Weihnachtsgeschichten am Kamin 39 -  - E-Book

Weihnachtsgeschichten am Kamin 39 E-Book

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Beschreibung

Die älteste und erfolgreichste Weihnachtsanthologie. Besinnliche, fröhliche und herzenswarme Geschichten zum Lesen, Vorlesen und zum Verschenken! Diese Tasche mit den Weihnachtseinkäufen ist wirklich schwer! Endlich ist der Heimweg geschafft, und Mehl, Zucker und Butter landen auf dem Küchentisch. Schnell das alte Rezept hervorgekramt, das schon zerknittert ist vom vielen Gebrauch. Rasch den Ofen vorgeheizt. Die Kinder kommen rein: Dürfen wir den Teig probieren? Können wir auch ausstechen? Stück um Stück landen Sterne, Tannenbäume und Schneemänner auf dem Blech. Hm, wie das duftet! Der Geruch von Anis, Kardamom und Zimt zieht durch die ganze Wohnung. Nun ist es drinnen wohlig warm. Und während die Plätzchen noch dampfend abkühlen, kommt das Allerbeste an der Weihnachtszeit: Wir lesen zusammen eine schöne Weihnachtsgeschichte. 

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Seitenzahl: 242

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Barbara Mürmann (Hg.)

Weihnachtsgeschichten am Kamin 39

Gesammelt von Barbara Mürmann

 

 

Über dieses Buch

Ich muss euch sagen: Es weihnachtet sehr!

 

Diese Tasche mit den Weihnachtseinkäufen war wirklich schwer! Nun ist der Heimweg geschafft, und Mehl, Zucker und Butter landen auf dem Küchentisch. Jetzt schnell das alte Rezept hervorkramen und den Ofen vorheizen. Die Kinder kommen rein: Dürfen wir den Teig probieren? Können wir auch ausstechen? Stück um Stück landen Sterne, Tannenbäume und Schneemänner auf dem Blech. Wie das duftet! Der Geruch von Zimt, Kardamom und Anis breitet sich in der ganzen Wohnung aus.

Und während die Plätzchen dampfend abkühlen, kommt das Allerbeste am Advent: Wir lesen zusammen eine schöne Weihnachtsgeschichte.

 

Besinnliche, fröhliche und herzenswarme Erzählungen: die beliebteste Anthologie zur Weihnachtszeit!

Vita

Für Barbara Mürmann ist als Herausgeberin der «Weihnachtsgeschichten am Kamin» das ganze Jahr Weihnachten. Zum Glück, denn sie liebt dieses besondere Fest. Seit vielen Jahren besorgt sie mit Hingabe und Sorgfalt die Auswahl für die erfolgreiche Anthologie. Barbara Mürmann, geboren in Goslar, lebt in Hamburg. Dort leitet sie den Arezzo Musikverlag.

Impressum

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, Oktober 2024

Copyright © 2024 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg

Redaktion Nadia Al Kureischi

Mitarbeit Julia Schrader

Covergestaltung Cordula Schmidt Design, Hamburg

Coverabbildung Daniel Rodgers/Advocate Art Sociedad Limitada

ISBN 978-3-644-02112-9

 

Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation

Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp

 

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages.

 

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www.rowohlt.de

Vorwort

Wie gut ich es doch habe. Jedes Mal, wenn eine Weihnachtsgeschichte bei mir eintrifft, fühle ich mich wie bei der Bescherung zum Fest. Am liebsten würde ich alles, was ich zugeschickt bekomme, in die Weihnachtsgeschichten am Kamin aufnehmen! Leider geht das nicht. Ein Grund ist, dass sich jedes Jahr wie von Engelshand die Seiten füllen – und auf einmal ist das Buch prall gefüllt mit den schönsten Erinnerungen, Anekdoten und Kurzgeschichten, obwohl ich doch gerne noch einige Beiträge aufgenommen hätte.

Auf jeden Fall haben Ihre Geschichten immer die Chance, in einem der nächsten Bände veröffentlicht zu werden. Und wenn Sie meinen, ich hätte eine besonders schöne Einsendung übersehen, schicken Sie sie mir gerne noch einmal zu.

Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich für Ihre Arbeit, Mühe und Geduld bedanken. Ohne Sie, liebe Autorinnen und Autoren, würde es die Weihnachtsgeschichten am Kamin gar nicht geben, und wir könnten nicht im nächsten Jahr mit Band 40 einen runden Geburtstag feiern.

Ich freue mich sehr auf Ihre Post.

 

Barbara Mürmann

Weihnachtliches Gänseessen

Ingrid Maria Schäfer

Onkel Franz und Onkel Hubert

(leiden konnten sie sich nie)

sitzen heut beim Weihnachtsessen

bei der Tante Amelie.

