Weihnachtswunder im Hotel Mistelzweig - Julia Wolkenstein - E-Book

Weihnachtswunder im Hotel Mistelzweig E-Book

Julia Wolkenstein

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Beschreibung

Ein Hotel zum Verlieben!

Amelie hat der Liebe abgeschworen, denn ihr Freund und Chef hat in ihr offenbar nur eine billige Arbeitskraft für sein Hotel gesehen. Sie trennt sich von ihm und beschließt, in ihre Heimatstadt Rothenburg ob der Tauber zurückzukehren, um ihre geliebte Oma Ruth bei der Führung des Familienhotels "Mistelzweig" zu unterstützen.

Doch leider schreibt das »Mistelzweig« rote Zahlen. Um wieder mehr Gäste in das charmante Hotel inmitten der märchenhaften Altstadt zu locken, bietet Amelie ein Weihnachtsspecial an: Übernachtung plus Führung über die örtlichen Weihnachtsmärkte. Dazu reisen auch der attraktive Franklin Scott und sein Großvater Georg an. Und schon bald zeigt sich, dass Oma Ruth und Georg eine gemeinsame Vergangenheit miteinander verbindet ...

Können Amelie und Ruth das Hotel retten, und beschert ihnen das Schicksal sogar ein romantisches Weihnachtsgeschenk?

Süß wie ein Vanillekipferl, wärmend wie ein Weihnachtspunsch, romantisch wie der erste Schnee.

Alle Romane dieser Reihe sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden. Wir haben die Geschichten sorgsam für dich ausgewählt, damit sie dir an kalten Wintertagen das Herz erwärmen und dich beim Lesen in Weihnachtsstimmung versetzen.

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Seitenzahl: 321

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Widmung

Prolog

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

34. Kapitel

35. Kapitel

36. Kapitel

Epilog

Danksagung

Über die Autorin

Weiterer Titel der Autorin

Impressum

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Über dieses Buch

Ein Hotel zum Verlieben!

Amelie hat der Liebe abgeschworen, denn ihr Freund und Chef hat in der Hotelfachfrau offenbar nur eine billige Arbeitskraft gesehen. Sie trennt sich von ihm und beschließt, in ihre Heimatstadt zurückzukehren, um ihre geliebte Oma Ruth bei der Führung des Familienhotels »Mistelzweig« zu unterstützen. Leider schreibt das charmante Hotel in der Altstadt von Rothenburg rote Zahlen.

Amelie überlegt sich einen Plan: Ein Weihnachtsspecial – ein Zimmer in ihrem Hotel und geführte Besuche der regionalen Weihnachtsmärkte – soll Touristen locken. Dazu reisen auch der attraktive Franklin Scott und sein Großvater Georg an, der sich als Ruths Jugendliebe entpuppt.

Können Amelie und Ruth das Hotel retten, und beschert ihnen das Schicksal sogar ein romantisches Weihnachtsgeschenk?

Süß wie ein Vanillekipferl, wärmend wie ein Weihnachtspunsch, romantisch wie der erste Schnee.

Julia Wolkenstein

Weihnachtswunder im Hotel Mistelzweig

Was wir für uns selbst tun, stirbt mit uns.

Was wir für die anderen und für die Welt tun,

bleibt und ist unsterblich.

Albert Pike

Für Susanne,

die mir die deutschen Städte ans Herz legt.

Prolog

August

»Ihren Mann? Sie wollen Ihren Mann sprechen?«, fragte Amelie, und ein unangebrachtes Lachen kroch langsam ihre Kehle hinauf. Sie lächelte freundlich, um es zu unterdrücken.

»Ja, Direktor Grün ist mein Mann.« Die Frau vor dem Tresen sah sie ungeduldig an. »Unser Sohn muss aus dem Ferienlager abgeholt werden, und ich kann unsere Tochter nicht allein lassen, weil sie die Masern hat.«

»Sohn? Tochter?«, wiederholte Amelie und warf ihrer Kollegin, die neugierig das Gespräch verfolgte, einen Blick zu. Diese zuckte nur mit den Schultern.

»Einen Moment bitte, ich werde Direktor Grün Bescheid geben.« Damit wandte Amelie sich ab.

»Aber bitte beeilen Sie sich, es ist dringend«, rief die elegante Frau ihr hinterher.

Amelie machte sich erst gar nicht die Mühe, anzuklopfen, sondern trat einfach ein und schloss demonstrativ die Tür hinter sich.

Rupert blickte zu ihr auf. »Liebling! Kann ich dir helfen?«

Oh ja! Das konnte er. »Im Foyer steht eine Frau, die ihren Mann sprechen will.«

Rupert wartete darauf, dass sie noch etwas hinzufügte.

»Die Dame erklärte mir, dass sie die Frau von Direktor Grün sei und eure Kinder Hilfe benötigen!« Amelies Stimme nahm ungeahnte Höhen an.

Alarmiert sprang Rupert von seinem Stuhl auf. »Wie bitte? Ich habe ihr doch gesagt ...«

Amelie wollte etwas erwidern, schloss dann aber den Mund, als sie realisierte, dass er es nicht abstritt. »Rupert! Stimmt es? Bist du verheiratet?«, fragte sie in ruhigem Ton nach.

»Es ist nicht so, wie es scheint«, rief er hektisch und fuhr sich nervös über seinen rasierten Kopf.

»Stimmt es, dass du Kinder hast? Zwei Kinder?« Mittlerweile flüsterte sie nur noch.

»Amelie, bitte. Jetzt warte mal. Ich muss jetzt erst mal ...« Er deutete auf die Tür und ging hinaus.

Wie in Trance folgte Amelie ihm zum Empfang des Hotels, das von Rupert geleitet wurde. Amelie arbeitete bereits seit einigen Jahren hier und war davon ausgegangen, dass sie beide in den nächsten Jahren ein eigenes Hotel eröffnen wollten. Das hatten sie besprochen, nachdem sie vor einem Jahr ein Paar geworden waren. Doch so, wie die Lage sich nun darstellte, zerplatzten ihre Träume innerhalb von Minuten.

