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Krimi 054: Mord und Sabotage K.-H. Weimer: „Alarm im Atomkraftwerk: Der Super-G.A.U. droht!“ Die neue Generation von Atomkraftwerken soll alle anderen ersetzen. Endlich ist diese Art garantiert sauber und völlig ungefährlich. Bis zur Sabotage und dem eingeleiteten Super-G.A.U., dem größtmöglichen Ernstfall. Und was hat der Mord an der Ehefrau des technischen Leiters damit zu tun? Vielleicht kann einer das Allerschlimmste noch verhindern: Agent KC9? Falls man ihn rechtzeitig findet…
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Inhaltsverzeichnis
Krimi 054:
Impressum:
Prolog
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Epilog
Mord
und
Sabotage
K.-H. Weimer
Copyright aller Erscheinungsformen (einschließlich eBook, Print und Hörbuch)
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Diese Fassung:
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Coverhintergrund: Anistasius
Mord!
Dieter Kreuch erstarrte vor Entsetzen. Halb hatte er schon den Mantel ausgezogen, als sein Blick auf die Regungslose gefallen war.
Jemand hatte seine Frau ermordet!
Sie lag auf dem Rücken, und ihre gebrochenen Augen starrten wie anklagend in seine Richtung. Ihr Hals zeigte Würgemale. Ihre Finger hatten sich in den Teppichboden direkt hinter dem Eingang zum Wohnzimmer verkrallt.
„Nein!“, murmelte Dieter Kreuch mit brüchiger Stimme.
Er schaffte es endlich, den Blick von der Leiche zu lösen. Das Wohnzimmer zeigte Spuren eines Kampfes. Die Stehlampe war umgeworfen, zwei Sessel umgekippt und über den Boden hatte sich eine alkoholische Flüssigkeit ergossen. Das Glas, in dem sich die Flüssigkeit befunden hatte, bestand nur noch aus Scherben.
Der Mantel rutschte von seinen Schultern und fiel achtlos auf die Keramikfliesen im Flur.
In diesem Augenblick schrillte das Telefon.
Dieter Kreuchs Blick wurde gehetzt. Er jumpte über den Leichnam hinweg und rannte zum Telefon. Gerade wollte er den Hörer von der Gabel reißen, als seine Hand mitten in der Bewegung stoppte.
Wer war das überhaupt? Polizei, ein Freund oder...?
Das Schrillen verstummte. Gleichzeitig sprach die Türglocke an.
Dieter Kreuch taumelte bis zur Mitte des Wohnzimmers und ballte die Hände zu Fäusten.
Mein Gott, man wird mir nicht glauben. Jeder weiß, dass meine Ehe nicht mehr funktioniert. Und ich muss an meine Karriere als technischer Leiter des Atomkraftwerks denken.
Seine Gedanken wirbelten im Kreise.
Ich komme soeben aus Frankfurt, von einer wichtigen Besprechung. Unterwegs fuhr ich wie der Teufel, weil ich rechtzeitig meinen Dienst im Kraftwerk antreten muss. Dabei gewann ich genügend Zeit, hier noch vorbeizufahren, um ein paar Akten abzuholen.
Ich werde auf die Akten verzichten und schleunigst verschwinden. Dann wird kein Verdacht aufkommen.
Wann ist Karin eigentlich gestorben? Sieht aus, als wäre es eben erst geschehen.
Der Mantel!
Noch immer läutete es an der Tür Sturm. Dieter Kreuch rannte in die Diele, nahm den Mantel auf und kehrte ins Wohnzimmer zurück.
Die Wohnung lag im ersten Stockwerk. Die Balkontür stand weit offen. Der Wind wehte herein und bauschte die Gardinen.
Dieter Kreuch durfte keine Sekunde verlieren. Vom Balkon aus warf er einen Blick nach unten auf den trockenen Rasen.
Er war nicht besonders sportlich, aber den Sprung konnte er gewiss überstehen, ohne sich sämtliche Knochen dabei zu brechen.
Dieter Kreuch überlegte nicht mehr länger, ließ Leichnam und nervenzerreißendes Klingeln der Türglocke zurück und flankte über das Geländer.
Mit dem Mantel in der Hand landete er unten.
Es war schlimmer als erwartet. Der Aufprall warf Kreuch um.
Er rappelte sich verzweifelt wieder auf. Gottlob, er hatte sich nicht verletzt.