 

Köstlich, dieser Gänsebraten,

auch die Knödel und das Kraut.

Herzhaft speist die große Sippe.

Lustig geht es zu und laut.

 

Nur die Onkel Franz und Hubert

starrn sich an in stillem Zwist,

weil des andren Gänsekeule

größer als die eigne ist.

 

«So ist’s immer schon gewesen!»,

zischt der Hubert voller Neid.

«Immer dir die größten Stücke!»

Und der Onkel Franz grinst breit.

 

«Das ist Unsinn», ruft die Tante.

«Beide Keulen waren gleich!

Meine Gans tat niemals hinken.

So, und jetzt vertragt ihr euch!»

 

Doch der Streit ist nicht zu bremsen

und entbrennt nun richtig frisch.

Kindersünden, Jugendfehden –

alles kommt jetzt auf den Tisch.

 

Hei, da sprühen wild die Funken,

und ein jeder mischt sich ein,

und für alle Zeit zerstritten,

ziehn die Gäste wütend heim.

 

Ach, das Fest ist voll verdorben,

ganz entweiht die «Heil’ge Nacht»!

Und die Gans, würd sie noch leben,

hätte sicher laut gelacht.

Das Weihnachtskonzert

Peter Warnecke

Es war im Jahr 1969, als meine Schwester zu Weihnachten ein Akkordeon von unseren Eltern geschenkt bekam. Sie war damals zwölf Jahre alt. Ich, ihr Bruder, bin knapp vier Jahre jünger und staunte nicht schlecht, wie schnell sie mit diesem Instrument zurechtkam. Gewiss, sie hatte bereits einige Jahre zuvor mit einer Blockflöte schon früh die Fähigkeit erworben, einfache Musikstücke nach Noten zu spielen. Nun aber handelte es sich um ein ganz anderes Kaliber. Statt einer einstimmigen und damit einfachen Melodieführung musste sie mit der linken Hand die Bässe und mit der rechten Hand die Melodietasten bedienen, zum Teil sogar mehrstimmig oder als Akkord.

Das Akkordeon meiner Schwester war mit vierzig Bässen bestückt, genau das richtige Format für Anfänger. Die größeren Instrumente mit zweiundsiebzig und sechsundneunzig Bässen waren den Fortgeschrittenen vorbehalten. In diese Liga stieg man, wenn überhaupt, erst nach vielen und intensiven Übungsstunden auf.

Mit dem Akkordeon waren drei wöchentliche Unterrichtsstunden verbunden. Musiklehrer Reinken war dafür gerade der rechte Mann. Er verstand es, meiner Schwester in kurzer Zeit mit entsprechenden Hausaufgaben das Akkordeonspielen beizubringen. Zunächst gab es jeweils am Donnerstag eine private Einzelstunde, und etwas später kam die zweistündige Übungseinheit im Akkordeonorchester dazu.

Meine Eltern schienen auch sehr zufrieden mit der Entwicklung zu sein. Gingen nach der Anfangseuphorie bald schon die Übungen und Proben meiner Schwester nicht nur mir, sondern auch meinen Eltern gehörig auf die Ohren, stellten sich mit der Zeit erste Fortschritte ein. Dann und wann klang es doch schon recht passabel. Gut, dass man frühzeitig Herrn Reinken engagiert hatte!

Tatsächlich hatte ich Gefallen am musikalischen Spiel meiner Schwester gefunden. Während ich in ihren Übungsstunden zu Hause noch immer gern das Weite suchte, war ich in der Unterrichtsstunde mit Herrn Reinken gerne dabei. Zusammen mit meinen Eltern saß ich dann auf dem Sofa und lauschte den frisch eingeübten Musikstücken. Das klang richtig schön, und es war lustig anzusehen, wie geschickt die Hände meiner Schwester über die Tasten huschten. So etwas würde ich auch gern machen, dachte ich.

Und so bekniete ich meine Eltern, bis sie nach einigen Wochen meinem Drängen nachgaben und auch mir erlaubten, Akkordeon spielen zu lernen. Das war eine große Freude für mich. Die erste Stunde bei Herrn Reinken war aufregend, ich konnte es kaum erwarten, meine Hausaufgaben zu erledigen. Zunächst übte ich jeden Tag mehrere Stunden lang. Sobald ich an den Orchesterproben teilnahm, spielte ich auf dem Instrument meiner Schwester, während sie ein geliehenes Orchesterakkordeon mit zweiundsiebzig Bässen nahm.

Doch dann wurde bei mir die Lust schnell zur Last. Die Musik mochte ich, ja, aber die technischen Fertigkeiten zu erlernen machte mir einfach keinen Spaß. Ich wollte lieber draußen mit meinen Freunden Fußball spielen, als bei schönem Wetter im Haus die Tonleitern und die neusten Musikstücke einzustudieren. Und so übte ich immer weniger und mogelte mich bei den Unterrichtsstunden irgendwie durch.

