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Dieses Weihnachtsfest wird ein ganz besonderes in der Seidenvilla, denn Nathalie und Amadeo werden heiraten. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Allerdings herrscht dicke Luft zwischen den Brautleuten, denn Amadeo erhält am Tag vor der Hochzeit einen Anruf von seiner einstigen Jugendliebe und fährt daraufhin eilig nach Venedig. Dass Nathalies Mutter Angela ihn begleitet, um Seidenschals zum Weihnachtsmarkt-Stand zu bringen, beruhigt Nathalie kaum. Doch dann entwickelt sich alles ganz anders als erwartet ...
Eine wunderbare Weihnachtsgeschichte zur erfolgreichen Seidenvilla-Saga
Eine stimmungsvolle Geschichte aus dem winterlichen Venetien
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Seitenzahl: 147
Veröffentlichungsjahr: 2021
Dieses Weihnachtsfest wird ein ganz besonderes in der Seidenvilla, denn Nathalie und Amadeo werden heiraten. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Allerdings herrscht dicke Luft zwischen den Brautleuten, denn Amadeo erhält am Tag vor der Hochzeit einen Anruf von seiner einstigen Jugendliebe und fährt daraufhin eilig nach Venedig. Dass Nathalies Mutter Angela ihn begleitet, um Seidenschals zum Weihnachtsmarkt-Stand zu bringen, beruhigt Nathalie kaum. Doch dann entwickelt sich alles ganz anders als erwartet …
Eine wunderbare Weihnachtsgeschichte zur erfolgreichen Seidenvilla-Saga
Eine stimmungsvolle Geschichte aus dem winterlichen Venetien
Tabea Bach war Operndramaturgin, bevor sie sich dem Schreiben widmete. Sie wuchs in Süddeutschland sowie in Frankreich auf. Ihr Studium führte sie nach München und Florenz. Heute lebt sie mit ihrem Mann in einem idyllischen Dorf im Schwarzwald. Ihre KAMELIEN-INSEL-Romane gelangten alle auf die Bestsellerliste. Die erfolgreiche SEIDENVILLA-Saga handelt von einer Seidenweberei in Venetien.
Tabea Bach
WEIHNACHTEN IN DER
SEIDENVILLA
Eine Geschichte im Veneto
Vollständige E-Book-Ausgabe
des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes
Originalausgabe
Copyright © 2021 by Bastei Lübbe AG, Köln
Lektorat: Melanie Blank-Schröder
Textredaktion: Ulrike Brandt-Schwarze
Titelillustration: © www.buersosued.de
Umschlaggestaltung: © www.buersosued.de
eBook-Produktion: hanseatenSatz-bremen, Bremen
ISBN 978-3-7517-0967-5
luebbe.de
lesejury.de
»Und dieses alte Zeug gefällt dir wirklich?«
Carmela Ponzino stand, auf ihren Stock gestützt, in der Kirche von Asenza und zupfte unzufrieden an einer der Seidenblüten herum, mit denen Nathalie, Angela und Mariola die dem Gang zugewandten Seiten der Bänke schmückten. Unter der Kanzel war, wie im Veneto Tradition, eine Weihnachtskrippe mit fast lebensgroßen Figuren aufgebaut. Ochs und Esel blickten andächtig auf Maria und Josef mit dem Kind. Über dem Altar hing ein riesiger Weihnachtsstern. Es war der Vormittag des 24. Dezembers. Am folgenden Tag würden sich hier Nathalie und Amadeo das Jawort geben.
