Weihnachtsgeschichten am Kamin 38 -  - E-Book

Weihnachtsgeschichten am Kamin 38 E-Book

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Beschreibung

Die erfolgreiche Sammlung der zauberhaftesten Weihnachtsgeschichten. Jedes Jahr neu zusammengestellt von Barbara Mürmann. Wurde die alte Kiste nicht gerade erst auf dem Dachboden verstaut? Die wackelige Trittleiter knarzt unter den Füßen. Hält noch. Da ist die Box! Vorsichtig den Staub vom Deckel pusten und dann langsam öffnen: Plötzlich glitzert und funkelt es, und der Duft nach Tannennadeln und Wachs strömt heraus. Schau! Dieser schiefe Stern wurde mit Eifer von Kinderhänden zusammengekleistert, und dem alten Nussknacker wurde bestimmt dreimal der rechte Arm geleimt. Stück um Stück fallen Erinnerungen in die Hände. Minute um Minute wird es festlicher im Haus. Und wenn alles geschmückt ist, wenn es draußen dunkel ist und drinnen die Lichter am Baum leuchten, dann kommt das beste Weihnachtsgeschenk: Zeit für eine schöne Weihnachtsgeschichte. Weihnachten wird es für die Welt ...

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Seitenzahl: 243

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Barbara Mürmann (Hg.)

Weihnachtsgeschichten am Kamin 38

Gesammelt von Barbara Mürmann

 

 

Über dieses Buch

Weihnachten wird es für die Welt.

 

Wurde die alte Kiste nicht gerade erst auf dem Dachboden verstaut? Die wackelige Trittleiter knarzt unter den Füßen. Hält noch. Da ist die Box! Vorsichtig den Staub vom Deckel pusten und dann langsam öffnen: Plötzlich glitzert und funkelt es, und der Duft nach Tannennadeln und Wachs strömt heraus. Schau! Dieser schiefe Stern wurde mit Eifer von Kinderhänden zusammengekleistert, und dem alten Nussknacker wurde bestimmt dreimal der rechte Arm geleimt. Stück um Stück fallen Erinnerungen in die Hände. Minute um Minute wird es festlicher im Haus. Und wenn alles geschmückt ist, wenn es draußen dunkel ist und drinnen die Lichter am Baum leuchten, dann kommt das beste Weihnachtsgeschenk: Zeit für eine schöne Weihnachtsgeschichte.

 

Die erfolgreiche Sammlung der zauberhaftesten Weihnachtsgeschichten. Jedes Jahr neu zusammengestellt von Barbara Mürmann.

Vita

Für Barbara Mürmann ist als Herausgeberin der «Weihnachtsgeschichten am Kamin» das ganze Jahr Weihnachten. Zum Glück, denn sie liebt dieses besondere Fest. Seit vielen Jahren besorgt sie mit Hingabe und Sorgfalt die Auswahl für die erfolgreiche Anthologie. Barbara Mürmann, geboren in Goslar, lebt in Hamburg. Dort leitet sie den Arezzo Musikverlag.

Impressum

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, Oktober 2023

Copyright © 2023 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg

Redaktion Mattes Daugardt

Covergestaltung Cordula Schmidt Design, Hamburg

Coverabbildung Daniel Rodgers/Advocate Art

ISBN 978-3-644-01797-9

 

Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation

Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp

 

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages.

 

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Alle angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Printausgabe.

 

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Dieses eBook entspricht den Vorgaben des W3C-Standards EPUB Accessibility 1.1 (neueste Version des Barrierefreiheitsstandards für EPUB) und den darin enthaltenen Regeln von WCAG, Level AA (hohes Niveau an Barrierefreiheit). Die Publikation ist durch Features wie Table of Contents (Inhaltsverzeichnis), Navigationspunkte und semantische Content-Struktur zugänglich aufgebaut.

 

 

www.rowohlt.de

Vorwort

Bei uns im Wohnhaus schleichen in der Nacht zum sechsten Dezember Nikoläuse durch das Treppenhaus, um vor jede Wohnungstür ein paar Naschereien zu legen.

Auch ich bin eine «Nikoläusin» und erinnere mich an ein Jahr, in dem das Licht im Treppenhaus gerade wieder erlosch, während ich eine Treppe tiefer schleichen wollte. Ich hielt mich am Geländer fest und tastete mit der freien Hand nach meiner Taschenlampe, als sich plötzlich eine fremde Hand auf meine legte. Was für ein Schreck! Und zwei – immerhin gedämpfte – Aufschreie. Ich schaltete endlich die Taschenlampe an und stand quasi Nase an Nase einem Nachbar-Nikolaus gegenüber, der die letzten Stufen im Dunkeln hochgeschlichen war.