»Barbara! Was tust du hier? Ich habe dir doch gesagt, dass du mich nicht bei der Arbeit stören sollst. Warum hast du mich nicht auf dem Handy angerufen?«, zischte er der Frau zu.

»Weil dein Handy ständig ausgeschaltet ist. Luca muss aus dem Ferienlager abgeholt werden. Du musst fahren, ich habe mit Fabienne einen Arzttermin. Wozu hast du eine Familie, wenn du nie Zeit hast, dich um uns zu kümmern?«

Rupert sah über seine Schulter zu Amelie, und sie tat so, als hätte sie am Schrank etwas zu suchen. Ihr war übel. Das war doch alles ein Scherz! Das konnte nicht sein! Wie hatte Rupert ihr über all die Monate, in denen sie eine Beziehung geführt hatten, seine Familie verheimlichen können? War sie wirklich so naiv? Das war einfach zu viel. Sie steuerte die Angestelltentoilette an und zückte ihr Handy.

»Amelie, mein Kind! Das ist ja eine Überraschung«, hörte sie die Stimme ihrer Großmutter. Ohne darüber nachzudenken, hatte sie ihre Nummer gewählt.

»Hallo, Omi!«, sagte sie und ihr versagte die Stimme.

»Was ist los, mein Mädchen?«

Die sanfte Stimme ihrer Großmutter ließ alle Dämme brechen. »Ach, Omi, es ist alles so schrecklich. Kann ich zu dir kommen?«

»Das ist doch keine Frage. Natürlich kannst du jederzeit nach Hause kommen. Meine Tür steht dir immer offen.«

»Danke. Ich melde mich nach meiner Schicht noch mal«, wisperte Amelie und legte auf, weil sich die Tür öffnete. Anders als erwartet war es nicht ihre Kollegin, sondern Rupert, der wohl auf der Suche nach ihr war.

»Amelie, bitte lass es mich erklären.« Er wollte sie in seine Arme ziehen, doch Amelie ging auf Abstand.

»Da gibt es ja wohl nicht viel zu erklären! Wie konnte ich nur so blind sein? Ich werde mit Sicherheit keine Familie zerstören. Lass mich in Ruhe, und kümmere dich um deinen Sohn.« Sie ging an ihm vorbei und öffnete die Tür, um die Damentoilette zu verlassen.

»Wir führen keine glückliche Ehe.«

»Du hast deine Familie mit keinem Wort erwähnt. Wie kann man nur so verlogen sein?«, zischte Amelie und schüttelte den Kopf. Das alles war ihr so unverständlich. »Ach, und übrigens, damit das klar ist: Du solltest dich nach einer neuen Assistentin umsehen. Ich kündige hiermit fristlos. Und denk gar nicht dran, mir Schwierigkeiten zu machen, wenn du verhindern willst, dass deine Frau erfährt, dass ich deine Freundin war.« Damit verließ sie den Raum und fühlte sich plötzlich so zufrieden wie schon lange nicht mehr.

1. Kapitel

Amelie kam die Holztreppe herunter, die ihre Wohnung vom Hotelbereich trennte. Sie lag im vierten Stock und war nicht besonders groß, aber ihr eigenes Reich. Auf dem letzten Absatz übersprang sie die letzte Stufe, die immer laut knarrte, weil sie alt und ausgetreten war. Das hatte sie schon als Kind getan, und auch jetzt mit dreiunddreißig hatte sich daran nichts geändert.

»Guten Morgen, Omi!«, rief sie ihrer Großmutter zu, die hinter dem Tresen stand und sich über das große Buch beugte, in dem sie die Reservierungen eintrug. Die Rezeption des Hotels lag in einem kleinen Raum, der wie ein Windfang aussah mit dem Holzvorbau, der aus Glasfenstern bestand.

»Guten Morgen, mein Mädchen«, murmelte Ruth abwesend, ohne aufzublicken.

»War die Post schon da? Ich warte auf meine Gehaltsabrechnung.« Als ihre Großmutter nicht reagierte, trat Amelie näher. »Was ist los, Omi?« Sie berührte ihren Arm, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen.

»Ach, Kind, es sieht gar nicht gut aus. Im Augenblick haben wir ein paar Gäste, aber für die Weihnachtssaison sehe ich schwarz. Wir sollten das Mistelzweig schließen. Es hat zu wenig Betten, zu wenig Luxus. Die Menschen sind verwöhnt, und ich kann da einfach nicht mehr mithalten.« Sie seufzte tief und strich sich den Pony aus der Stirn.

»Aber Omi, jetzt bin ich doch hier und werde dich unterstützen. Du wirst sehen, wir werden aus diesem kleinen Hotel ein echtes Juwel machen.« Sie nahm die zarte Frau in die Arme und drückte sie sanft.

»Das würde ja bedeuten, dass du hier in Rothenburg bleibst?«, fragte Ruth zaghaft nach. »Was wird aus deinem Job in München?«

Es war eine logische Schlussfolgerung, dass ihre Großmutter ihr diese Frage stellte, nachdem sie vor zwei Tagen hier in Rothenburg ob der Tauber aufgeschlagen war. Hier war sie aufgewachsen, bevor sie vor zehn Jahren nach München gezogen war, um den Job als Assistentin des Hoteldirektors anzutreten. Zehn Jahre hatte sie sich abgemüht, und für was? Ihr neuer Chef, der vor einem Jahr seine Stelle angetreten hatte, hatte ihr direkt zu Beginn den Kopf verdreht. Sie verstand selbst nicht, warum es so lange gedauert hatte, bis sie erkannte, was für ein falsches Spiel er mit ihr gespielt hatte.

»Ich habe bisher nichts gesagt, weil ich mir selbst erst einmal klar werden musste, wie es weitergeht, aber ... ich habe gekündigt.« Somit ließ sie die Bombe platzen.