Im November wurde ich überraschend dazu aufgefordert, am Weihnachtskonzert am vierten Advent zusammen mit meiner Schwester teilzunehmen. Durfte ich? Oder musste ich? Meine Eltern freuten sich und waren stolz auf meine Schwester und mich. Herr Reinken freute sich auch. Endlich konnten wir zeigen, was wir draufhatten, und das vor einem größeren Publikum. Denn zu einem Weihnachtskonzert wie diesem kamen nicht nur die Eltern und Geschwister. In der Regel war auch mit den Großeltern und mit etwas Glück mit der entfernteren Verwandtschaft zu rechnen. Da würde der dafür vorgesehene Gemeindesaal gut gefüllt sein. Zudem werden falsche Töne beim aufspielenden Nachwuchs wohlwollend ignoriert. Da hatte Herr Reinken so seine Erfahrungen.

Die für das Konzert ausgesuchten Stücke wurden nur im Orchester eingeübt. Dafür waren die privaten Unterrichtsstunden nicht vorgesehen. Oje, zu den üblichen Übungen musste ich jetzt auch noch die Weihnachtslieder einüben. Dazu hatte ich nun überhaupt keine Lust. Bei den Orchesterproben verkrümelte ich mich jeweils geschickt in die letzte Reihe und wandte den Trick an, den meine Schwester mir gezeigt hatte, nachdem sie einmal für eine Orchesterprobe nicht genügend geübt hatte. Die Töne im Akkordeon entstehen durch das Auf- und Zuziehen des Blasebalgs, der die Luft durch die eingebauten Tonpfeifen zieht und presst. Wenn ein Musikstück zu Ende und noch Luft im Blasebalg ist, kann diese Luft, ohne ein Geräusch zu verursachen, einfach rausgelassen werden: indem man die Lufttaste auf der Bassseite drückt. Durch andauerndes Drücken der Lufttaste gibt das Akkordeon keine Töne von sich, auch dann nicht, wenn man die ganze Zeit den Blasebalg auf- und zuzieht und wie ein professioneller Spieler mit seinen Fingern über die Tasten saust. Dazu übte ich noch einen angestrengten Gesichtsausdruck ein und war mir ziemlich sicher, dass ich das Weihnachtskonzert auf diese Weise auch bei den schwierigen Stücken durch permanentes Drücken der Lufttaste gut überstehen würde. Zumal ich doch auch in der letzten Reihe sitzen würde. Wer würde da schon etwas bemerken? In der Nacht vor dem Konzert hatte ich zwar ein etwas mulmiges Gefühl im Bauch, aber was sollte schon schiefgehen?

Der Gemeindesaal war dem Anlass entsprechend hübsch geschmückt. Auf den langen Tischreihen vor der Bühne waren Gedecke für Kaffee, Tee und Gebäck platziert. Dazwischen lagen mit goldenen Sternen dekorierte grüne Tannenzweige. Auch einige Zettel mit dem Programm waren ausgelegt. Hier war deutlich nachzulesen, dass das Konzert aus zwei Teilen mit einer kleinen zehnminütigen Pause bestand.

Für Herrn Reinken war dies ein besonderer Tag. Sicherlich freute er sich, seine Arbeit einem größeren Publikum präsentieren zu können. Da darf man nichts dem Zufall überlassen. Alle teilnehmenden Musiker mussten gut zu sehen sein. Also ordnete er das dreireihige Ensemble so an, dass die Kleinsten und Jüngsten ganz vorne saßen, während die Älteren der Größe nach in den beiden hinteren Reihen platziert wurden.

Ich zuckte zusammen. Das kann doch wohl nicht wahr sein, dachte ich. So hatte ich mir das aber nicht vorgestellt! Ich saß nun mitten auf dem Präsentierteller direkt vor dem Orchesterleiter. Meine Schwester dagegen saß direkt hinter mir und kicherte fröhlich mit ihrer Sitznachbarin. Und schon klopfte Herr Reinken mit seinem Taktstock auf den Notenständer vor ihm, hob den Dirigentenstab in die Höhe und ließ mit einer schwungvollen Abwärtsbewegung das Konzert beginnen.