Es war nur Glück, dass bei unserem nun einsetzenden Gelächter nicht der Rest der Nachbarschaft die Türen öffnete, und so konnten wir beide, noch immer lachend, unsere Süßigkeiten verteilen.

Bestimmt haben auch Sie schon vieles in der Weihnachtszeit erlebt. Vielleicht lohnt es sich, diese Geschichten aufzuschreiben und an mich zu schicken. Die Adresse finden Sie hinten im Buch. Ich freue mich alle Jahre wieder auf Ihre Einsendungen.

 

Barbara Mürmann

Krippenspiel und Badekappe

Rita Kusch

«Advent ist im Dezember!» Unter diesem Motto hat die Evangelische Kirche in Deutschland dazu aufgerufen, die Adventszeit als Zeit der Einkehr, der Besinnung und Ruhe zu gestalten, und zwar nicht schon nach den Sommerferien. Das ist zwar ganz in meinem Sinne, aber nicht immer und überall möglich. So ist das zum Beispiel mit dem alljährlichen Krippenspiel schwierig. Ich möchte am liebsten erst im Dezember mit den Proben beginnen, aber das ist definitiv zu spät. Bis dahin wird Josef seinen Text nicht gelernt haben, die Hirten haben nicht begriffen, von welcher Seite sie kommen sollen, und Maria wird ganz bestimmt das Sofakissen verlieren, das ihre Schwangerschaft vortäuschen soll. Also muss ich die ersten Proben wohl oder übel für den späten Sommer oder frühen Herbst ansetzen.

Deswegen liegen der Text für das Krippenspiel und der Hirtenstab direkt neben der nassen Badekappe, mit der Emma und Thilo eben noch aus dem Schwimmbad gekommen sind. Der Satz «Herr, es ist so kalt draußen, lass mich doch ein» hält sich wacker in jedem Krippenspiel, obwohl es im Dezember in Israel so um die 15 Grad sind. Und für diejenigen, die gerade aus dem Freibad kommen, ist der Satz doppelt komisch. Egal, er muss gelernt werden.

Das erste und vielleicht sogar schwierigste Problem beim Krippenspiel ist, die dazu geeigneten Kinder und Jugendlichen zu finden und zu motivieren. Denn sehen Sie, es ist ja so: Emma will nur mitspielen, wenn auch Angelina mitmacht. Ole macht nur mit, wenn Thilo nicht mitmacht, und Oskar will auf keinen Fall einen Hirten spielen. Die Rolle der Maria zu besetzen, ist dann besonders einfach, wenn ich für den Josef den beliebtesten Jungen des Ortes gewinnen kann, in den alle Mädchen bis zum Atemstillstand verliebt sind. Bei dem gemeinsamen Weg nach Bethlehem würde sich doch sicherlich die eine oder andere Gelegenheit ergeben, sich näherzukommen.

Ich merke bei der Zusammenstellung der Mannschaft immer wieder, dass ich, gerade was den Engel angeht, doch sehr traditionsbehaftet bin. Für mich muss ein Engel blonde Haare haben, und lang müssen sie sein, lang und lockig. Gendern hin, gendern her – mein Engel ist ein Mädchen. Die Stimme muss sanft und voll klingen, gerade wenn der Engel sagt: «Fürchtet euch nicht!» Das darf auf keinen Fall wie ein Blecheimer klingen.

Bei dem Kompromiss, den ich dieses Jahr notgedrungen eingehen muss, kommt ein rothaariges, superdünnes Mädchen heraus, das aber eine schöne Stimme hat und ihren Text im Nullkommanix auswendig kann. Auch für ihr Kostüm hat sie schon eine Idee. Hierbei handelt es sich um ein langes, weißes Strandkleid, das an der rechten Seite einen Schlitz hat, der … na, Sie wissen schon: viel Bein zeigt. Um das wiederum zu kaschieren, hat sie sich weiße Seidenstrümpfe besorgt, natürlich auf meine Kosten. Dabei fiel ihre Wahl auf solche Strümpfe, die oben eine Spitzenbordüre haben, die man am Bein festklemmt. Die Folge ist, dass wir zwei Zimmer zum Umkleiden brauchen werden, sonst sind Josef und die Hirten zu sehr abgelenkt. Den weiten Ausschnitt des Kleides möchte sie durch eine ebenso weiße Federboa verdecken. Hoffentlich kann ich ihr den Lippenstift ausreden!

Um die restlichen Kostüme kümmern wir uns erst später. Wer will schon bei 25 Grad Außentemperatur ein warmes Schaffell tragen? Ich werde noch genügend Mühe damit haben, Maria das rote Kleid schmackhaft zu machen, Josef den braunen Sack und den Hirten die Schlapphüte und die Laterne.

Einige Mühe macht es mir zudem, den Kindern und Jugendlichen die Singsangstimmen abzugewöhnen. «Sieh da! Ein Stern! Er leuchtet hell! Was hat das zu bedeuten?» Dabei wird penetrant jeweils das letzte Wort betont.