»Das ist kein altes Zeug!« Nathalie nahm eine weitere einstmals weiße Stoffblume aus dem Karton, den sie bei der Renovierung der Villa Duse gefunden hatten, und hielt sie hoch. »Sie sind wunderschön!«
»Aber völlig vergilbt! Mariola, warum machst du deiner Freundin keine neuen? Du bist doch so geschickt mit Nadel und Faden. Und Seide gibt es in der Villa schließlich genug.«
»Meine liebe Carmela, das verstehen Sie nicht«, entgegnete Angela und zwinkerte ihrer ratlos mit den Schultern zuckenden Tochter zu. »Das nennt man Vintage!«
»Genau«, bestätigte Nathalie. »Anderswo müsste man eine Menge Geld für solche Seidenrosen bezahlen, gerade, weil sie so alt und ein wenig ausgebleicht sind.«
»Kamelien«, korrigierte Carmela sie und wandte sich zum Gehen. »Bei Winterhochzeiten haben sich die Bräute in Asenza schon immer mit Kamelien geschmückt. Das solltet ihr wissen, wo ihr so viel auf unsere Traditionen gebt.« Sie blieb abrupt stehen und wandte sich zu Nathalie um. »Seidenrosen? Sag bloß, du hast Rosen für den Brautstrauß bestellt?«
Nathalie sah sie bestürzt an. »Ja. Was ist daran falsch?«
Carmela stieß einen tiefen Seufzer aus. »Madre mia! Wo hast du den Strauß in Auftrag gegeben? Bei Lanzaroni? Ich bring das in Ordnung.«
»Ich denke, Nathalie sollte selbst entscheiden, welche Blumen sie in ihrem Brautstrauß haben möchte«, schaltete Angela sich ein, als sie sah, wie bleich ihre Tochter geworden war.
Mariola nickte. »Viele Bräute entscheiden sich für Rosen!«
»Sciocchezze«, gab Carmela ungnädig zurück. »In Neapel vielleicht. Bei euch zu Hause hat man ja sowieso keinen Ge…«
»Carmela, bitte«, unterbrach Angela die alte Dame energisch.
»Dein Großvater wird sich im Grabe umdrehen«, fuhr Carmela an Nathalie gewandt ungerührt fort, »wenn du mit Rosen … eigentlich eine Schande, dass Lanzaroni dir das nicht erklärt hat. Rosen … wenn ich das schon höre …« Vor sich hin schimpfend hatte die alte Weberin, auf ihre beiden Stöcke gestützt, das Portal erreicht. Kurz darauf fiel es dröhnend ins Schloss.
»Du liebe Güte«, seufzte Nathalie und ließ sich auf eine der Bänke sinken. »Das sollen also Kamelien sein?« Sie drehte und wendete die Blüte in ihrer Hand.
»Was für eine unnötige Aufregung!« Angela schüttelte den Kopf. »Mach dir keine Sorgen, Schatz«, sagte sie und griff nach ihrem Handy, um den Floristen anzurufen. »Alles bleibt so, wie du es ausgesucht hast. So weit kommt es noch, dass sich die gute Carmela bei deinem Brautstrauß einmischt.«
»Gleich sind wir fertig, nur noch diese hier.« Während Angela dem Floristen erklärte, dass es keineswegs eine Änderung in der Bestellung ihrer Tochter geben solle, egal, was Signora Ponzino ihm erzählen würde, nahm Mariola ihrer Freundin sanft die Blüte aus der Hand, um sie an der letzten Kirchenbank zu befestigen.
»Schau mal«, sagte sie und hob die leere Schachtel. »Sie haben genau ausgereicht. So als ob sie extra hierfür angefertigt worden wären.«
Nathalie betrachtete ihr gemeinsames Werk und atmete tief durch.
»Das sieht wirklich wunderschön aus«, seufzte sie. »Ach, Mariola, wenn ich gewusst hätte, mit wie viel Stress so eine Hochzeit verbunden ist, dann …«
»Was dann?« Mariola setzte sich neben Nathalie in die Bank. »Hättest du sie etwa abgeblasen?«
Nathalie knuffte sie liebevoll in die Seite.
»Ihr hättet eine Doppelhochzeit feiern sollen«, meinte Angela. »Geteilter Stress … halb so schlimm.«
»Ja«, sagte Nathalie. »Das wäre bestimmt lustig geworden.«
Dann bemerkten sie, wie sich Mariolas Miene verschloss, und wechselten einen erschrockenen Blick.