Mit keuchendem Atem sicherte er nach allen Seiten.
Schritte, die auf die Hausecke zukamen. Jeden Augenblick konnte der Unbekannte auftauchen und Dieter Kreuch sehen. Er würde sich wundern, wieso der Ehemann von Karin Kreuch diesen ungewöhnlichen Weg benutzte, um die gemeinsame Wohnung zu verlassen.
Dieter Kreuch hetzte zur Buschreihe. Der Unbekannte näherte sich von der Vorderseite. War es der Mann, der die ganze Zeit über geklingelt hatte?
Da war er!
Kreuch sah nur einen Schatten, mehr nicht. Schon befand er sich zwischen den Büschen in Deckung. Weiterlaufen, nur nicht umsehen, zu den Garagen und zum Auto, das dort geparkt stand. Und dann nichts wie weg!
Es hämmerte in Kreuchs Schläfen.
Die haben Karin ermordet. Aber wer und warum?
Um mich hereinzulegen?
Irgendein verschmähter Liebhaber?
Karin war reich an Verehrern gewesen, und jetzt ist sie tot, und man wird mir alles in die Schuhe schieben. Ein Skandal, der nicht nur mir, sondern dem ganzen Projekt schadet. Deshalb darf der Verdacht gegen mich schon gar nicht aufkommen.
Hatte ihn der Unbekannte doch noch gesehen?
Dieter Kreuch erreichte seinen Wagen und warf sich hinter das Steuer. Vor seinen Augen tanzten farbige Ringe, und tausend Nadeln stachen in seine Lunge.
In fliegender Hast startete er den Motor und bog mit kreischenden Pneus aus. Erster Gang, Gas! Der schwere Mercedes machte einen Satz nach vorn und jagte auf die Straße.
Dieter Kreuch fuhr wie von Furien gehetzt.
Hinter sich wusste er das Grauen, und er hatte das Gefühl, dass es direkt in seinem Nacken hockte.
Konrad Clasen ahnte von diesen Vorgängen nichts. Er wohnte in Saarbrücken, einige hundert Kilometer vom Ort des Geschehens entfernt. Missmutig und viel zu spät stand er auf - wie meistens. Auf die Uhr wagte er schon gar nicht mehr zu blicken.
Er dachte an einen der Sprüche seines Freundes Peter Bell. In einem solchen Zusammenhang hätte er gewiss zitiert:
„Morgenstund hat Gold im Mund - doch Silber im Ohr zieht den Mittag vor.“
Konrad Clasen schnalzte mit der Zunge und schwankte ins Bad. Erst als er den Wasserstrahl der Dusche von heiß auf Wechseltemperatur stellte, erwachten seine Lebensgeister.
Konrad Clasen war noch nie ein Frühaufsteher gewesen. Ein Mann, normalerweise voller Energie, Temperament und Tatendrang - außer am frühen Morgen.
Als er das Bad verließ, ging es ihm besser. Routiniert und ohne Hast bereitete er sich das späte Frühstück. Doch kaum saß er am Tisch, klingelte das Telefon. Gerade hatte er sich den ersten Bissen zwischen die Zähne schieben wollen.
Das mochte Konrad Clasen ganz und gar nicht. Er überlegte, ob er abnehmen sollte. Aber dann fiel ihm ein, dass er zurzeit ohne Job war und er die Hoffnung nicht hatte aufgeben wollen.
Seufzend erhob er sich. Vielleicht eine Chance? Ein Jammer, würde er sie schießen lassen.
Er nahm den Hörer von der Gabel und meldete sich.
„Sind Sie allein, Herr Clasen?“
Konrad runzelte die Stirn.
„Natürlich, aber was soll diese Frage?“
„Sie sind Konrad Clasen, zurzeit ohne Beschäftigung, nachdem Sie die mit Ihrem Freund Peter Bell gemeinsam unterhaltene Detektei wieder aufgegeben haben, und ich bin Dr. Steinbach und wünsche Sie zu sprechen. Wie gefällt Ihnen das?“
Das war ihm noch nie passiert.
„Überhaupt nicht!“, antwortete er wahrheitsgemäß.
„Warten Sie's ab, Herr Clasen. Wir werden uns noch unter vier Augen unterhalten. Das wird Sie interessieren. Möglicherweise habe ich die Lösung all ihrer Probleme parat? Stellen Sie sich vor, es wäre Weihnachten und...“
„Dann sind Sie wohl der Weihnachtsmann, nicht wahr? Genauso hört es sich an.“
Dr. Steinbach lachte amüsiert.