Sozusagen alle Jahre wieder versuche ich, den Spagat hinzubekommen zwischen allzu starren Text- und Regievorgaben, will den Mitspielenden selbst Entfaltungsmöglichkeiten und Ideen zugestehen, aber wenn dann Maria zu Josef sagt: «Josef, mach mal das Licht an, ich glaube, ich habe ein Kind bekommen!», dann muss ich doch wieder beherzt eingreifen, sonst giggeln sich an dieser Stelle alle echten Mütter weg, und man wird von dem Text kaum mehr etwas verstehen können.

Die Lautstärke und die Betonung sind mein größtes Problem. Ich bemühe als Beispiel immer wieder die alte Dame, die in der letzten Reihe sitzt, schwerhörig ist und doch auch etwas verstehen möchte. Paul bemerkt daraufhin nur ganz trocken, wenn die alte Dame so schlecht hören könne, solle sie sich doch nach vorne setzen. Auch die Bitte, dass dem Publikum, das in einem Krippenspiel Gemeinde genannt wird, niemals der Rücken zugekehrt werden soll, bedarf der mehrfachen Wiederholung.

Wenn der Text irgendwann einigermaßen sitzt, kommen wir zu den Feinheiten, die etwa aus den passenden Gesten an den passenden Stellen bestehen könnten. Bei dem klangvollen Satz: «Merkt ihr denn gar nicht, dass der ganze Raum von Frieden, Licht und Stille durchflutet ist?», der aus meiner Feder stammt und den ich besonders liebe, stelle ich mir vor, dass einer der Hirten in einer weit ausholenden Geste durch den ganzen Stall zeigt. Er sagt den Satz aber wie aus der Pistole geschossen und peitscht dann einmal mit seinem Arm in Turbogeschwindigkeit durch die Luft.

Auch der Umgang mit den Requisiten will geübt sein. Josef will für den langen Weg von Nazareth nach Bethlehem unbedingt seine Thermoskanne mitnehmen, und es kostet mich einiges an Überzeugungskunst, ihm klarzumachen, dass es diese hilfreiche Erfindung damals noch gar nicht gab. Auch das Ausrufen des Befehls, sich in die eigene Heimatstadt zu begeben, was nach der biblischen Geschichte durch einen Herold des Kaisers Augustus erfolgt sein soll, könnte doch viel schneller durch eine WhatsApp verbreitet werden.

Dass ich für das Auffinden des richtigen Weges durch das Gebirge die Nutzung von Google Maps nicht erlauben werde, ist schon mal klar. Und ein Handy ist sowieso nicht gestattet. Sogar ausgeschaltet soll es während der Proben sein. Wie hinterwäldlerisch das denn sei? Ole hat das doch glatt vergessen, wirklich ganz aus Versehen. Also klingelt sein Handy. Passend zum Geschehen hat er das Schreien eines kleinen Babys als Klingelton. Dran ist seine Mutter, die ihn nur daran erinnern will, nach der Probe noch ein halbes Pfund Mettwurst vom Schlachter fürs Abendessen mitzubringen. Nach diesem Telefonat dauert es erst einmal wieder, die Motivation und Aufmerksamkeit meiner Krippentruppe auf unser gemeinsames Anliegen zu richten.

Andererseits helfen gerade solche Ereignisse dabei, die Geburt im Stall als etwas ganz und gar Menschliches erscheinen zu lassen, bei der zwar Gott selbst zur Welt kommt, das aber eher unspektakulär, wenn nicht gar armselig.

Und ob Sie’s glauben oder nicht, bei der Aufführung am Heiligen Abend wird alles ganz anders sein. Der Text sitzt, die Kostüme strahlen mit den Gesichtern um die Wette, die Gesten passen, und der ganze Raum ist von Frieden, Licht und Güte durchflutet. Das merkt jeder und jede. Jawohl.

Omas Weihnachtsüberraschung

Jeanine Rudat

«Mama, ist das dein Ernst?» Missmutig kaut meine vierundzwanzigjährige Tochter auf einem Vanillekipferl herum. «Ich bin extra schon zum dritten Advent nach Hause gekommen, und hier ist weder geschmückt, noch gibt es selbst gebackene Kekse. Nur dieses viel zu süße Zeug aus dem Supermarkt.» Louisa schaut mich anklagend an, während sie sich auf unser cremefarbenes Sofa lümmelt.