»Entschuldige«, sagte Angela. »Ich wollte dir nicht …«
»Ist schon gut«, unterbrach Mariola sie und seufzte. »Gianni würde ja gerne heiraten. Es ist nur …« Sie wandte das Gesicht ab und schien die Krippenfiguren zu betrachten. »Na ja, ich hab einfach noch nicht vergessen können, wie es damals mit Edoardo war.«
»Aber Gianni ist doch ganz anders als dein erster Mann«, gab Nathalie sanft zu bedenken. »Er ist die Liebenswürdigkeit in Person und würde ganz gewiss keinem etwas zuleide …«
»Ich weiß.« Mariolas Stimme zitterte. »Du hast vollkommen recht.« Sie räusperte sich. Nathalie griff schnell nach ihrer Hand und drückte sie.
»Du brauchst eben noch ein bisschen Zeit«, beeilte sich Angela zu sagen und biss sich ärgerlich auf die Unterlippe. Warum hatte sie das Thema überhaupt angeschnitten? Jetzt hatte sie Mariola wieder an ihre schreckliche erste Ehe erinnert, und das war das Letzte, was sie wollte.
»Ja, vermutlich«, antwortete Mariola, sah auf ihre Armbanduhr und erhob sich. »Sollten wir nicht nach unseren Kindern sehen, ehe sie Signora Tessa zur Verzweiflung bringen?« Sie lachte, und Nathalie stimmte erleichtert mit ein.
Angelas letzter Blick galt der Kirche. Alles war perfekt. Am folgenden Morgen würde Lanzaroni den Altarschmuck bringen. Und dann war es so weit …
»Was gibt es denn sonst noch zu erledigen?«, fragte Mariola, als sie die Kirche verließen.
»Das war der letzte Punkt auf meiner Liste«, erklärte Nathalie erleichtert.
»Das ist gut«, sagte Mariola, während sie gemeinsam die steile Gasse zur Piazza della Libertà hinuntergingen. »Dann habt ihr noch ein bisschen Ruhe, ehe es morgen ernst wird. Amadeo wirkt, als hätte er ziemlich viel gearbeitet in letzter Zeit.«
»Ja, das hat er wirklich.« Nathalies Miene verdüsterte sich.
Angela sah sie besorgt an. Erst am vergangenen Abend hatte ihr Nathalie ihr Leid geklagt. Seit Amadeo sich in Venedig als freier Anwalt niedergelassen hatte, fand er kaum noch Zeit für etwas anderes als seine Arbeit. Es wäre natürlich bewundernswert, hatte sie gesagt, wie sehr er sich für seine Klienten engagiere. Aber manchmal würde er es ihrer Meinung nach übertreiben. Angela hatte allerdings das Gefühl, dass es da noch etwas anderes gab, was ihre Tochter bedrückte. Doch darüber hatte Nathalie mit ihrer Mutter bislang noch nicht gesprochen.
»Ist alles in Ordnung?« Selbst Mariola war offenbar aufgefallen, dass Nathalie drauf und dran war, ihre gute Laune zu verlieren. Besorgt musterte sie ihre Freundin.
»Natürlich«, antwortete Nathalie rasch. »So ist es eben, wenn man gerade eine Anwaltskanzlei eröffnet hat. Da … da gibt es viel zu tun.«
Hoffentlich ist es nur das, dachte Angela.
»Na, da ist ja unsere promessa sposa.«
Fast die gesamte Belegschaft der Seidenvilla, einschließlich der Schneiderin Romina, hatte sich, eingepackt in warme Jacken, an diesem milden Wintertag um einen der Stehtische vor der Bar des Hotels Duse zusammengefunden.
»Was ist denn hier los?«, fragte Nathalie erstaunt, als sie sah, dass jede der Weberinnen ein Glas Prosecco in der Hand hielt, während sich Nicola und Stefano, die beiden Weber aus Angelas Truppe, ein Bier genehmigten. »Gibt es etwas zu feiern?«
»Und ob!« Orsolina strahlte sie an und hob ihr Glas. »Den Beginn der Betriebsferien. Und deine morgige Hochzeit.«
»Signora Angela hat uns heute freigegeben …«, fügte Maddalena hinzu, und Angela nickte.