Zum Glück spielten wir zuerst die einfachen Stücke, die ich noch problemlos mitspielen konnte. Aber schon bald stieß ich an meine musikalischen Grenzen. Herr Reinken hatte mit seinen Adleraugen alles im Blick. Beim ersten aufkommenden Applaus hatte er mir noch wohlwollend zugenickt. Das änderte sich schlagartig, als sich sein Blick bei den nächsten Stücken immer wieder auf meinen auf der Lufttaste in Dauerstellung liegenden Daumen bohrte. Ich bemerkte ein Zittern auf seinen leicht zusammengekniffenen Lippen. Mein Daumen zitterte mit. Ich starrte weiter unentwegt mit einem äußerst angestrengten Gesichtsausdruck in meine Noten und ließ meine rechte Hand in rasantem Tempo über die Tastatur fliegen. Wobei aus meinem Akkordeon nicht ein Ton das staunende Publikum erreichte. Schließlich brachten wir beide den ersten Teil des Konzertes zu einem vernünftigen Ende. Ein lang anhaltender Applaus honorierte die bisherige Darbietung. Es schien, als ob nur ich und Herr Reinken meinen Daumen auf der Lufttaste bemerkt hatten. In der Pause versuchte ich sofort aus seinem Blickfeld zu verschwinden. Doch er stellte mich und ordnete an, den zweiten Teil des Konzertes nicht auf der Bühne, sondern am Tisch meiner Eltern zu verbringen.

Na fein, so konnte ich bei Tee und Gebäck gemütlich dem Rest des Weihnachtskonzerts lauschen. Durch meinen Abgang hatten sich eine Lücke in der ersten Reihe sowie ein ungehinderter Blick auf meine Schwester aufgetan. Bewundernswert, wie die Finger ihrer rechten Hand über die Tasten flogen. Diese einzigartigen Bewegungen waren sonst bei keinem anderen zu sehen. Auch ihr angestrengter Blick in die Notenblätter fiel mir auf. Und sosehr ich mich auch bemühte, so konnte ich doch keinen Ton aus ihrem Akkordeon wahrnehmen. Dafür bemerkte ich ein Zittern in ihrem Daumen, der in Dauerstellung auf der Lufttaste lag. Wahrscheinlich zitterten die Lippen von Herrn Reinken wieder mit.

Nach diesem Weihnachtskonzert beendete ich meine Karriere als Orchestermusiker.

Ob Herr Reinken auch froh darüber war? Ich weiß es nicht. Trotz der damaligen anstrengenden Übungseinheiten habe ich meinen Lehrer heute in angenehmer Erinnerung. Er hat mir die Notenschrift und die Musik nahegebracht. Und die Musik ist etwas Wunderschönes.

Gehen Sie doch wieder einmal in ein Weihnachtskonzert. Sie werden es genießen. Und achten Sie dabei auf die Daumen der Musiker. Besonders bei einem Akkordeonspieler.

Trotz allem – mein schönstes Weihnachtsfest!

Christa Gruhn

Es war Anfang Dezember. Seit Tagen freute ich mich riesig auf die Lesung meiner Weihnachtsgeschichte in der alten Heimat. Hier hatte ich die frühen Jahre meiner Kindheit verbracht. Der Veranstalter warb dafür mit meinem Mädchennamen. Das ließ mich noch mehr darauf hoffen, meinen Spielfreund wiederzusehen, mit dem ich damals dieses eine, besondere Weihnachtsfest erlebt hatte.

Am Morgen meiner Abreise zu der Lesung regnete es in Strömen. Ein düsterer Start.

«Stell dir vor, der Regen wäre Schnee», sagte ich zu meinem Mann, «dann wäre es wie damals!»

«Wenn’s so wäre, müsstest du deine Reise witterungsbedingt wohl absagen», antwortete er entspannt.

«Absagen? Um Himmels willen, die Lesung ist ausverkauft!» Ich packte meine Reisetasche, denn ich würde in dem kleinen Städtchen übernachten.

Mein Mann spannte den großen Regenschirm auf und brachte mich zum Auto. «Mach dir keine zu großen Hoffnungen. Wer weiß, wo der Mann heute wohnt, wenn er überhaupt noch lebt.»

«Aber er ist doch nicht älter als ich.» Leichte Zweifel kamen jedoch auch mir.

Mein Mann gab mir einen Abschiedskuss und setzte auf seine Bedenken noch eins drauf. «Frauen leben länger!»

Ich sah ihn nachdenklich an. Dann stieg ich in mein Auto und fuhr los.