Ich atme einmal tief durch und versuche, ruhig zu bleiben. Aber so richtig will mir das nicht gelingen. Zu viel ist dieses Jahr passiert. Im Frühjahr ist meine Mutter verstorben, und im Sommer ist meine Tochter für ihr Masterstudium nach Barcelona gezogen. Die Sehnsucht nach zwei meiner Lieblingsmenschen ist nach wie vor so groß, dass ich weder Louisas Kinderzimmer noch Oma Inges Einliegerwohnung in unserem Haus ausgeräumt habe, obwohl mein Mann Christoph mir damit schon seit Monaten in den Ohren liegt. Er möchte in Oma Inges Wohnung sein Büro einrichten und Louisas Raum endlich zu einem Gästezimmer umfunktionieren.

«Erde an Mama! Hörst du mir eigentlich zu?»

«Ja, tut mir leid, aber du weißt doch, dass Oma Inge immer gebacken hat. Das Gen hat sie leider nicht an mich weitergegeben. Und an dich auch nicht, wenn ich mich an die verkohlten Pfeffernüsse erinnere, die du vor drei Jahren gebacken hast.»

Jetzt müssen wir beide lachen. Louisa kommt zu mir herüber und nimmt mich in den Arm. «Mama, es tut mir leid. Das sollte kein Vorwurf sein. Ich weiß, wie sehr du Oma vermisst. Das tue ich auch. Aber sie hat Weihnachten immer so gemocht, und dank ihr war es hier im ganzen Haus immer so gemütlich zur Adventszeit.»

Meine Mutter hatte in der Tat ein Händchen dafür, Weihnachten zur schönsten Zeit des Jahres zu machen. Jedes Jahr im Dezember hat sie einen Adventskranz gebastelt, früher mit mir, später mit Louisa zusammen. Auf den Ecktisch neben der Couch hat sie die uralte Familienkrippe gestellt und auf das Fensterbrett den Schwibbogen, den ihr Urgroßvater aus dem Erzgebirge selbst geschnitzt hat.

«Was machen wir denn jetzt? Oma Inge hätte bestimmt nicht gewollt, dass es dieses Weihnachten so trostlos zu Hause ist.»

Ich sehe, wie es hinter der Stirn meiner Großen arbeitet.

Energisch steht Louisa auf. «Komm, wir schmücken jetzt das Haus. Und wenn Papa nach Hause kommt, wird er Augen machen!»

Das ist meine Tochter, denke ich stolz. Nie lässt sie sich unterkriegen oder suhlt sich in schlechter Stimmung, sondern packt die Dinge an. Das hat sie definitiv von meiner Mutter geerbt, die war auch so ein fröhlicher Mensch.

Ich wische mir verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel und freue mich, dass Louisa da ist und wieder Leichtigkeit in unser Haus bringt. Viel zu lange habe ich mich in meiner Trauer um meine Mutter vergraben und mein leeres Nest beklagt. Jetzt ist Schluss damit.

«Ich schlage vor, du gehst in den Keller und holst die zwei Kisten mit dem Weihnachtsschmuck hoch und gerne auch schon den Weihnachtsbaumständer, und ich backe Weihnachtsplätzchen.»

«Du willst backen? Na ja, immer noch besser als ich», antwortet mir meine Tochter grinsend. Woher sie diese Zuversicht nimmt, ist mir schleierhaft.

Eine Stunde später hole ich bereits das vierte Blech Butterplätzchen aus dem Ofen. In Ermangelung an Ausstechförmchen habe ich einfach ein Sektglas genommen. Wenn ich die Kekse noch verziere, sehen sie aus wie Smileys. Ich bin richtig stolz auf mich. Jetzt müssen sie nur noch schmecken.

Louisa kommt wieder herein und hat einen Teelichthalter mit Schneeflocken darauf in der Hand. «Ich habe im Keller nur eine Kiste mit Weihnachtssachen gefunden. Also nur die von dir und Papa. Omas Kiste stand da nicht.»

«Das ist komisch, Oma hat die eigentlich immer wieder ordentlich weggeräumt, sobald Weihnachten vorbei war. Ich dachte, Christoph hätte sie letztes Jahr wieder für sie heruntergetragen. Hast du schon bei Oma in der Wohnung geguckt?»

«Nein, aber gute Idee. Da gehe ich gleich mal schauen. Hm … Die sehen ja gut aus, sollen das Weltkugeln sein?» Louisa greift sich einen Keks und beißt herzhaft hinein.

«So könnte man die Plätzchen auch interpretieren, aber eigentlich hatte ich nur keine Förmchen, vielleicht sind die auch in Omas Kiste.» Gespannt schaue ich meine Tochter an, die keine Miene verzieht. Im Pokerspielen hat sie ihre Eltern schon immer geschlagen. «Und, wie schmecken die Kekse?»

«Kann es sein, dass du Zucker vergessen hast? Die schmecken ein bisschen nach nichts.» Mit einem schiefen Lächeln kaut sie langsam vor sich hin.