„Das ist Clasen wie er leibt und lebt. So und nicht anders habe ich Sie mir vorgestellt. Hm, ich weiß, dass es Ihnen momentan nicht besonders gut geht. Das Leben ist teuer - vor allem, wenn man kein Geld verdient.“
„Sie haben vollkommen recht, Doktor, und deshalb halten Sie mich nicht länger auf. Es ist zwar nett, dass Sie mich ein wenig unterhalten wollen, aber ich habe einen Fernseher und habe Radio. Das Angebot gefällt mir besser.“
Konrad Clasen wollte schon wieder auflegen, aber Dr. Steinbach rief erschrocken:
„Moment, Herr Clasen, ich habe einen Job für Sie.“
„Und wer wird mein Chef? Sie etwa? Nein, danke!“
„Kommen Sie erst zu mir und hören Sie sich alles an. Allein für das Vorstellungsgespräch bekommen Sie fünftausend bar auf die Hand.“
„Auch wenn Sie das Angebot erhöhen, Doktor, ich bin weder lebensmüde, noch will ich oben auf dem Lerchesflur landen. Gesiebte Luft war noch nie mein Fall.“
„Und wenn ich Ihnen verspreche, dass wir nicht gegen die Gesetze verstoßen?“
„Wann soll ich kommen?“
„Sofort, Herr Clasen.“
„Wäre nett, wenn Sie mir den Weg beschreiben würden.“
„Sie werden in diesem Augenblick abgeholt, Herr Clasen. Bis nachher!“
Es knackte in der Leitung.
Konrad betrachtete den Hörer in seiner Hand wie einen bösen Feind.
Komischer Kauz!, dachte er ärgerlich. Scheint sich gut über mich informiert zu haben. Was will der Bursche wirklich von mir?
Er ging ein paar Schritte auf und ab.
Dr. Steinbach? Nie gehört.
Die Türglocke sprach an. Konrad Clasen blieb stehen und schielte nach seinem verspäteten Frühstück. Der Magen knurrte zwar, aber das half wenig. Besser, wenn er den Abholer nicht zu lange warten ließ.
Ein Job also. Mehr als mysteriös. Normalerweise wäre Konrad Clasen niemals der Einladung gefolgt, aber er war von Natur aus sehr neugierig. Deshalb ging er zur Tür. Unterwegs nahm er die Jacke vom Haken. Im Treppenhaus erst zog er die Jacke an.
Der Fahrstuhl brachte ihn nach unten.
Mal sehen, dachte er.
*
„Was machst du denn für ein Gesicht?“, empfing der Sicherheitsingenieur des Atomkraftwerks Lüneburger Heide seinen Freund Dieter Kreuch.
Kreuch zwang sich zu einem verkrampften Lächeln. Eine Antwort verkniff er sich.
„War Frankfurt ein Reinfall?“
Er schüttelte den Kopf.
„Das nicht gerade. Ganz im Gegenteil. Die Atomkonferenz war ein voller Erfolg, aber auch sehr anstrengend. Ich wollte gestern abend schon kommen, war aber so kaputt, dass ich es auf heute verschob. Ich musste fahren wie der Teufel, um rechtzeitig zum Dienst zu erscheinen.“
Ein Blick auf die Uhr. Es waren noch genau zehn Minuten Zeit.
Gerhard Zeißler, der Sicherheitsingenieur, nahm ihn am Arm und zog ihn mit sich in den Kontrollraum.
„Komm, bereiten wir die Ablösung vor. Die Übergabe nimmt immer ihre Zeit in Anspruch, und die anderen werden froh sein, wenn sie gehen können.“
Sie traten ein und grüßten. Es begann die von Schicht zu Schicht immer gleiche Routinearbeit.
Später saßen sie auf ihren Plätzen und waren allein. Ein Gespräch kam nicht zustande, denn dafür hatten sie keine Gelegenheit.
Eine Stunde später murmelte der Sicherheitsingenieur Zeißler erschrocken:
„Phase eins!“
Dieter Kreuch versuchte immer wieder, das Bild seiner toten Frau loszubekommen. Deshalb hörte er nicht sofort darauf.
Gerhard Zeißler brüllte:
„Phase eins: Alarm!“
Dieter Kreuch schreckte zusammen.