 

Es war bereits dunkel, als ich vor der Stadtbibliothek ankam. Der Regen hatte aufgehört. Vor dem Eingang standen einige Leute mit der Veranstalterin zusammen. Ich nannte meinen Namen und wurde herzlich begrüßt. Wir gingen nun in den halb abgedunkelten Saal zu den wartenden Gästen. Auf dem Podium stand ein Tisch mit einer Leselampe, einer Flasche Wasser und einem Glas. Nachdem die Veranstalterin die Gäste begrüßt hatte, stellte er mich vor. Ich bedankte mich und gab eine kleine Einführung in die Zeit, in der diese Weihnachtsgeschichte spielte, denn unter meinen Zuhörern waren auch viele junge Menschen, die diese Armut Gott sei Dank nicht mehr erlebt hatten. Dann begann ich zu lesen:

 

Wir befinden uns im Jahr 1946. Unzählige Menschen in Deutschland waren seit Kriegsende noch immer auf der Flucht oder hausten in zerbombten Häusern. Meine Familie hatte aus damaliger Sicht Glück im Unglück gehabt. Sie fand zusammen mit Vertriebenen aus Schlesien und Pommern Aufnahme in einem schönen, alten Backsteinhaus. Die Bewohner wuchsen rasch zu einer Notgemeinschaft zusammen. Man achtete den Nachbarn. Wer etwas mehr hatte, teilte.

Ende November begann es, heftig zu schneien. Der kälteste Winter der Nachkriegszeit kündigte sich an. In unserem Haus lebten viele Kinder, die den Schnee trotz mangelhafter Kleidung sehr willkommen hießen. Sie tobten draußen in den Schneebergen, benutzten breite Bretter anstelle von Schlitten. Seiften sich gegenseitig mit Schnee ein und warfen Schneebälle in alle Richtungen. Darüber vergaßen sie Kälte und Hunger. Erst wenn die Mütter sie riefen, begannen sie zu frieren, und der Hunger trieb sie schnell nach Hause.

Unter den Kindern war ein Junge, vier Jahre alt wie ich. Peter hieß er. Wir freundeten uns an, weil er kein Rabauke war wie die anderen Jungen. Im Gegenteil, Peter war sehr schüchtern und stand noch lange unter dem Schock der schrecklichen Flucht. Nicht selten starrte er plötzlich in die Ferne und sagte: «Bald fahren wir wieder nach Hause.» Auch wiederholte er immer wieder: «Du hast es gut, du hast noch einen Vater!»

Ich fragte ihn, wo denn sein Vater sei. Er antwortete: «Mein Vater ist gefallen.» Ich sah ihn fragend an. Er senkte seinen Kopf, und ich spürte, dass er traurig war. Später fragte ich meine Mutter, was diese Worte bedeuteten, und sie erklärte, dass Peters Vater im Krieg gestorben sei.

Anfang Dezember verschlechterten sich die Lebensverhältnisse für die Menschen, und viele litten bereits Hunger. Wer dachte da an Festessen, wenn jeder Tag eine neue Herausforderung für das Überleben war? Lebensmittel und Dinge des täglichen Bedarfs gab es ja nur auf Bezugskarten, die nach Alter und Arbeit gestaffelt waren. Schwerstarbeiter hatten den größten Anspruch, Kinder und Alte den geringsten. Die Versorgung war jedoch für alle Menschen gleich katastrophal.

Wir hatten ein dichtes Dach über dem Kopf. Genügend Holz sorgte für einen ständig warmen Kachelofen in den Zimmern trotz der sibirischen Kälte draußen. Und wir lagerten Äpfel im Keller. Holten wir sie hoch, schmorten wir sie in der Bratröhre im Kachelofen zu köstlichen Bratäpfeln, die ich bis heute liebe! Bücher besaßen wir keine mehr, aber meine Mutter kannte viele Lieder, Märchen und Geschichten. Mit diesem kostbaren Schatz unterhielt sie uns Abend für Abend vor dem lodernden, wärmenden Feuer des Kachelofens.

Mein Spielfreund Peter lebte mit seiner Mutter, Großmutter und jüngeren Schwester in einem kleinen Zimmer. In dieser räumlichen Enge war er besonders in der kalten Jahreszeit sehr unglücklich, weil der Aufenthalt im Freien wegen der Kälte nur von kurzer Dauer sein konnte.

Meine Mutter lud ihn deshalb immer öfter zu uns ein. In der Weihnachtszeit lernte er mit mir die Weihnachtslieder, die meine Mutter uns vorsang, und hörte mit mir Märchen der Brüder Grimm und von Hans Christian Andersen. Besonders liebten wir das Märchen «Das Mädchen mit den Schwefelhölzern», welches meine Mutter oft mit dem Satz beendete: «Nun wisst ihr, wie gut es euch geht!»

Einige Tage vor Weihnachten entdeckten Peter und ich auf der Veranda vor unserem Wohnzimmerfenster einen Tannenbaum. Wir glaubten ganz fest, dass der Weihnachtsmann ihn dort abgestellt hatte, um ihn an Heiligabend ins Wohnzimmer zu holen. Von nun an machten Peter und ich täglich einen Kontrollgang, um uns zu vergewissern, dass sich der Tannenbaum noch auf der Veranda befand.