Ich nehme einen Bissen. Verdammt. Die Plätzchen schmecken wirklich sehr neutral. Könnte man auch mit Hummus oder Frischkäsedip vor dem Fernseher essen. Ich atme tief durch. Erst finden wir nur die halbe Weihnachtsdeko, und dann misslingen mir auch noch die einfachsten Kekse, weil ich zu wenig Zucker hineingetan habe. Vermutlich ist mir ein Fehler bei der Umrechnung der Teigmenge unterlaufen. Ich bin wirklich keine geborene Bäckerin.

Während ich noch vor mich hin grübele, ruft Louisa von unten: «Mama, kannst du mir helfen? Die Weihnachtskiste von Oma Inge stand unter ihrem Bett. Und sie ist sehr schwer.»

Wenigstens die Dekoration ist gerettet, wenn ich meine Mutter auch beim Backen nicht ersetzen kann.

Gemeinsam tragen wir den Karton ins Wohnzimmer und öffnen ihn mit Schwung. Dabei segelt ein Briefumschlag heraus, über und über mit Weihnachtsaufklebern versehen.

Ich runzele die Stirn. Genau so hat meine Mutter die Weihnachtsbriefe immer dekoriert. Jedes Jahr hat sie die Aufkleber aus der Beilage ihrer Fernsehzeitschrift als Verzierung benutzt, ihr Markenzeichen. Tränen der Rührung schießen in meine Augen. Meine Tochter greift nach meiner Hand und drückt sie.

«Vielleicht hat Oma vergessen, uns letzte Weihnachten diesen Brief zu geben», mutmaßt sie.

Meine Hände zittern, denn ich weiß ganz genau, dass meine Mutter Christoph und mir und auch Louisa einen Brief gegeben hat. Selbst ihrem verstorbenen Mann hatte sie einen geschrieben, den wir am Morgen des Heiligen Abend auf sein Grab gelegt haben.

Ich drehe den Umschlag und lese: Für meine geliebte Tochter Marie, meine Enkeltochter Louisa und meinen Schwiegersohn Christoph. Ich schlucke. Warum sollte sie uns zwei Mal zu Weihnachten einen Brief schreiben?

«Wollen wir ihn aufmachen?», fragt Louisa flüsternd, während sie sich an mich anlehnt und wie hypnotisiert auf den Brief starrt.

Kurz halte ich inne, dann öffne ich den Umschlag. Ich falte zwei Blätter auseinander und fange an zu lesen. Schon nach wenigen Zeilen laufen mir Tränen die Wangen herunter. Drei Monate vor ihrem Tod hat meine Mutter, schon vom Krebs gezeichnet, einen Abschiedsbrief an uns verfasst. Mit jeder Zeile, die ich lese, vermisse ich sie mehr. Mit jeder Zeile denke ich daran, wie sie mich als Kind mein Holzbettchen mit Creme hat einschmieren lassen, ohne mich auszuschimpfen, wie sie meine heimlichen Discobesuche als Teenager vor meinem Vater gedeckt hat und wie stolz sie gestrahlt hat, als sie Louisa das erste Mal im Arm hielt.

Auch meine Tochter weint, als sie den Brief ihrer Oma liest.

Und dann kommen wir zum Schluss, den meine Mutter sicher mit einem Augenzwinkern geschrieben hat und der gerade nicht besser passen könnte.

Ich bin jetzt in der Himmelsbäckerei angestellt. Wenn ihr mich einmal vermisst, schaut einfach nach oben. Hinter den Sternen, das sind unsere Lampen, da sitze ich und feile an neuen Rezepten. Und damit ihr die Küche nicht in Brand steckt, Pfeffernüsse verkohlt oder das Backpulver vergesst, habe ich euch ein Buch mit meinen Rezepten zusammengestellt. Ihr findet es hier in meiner Weihnachtskiste. Backt jedes Jahr eines davon, und ihr könnt sicher sein, dass ich euch von oben dabei zugucke.

Weihnachtsbescherung

Katharina Hackauf

In meiner Heimat St. Margarethen im Lungau, dem Ort meiner Geburt, waren die Menschen gottesfürchtig, arbeitsam und freundlich, aber ganz bestimmt nicht reich. Jedenfalls war das der Fall zur Zeit meiner Kindheit. Man lebte in trauter Eintracht miteinander, hatte durch Fleiß und Zuverlässigkeit ein bescheidenes Auskommen, half sich gegenseitig und war zufrieden und froh, wenn man Nachbarn und älteren Dorfbewohnern eine Freude bereiten konnte.

So war es auch in der Adventszeit Anfang der 50er-Jahre, in der meine Geschichte sich zutrug. Wir Schulkinder waren erfüllt von bescheidener Vorfreude auf das bevorstehende Weihnachtsfest mit all seinen Ereignissen und Überraschungen und hatten uns etwas ganz Besonderes ausgedacht: Auch wir wollten jemandem Freude schenken, jemandem, dem es nicht so gut ging wie uns. Und recht bald wussten wir, wer unser aller Weihnachtsgeschenk bekommen sollte!

