Spur einsamer. Es gab nur sehr wenige Fotos mit mir und meinen Eltern darauf. Doch diese hütete ich wie einen Schatz. Sie waren das Erste gewesen, was ich bei meinem rasanten Aufbruch aus Toms Wohnung in den Koffer gelegt hatte.

Wieder stiegen mir die Tränen in die Augen und ich zog die Decke etwas fester um mich, wie wenn sie mir etwas Halt geben könnte, dabei sah ich ins Feuer und versuchte etwas zur Ruhe zu kommen. Doch es gelang mir einfach nicht. Immer wieder musste ich an Tom und seine neue Freundin denken. Morgen würden sie zu seiner Familie fahren, um anschließend alle gemeinsam Weihnachten zu feiern.

Mir kullerte eine Träne aus dem Augenwinkel, als ich an die Festtage dachte, an denen Toms Mum und seine Schwester mit mir in der Küche gestanden und das Essen vorbereitet hatten. Lilly hatte sich immer furchtbar über das klischeebehaftete Rollenverhältnis in ihrer Familie aufgeregt. Während wir in der Küche standen, saßen die Männer im Wohnzimmer und schauten fern. Doch ich empfand das anders. Für mich gab es nichts Schöneres, als im Kreis dieser Familie aufgenommen worden zu sein. Ich fand es toll, dass Toms Mum mich mit einband. Irgendwie hatte ich so das Gefühl gehabt, dazuzugehören. Umso schmerzvoller war nun die Erkenntnis, einfach ausgetauscht worden zu sein.

Mein Magen begann zu knurren, und ich erinnerte mich wieder an Charlottes Hühnerbrühe. Nur sehr schwerfällig erhob ich mich von meinem Platz auf der Couch, um in die Küche zu gehen. Das Licht im Flur flackerte, und für einen kurzen Augenblick hatte ich das Gefühl, nicht allein zu sein. Ich eilte in die Küche, späte in den dunklen Raum und drückte schließlich auf den Lichtschalter. Nichts.

»Jetzt hast du nicht nur Liebeskummer, sondern wirst schon verrückt.« Ich schüttelte über mich selbst den Kopf, als ich zum Kühlschrank ging, um die Suppe zu erwärmen. Vorsichtig trug ich den übergroßen Topf zum Herd. Charlotte hatte es wirklich gut mit mir gemeint. Mit der Menge hätte ich ganze Kompanien verköstigen können. Aber sie schmeckte wirklich ausgezeichnet. Ein bisschen so wie bei Mum früher – würzig mit einem Hauch Ingwer darin.

Mein Handy klingelte und riss mich aus den nostalgischen Erinnerungen. »Hey, Maggy«, meldete ich mich, nachdem ich ihren Namen im Display gelesen hatte.

»Hey, Emily, bist du gut angekommen?«, fragte sie mit einem Hauch Sorge in der Stimme. Verdammt, ich hatte ja versprochen, mich bei ihr zu melden, sobald ich angekommen war. Aber durch Charlottes warmherzigen Empfang hatte ich es ganz vergessen. Ein schlechtes Gewissen machte sich in mir breit. Maggy war der einzige Mensch auf dieser Welt, dem ich nicht egal war, und ich vergaß sie einfach. Vielleicht hatte ich es gar nicht anders verdient, als einsam und allein zu verkümmern.

»Ja, entschuldige bitte, dass ich mich nicht gleich gemeldet habe. Hier war so eine bezaubernde ältere Dame, die mich empfangen hat.«

Maggy lachte. »Schon gut. Ich bin ja froh, wenn sich dort in der Einöde Schottlands jemand um dich kümmert. Wohnt diese ältere Dame denn auch in deiner Nähe?«

Maggy hatte mit Händen und Füßen versucht, mir meine Reise in die Highlands auszureden. Sie fand es nicht gut, dass ich über die Festtage einsam und allein in einem Cottage festsaß, das womöglich im Wald stand und kilometerweit vom nächsten Haus entfernt war.

Nun, mit ihrer Einschätzung lag Maggy nicht ganz daneben. Hier war wirklich weit und breit keine Menschenseele zu sehen. Ohne es ihr gegenüber zugeben zu wollen, musste ich mir selbst eingestehen, dass mir diese Situation nicht sonderlich behagte. Aber auf eine bestimmte Art und Weise erdete mich die Ruhe und die Abgeschiedenheit dieser Gegend.