Und dann war endlich Heiligabend!

«Wenn es dunkel ist, kommt der Weihnachtsmann», hatte meine Mutter versprochen. Als der späte Nachmittag hereinbrach, sah ich aus dem Kinderzimmerfenster: Der Baum stand noch auf der Veranda, was mich ziemlich beunruhigte. Da Peter nicht bei uns war, erzählte ich meinem zweijährigen Bruder die Geschichte von dem Tannenbaum auf der Veranda. Er krabbelte auf einen Stuhl und sah nun auch den Baum. Von da an liefen wir alle paar Minuten zum Fenster. Aber der Tannenbaum stand nach wie vor auf der Veranda, obwohl es draußen stockfinster war.

Plötzlich begann mein Bruder, herzzerreißend und laut zu weinen, was meine Mutter sofort alarmierte. Mit zittrigem Stimmchen rief er ununterbrochen: «Der Baum, der Baum …»

Meine Mutter nahm den kleinen weinenden Jungen auf den Arm, versuchte, ihn zu trösten, und wandte sich dann an mich: «Was meint er damit? Womit hast du ihn beunruhigt?»

«Ich habe nichts gemacht, gar nichts! Er heult, weil auf der Veranda immer noch der Tannenbaum steht!»

Meine Mutter schüttelte den Kopf, warf mir einen verständnislosen Blick zu und versuchte, den Jungen zu beruhigen. Aber die Tränen flossen unaufhörlich weiter.

Plötzlich ertönte ein Glöckchen, und die Tür zum Weihnachtszimmer öffnete sich. Welch ein Anblick! Eine große, wunderschöne Tanne stand dort, über und über mit glitzerndem weißem Schnee auf den Zweigen und brennenden Kerzen. Andächtig betrachteten mein Bruder und ich dieses weihnachtliche Wunder. Schnee, der nicht taute, lag auf den Zweigen! Wie konnte das sein?

Meine Mutter stimmte ein Weihnachtslied an, das ich in der Adventszeit gelernt hatte und nun mitsingen konnte. Da klopfte es zaghaft an der Tür. Es war Peters Klopfzeichen. Die ganze Familie von Peter stand davor. Welch schöne Überraschung für mich. Meine Mutter hatte Peters Familie zum Heiligabend eingeladen!

«Dürfen wir wirklich zu euch kommen?», fragte Peters Mutter zögernd.

«Aber ja! Kommt nur herein. Wir rücken zusammen, dann hat es Platz für alle!» Mein Vater öffnete die Türe noch ein Stück weiter, und die Familie betrat freudig das warme Zimmer. Staunend wie mein Bruder und ich nur wenige Momente zuvor standen sie vor dem Schneebaum, der im Kerzenschein zauberhaft glitzerte. Meine Eltern stellten schnell alle vorhandenen Stühle um den Esstisch, dass jeder einen Platz fand. Die kleinen Kinder saßen auf dem Schoß ihrer Mütter, ich kletterte auf den Schoß meines Vaters und Peter auf den Schoß seiner Oma. Nun begann mein Vater ein lustiges Spiel mit uns. Jeder sollte sich eine Kerze aussuchen. Derjenige, dessen Kerze am längsten brannte, würde am längsten leben. Mein Vater war der Älteste in der Runde, dennoch brannte seine Kerze am längsten. Wir Kinder staunten. Erst Jahre später kam ich hinter seinen Trick: Er hatte für sich die Kerze gewählt, die er zuletzt angezündet hatte.

In Schlesien und in meiner Familie gab es eine Weihnachtstradition: Mohnpielen. Die dafür nötigen Zutaten hatte meine Mutter über Wochen «organisiert». Mohn und altes Weißbrot hatte sie vom Bäcker unter der Ladentheke erstanden, Milch vom Bauern, Bucheckern ersetzten die Mandeln, nur der Rum fehlte. Nachdem die Kerzen heruntergebrannt waren, stellte meine Mutter zur großen Überraschung unserer schlesischen Gäste nun eine große Schüssel Mohnpielen auf den Tisch. Ein Strahlen ging über die erstaunten Gesichter. Alle, auch wir Kinder, durften ordentlich zulangen, denn es war reichlich da, und die Speise war lecker süß.