Bei uns lebte nämlich, mitten im Walde auf einem 1300 Meter hohen Hügel in einer baufälligen, ganz verwitterten Kate ohne Strom- und Wasseranschluss, die Familie Grabenkönig, und zwar nur noch der alte Mann mit seiner kranken Frau in trauter Zweisamkeit. Ihre beiden Söhne, für sie beide die Zukunft, waren aus dem Krieg nicht zurückgekommen, der eine gefallen, der andere vermisst! So ernährte der Grabenkönig sich und seine bettlägerige Frau recht und schlecht durch den Anbau von etwas Gemüse und Kartoffeln auf einer kleinen Ackerfläche neben seinem schiefwinkeligen Holzhaus. Eine Kuh, ein Schwein und ein paar Hühner halfen ihm dabei und machten ihn zum Selbstversorger. Wasser für Mensch und Vieh schöpfte er mühsam aus dem nahen Gebirgsbach, Holz und Torf zum Heizen und Kochen lieferte der Wald ringsumher, das offene Feuer der Rauchküche spendete Wärme und Licht. Bescheidenheit und Armut waren die ständigen Begleiter der alten Eheleute.

Der Grabenkönig war ein kleiner, gedrungener Mann mit weiß wallendem Haupthaar und langem Barte. Er trug wollene Wickelgamaschen und einen lodenartigen Umhang und stützte sich auf einen mannshohen Haselnussstock, wenn er zu Tal schritt, um für seine kranke, lahme Frau Arznei aus dem zehn Kilometer entfernten Ort zu holen. Er sorgte sich um sie und blieb niemals länger als nötig weg, sie war sein Ein und Alles, sie war sein Leben.

Bald wussten wir Schulkinder auch, was wir machen wollten, und unsere Eltern unterstützten uns gern dabei. Sie spendeten Mehl, Butter, Eier und viele andere Zutaten, die wir zum Backen von Keksen und Kuchen benötigten, und da eine ganz ordentliche Menge zusammengekommen war, tauschte der ortsansässige Kaufmann diese in andere Waren um, die die beiden Alten oben auf dem Berg sicher gebrauchen konnten. Dies alles wurde von uns sorgfältig verpackt, die Kekse und der Kuchen waren vorzüglich gelungen, sie kamen in kleine Schachteln, mit Bändchen, Schleifen und Strohsternchen verziert. Kurz vor den Festtagen war bei uns der Winter eingebrochen, die Jungen holten ein kleines Tännchen aus dem Wald, welches wir mit Kerzen und Silberfäden festlich herausputzten. Am Tag vor Heiligabend, in aller Herrgottsfrühe, beluden wir unsere Schlitten mit all den Geschenken und machten uns bei völliger eiskalter Dunkelheit auf den schneeverwehten, ansteigenden Weg zur Kate des Grabenkönigs. Das war gar nicht so einfach, und wir froren ganz ordentlich, merkten das aber kaum, weil wir uns so sehr auf das Kommende freuten.

Endlich waren wir vor der fast eingeschneiten Hütte angelangt, aus dem Schornstein stieg dünner, bläulicher Rauch – ein Zeichen, dass Leben in dem Häuschen war. Wir alle waren mucksmäuschenstill, vorsichtig traten wir den vor der Tür angehäuften Schnee zu einem Halbkreis fest und richteten unsere Schlitten mit den Geschenken zur Tür hin aus. Die Kerzen brannten hell, und wir Kinder stimmten erst ganz leise, dann aber lauter und kräftiger den Weihnachtschoral an: Sieh, es wird der Herr sich nah’n, und mit ihm der Heiligen Schar, und ein Licht voll Herrlichkeit wird erglänzen! Halleluja!

Gleich darauf wurde mit einem lauten Ruck von innen die Holztüre aufgestoßen, und im Türrahmen erschien der Grabenkönig im Nachtgewand. Er schaute und staunte, ganz ergriffen, sich halb umdrehend, rief er in den dunklen Raum: «Muatta, ’s Christkindl is do!» Damit verschwand er in der Hütte.

Gerade stimmten wir die zweite Strophe des Liedes an, da kam der Grabenkönig zurück, er trug auf den Armen seine gelähmte Frau, die er fürsorglich in eine Decke gehüllt hatte. Die sonst so verhärmten Gesichter der beiden verklärten sich zu einem seligen Lächeln. Sie lächelten und weinten zugleich, und der Zauber dieses Augenblicks zog ein, auch in unsere Kinderherzen – wir waren einfach nur glücklich, überwältigt!

Auch für uns war wahrhaft Weihnachten geworden.