»Sie wird mich morgen früh sogar zu einem Basar abholen.« Eine wirkliche Antwort auf Maggys Frage war das nicht, aber sie gab sich glücklicherweise damit zufrieden. »Wie lief es denn heute im Laden? Hattest du viel zu tun?«, lenkte ich ab, um das Thema nicht neuerlich auf meine aktuelle Wohnsituation zu bringen. Schließlich war das Häuschen in den schottischen Highlands momentan mein einziges Dach über dem Kopf. Wirkliche Alternativen hatte ich keine, auch wenn mir Maggy angeboten hatte, in ihrer WG einzuziehen. Dort wohnte sie mit drei Mitbewohnern auf engstem Raum.

»Es war recht wenig los. Lag sicher am Wetter. Hier regnet es noch immer wie aus Eimern.«

Das waren keine guten Neuigkeiten. Wenn ich überleben wollte, dann musste meine Buchhandlung demnächst endlich etwas abwerfen. Das Zahlenkarussell in meinem Kopf setzte sich neuerlich in Gang. Ohne Toms Unterstützung würde ich schon bald meine offenen Rechnungen nicht mehr begleichen können. Dann stand ich vor dem Nichts, einem tiefen Abgrund, aus dem es kein Entrinnen gab. Doch so weit durfte es auf keinen Fall kommen.

Ich kommentierte Maggys Einschätzung mit einem »Okay« und versuchte mir dabei nicht anmerken zu lassen, wie sehr mich ihre Worte aus der Bahn warfen. Maggy konnte schließlich nichts dafür, dass sich die Dinge in meinem Leben gerade nicht so entwickelten, wie ich es mir erhofft hatte. Wenn ich ihr jetzt von meinen Sorgen den Laden betreffend erzählen würde, dann würde ich ihr wahrscheinlich ihr Weihnachtsfest vermiesen, und das wollte ich auf keinen Fall. Wenigstens eine von uns beiden sollte das Fest der Liebe unbeschwert im Kreise seiner Liebsten feiern können, ohne dabei solche Gedanken im Hinterkopf wälzen zu müssen.

»Versuch etwas abzuschalten. Ich hab hier alles im Griff. Mach dir keine Sorgen. Vielleicht lernst du da oben ja sogar einen netten Mann kennen und lüftest das Geheimnis, was Schotten unter ihrem Kilt tragen.« Maggy amüsierte sich, und ich konnte auch nicht anders, als zu lachen.

»Nein, nein, Männer haben bei mir die nächste Zeit erst mal Hausverbot. Ich will von diesen haarigen Biestern weder etwas hören noch sehen. Sollte sich mir einer auch nur auf hundert Meter nähern, werde ich schreiend davonlaufen.«

Maggy lachte abermals. »Zu schade, dass ich das nicht mitbekommen werde.«

Ja, das empfand ich auch so. Es wäre schön gewesen, wenn Maggy mich hätte begleiten können. Aber einerseits musste sie mich im Laden vertreten, und andererseits konnte ich es ihr nicht zumuten, über Weihnachten von ihren Liebsten getrennt zu sein. Hätte sich Tom, dieser Idiot, nicht eine andere Zeit aussuchen können, um mich abzuservieren?

»Kommt Harry dich auch besuchen?«, fragte ich aus Sorge, Maggy könnte das Gespräch gleich beenden. Ihre vertraute Stimme an diesem mir gänzlich unbekannten Ort machte es mir leichter, mich hier einzufinden. So doof sich das anhören mochte, aber irgendwie hatte ich mit dem Handy am Ohr weniger das Gefühl, allein zu sein.

»Der Gute steht morgens schon vor der Tür und nimmt mich mit Scones und Bagels in Empfang. Er lässt dich übrigens schön grüßen.«

Ich seufzte. Harry war einer der letzten Gentlemen. Mit ihm würde diese Spezies Mann im Laufe der nächsten Jahre sicher für immer aussterben. »Grüß ihn auch ganz lieb von mir.«

»Emily?«, fragte Maggy vorsichtig, während ich mich darum bemühte, mir meine Schwermut in der Stimme nicht anmerken zu lassen.

»Ja?«

Für einen Moment war es ganz still in der Leitung. Ganz so, als müsste Maggy erst Mut fassen, um die nächsten Worte an mich zu richten. »Versprich mir, dass du nichts Unüberlegtes tust. Okay?«, hauchte sie so leise in den Hörer, dass ich sie kaum verstehen konnte.