„Was?“
Er sah Zeißler entgeistert an. Da blinkte auch schon die rote Warnlampe. Alles in ihm wehrte sich dagegen. Aufkeimende Panik wurde von dem Zwang unterdrückt, sofort Maßnahmen zu ergreifen. Oft genug hatten sie den Ernstfall geprobt.
Dies hier war keine Probe. Dies hier war grausame Wirklichkeit.
Kreuch hieb mit der geballten Hand auf den knallroten Hebel. Er musste dreimal schlucken, ehe er hervor würgen konnte:
„Alarm!“
Es wurde zu einem gellenden Schrei: „Alarm!“ und „Phase eins!“
Gerhard Zeißler beherrschte sich wieder. Nach außen hin gab er sich so, als würde ihn die ganze Sache gar nichts mehr angehen.
Während Kreuch, sein direkter Vorgesetzter in der Schaltzentrale des Atomkraftwerks, die Hauptkontrollen überwachte, war Zeißler für den Sicherheitsteil verantwortlich. Deshalb hatte er die Gefahr auch als erster entdeckt.
Zeißler nahm ein paar Schaltungen vor. Der Negativprozess im Reaktor machte erschreckende Fortschritte. Das Gebäude erbebte wie ein fieberkranker Riese.
Sie waren zu zweit in der Zentrale, aber dreißig weitere Mitarbeiter ihrer Schicht waren auf die Hauptkontrollpunkte verteilt oder befanden sich auf Erkundungsgang.
Bisher war die Stille nur gestört worden durch das allgegenwärtige Summen der Anlagen. Doch jetzt wimmerten die Sirenen. Sie erhoben sich gleich Stimmen von Furien, geißelten die Nerven der Belegschaft.
Die Freischicht flog aus den Betten. Sie hörte den Alarmruf von Dieter Kreuch und wusste, was es zu bedeuten hatte: Der neuartige Reaktor der Serie B entglitt der Prozesssteuerung. Tödliche Gefahr für alle.
Jeder begab sich augenblicklich auf seinen Platz - egal, wo er sich im Moment aufhielt.
Die Tür zur Zentrale flog auf: Eine Frau im schlecht sitzenden Morgenmantel, ein Mann im Pyjama und der zweite Mann, zwar ordentlich gekleidet, doch mit einem Bierglas in der Hand. Den Inhalt hatte er unterwegs verloren. Offenbar war ihm gar nicht bewusst, dass er das Glas noch mitführte.
Er sprang neben Gerhard Zeißler, um ihn zu entlasten.
Zeißlers Blick saugte sich an einem Messinstrument fest. Die Nadel tanzte, zeigte erhöhte Strahlenintensität an.
Der Sicherheitsingenieur nahm immer wieder Korrekturen vor. Jede Schaltung bewirkte komplizierte Vorgänge im Reaktor. Die Entladung der tödlichen Strahlen sollte eingedämmt werden.
Der Computer der Sicherheitsanlage unterstützte seine Tätigkeiten.
„Verdammt noch einmal“, schimpfte sein Nebenmann.
Zeißler hatte keine Zeit, darauf zu achten. Er musste weitermachen, um die Werte zu drosseln, ehe es auch außerhalb der Bleikammern gefährlich wurde.
Die harte Strahlung würde jedes Leben vernichten. Keiner von ihnen würde es überstehen.
Zeißler schnappte nach Luft wie ein Karpfen auf dem Trockenen. Seine Bemühungen blieben erfolglos. Deshalb griff er zum äußersten Mittel: Er verstärkte den energetischen Schutz. Damit verringerte er die Abgabeleistung des Kraftwerks.
Prompt meldete die Elektrozentrale Beschwerden an. Ein paar der negativen Werte wurden an sie übermittelt, aber sie hatten offenbar noch immer nicht begriffen, dass es hier um Leben und Tod ging.
Zum ersten Male ging in Deutschland ein Atomkraftwerk hoch! Das hieß, wenn Zeißler, Kreuch und die anderen keinen Erfolg haben sollten.
Die Elektrozentrale befand sich weit genug entfernt. Die saßen nicht so auf dem Pulverfass wie die Mitarbeiter des Kraftwerks.
Kein Mensch achtete auf die Proteste der Zentrale. Strom war nicht mehr so wichtig. Auch wenn vielerorts die Kochplatten kalt blieben und die Beleuchtung nur noch flackerte.