»… weil wir tatsächlich schon mit allen Bestellungen fertig geworden sind«, vollendete Nola, die dienstälteste Seidenweberin, zufrieden. »Wenn ich da an vergangenes Jahr denke, da haben wir an Heiligabend sogar noch bis in den späten Nachmittag hinein geschuftet.«
»Ja, das stimmt«, räumte Angela reumütig ein. »Dieses Jahr haben wir das viel besser organisiert. Und Sie haben alle fantastische Arbeit geleistet.«
Nathalie sah sich suchend um. »Wo sind denn Fioretta und Anna?«
»In Venedig«, antwortete Angela. »Auf dem Kunsthandwerkermarkt beim Campo Santo Stefano. Ich hab dir doch erzählt, dass wir im letzten Moment noch einen Stand angeboten bekommen haben, weil jemand abgesprungen ist. Und jetzt repräsentieren die beiden dort unsere Seidenvilla.«
»Trinkt ihr ein Glas mit uns?«, fragte Nicola und wollte Fausto, dem barista des Hotels Duse, winken, aber Mariola wehrte ab.
»Ein andermal«, sagte sie. »Wir sollten nach unseren Kindern sehen. Sicher ist Signora Tessa schon mit den Nerven am Ende …«
»Was soll ich sein? Mit den Nerven am Ende?« Zu Nathalies Freude blitzte der silbergraue Bob der alten Dame im Dunkel der Bar auf. Ihre bald achtundsiebzig Jahre sah man Tess kein bisschen an. Sie war einst die beste Freundin von Angelas Mutter gewesen und nach deren frühem Tod eine Art mütterliche Freundin für sie geworden. Ihr war es außerdem zu verdanken, dass Angela in Asenza die Seidenvilla mit den historischen Webstühlen gekauft und den Betrieb gemeinsam mit den Weberinnen und Webern zu neuer Blüte gebracht hatte.
»Du glaubst, ich komme mit zwei so reizenden Kindern nicht zurecht?« Tess lachte schallend. An der einen Hand hielt sie den kleinen Pietrino, Nathalies Sohn, an der anderen Valentina, Mariolas Tochter. Die beiden Kleinen waren mit einem Abstand von nur vier Wochen zur Welt gekommen, inzwischen gut zwei Jahre alt und die allerbesten Freunde. »Habt ihr das gehört, bambini?«
Valentina gluckste und streckte den freien Arm nach ihrer Mutter aus, während sich Pietrino grinsend hinter seiner Nonnatessa, wie er sie nannte, versteckte.
»Also für ein Glas Prosecco ist immer Zeit, Mariola«, erklärte Angela und machte Fausto ein Zeichen. »Und was wollt ihr?«, fragte sie an die Kinder gewandt. »Noch eine Tasse Kakao?«
»Nein, auf keinen Fall«, entschied Nathalie und betrachtete kritisch den feinen braunen Rand, der Pietrinos Mundwinkel zierte. »Wie ich sehe, hatten sie bereits una cioccolata, stimmt’s, mein Herz?« Pietrino nickte eifrig. »Du verwöhnst sie zu sehr, liebste Tess«, seufzte sie und sah zu, wie ihr Junge zu Eddas kleinem Hündchen lief, das sich die Friseurin vor Kurzem angeschafft hatte. Ein echter Handtaschenhund, hatte Nicola gespottet, der vor ein paar Jahren eine Zeit lang mit der temperamentvollen Edda liiert gewesen war.
»Buon Natale!«, grüßte Edda in die Runde. Und zu Nathalie gewandt fügte sie lächelnd hinzu: »Ist alles fertig für die Hochzeit?«
»Ja, ich glaube schon«, antwortete Nathalie mit einem tiefen Seufzen. »Matilde und Emilia scheinen für das Festmahl alles im Griff zu haben. Sie belagern seit Tagen die Küche oben in der Villa Duse.«
»Das Kleid ist wunderschön geworden«, schwärmte Nola. »Ein wahrer Traum und einer principessa würdig!« Sie und besonders Maddalena, die eine Schwäche für die alten Adelstitel hatte, strahlten. Denn Amadeo war der jüngste Spross einer uralten Fürstenfamilie aus Venedig, auch wenn seit Jahrzehnten die Adelstitel in Italien abgeschafft worden waren und weder er noch sein Vater Vittorio Wert darauf legten.