Ruth blickte sie überrascht an und zog sie zu der kleinen Eckbank im hinteren Bereich des Empfangsraums. »Komm, setzen wir uns, und du erzählst mir, was passiert ist, solange alle Gäste außer Haus sind.«

Wenn man Ruth so hörte, sollte man meinen, es handele sich um ein großes Hotel, dabei gab es gerade mal zehn Gästezimmer, drei waren Einzelzimmer. Amelie wunderte es trotzdem, dass sie das alles ganz allein schulterte, denn es gab eine Menge zu tun. Seit Amelies Schwester Coco in London Hotelmanagement studierte, war Ruth auf sich allein gestellt. So kehrte Amelie genau zum richtigen Zeitpunkt nach Rothenburg zurück.

Sie nahmen an dem eckigen Tisch Platz, Amelie rutschte auf die Bank, während Ruth sich am Kopfende auf den freien Stuhl setzte.

»Was ist geschehen, mein Liebes?«, wollte Ruth wissen und ergriff ihre Hand. »Du weißt, ich urteile nicht über dich. Wir konnten doch immer miteinander reden.«

Amelie seufzte tief und nickte. Ja, ihre Großmutter war schon immer ihre Vertraute gewesen. Egal worum es ging. Bei Problemen in der Schule oder großem Herzschmerz. Ruth strich sich erneut eine graue Haarsträhne aus dem Gesicht. Amelie kannte sie gar nicht anders. Das Haar ihrer Großmutter war schon ab Ende dreißig ergraut. Vielleicht lag es daran, dass sie ihre einzige Tochter samt Schwiegersohn auf einen Schlag bei einem Autounfall verloren hatte. Seit diesem Tag hatte sie sich um die zwei Mädchen der beiden gekümmert. Sie und Coco waren damals erst neun und drei Jahre alt gewesen. Es war nicht nur ein harter Schlag für Ruth gewesen, auch die Mädchen hatten nicht verstehen können, warum ihre Eltern nicht mehr zurückkehrten.

»Ich hatte ein Verhältnis mit meinem Chef. Warte! Ich weiß, was du jetzt sagen willst ... und du hast recht. Ich hätte es besser wissen müssen. Aber ich wusste nicht, dass er verheiratet ist. Er hat es nie erwähnt, und ich habe nie gefragt. Er trug keinen Ring, hatte kein Bild seiner Frau auf dem Schreibtisch stehen. Sie hat auch nie angerufen. Ich war so dumm, weil ich es nie infrage gestellt habe. Ich war anscheinend blind vor Liebe. Er war so ein guter Schauspieler. Niemand von meinen Kollegen wusste es oder hat etwas geahnt, bis zu dem Zeitpunkt, als seine Frau eines Tages in der Lobby stand und ihren Mann sprechen wollte. Da habe ich erkannt, dass ich nicht mehr war als eine billige Affäre. Er hat mir vorgespielt, eines Tages würden wir gemeinsam ein Hotel aufbauen. Pah, er hat mich nur belogen, ein ganzes Jahr lang.«

Als ihr unfreiwillige Tränen in die Augen stiegen, reichte Ruth, die bisher geschwiegen hatte, ihr ein Taschentuch. »Hier nimm, es ist noch unbenutzt. Obwohl so ein Kerl deine Tränen gar nicht wert ist. Aber sie reinigen die Seele und machen Platz für neue Wege.«

Sie hatte ja so recht. Amelie nickte. »Das weiß ich doch. Es sind nur Tränen des Ärgers, weil ich auf so eine billige Masche reingefallen bin. Das macht mich echt wütend. Ich war so blind.« Sie musste sich zwingen, ihre Stimme im Zaum zu halten.

»Vergessen wir diesen Idioten und planen dein neues Leben. Was hast du jetzt vor, Amelie?« Ruth drückte ihre Hand, und die Wärme tat ihr gut.

»Ich weiß gar nicht mehr, warum ich unbedingt nach München gehen wollte. Die Stadt ist viel zu überfüllt, zu groß, zu teuer, und ich bin kein Großstadtmensch. Hier in Rothenburg habe ich mich immer wohlgefühlt. Und hier gibt es ein Hotel, das nur auf mich wartet. Du kannst doch sicherlich Hilfe gebrauchen? Wir werden das Hotel modernisieren, und du wirst sehen, bald geht es auch mit den Buchungen wieder bergauf.« Sie schniefte und wischte die Tränenspuren fort.

»Ach, Kindchen, dafür bin ich viel zu alt. Wie willst du das anstellen? Buchungen fallen doch nicht einfach so vom Himmel.« Ruth schüttelte resigniert den Kopf.

»Nicht vom Himmel, aber man findet sie im Internet«, erklärte Amelie siegessicher.

»Internet? Ich habe noch nicht mal einen Computer, und außerdem weiß ich gar nicht, wie man damit umgeht. Ich bin zu alt, um das noch zu lernen. Zu meiner Zeit hat man sich Briefe geschrieben, keine E-Mails.«

»Es gibt nichts, was man nicht lernen kann. Die Volkshochschule bietet Computerkurse für Senioren an, und wenn ich jetzt mitarbeite, hast du auch Zeit für solche Dinge. Ich werde dich unterstützen, und du wirst sehen, dann geht es mit dem Mistelzweig wieder bergauf. Das Hotel ist schon so lange im Besitz unserer Familie, wir können jetzt nicht einfach aufgeben. Wir sind doch Kämpferinnen.«

Anscheinend teilte Ruth ihren Optimismus nicht. »Es sind ja nicht nur die Buchungen. Ich glaube, ich bin mittlerweile zu alt, um zu kämpfen. Die Bank will pünktlich ihre Raten haben, und ich bin schon in Verzug«, gab sie zögerlich zu.

»Die Bank? Welche Raten denn?« Davon hörte Amelie zum ersten Mal.