Die Elektrozentrale begriff endlich, was hier vorging. Doch sie konnten nicht eingreifen, sondern mussten darauf hoffen, dass die Techniker und Ingenieure erfolgreich blieben.
Ja, Gerhard Zeißler hatte mit seiner Maßnahme bescheidenen Erfolg. Er beließ es dabei, weil ihm nichts anderes übrig blieb.
Ein Blick zum Hauptbildschirm. In jeder Abteilung des Kraftwerks herrschte hektische Betriebsamkeit.
Der GAU stand immer noch kurz bevor.
In den äußeren Abmessungen war das Kraftwerk wesentlich kleiner als herkömmliche. Trotzdem war es mehrfach so leistungsfähig. Die Kraft der Atome wurde direkt in elektrische Energie umgewandelt, ohne Umweg über Dampfkessel und Generatoren. Deshalb gab es auch keine hässlichen Kühltürme mehr. Außerdem wurde das spaltbare Material so ausgenutzt, dass es praktisch keine gefährlichen Rückstände mehr gab: Also Schluss mit dem Atommüll!
Dennoch galt die Anlage als so sicher, dass sie auch den ärgsten Atomkraftgegner überzeugte.
Und jetzt das!
Der große Schirm zeigte die Plutoniumstäbe. Sie steckten im Wandler.
Kühlleitungen, die man nicht völlig wegfallen lassen konnte, bildeten auf dem Röntgenbild helle Schatten, kaum die Bildqualität beeinträchtigend.
Restwärme wurde entzogen und zum Heizen der Institutsräume verwendet.
Gerhard Zeißler wusste praktisch auf Anhieb, dass auf dem Bild etwas nicht stimmte. Und doch musste er überlegen.
Was war anders als sonst?
Dampf! Ja, die Plutoniumstäbe dampften kaum merklich!
Gerhard Zeißler grinste verstört. Das war doch völlig unmöglich. Das gab es doch überhaupt nicht. Es sah gerade so aus, als würden sich die Stäbe langsam auflösen wie schmelzende Eiszapfen.
Und dann? Eine Flüssigkeit entstand, die alles vernichtete.
Druckanzeige. Zeißlers Augen weiteten sich. Der Druck stieg auf irrsinnige Werte. Noch hielten zwar die Schutzwandungen, aber wie lange? Dann würde sich das Kraftwerk in eine Atombombe verwandeln. Von der Lüneburger Heide blieb nicht mehr viel übrig.
Zischend entwich die angestaute Luft aus Zeißlers Lunge.
Blitzschnell überlegte er. Dann hatte er eine Lösung: Ganz offensichtlich stieg die Hitze im Wandler, und deshalb musste die Leistung des Kühlsystems schleunigst erhöht werden. Nur so konnte er den Prozess eindämmen.
Zeißler überließ es dem Computer.
Sichtkontakt mit Kreuch. Dieter Kreuch nickte ihm zu. In seinem Gesicht war Verzweiflung zu lesen.
Der technische Leiter des Instituts dachte jetzt nicht mehr an den Tod von seiner Frau. Hier ging es um wesentlich mehr.
Gerhard Zeißler, der Sicherheitsingenieur, betrachtete die Instrumente.
Gottlob, der Druck fiel ab.
Doch damit war die eigentliche Ursache der Überhitzung natürlich nicht beseitigt.
Abermals blickte Zeißler zum Hauptschirm.
„Die Stäbe!“, brüllte er durch das Sirenengeheul.
Dieter Kreuch entgegnete in der gleichen Lautstärke:
„Sie erhöhen aus unerklärlichen Gründen die Energieabgabe. Das widerspricht jeglicher wissenschaftlicher Erkenntnis. Es ist völlig unmöglich.“
Jetzt wurden die Plutoniumstäbe langsam aus dem Wandler gezogen, um den Prozess ganz zu unterbinden.
Die Wirkung war eher negativ. Der Wandler setzte die vorhandene Strahlung um und isolierte dadurch die Stäbe. Wenn man die Stäbe herauszog, wurden sie nur noch von den Bleiwaben isoliert.
Und das Blei reagierte ziemlich unerwünscht auf die Hitze.
Zeißler wehrte sich gegen den schlimmen Gedanken, obwohl es nicht mehr zu leugnen war, dass die Kühlsysteme völlig unzureichend waren, um die Hitze ausreichend abzubauen, denn in diesem Augenblick erhöhte sie sich sprunghaft.