Als mir die Bedeutung ihrer Worte bewusst wurde, musste ich schlucken. Maggy hatte allem Anschein nach die Sorge, ich könnte mir etwas antun. Ich war verzweifelt, ja, das ganz sicher, aber mir wegen Tom das Leben zu nehmen, stand außer Frage. Irgendwie würde ich es schaffen, am Ende des Tunnels wieder Licht zu sehen. Es war nur wichtig, immer weiterzulaufen und nicht auf der Hälfte der Strecke stehen zu bleiben. Noch lief ich ganz langsam und bemühte mich um jeden Schritt. Es fiel mir nicht besonders leicht, aber dennoch wusste ich, dass ich weitermachen musste. Allein schon für meine Eltern. Die beiden hatte keiner gefragt, ob sie in einem Verkehrsunfall ums Leben kommen wollten.

»Das verspreche ich dir. Außer die Sache mit dem Unter-den-Kilt-Gucken gehört auch dazu«, versuchte ich mich in einem Scherz, um die trüben unausgesprochenen Gedanken zwischen uns wegzuwischen.

Maggy lachte abermals. »In dieser Sache hast du meine volle Rückendeckung. Ich brenne schon darauf, zu erfahren, was sich dort drunter befindet.«

Dankbar nahm ich zur Kenntnis, dass ich meiner Freundin die Sorge um mich etwas hatte nehmen können. »Was zieht man eigentlich auf so einem Basar in den Highlands an?« Allmählich gefiel es mir, mich mit solchen Nichtigkeiten wie der Frage nach dem Kilt und weiteren schottischen Gepflogenheiten zu beschäftigen. Sie lenkten mich ganz wunderbar von den unschönen Gedanken in meinem Kopf ab und waren mir eine willkommene Abwechslung.

»Für welchen Zweck findet der denn statt?«, fragte Maggy interessiert.

Ich schmunzelte, ehe ich ihr den Grund verriet. »Der Dachstuhl der Kirche des Ortes ist ausgebrannt, und es werden Gelder für den Wiederaufbau gesammelt. Hört sich ziemlich nach diesen idyllischen Verfilmungen an, die irgendwo in diesen klitzekleinen Dörfchen in den Highlands spielen, wo jeder jeden kennt und man sich umeinander sorgt. Oder?«

»Das hört sich auf eine verschrobene Art und Weise ziemlich cool an. Zumindest habe ich nun nicht mehr das Gefühl, dass du da in deinem Cottage versauern wirst.«

Ich blickte auf den leeren Teller Hühnerbrühe vor mir. »Da brauchst du dir wirklich keine Sorgen zu machen. Wenn es nach Charlotte ginge, wäre ich ab sofort ein vollwertiges Mitglied dieser Gemeinde. Ob ich will oder nicht.«

»Dann bin ich ja beruhigt. Diese Charlotte scheint sehr resolut zu sein«, erwiderte Maggy.

»Auf eine äußerst liebenswürdige Art und Weise.« Ich dachte zurück an das erste Aufeinandertreffen mit der kleinen rundlichen Person. Schon vom allerersten Augenblick an hatte ich sie in mein Herz geschlossen. Sie hatte mir nicht mal den Hauch einer Chance gegeben, mich ihrem Charme zu entziehen.

»Dann bleibt mir nur noch, dir morgen einen schönen Tag zu wünschen. Melde dich ab und an bei mir. Hörst du?« Das war keine nette Aufforderung, sondern glich in Maggys Tonfall eher einem Befehl. Ich schmunzelte und war dankbar dafür, dass es dort in London jemanden gab, der sich um mich sorgte.

»Wird gemacht, Mum«, hänselte ich sie.

Als das Gespräch mit Maggy beendet war, ging ich zurück ins Wohnzimmer. Das Feuer im Kamin war fast erloschen, also legte ich zwei Scheite auf und begann vorsichtig, an der Glut zu pusten. Diese glomm nach wenigen Versuchen neuerlich auf und wenig später begann das Feuer auch wieder zu knistern. Das Erfolgserlebnis spornte mich an, endlich nicht mehr nur Trübsal zu blasen, sondern mir ernsthaft Gedanken zu machen, wie es denn jetzt weitergehen sollte.