Wieder seufzte Ruth leise. Es war ihr anzusehen, dass sie darauf nicht gerne antworten wollte. »Ich musste einen Kredit aufnehmen, weil ich die Zimmer renovieren wollte, doch dann ging Coco nach London und brauchte auch Geld, um das Studium zu finanzieren. Ich habe eine Firma engagiert, die die Zimmer aufmöbeln sollten, doch die sind nun pleite, und meine Anzahlung ist futsch. Ich weiß wirklich nicht, wie es weitergehen soll.« Nun standen Ruth die Tränen in den Augen.

Amelie musste diese Neuigkeiten erst einmal verarbeiten. »Warum hast du nie etwas gesagt?«, fragte sie leise. Sie verstand das alles nicht ganz. Warum hatte sie nichts davon bemerkt? Vermutlich war sie in den letzten Monaten zu selten in Rothenburg gewesen.

»Weil ich mich schäme und dachte, ich würde es allein schaffen. Es ist so erniedrigend.«

»Ach, Omi, du brauchst dich doch nicht zu schämen, nicht vor mir. Das geht doch vielen Unternehmern so. Besonders nach der Pandemie müssen viele Firmen wieder auf die Beine kommen. Wir bekommen das hin. Wir sind doch ein Team, eine Familie. Ich habe Mamas und Papas Erbe, davon werden wir die nächste Rate bezahlen und uns so die Bank vom Hals halten. Dann werden wir uns über die Renovierung unterhalten. Aber zuerst werde ich einen Computer anschaffen, damit wir online gehen können. Damit steht uns die ganze Welt offen.«

Ihre Großmutter blickte sie mit großen Augen an. »Na, dann hoffe ich, dass die ganze Welt nicht bei uns übernachten will.«

2. Kapitel

Anfang November

Das Hämmern bereitete Amelie Kopfschmerzen. So ging es schon seit einigen Wochen. Sechs der zehn Zimmer waren bereits fertig renoviert, Nummer sieben war in Arbeit, und das war kaum zu überhören. Die Wände wurden gestrichen, die Decken mit Stuck verschönert und die Badezimmer neu gefliest und ausgestattet. Die alten Waschbecken und Duschen flogen raus, dafür gab es schönen Naturstein, kombiniert mit dunkelgrünen oder beigefarbenen Fliesen. Nicht dieses Beige der Siebzigerjahre, sondern modern, hell, mit leichter Struktur in Edelmatt.

Die Einrichtung der Zimmer war vor einigen Jahre ersetzt worden, und das dunkle Nussbaumholz sah immer noch modern aus. Zusammen mit Ruth hatte Amelie neue Bettwäsche ausgesucht, die in allen Zimmern das gleiche Muster trug. Weiß mit türkisfarbenen Streifen, die seidig schimmerten. Alle Zimmer gleich auszustatten, schaffte eine einheitliche Atmosphäre und Routine in Sachen Reinigung. Das sparte Zeit. Amelie hatte vier Aushilfen eingestellt, die für die Reinigung der Zimmer und der übrigen Räumlichkeiten zuständig waren. Sie selbst kümmerte sich im Wechsel mit Ruth um den Empfang und das Frühstücksbüfett.

»Guten Morgen, Amelie! Ich habe zwei Briefe für dich. Einer ist ein Einschreiben, da brauche ich eine Unterschrift.« Die Postbotin hielt ihr einen Scanner unter die Nase, und schnell zeichnete Amelie gegen.

»Hier hat sich ja einiges verändert.« Staunend sah die Postbotin sich um. Der Empfangsbereich war neu gestaltet worden, mit einem zentralen Tresen und einer kleinen Sitzgruppe direkt neben der Tür. Nur der Holztisch mit der Bank und den Stühlen im hinteren Bereich des Foyers, an dem man es sich gemütlich machen konnte, war geblieben, jedoch mit bunten Kissen dekoriert worden.

»Ja, Hannah, wir sind fleißig. Das Weihnachtsgeschäft steht vor der Tür, und bis dahin wollen wir fertig sein.«

»Na, da bin ich gespannt, ob ihr das schafft. Die Weihnachtssaison beginnt gefühlt jedes Jahr früher. Ende August stehen schon die Lebkuchen bei den Discountern, und zu Weihnachten ist dann alles ausverkauft. So, ich muss los, hier sind deine Briefe.« Hannah reichte ihr die Umschläge und machte sich auf den Weg.

Amelie schnappte sich die Post und verschwand in das kleine Büro, das direkt hinter dem Empfang lag. Sie schloss die Tür, um den Krach so gut es ging auszuschließen. Vielleicht sollte sie später mal zum Friseur, um sich eine kleine Auszeit zu gönnen. Ihr rotes Haar könnte einen neuen Schnitt vertragen. Aber wollte sie wirklich das Haus verlassen? Die Temperaturen waren in den letzten Tagen drastisch gefallen. Auch heute war das Wetter nicht besonders einladend. Alles grau in grau und dazu dieser Lärm. Ab und an regnete es, was gegen Abend meist in Schnee überging.

Nachdenklich öffnete sie den ersten Brief, der nur ein Werbeschreiben für Weihnachtsgeschenke für Unternehmen war. Er landete direkt im Papierkorb. Auf ihrem Handy ging derweil eine Nachricht ein. Schnell entsperrte sie das Display, als sie sah, dass die Nachricht von Coco kam.

Sorry, dass ich mich so rarmache, aber ich habe eine Menge zu tun. Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht für dich. Zuerst die gute: Ich habe einen Job gefunden, sodass Ruth mir kein Geld mehr schicken muss. Ich arbeite als Bedienung in einem netten Café und verdiene ganz gut. Das Trinkgeld ist klasse, damit komme ich über die Runden.Jetzt kommen wir zu der schlechten Nachricht: Da ich keine Kinder habe, habe ich mich bereit erklärt, über die Feiertage Schichten zu übernehmen. So kann ich Weihnachten nicht nach Hause kommen. Ich werde erst in der zweiten Januarwoche anreisen. Bitte sei nicht traurig! Ich kann das Geld gut gebrauchen, und du sparst ja so auch einiges. Kannst du es bitte Omi erklären? Ich bin sehr froh, dass du wieder zu Hause bist, so ist sie über die Feiertage nicht allein. Ich muss los. Sende dir eine feste Umarmung!