Plötzlich fiel mir der Tannenbaum auf der Veranda ein. Ich sprang vom Schoß meines Vaters und rannte zum Fenster. Da stand der Baum immer noch. Uns hatte der Weihnachtsmann also einen anderen Baum gebracht. Was aber sollte mit dem Baum da draußen geschehen? Ich erfuhr es am nächsten Tag, dem ersten Weihnachtstag. Denn da holte mein Vater den Baum von der Veranda und stellte ihn in die Eingangshalle des Hauses. Mit viel Salz und wenig Wasser rührte er einen dicken Brei an und bestrich die Zweige damit, bis auch diese Tanne wie mit Schnee bestäubt aussah. In der Halle befand sich ein offener Kamin, in dem am späten Nachmittag ein Feuer brannte. Die Hausbewohner trauten ihren Augen nicht, als sie aus ihren Zimmern in die Halle kamen und den Weihnachtsbaum sahen. Nun konnten auch sie sich an einem Weihnachtsbaum erfreuen und am Kamin wärmen.

 

Meine Lesung endete. Nach einer kurzen, wohl auch nachdenklichen Pause spendeten mir meine Zuhörer wohlwollenden Applaus. All meine anfängliche Anspannung hatte sich längst verflüchtigt, denn ich spürte sehr schnell das Interesse und die Aufmerksamkeit der Anwesenden. Meine Hoffnung auf ein Wiedersehen mit Peter würde sich wohl nicht erfüllen. Ich stand auf und bedankte mich herzlich.

Doch keiner der Gäste erhob sich mit mir. Die kleine Leinwand und der Projektor auf dem Podium versprachen ganz offensichtlich noch eine Zugabe.

Und so nutzte ich die Gelegenheit und bat noch einmal um Gehör: «Zum Abschluss möchte ich Ihnen noch ein paar Bilder zeigen, die eine junge Fotografin damals von meiner Familie und Kindern aus dem roten Backsteinhaus hier im Ort aufgenommen hat.»

Ich zeigte und erklärte fünf Fotos, alles fröhliche Sommeraufnahmen. Auf dem letzten Foto waren meine Eltern, meine Geschwister, Peter mit seiner Schwester und mit mir zu sehen. Ich erklärte auch dieses Foto. Dann stellte ich die Frage: «Kennt jemand Peter?»

Da erhob sich plötzlich aus dem Publikum ein Mann mit einem strahlenden Lächeln: «Hier bin ich!»

Nächste Ausfahrt: Weihnachten

Stefanie Weingartz

«Das klappt bestimmt nicht!»

«Doch, mit etwas Planung …»

«Nie und nimmer, das funktioniert nicht!»

«Aber ja, wir müssen nur wollen.»

1. November, Allerheiligen, 8:30 Uhr

Es war ein ruhiger, nebliger Morgen, der dazu einlud, den Tag gemütlich und entspannt mit einem ausgiebigen Frühstück zu beginnen. Wir saßen am Tisch und lasen zum x-ten Mal die ausgedruckte E-Mail unserer spanischen Freunde Angela und Jordi. Ihre Nachricht hatten wir bereits am vorigen Abend erhalten und uns danach bis spät in die Nacht die Köpfe heiß geredet. Doch auch nachdem wir darüber geschlafen hatten, waren wir nicht einen Schritt weitergekommen. Man hätte meinen können, es handele sich um ein unlösbares Problem, doch das Gegenteil war der Fall. Es war eine Einladung zum sechzigsten Geburtstag von Jordi … nach Spanien … am 23. Dezember! Und das war der Knackpunkt.

Meinem Mann, dem außer seinem Garten sonst nicht viel wichtig zu sein schien, waren Weihnachten und die damit verbundenen Traditionen heilig. Alles musste stets nach einem bestimmten Ritual ablaufen, an dem nicht gerüttelt werden durfte. In diesem Jahr hatte er bereits einen schweren Rückschlag einstecken müssen. Unsere Tochter hatte vor ein paar Wochen kurzerhand erklärt, dass wir in diesem Jahr zum ersten Mal alle zusammen bei ihr und ihrer Familie feiern würden und nicht, wie sonst, bei uns. («Das geht doch gar nicht!», hatte mein Mann irritiert gesagt.) Und das auch nicht an Heiligabend, wie sonst, sondern am ersten Weihnachtstag. («Aber wir feiern doch immer Heiligabend zusammen!», empörte er sich.) Und nun diese Einladung für den 23. Dezember.

«Also», versuchte ich es noch einmal. «Wir könnten am einundzwanzigsten Dezember fahren, hätten dann einen schönen ruhigen nächsten Tag, am dreiundzwanzigsten das Fest und würden an Heiligabend morgens zurückfahren. Da wird auf der Autobahn nicht viel los sein, und wir sind am frühen Abend zu Hause. Wir essen Kartoffelsalat und Würstchen, und am ersten Weihnachtstag fahren wir mittags zu den Kindern. Perfekt!»

«Ein ganz schöner Marathon», warf mein Mann ein. «So jung sind wir ja auch nicht mehr!»

«Du sagst doch immer, man sei so jung, wie man sich fühlt, und ziehst auf jedem Foto den Bauch ein.»