Tom hin oder her. Ich hatte nach diesen zwei Wochen keine Bleibe mehr, und mich teuer irgendwo einmieten, war mit meinem knappen Budget momentan leider auch nicht drin. Außerdem musste ich schleunigst eine Lösung für meinen Buchladen finden. Wenn ich nicht wollte, dass ich demnächst auf der Straße stand, musste ich mir dringend ein Konzept erarbeiten. Das würde mich sicher auch auf andere Gedanken bringen.

Für gewöhnlich war ich nicht der Typ Mensch, der in fremden Schubladen wühlte oder in den Schränken auf die Suche nach interessanten Details ging. Dummerweise hatte ich mir allerdings nichts zum Schreiben mitgenommen, und mein Notizbuch lag noch immer in meinem Büro in London gleich rechts neben der Tastatur. Auf meinen Laptop wollte ich auch nicht zurückgreifen, der noch immer irgendwo in meinem Koffer lag. Ich wollte nicht in Versuchung geraten, die sozialen Netzwerke nach Tom abzuklappern und Gefahr zu laufen, ihn eng umschlungen mit seinem brasilianischen Unterwäschemodel zu sehen. Auf dem Handy hatte ich Facebook und Co. bereits deinstalliert. Ob ich mich allerdings am Laptop zurückhalten konnte, einen Blick auf seine Seite zu werfen, wagte ich zu bezweifeln.

In den Schubladen eines Wohnzimmerschrankes stieß ich bei meiner Suche sogleich auf ein paar persönlich anmutende Briefe und Unterlagen. Davon ließ ich jedoch besser die Finger. Das war mir dann doch eine Spur zu heikel. Vielleicht würde ich ja etwas in dem Sekretär aus Nussbaumholz finden, der unweit der Couch stand und sehr massiv aussah. Seine Füße waren zu Löwentatzen verarbeitet. Ich fand das antiquarische Möbelstück auf eine Weise abstoßend und anziehend zugleich.

Doch nie hätte ich damit gerechnet, dort etwas zu finden, was meinem Leben eine neue Wendung geben würde.

KapitelFünf

Geradezu andächtig starrte ich auf die geöffnete Schublade des Sekretärs. Das in Leder gebundene Büchlein, das dort vor mir lag, zog meine ganze Aufmerksamkeit auf sich. Vorsichtig strich ich mit meinen Fingerspitzen über den filigran gearbeiteten Einband. In der Mitte war ein weit verästelter Baum zu sehen, der von wunderschönen Ornamenten an der Seite flankiert wurde.

Eine Stimme tief in mir versuchte mich davon abzuhalten, doch meine Neugier war größer. Ich griff nach dem Notizbuch und nahm es aus der Schublade, dabei sah ich über die Schulter, wie als könnte mich jemand bei meiner Missetat beobachten.

Das Buch war an der Seite mit einem goldenen Knopf versehen. Darum spannte sich ein schwarzes Gummiband. Ein ungutes Gefühl beschlich mich, als ich das Band löste und den Knopf um neunzig Grad drehte. Diese Mischung aus Mut und Neugier schien mich wieder zu verlassen. Zumindest hatte ich plötzlich das Gefühl, dass das hier gar keine gute Idee war. Wenn mich nicht alles täuschte, dann handelte es sich bei dem Notizbuch um ein Tagebuch. Etwas sehr Persönliches, die intimsten Gedanken eines Menschen, wenn man so wollte. Da konnte ich doch nicht einfach meine Nase reinstecken und zu lesen beginnen.

Ich legte das Buch auf den kleinen runden Tisch neben mir, auf dem auch die Blumen standen. Um mich von diesem abzulenken, schritt ich abermals auf den Sekretär zu und sah mich nach Zettel und Stift um. Das war schließlich der Grund, warum ich überhaupt in die Privatsphäre dieser Person eingedrungen war – Zettel und Stift. Nicht mehr und nicht weniger.

Als ich schließlich fündig wurde, setzte ich mich zurück auf die Couch. Bis auf das zaghafte Knistern des Kamins war nichts zu hören. Die Stille war auf eine Art sehr angenehm, doch irgendwie wirkte sie dennoch beklemmend auf mich. Es schien fast so, als würde irgendetwas im Hintergrund auf mich lauern, mich dabei beobachten, wie ich mich wand, das Büchlein zu öffnen.

»Langsam wirst du wirklich verrückt«, schalt ich mich selbst, da es kein anderer tat. Ich benahm mich wie ein Freak. Außer mir war hier definitiv niemand.