»Ach, Carina«, seufzte Amelie. Es war natürlich eine schöne Nachricht, dass sie eine Stelle gefunden hatte und nicht weiter auf Geld von Ruth angewiesen war. Aber dass sie Weihnachten nicht zusammen verbringen würden, das behagte Amelie gar nicht. Sie feierten die Tage immer zusammen. Es würde komisch sein, ohne Coco an ihrer Seite.

Jetzt fiel ihr auch auf, warum Rupert, ihr ehemaliger Chef, keine Einwände gehabt hatte, als sie letztes Weihnachten nach Hause gefahren war. So hatte er in aller Ruhe zu seiner Familie gekonnt, ohne dass sie etwas davon mitbekommen hatte. Schon wieder wallte Wut in ihr auf, dabei hatte sie sich geschworen, nicht mehr an diese peinliche Affäre zu denken. Auffällig war nur, dass sie neben dem Zorn und der Ratlosigkeit keinen Herzschmerz empfand, weil man sie so leicht hatte hintergehen können. Sie musste dringend an ihrer Menschenkenntnis arbeiten, dabei war sie gerade darauf immer so stolz gewesen.

Sie verstaute das Handy in der Hosentasche, nachdem sie Coco eine kurze Antwort geschickt hatte. Dann griff Amelie zu dem Einschreiben und nahm den Brieföffner zur Hand. Das Schreiben war von der Bank.

... müssen wir Ihnen mitteilen, dass die letzten beiden Raten nicht abgebucht werden konnten. Wir bitten Sie hiermit höflich, die offenen Zahlungen bis zum 28.11. auszugleichen ...

Das war in zwanzig Tagen. Müde fuhr sich Amelie über die Stirn, dabei war es gerade mal elf Uhr. Sie schob das Schreiben in eine Schublade, damit Ruth es nicht sofort zu Gesicht bekam. Es würde sie nur unnötig aufregen, und das wollte Amelie verhindern. Sie würde sich darum kümmern, das hatte sie schließlich versprochen. Sie musste sich etwas einfallen lassen, damit Geld in die Kasse kam, um den weiteren Umbau zu finanzieren. Noch hatte sie ein wenig Zeit. Vielleicht sollten zwei Zimmer bis auf Weiteres nicht vermietet werden. Diese könnten sie im nächsten Jahr renovieren lassen. Acht Zimmer mussten erst einmal reichen.

Im letzten Jahr hatte sie mit Coco darüber gesprochen, dass sie Fahrten zu den Weihnachtsmärkten anbieten könnte. In der Garage stand noch immer der VW-Bus ihrer Großmutter. Er bot Platz für neun Personen. Soweit sie wusste, war der Wagen noch gut in Schuss. Sie würde sich am Abend im Internet schlaumachen, wann welche Weihnachtsmärkte in diesem Jahr eröffneten. Die Homepage des Mistelzweigs hatte sie vor einigen Wochen eingerichtet, nachdem die ersten Zimmer fertiggestellt worden waren und die neuen Bilder hatten online gehen können. Die Seite war sehr hübsch geworden. Ebenso hatte sie das Hotel auf unterschiedlichen Buchungsplattformen angemeldet. Die meisten Urlauber nutzten Vergleichsportale, um die besten Angebote zu finden. Amelie konnte sich gar nicht vorstellen, dass Ruth überhaupt Buchungen erhalten hatte, so ganz ohne Homepage und Anbieter. Es wurde wirklich Zeit, dass bald Geld in die Kasse kam, damit der Umbau sich auch rentierte. Seit sie überall zu finden waren, waren bereits einige kleine Anfragen reingeflattert, was Mut machte.

Ihre Großmutter steckte den Kopf zur Tür herein. »Ist alles in Ordnung bei dir?«, fragte sie besorgt.

»Ich habe gerade eine Nachricht von Coco erhalten. Sie wird es dieses Jahr nicht schaffen, zu Weihnachten nach Hause zu kommen. Tut mir leid.«

Nachdenklich nickte Ruth. »Ich habe mir schon so etwas gedacht.« Sie seufzte schwer. »Es ist wohl nicht zu ändern, dann machen wir es uns zu zweit gemütlich.« Hoffnungsvoll sah sie Amelie an.

»Natürlich, das machen wir, und bis dahin ist ja noch etwas Zeit. Sag mal, wo sind die Flyer, die wir im letzten Jahr haben drucken lassen? Du weißt doch, die, die Coco gestaltet hat.« Sie zog einige Fächer auf, fand aber nichts.

»Die müssten hinter dir im Schrank liegen. Was willst du denn mit den alten Dingern?«

»Ich will neue entwerfen und diese dann an unsere Stammkunden verschicken, mit den Bildern der modernisierten Zimmer. Die alten Flyer dienen mir als Vorlage, die sahen doch sehr hübsch aus. Coco hat wirklich ein Talent für solche Dinge.«

Ruth nickte. »Das ist eine gute Idee. Ja, das Mädchen hat viele Talente.«

»Okay, dann mache ich mich an die Arbeit und gehe später zum Friseur. Kommst du eine Weile allein klar?«, wollte Amelie wissen.

»Natürlich komme ich zurecht«, meinte Ruth entrüstet. »Ich koche erst mal einen Kaffee.«

»Aber wir haben doch schon gefrühstückt.«

»Für die Handwerker, mein Liebes. Die armen Jungs müssen so hart arbeiten.« Ruth machte sich auf den Weg in die Küche, die im hinteren Bereich des Erdgeschosses neben dem Frühstücksraum lag.

Wenn das so weiterging, würden die Handwerker gar nicht mehr arbeiten bei Ruths leckerem Kaffee und Kuchen. Amelie hatte schon lange den Eindruck, dass die Handwerker mehr pausierten, als ihrer Arbeit nachzugehen.