»Romina hat sich wieder einmal selbst übertroffen«, fügte Nathalie anerkennend hinzu, und die Schneiderin lächelte bei diesem Lob. Wie immer war sie auch an diesem Tag extravagant gekleidet: Zu weinroten Pumphosen aus Wollflanell trug sie eine asymmetrisch geschnittene Jacke aus verschiedenen Resten von Nicolas traumhafter Jacquardseide. Dabei hatte sie die unterschiedlichen Muster und Farben raffiniert kombiniert. Romina hatte viele Jahre in einer venezianischen Schneiderei gearbeitet, die sich auf die Fertigung von ebenso kostbaren wie fantasievollen Karnevalskostümen spezialisiert hatte, und entwarf ihre Kleidung stets selbst.
»Ja, das Brautkleid ist wirklich schön geworden«, seufzte sie und sah sich um, ob ihr Freund, der Architekt Dario Monti, in der Nähe war. »Ganz ehrlich, ich hatte immer gedacht, mir eines Tages selbst so ein ähnliches Modell zu schneidern. Aber jetzt bin ich zweiundfünfzig Jahre alt und bisher hat mir noch kein Mann einen Heiratsantrag gemacht.«
»Soll ich Dario mal auf die Sprünge helfen?« Nathalies Augen blitzten unternehmungslustig.
»Das wirst du schön bleiben lassen«, gab Romina zurück und drohte ihr spielerisch mit dem Zeigefinger.
Seit Romina ihre Stelle in Venedig aufgegeben und in Asenza eine Wohnung bezogen hatte, waren sie und Dario Monti ein Paar. Doch offenbar war der Architekt noch nicht auf die Idee gekommen, Romina einen Antrag zu machen.
»Habt ihr auch daran gedacht, etwas Altes, etwas Geliehenes und etwas Blaues einzuarbeiten?«, wechselte Edda das Thema.
»Natürlich!«, riefen Mariola und Romina gleichzeitig und mussten lachen. Auch Mariola arbeitete im Modeatelier mit, nähte komplizierte Details von Hand und war auf Stickereien aller Art spezialisiert. Mariola hat Zauberhände, sagte Angela oft.
»Es ist das schönste Brautkleid der Welt«, verkündete Nathalie im Brustton der Überzeugung und sah in die Runde der Weberinnen und Weber. »Auch deswegen, weil eure Seidenstoffe so traumhaft sind.«
»Wir sind glücklich, wenn es dir gefällt«, antwortete Maddalena im Namen aller, denn jeder von ihnen hatte etwas zu Nathalies Hochzeitskleid beigetragen.
»Und darauf lasst uns trinken«, schlug Angela vor und hob ihr Glas. »Auf Nathalies Brautkleid und überhaupt auf den wundervollen Zusammenhalt in Asenza.« An Fausto gewandt fügte sie hinzu: »Kommen Sie, Fausto, trinken Sie ausnahmsweise auch ein Glas mit uns. Das geht auf meine Rechnung.«
»Sie selber trinken ja kaum etwas«, stellte Stefano erstaunt fest.
»Ich muss nachher noch mal nach Venedig fahren«, erklärte Angela.
»Was? Wieso das denn, Mami?«, fragte Nathalie.
»Ich habe Romina versprochen, deine Brautschuhe abzuholen«, antwortete Angela mit einem Blick auf ihre Schneiderin. »Sie sind nicht eher fertig geworden, und Romina hat einen freien Tag wirklich verdient.«
»Wegen Schuhen fahren Sie extra nach Venedig?« Fausto schüttelte verwundert den Kopf.
»Das sind nicht irgendwelche Schuhe«, entgegnete Romina, »sondern handgefertigte aus derselben Seide wie das Kleid.«
Fausto nickte und beeilte sich, einen älteren Herrn zu bedienen, der an die Theke getreten war.