Warten auf Weihnachten

Hille Lux

In einigen Stunden ist die Warterei auf den Abend des 24. Dezembers endlich vorbei. Dann werden allerorts die Kerzen am Tannenbaum angezündet und strahlen. Kinderaugen leuchten mit ihnen um die Wette. So auch bei Veronika und Albert zu Hause.

«Albert!», ruft Veronika aus der Küche.

Albert grummelt, weil er sich gerade gemütlich in seinen Sessel setzen wollte, um die Zeitung zu lesen.

«Ja?» Er drückt die Küchentür einen Spalt auf.

Veronika steht mit mehlbestäubten Armen und blau karierter Schürze am Küchentisch. Unter der Schürze lugt schon die rosa Bluse mit den Rüschen für den Abend hervor. Nur die Ärmel sind hochgerollt, damit sie den Kuchenteig zusammenkneten kann. Der Duft der schon gebackenen Plätzchen zieht herüber. Aus der Anlage auf der Fensterbank klingt sanft Leise rieselt der Schnee. Passend dazu bedeckt eine dünne Schicht Puderzucker den Tisch.

«Albert, hol doch bitte mal den Weihnachtsbaumständer vom Boden, damit wir noch rechtzeitig den Tannenbaum schmücken können.»

«Hm, hm», brummt Albert, legt die Pfeife in den Aschenbecher, schlurft in seinen braunen Filzpantoffeln in den Flur und steckt sich unterwegs das graue Hemd in die schwarze Jogginghose.

Im Flur klappt er mit einer Hakenstange die Bodentreppe von der Decke herunter, steigt sie hinauf und knipst oben den Lichtschalter an.

«Puh.» Er schnuppert. Muffiger Geruch quillt ihm entgegen. Staub liegt auf abgewetzten Stühlen, auf einer braunen Holzkommode mit drei Beinen, den Büchern und einem verrosteten Vogelbauer, Spinnweben hängen an Balken und Dachsparren. Mit eingezogenem Kopf, um nicht irgendwo anzuecken, pirscht Albert durch die ausrangierten und noch nicht entsorgten Habseligkeiten. Der Christbaumständer ist nirgendwo zu sehen. Während die trübe, nackte Glühbirne, die traurig an einer kahlen Schnur von einem Balken herabbaumelt, aus unerfindlichen Gründen plötzlich verlischt und ihn in graue Dunkelheit hüllt, geht ihm gedanklich ein Licht auf. Vor einem Jahr, als Weihnachten vorbei war, ließ der Ständer sich nicht mehr vom Baumstamm lösen. Damals entsorgte er ihn samt Baum, ohne es Veronika zu sagen. Einen neuen zu kaufen, vergaß er, andere Wichtigkeiten im Jahr schoben sich vor.

Und jetzt ist Heiliger Nachmittag. Die Läden sind ab 14 Uhr geschlossen. Albert schaut auf die Armbanduhr. Die Leuchtziffern zeigen auch im Dunkeln 15:30 Uhr an, und Magda, Theo und Klein Moritz werden zum frühen Abend hin ankommen. So ein Mist!

«Aua!» Albert stößt im Dunkeln an die Ecke eines ausrangierten Couchtisches, reibt das schmerzende Knie und kratzt sich dann am Kopf. Was tun? Wo ist seine Kreativität geblieben? Auf eine Möglichkeit kann er nicht zurückgreifen, die Erde im Garten ist gefroren. Vater hatte früher öfter einmal den Tannenbaum mangels Ständer in einen mit Erde gefüllten Bottich gestellt. Je trockener diese in den Weihnachtstagen wurde, desto mehr wackelte der Tannenbaum darin. Einmal war er sogar ganz umgefallen.

Rückwärts steigt Albert die ausgeklappte Bodentreppe wieder herunter und drückt sie so schwungvoll und krachend mit dem Hakenstock zu, dass Veronika aus der Küche stürzt.

«Ist was passiert?!» Mittlerweile ist auch ihr Gesicht mit den runden Wangen und Lachfältchen um die Augen mit Mehl bestäubt. An ihrer Nasenspitze klebt ein Krümel Kuchenteig.

«Klappe zu. Keinen Christbaumständer gefunden.»

«Aber wieso?» Veronika stemmt die Arme in die Hüften. «Letztes Jahr hatten wir doch einen?»

«Jaaa – letztes Jahr. Das ist dreihundertfünfundsechzig Tage her.» Albert reibt seinen Nacken. «Jetzt ist er nirgends zu finden.»

«Aber bald kommen doch die Kinder!», jammert Veronika. «Überleg dir etwas.» Damit verschwindet sie wieder in der Küche und schlägt die Tür etwas lauter hinter sich zu als sonst.