«Also gut, aber das wird der pure Stress, das sage ich dir. Und wenn irgendetwas mit Weihnachten nicht klappt, geht es auf deine Kappe.» Unheilvoll deutete mein Mann mit dem Zeigefinger auf mich.

«Es wird schon klappen», erwiderte ich. «Und mehr noch, es wird ein kleines Abenteuer, wie früher.»

24. Dezember, Heiligabend, 10:00 Uhr

«War das ein schönes Fest, einfach wunderbar! Gut, dass wir da waren. Das habe ich ja von Anfang an gesagt!»

«Ja, stimmt, ich erinnere mich.» Ich schmunzelte. «Du warst direkt Feuer und Flamme für die Reise.»

«Natürlich!», entrüstete sich mein Mann, um dann gleich weiter zu schwärmen. «Der Rotwein … einfach großartig! Und erst das Tapas-Buffet – fantastisch! Ich habe dir schon immer gesagt: raus aus dem Alltagstrott und ruhig mal etwas wagen.»

Wir befanden uns auf der Heimfahrt nach Deutschland in Südfrankreich auf der Autobahn. Der Verkehr floss ruhig dahin. Wenn es so bliebe, würden wir früher als erwartet ankommen. So zufrieden gestimmt, ließen wir das gestrige Fest Revue passieren. Es war wirklich sehr schön gewesen, alle hatten sich über das Wiedersehen gefreut, und die anfängliche Skepsis meines Mannes hatte sich in Begeisterung verwandelt. Plötzlich unterbrach ein lautes, aufschlagendes Scheppern seinen Lobgesang.

«Was war das?», rief ich erschrocken.

In diesem Moment überholte uns ein aufblinkender Kleintransporter, in dem ein Mann wild gestikulierte und nach hinten deutete. Zum Glück näherten wir uns gerade einer Nothaltebucht. Mein Mann fuhr rechts ran. Wir liefen um das Auto herum und sahen das Malheur: Mitten auf dem Asphalt unter dem Auto lag das Auspuffrohr. Es hing quasi nur noch an dem sprichwörtlichen seidenen Faden.

«Habe ich es nicht gleich gesagt …?», schimpfte mein Mann los. «Was für eine Schnapsidee, drei Tage vor Weihnachten nach Spanien zu fahren!»

«Jetzt mal ganz ruhig», versuchte ich die Situation zu entschärfen. «Wir sind gerade an einem Hinweisschild zur nächsten Ausfahrt vorbeigefahren – zufällig ist das der Ort, in dem wir schon mehrmals auf der Hinfahrt übernachtet haben. Und wenn ich mich richtig erinnere, ist gegenüber von unserem Hotel eine kleine Werkstatt: ‹Garage sowieso›. Wenn wir es bis dahin schaffen, kann man uns bestimmt helfen. Mit unserem französischen Wagen wird man uns doch wohl nicht hängen lassen.»

«Bis nach Deutschland kommen wir so jedenfalls auf gar keinen Fall!», meinte mein Mann und kramte widerwillig im Kofferraum rum. «Irgendwo muss ich doch noch Draht aus dem Garten haben», murmelte er, tauchte mit einem Stück von ebendiesem wieder auf. Dann fummelte er unter dem Wagen herum und versuchte, das Rohr zu fixieren, damit es bis zur Werkstatt hielt.

Als alles notdürftig befestigt war, rollten wir langsam Richtung Autobahnausfahrt. Ein wenig später hielten wir vor der kleinen Werkstatt und schauten durch das geöffnete Rolltor in das dämmrige Innere. Ein junger Mann in einem ölverschmierten Overall kam uns entgegen und gab uns zu verstehen, dass wir hier nicht parken durften. Ich raffte all mein vergrabenes Schulfranzösisch zusammen und schilderte gestenreich die Situation, unterstützt von meinem Mann, der stolz seine Drahtkonstruktion demonstrierte. Der junge Mann murmelte etwas Unverständliches und verschwand dann in den Tiefen der Werkstatt. Wir schauten uns an. Und warteten. Nach ein paar Minuten erschien der Mechaniker wieder und setzte zu einer langen Erklärung an.

«Oje», sagte ich, «wenn ich ihn richtig verstanden habe, hat er das passende Teil nicht da, aber sein Cousin Jacques könnte uns helfen. Er hat ebenfalls eine ‹Garage› zehn Kilometer von hier. Er kommt vorbei, aber erst nach dem Mittagessen. Seine Frau hat eine ‹Daube› gemacht, und die will er erst genießen.»

«Was ist denn das, eine Daube?», fragte mein Mann.

«Ein provenzalisches Schmorgericht», erklärte ich.

«Ich habe auch Hunger», sagte mein Mann.