»Ach je«, sagte Nathalie mit einem Seufzen. »Und ich dachte, wir könnten es uns alle miteinander ein bisschen gemütlich machen.«
»Mach du es dir mit Amadeo und dem Kleinen gemütlich«, schlug ihre Mutter vor. »Ich schau bei der Gelegenheit auch bei Fioretta und Anna vorbei und bring ihnen noch mehr Ware. Wie ich höre, sind die Seidentücher fast ausverkauft.«
»Last-Minute-Weihnachtsgeschenke für gestresste Ehemänner«, spottete Mariola.
»Oder Damen, die beim Anblick unserer Tücher einfach nicht widerstehen können«, entgegnete Nicola seiner Schwester und warf ihr einen genervten Blick zu.
»Wie dem auch sei«, kam Angela einem Wortgefecht der Geschwister zuvor, »langsam sollte ich mich wohl auf den Weg machen.«
»Aber du isst doch noch mit uns zu Mittag?« Tess wies auf den Innenraum des Hotel Duse. »Ich hab für uns alle einen Tisch reservieren lassen, denn Emilia ist ja gerade mit den Vorbereitungen für das Festmahl beschäftigt. Ich dachte, wir beginnen gleich jetzt mit dem Feiern. Heute fängt Weihnachten an, wenigstens bei uns in Deutschland. Und seht mal, da kommt ja auch der glückliche Bräutigam.«
Amadeo überquerte gerade die Piazza della Libertà. Er trug Jeans und darüber eine taillierte Steppjacke, die sich geschmeidig an seine drahtige Figur schmiegte und deren dunkles Anthrazit sein goldblondes Haar betonte. Obwohl Angela ihn nun schon so lange kannte, verblüffte es sie immer wieder aufs Neue, wie attraktiv er war. Amadeo war ein ausgesprochen gut aussehender junger Mann, ja, auch wenn man dies von Männern eigentlich nicht sagte – er war ungewöhnlich schön. Nach den Fotos zu urteilen glich er wohl in vielem seiner verstorbenen Mutter, von ihr hatte er das dichte, blonde Haar, die ebenmäßigen Gesichtszüge und den sinnlichen Mund. Von seinem Vater Vittorio, mit dem Angela seit fast eineinhalb Jahren verheiratet war, hatte er die großen, dunklen Augen geerbt. Amadeo und Nathalie bildeten ein schönes Paar, darin waren sich alle einig. Angela beobachtete, wie sich die Miene ihrer Tochter entspannte und sie vor Glück zu strahlen begann. Ein Gefühl der Erleichterung durchströmte sie. Ganz sicher hatte sie sich umsonst Gedanken gemacht. Vermutlich waren alle jungen Bräute in den Tagen vor ihrer Hochzeit nervös und hinterfragten ihre Entscheidung.
»Ciao, amore.« Amadeo küsste Nathalie zärtlich auf den Mund. Seine Augen wurden für einen Augenblick samtig und noch dunkler als sonst. »Geht’s dir gut?«, fragte er leise.
»Du kommst genau richtig für ein frühes Mittagessen«, begrüßte Tess ihn mit der ihr eigenen Fröhlichkeit. »Angela muss nämlich gleich noch nach Venedig, ein paar Besorgungen machen.«
»Du fährst nach Venedig?« Amadeo wandte sich interessiert zu Angela. »Das trifft sich gut. Kannst du mich mitnehmen?«
»Du willst … du willst nach Venedig?« Nathalie klang alles andere als begeistert. »Heute?«
»Ja, es muss leider sein.« Amadeo legte ihr liebevoll die Hand auf die Schulter, seine Aufmerksamkeit galt indes ganz ihrer Mutter. »Wann fährst du denn?«
Angela sah von ihm zu Nathalie und zögerte.
»Nun«, meinte sie, »eigentlich würde ich am liebsten so bald wie möglich los…«
»Fantastisch«, fiel ihr Amadeo ins Wort. »Je eher, desto besser.«
»Moment mal …«, warf Nathalie ein.
»Dann sind wir früher wieder zurück, cara«, erklärte Amadeo seiner Braut.
Nathalie ließ sich allerdings nicht so leicht abspeisen. »Was musst du denn da heute noch erledigen?« Sie klang aufgebracht.
»Es ist nur eine Kleinigkeit«, versuchte er sie zu beruhigen. »Deine Mutter und ich sind bald wieder zurück.«