Na ja, denkt Albert, du hast gut reden. Du backst gemütlich Plätzchen. Was meinst du wohl, wie meine Gedanken rasen. Es ist mir schon klar, dass alle Jahre wieder am 24. Dezember ein Weihnachtsbaum aufgestellt wird – wenn denn ein Ständer da ist.

Aber wieso brauchen wir eigentlich den Ständer? Am besten ist es doch, den Baum einfach an die Wand zu lehnen, links und rechts mit je einem Stuhl abgestützt, damit er nicht umfällt, und den Stumpf des Stammes mit Silberfolie zu umhüllen. Von hinten schmücken ist sowieso Zeitverschwendung. Wir schauen ihn nur von vorne an. Klein Moritz steht auch vor dem Baum, wenn er die letzte Zeile eines Frühlingsgedichtes aufsagt. Frühling deswegen, weil es das einzige Gedicht ist, dessen letzte Zeile er auswendig kann, und er heult wie ein getretenes Wolfsjunges, wenn er nichts aufsagen darf. Das letzte Weihnachtsfest ist deswegen noch in nachhallender Erinnerung.

Gedacht, getan. Bald lehnt der Tannenbaum an der Wand, und Albert schmückt ihn mit den von Veronika bereitgestellten Anhängseln: rote Plastikkugeln, Kerzen in silbernen Haltern, Strohsterne, süße Kringel, Lametta. Veronika stellt hin, Albert schmückt. Streitereien wie in seiner Kindheit gibt es nicht.

 

Als er Kind war, gestaltete sich das nämlich anders: Bis 16 Uhr war noch alles friedlich, dann brachen die Kämpfe ums Outfit des Tannenbaumes aus. Vater wollte eigentlich gar keinen, musste aber trotzdem im nahen Wald nach einem wildern. Opa saß im Sessel und dirigierte jeden Handgriff der anderen, was bei allen zu cholerischen Ausbrüchen führte. Oma wollte selbst gestrickte Socken aufhängen.

«Aber nur mit einer Süßigkeit darin», forderte Mutter.

«Nein, dadurch werden die Socken schmutzig.» Oma schlurfte mit den Socken im Arm beleidigt zur Toilette.

Schwester Pia hatte einen Rauschgoldengel für die Baumspitze gebastelt, der aber nicht daran festhalten wollte.

«Lass doch das blöde Ding auf dem Fußboden hocken», mäkelte Bruder Tobias.

«Selber blöd», keifte Pia zurück und zeigte auf die von Tobias ausgesägten Anhänger. «Glocken, Weihnachtsmänner, Engel. Wer mag denn so etwas?»

Tobias streckte ihr die Zunge heraus und tippte sich mit dem Zeigefinger an die Stirn.

Daraufhin heulte Pia.

Mutter hängte derweil Lametta in die Zweige.

«Lametta stört», brummelte Opa, während er sich eine Zigarre anzündete. «Hatten wir früher nie.»

Mutter riss es wütend wieder ab. «Schmückt doch alleine!», fauchte sie. «Und du hör auf zu qualmen, der Arzt hat es dir verboten.» Damit verschwand sie in die Küche.

Und Klein Albert? Der packte schon sein Weihnachtsgeschenk aus und blies kräftig hinein – in eine goldene, weit schallende Tröte …

 

Veronika erscheint im Wohnzimmer und reißt Albert aus seinen Kindheitsträumereien. Sie legt den Kopf schief, begutachtet den geschmückten Baum, nickt zustimmend und dekoriert einen stützenden Stuhl mit einem Weihnachtsgeschenk. «Für Klein Moritz.»

«Was bekommt er denn in diesem Jahr?» Albert hängt letztes Lametta in die Tannenzweige.

«Du weißt doch.» Veronika zupft das Schleifenband zurecht, das um das Geschenk gewunden ist. «Er hat sich so sehr eine goldene Tröte gewünscht.»

«Ach so?!» Albert denkt an die früheren Ohrenschäden seiner Familie seit dem Tröten-Weihnachten. Deshalb sagt er, vorbeugend auf Milderung bedacht: «Aber erst einmal sagt Klein Moritz seine Frühlingszeile auf, und dann singen wir Vom Himmel hoch, da komm ich her».

In dem Moment fällt Putz von der Zimmerdecke.

«Du hast immer noch nicht die Schadstelle im Oberstübchen ausgebessert», mault Veronika. «Jetzt haben wir den Salat.»

Es klingelt.

«Ach was.» Albert geht zur Tür. «Essen wir erst einmal den, der in der Küche steht. Dann sehen wir weiter.» Er öffnet und ruft über die Schulter: «Das sind Magda, Theo und Klein Moritz!» Er umarmt sie nacheinander. «Hurra, Weihnachten ist da!» Und denkt im Stillen: Hoffentlich überleben unsere Gehörgänge die Tröte …

Für ’n Groschen Pfefferkuchen

Stephan Wilhelm

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