Im Schrank hinter dem Schreibtisch fand Amelia noch ein paar Restflyer, die sie wie geplant als Vorlage nahm, um neue zu gestalten. Dank einiger Erfahrung mit dem Designprogramm ging ihr das recht schnell von der Hand. Die Fotos der neuen Zimmer waren wirklich hübsch geworden. Als Nächstes trug sie die Termine der Weihnachtsmärkte in der Umgebung zusammen. Am Ende entschied sie sich für den Christkindlesmarkt in Nürnberg, den Weihnachtsmarkt in Würzburg und das Ochsenfurter Adventsgässle. Natürlich gab es dann noch den Reiterlesmarkt in Rothenburg. Vier Weihnachtsmärkte in sieben Tagen, das müsste doch zu bewältigen sein.

Sie kalkulierte die Kosten für Benzin und auswärtige Mittagessen und bot diese Tour zusätzlich an. Bevor sie den Druck in Auftrag gab, nahm sie ihre Tasche und beschloss, endlich den Friseur aufzusuchen. Das alles hatte mehr Zeit in Anspruch genommen als gedacht. Später würde sie den Flyer noch mal auf Fehler überprüfen.

*

Am Nachmittag hatte sich das Wetter gebessert. Zwar war der Himmel immer noch grau, aber es regnete nicht mehr. Das Hotel lag mitten in der Altstadt, direkt am Marktplatz, neben der Apotheke, die es schon immer gegeben hatte, und schräg gegenüber vom Rathaus mit seinem historischen Turm. Von Amelies kleiner Wohnung im vierten Obergeschoss aus blickte sie genau auf den Georgsbrunnen. Wie sehr sie das in München doch alles vermisst hatte. Dort gab es zwar auch viele Sehenswürdigkeiten, und doch war es mit Rothenburg nicht zu vergleichen. Rothenburg war viel familiärer, kleiner, gediegener. Hier war eben ihr Zuhause.

Der Friseur lag die Herrengasse hinauf, das konnte sie gut zu Fuß erreichen. Lia war mit ihr zur Schule gegangen und hatte vor zwei Jahren den Laden ihrer Eltern übernommen. Sie hatte bestimmt Zeit für sie.

Die Inneneinrichtung des Salons sah aus, als wäre man in den Fünfzigern gelandet. Die altmodischen Haartrockner, die an den Wänden hingen, Spiegel in Nierenform und ein Tresen, der mit Glas verziert war, wo Haarspray und Gel zum Kauf angeboten wurden, waren Zeugen einer anderen Zeit. Auch die Bilder an den Wänden zeigten Werbung aus der Vergangenheit. Von Waschmittel über Sonnencreme zu Schokolade. Alles in grellbunten Farben. Dieser Vintage-Style passte gut in die Stadt, die auch ein wenig aus der Zeit gefallen wirkte, und genau das gefiel Amelie.

Mit zwei Aushilfen bediente Lia ihre Kunden. So altmodisch die Einrichtung war, umso geschickter waren die drei, wenn es um aktuelle Frisuren und Farben ging. Balayage-Highlights waren ebenso wenig ein Problem wie Wasserwellen, Pixie-Cuts oder eine Dauerwelle.

»Hi, Amelie! Was kann ich für dich tun?«, rief Lia über das Rauschen eines Föhns hinweg. Sie zog einer älteren Dame das grau melierte Haar über eine dicke Rundbürste, sodass es sich in weichen Wellen formte.

»Hast du Zeit, mir die Haare zu schneiden? Ich brauche echt eine Auszeit, ich warte auch gerne.«

»Klar, nimm Platz, ich bin gleich bei dir. Du hast Glück, mir wurde gerade ein Termin gecancelt.« Sie deutete auf einen freien Platz vor einem Spiegel.

Amelie ließ sich nieder, und eine Mitarbeiterin reichte ihr ein paar Zeitschriften, damit sie sich die Wartezeit verkürzen konnte. »Kann ich dir einen Kaffee anbieten?«, fragte die junge Frau mit stylishem Bob, der weißblond gefärbt war.

»Danke, das wäre wunderbar. Geht auch ein Cappuccino?«

»Sicher, wir haben eine tolle Maschine, die macht alles außer Haare schneiden.« Die junge Frau lachte und machte sich an die Arbeit.

Kurze Zeit später blätterte Amelie durch die Klatschspalten und trank einen heißen Cappuccino, der hervorragend schmeckte. Nachdem sie von den Neuigkeiten der Reichen und Schönen genug hatte, nahm sie ein Wohnmagazin zur Hand und blieb an einem Foto hängen, das sie auf eine Idee brachte. Dort wurden winterliche Gärten vorgestellt, und einer davon stach ihr direkt ins Auge. Eine Menge Lichterglanz erstrahlte unter dem Abendhimmel. Sofort kam ihr der Garten hinter dem Haus in den Sinn, den Ruth immer nur im Sommer nutzte. Natürlich war es im Winter viel zu kalt, um dort zu sitzen, aber wenn man ihn mit Lichterketten dekorierte, hätten die Gäste, deren Zimmer nicht zur Straße lagen, eine Überraschung, sobald es dunkel wurde und dort tausend kleine Lichter brannten. Das wäre bestimmt ein Highlight, was sie für die Werbung nutzen konnte.

»So, du bist an der Reihe, Amelie. Was kann ich Gutes für dich tun?« Lia strich ihr durch die zerzausten roten Locken.

»Ich brauche einen richtigen Schnitt, auch wenn ich sie oft zusammenbinde. Gerade bekomme ich sie kaum noch gebändigt.«

Lia nickte. »Sie sind recht strohig. Du solltest sie mehr pflegen. Ich schlage vor, wir bringen ein paar Stufen rein, dann sind sie am Hinterkopf nicht so buschig. Ich gebe dir noch eine Pflegekur drüber, die lassen wir etwas einwirken, das macht das Haar glatter und elastischer. Du wirst es danach nicht wiedererkennen.«

Amelie lächelte Lia im Spiegel an. »Ich nehme dich beim Wort.«

»Kannst du, ich bin eine Eins-a-Friseurin und würde meinen Kunden niemals etwas aufschwatzen, was sie nicht brauchen. Und meinen Freundinnen schon gar nicht.« Sie warf Amelie ein Lächeln zu.

Eine halbe Stunde später schnitt Lia an ihrem Haar herum, und sie sah eine Locke nach der anderen zu Boden fallen. In ihr brach die Panik aus. Hoffentlich wurde es nicht zu kurz, sodass sie das Haar am Hinterkopf nicht mehr zusammenbinden konnte.

»Wie läuft es mit Ruth? Ich war echt überrascht, als ich gehört habe, dass du wieder nach Rothenburg ziehst«, sagte Lia, ohne die Arbeit zu unterbrechen.

»Ja, München hat mich nicht so begeistert wie erwartet. Zehn Jahre waren genug. Ich bin froh, wieder hier zu sein. Ruth braucht Unterstützung, und ich habe viel mit dem Hotel vor. Die Lage am Marktplatz ist günstig, und es wäre eine Schande, das Hotel zu schließen, weil Ruth es aus Altersgründen aufgeben muss. Coco wird erst im nächsten Jahr ihr Studium abschließen und dann vermutlich ein Auslandsjahr dranhängen. Also werde ich das Hotel übernehmen. So hatten wir es immer geplant, und jetzt ist der richtige Zeitpunkt dafür.«

»Ich halte das für eine gute Idee. Du weißt, dass du auf mich zählen kannst. Ich werde Werbung für euch machen.« Sie lächelte.

»Das ist ganz lieb von dir. Und ich werde deinen Salon empfehlen. Eine Hand wäscht die andere.«

Nachdem Lia ihr Haar trocken geföhnt und mit ein wenig Wachs gestylt hatte, musste Amelie ihr recht geben. So toll hatte ihr Haar noch nie ausgesehen. »Du bist echt eine Künstlerin.« Das Rot sah frisch und leuchtend aus, die Locken schimmerten richtig. »Du musst mir unbedingt diese Pflegekur einpacken, das ist echt ein Wundermittel.«

Lia nickte. »Ja, wirklich. Sie ist nicht günstig, aber man braucht sie nur einmal in der Woche, damit kommst du ein halbes Jahr hin. Sie ist speziell auf rotes Haar abgestimmt und pflegt nicht nur, sondern frischt auch die Farbe auf.«

Nachdem Amelie die Rechnung beglichen hatte, reichte Lia ihr eine kleine Tüte, in die sie zusätzlich ein Haarwachs gepackt hatte.

Amelie fühlte sich wie ein neuer Mensch. »Danke, Lia, wir sehen uns.« Sie winkte ihr zu und drehte sich gerade zur Tür, da prallte sie mit einem Mann zusammen, der ihr soeben in den Weg getreten war.

»Oh, Entschuldigung. Ich habe Sie nicht gesehen«, murmelte sie verlegen.

»Dabei bin ich doch gar nicht zu übersehen«, entgegnet er charmant lächelnd und hielt ihr die Tür auf, damit sie zuerst den Laden verlassen konnte. Irgendwie kam er ihr bekannt vor, doch sie wusste nicht, woher.

Zu Fuß lief sie zum nächsten Discounter und kaufte dort eine Menge Lichterketten in allen möglichen Variationen. Diese Idee mit dem Garten ging ihr einfach nicht aus dem Kopf. Die Kassiererin schaute ein wenig merkwürdig, sagte jedoch nichts. Vermutlich dachte sie, dass sie zu Weihnachten ein Lichterfest veranstalten wollte. In einem anderen Laden erstand sie außerdem einige Leuchtfiguren, darunter Rehe und Schneemänner.

Schwer bepackt und Stunden später kam sie endlich wieder im Hotel an.

»Ich dachte schon, ich müsste eine Suchmeldung nach dir rausgeben«, erklärte Ruth, als Amelie die Eingangstür hinter sich schloss. Die kleine Türglocke bimmelte aufgeregt. »Toll siehst du aus, mein Mädchen. So erwachsen mit deiner neuen Frisur. Lia ist eine wahre Künstlerin. Ich lasse mir nur von ihr die Haare schneiden.«

»Lieben Dank, ich finde auch, dass ich wie ein neuer Mensch aussehe. Nach dem Friseur habe ich noch ein paar Sachen für die Fotos besorgt, die ich in den Flyer aufnehmen will.« Amelie war froh, dass sie ihn nicht schon in den Druck gegeben hatte. Sie wollte noch Bilder machen, sobald die Lichterketten an ihrem Platz waren.

»Omi! Können wir ein Foto von uns beiden machen?«, rief sie.

Ihre Großmutter blickte neugierig ins Büro. »Aber was willst du denn damit?«

Jetzt fiel ihr die Stille auf. Die Handwerker hatten also schon Feierabend gemacht. Was für eine Wohltat für ihre Ohren. »Ich brauche es für den Flyer. Es soll direkt zu sehen sein, dass wir ein freundliches Familienunternehmen sind. Die Gäste sollen doch wissen, mit wem sie es zu tun bekommen.« Das hörte sich beinahe wie ein Satz aus einem schlechten Mafiafilm an. Sie schüttelte den Kopf über ihre verrückten Gedanken.

Ruth sah nicht begeistert aus. »Ach, was soll ich alte Frau denn auf dem Foto? Es reicht doch, wenn du ein hübsches Bild von dir nimmst. Jetzt, wo du mit deiner neuen Frisur so schön aussiehst.«

»Willst du wirklich nicht mit drauf?«

»Nein, lieber nicht. Wir wollen die Gäste doch nicht verschrecken. Gib mir dein Handy, ich schieße ein schönes Foto von dir. Dann werden wir uns vor Reservierungen gar nicht mehr retten können.« Ruth lachte leise.

»Nein, komm her, wir brauchen eins von uns beiden. Wir gehören doch zusammen.« Amelie nahm sie in den Arm und beide lächelten in die Kamera. »Siehst du, schon erledigt. War nicht so schlimm wie Zähne ziehen. Wir suchen einfach das schönste Bild aus.«

Ruth winkte ab. »Du musst mich ein wenig retuschieren, damit ich jünger aussehe«, forderte sie. »So wie es Promis immer machen.«

Überrascht blickte Amelie ihre Großmutter an. »Du kennst dich aber gut aus.«

»Na, ich lebe doch nicht hinter dem Mond, nur in Rothenburg. Das habe ich in einer Illustrierten gelesen«, erklärte sie und zog die Augenbrauen hoch. »Schau mal, das hier sieht doch toll aus. Wir lächeln beide so hübsch«, urteilte Ruth und deutete auf das Handy.

»Ja, du hast recht. Das sieht wirklich toll aus. Das Licht hier im Foyer ist wirklich gut. So, jetzt stell dich noch hinter den Tresen, und ich mache noch ein Foto von der Seite.«

Ruth zog ihre Bluse glatt und tat sehr beschäftigt. Schnell drückte Amelie einige Male auf den Auslöser, bis sie alles hatte, was sie brauchte. Jetzt fehlten nur noch ein paar Bilder vom dekorierten Garten.

3. Kapitel

Ende November

Franklin scrollte genervt durch diverse Websites. Er war auf der Suche nach einem Hotel in Rothenburg ob der Tauber, das möglichst zentral lag. Nicht gerade ein Ort, den man mit dreiunddreißig gerne freiwillig besuchte. Ihm wäre es lieber, die Adventszeit mit Snowboardfahren zu verbringen, in den Alpen oder vielleicht in einem warmen Haus an der Nordsee. Eine Stadt, die für ihren Weihnachtsmarkt und den historischen Stadtkern bekannt war, stand weit unten auf seiner Liste. Doch er wollte seinem Großvater eine Überraschung bereiten, und da er ständig von Rothenburg sprach, hatte er sich für diesen Ort entschieden.

Sein Großvater war auf der Suche nach einer bestimmten Person, und wenn er ganz viel Glück hatte, würde er vor Ort mit seiner Suche weiterkommen. Es würde im Rathaus sicherlich ein Register geben, in dem er nachsehen konnte, ob diese Person noch in Rothenburg lebte oder eventuell schon verstorben war. Mit etwas Glück würde es nicht so schlimm werden, wie er es sich vorstellte.

Er blickte aus dem Fenster seiner kleinen Zweizimmerwohnung, die er in dem Haus seines Großvaters bewohnte. Als Single brauchte er nicht mehr Platz. Das Wetter in Lüneburg war wie immer um diese Jahreszeit. Graue Wolken zogen am Himmel vorbei, untermalt von grauem Bodennebel, der sich nicht auflöste, weil die Sonne es nicht schaffte, die Wolken zu verdrängen. Somit blieb der Tag grau in grau.

Er goss sich eine Tasse Kaffee auf und wandte sich wieder dem Laptop zu. Es gab einfach zu viele Hotels, die er vergleichen musste. Dabei gefielen ihm die großen Häuser gar nicht, wo man sich am Büfett um die Brötchen streiten musste.

Die Suchmaschine spuckte schließlich ein Hotel aus, das direkt am Marktplatz lag. Zentraler würde es wohl kaum gehen. Er klickte die Homepage an, und direkt fiel ihm ein Bild auf, das seine Neugier weckte. Ein Garten, der üppig mit Lichterketten geschmückt war. Da hatte wohl jemand ein Faible für Weihnachten. Er verzog das Gesicht und wollte schon die Seite schließen, doch dann gewann die Vernunft. Was sagte ein Bild schon aus? Es war doch wichtiger, wie die Zimmer aussahen und die Bewertungen des Hotels ausfielen.

Viele Informationen gab es nicht und so gut wie keine Rezensionen, weil das Hotel erst seit kurzer Zeit online war. Die Räume waren alle renoviert worden, wenn man der Beschreibung Glauben schenken durfte. Dann ploppte ein Bild der Besitzer auf. Amanda-Amelie und Ruth Zweig. Ruth war schon etwas älter und die Inhaberin. Amanda war jung für eine Hotelmanagerin. Aber sehr hübsch, wie ihm auffiel. Sie hatte ein bezauberndes Lächeln, und dieses rote Haar zog ihn magisch in seinen Bann. Er fokussierte sich auf die Bilder der Gästezimmer und war angenehm überrascht, denn sie waren mit Liebe eingerichtet. Kleine Details zeugten davon, dass hier jemand mit Herz am Werk war. Viele Zimmer hatte das Hotel nicht, gerade mal zehn. Aber das musste ja nichts Negatives sein, so trat man sich am Frühstücksbüfett nicht gegenseitig auf die Füße.

Auf der Homepage entdeckte Franklin ein Weihnachtsspecial. Buchen Sie unsere Tour – 4 Weihnachtsmärkte mit 8 Übernachtungen. Sofort war Franklin sicher, dass Georg das gefallen würde. So würden sie in kürzester Zeit eine Menge sehen, und eventuell würde er mit seiner Suche weiterkommen. Wenn sie nichts fanden, würden sie zumindest einige schöne Tage verbringen.

Ohne länger darüber nachzudenken, tippte er mit der Maus den Reservierungsbutton an. Er freute sich darauf, eine Woche gemeinsam mit seinem Großvater zu verbringen. Georg würde in Erinnerungen schwelgen, und Franklin hoffte, ihm ein wenig Heimat zurückzugeben, die er so vermisste, auch wenn er dieses Jahr dadurch nicht zum Snowboarden kam. Immerhin wusste er nicht, wie viel Zeit ihm noch mit Georg blieb. Mit achtundsiebzig war er nicht mehr der Jüngste.

4. Kapitel



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