Weiße Nächte - Fjodor Dostojewski - E-Book

Weiße Nächte E-Book

Fjodor Dostojewski

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Beschreibung

In der verträumten Kulisse der winterlichen hellen Nächte Sankt Petersburgs entfaltet Fjodor Dostojewski eine zarte Geschichte von Einsamkeit, Hoffnung und vergänglicher Liebe. Weiße Nächte erzählt vom Zusammentreffen eines melancholischen Träumers und einer jungen Frau – eine Begegnung, die nur wenige Tage währt, aber tiefe Spuren hinterlässt. Diese neu aufgelegte eBook-Ausgabe präsentiert die bewegende Novelle in frischer Gestaltung und macht einen der stillsten Klassiker der Weltliteratur einem neuen digitalen Publikum zugänglich. Ein literarisches Juwel voller Gefühl, Atmosphäre und zeitloser Schönheit.

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EPUB
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Seitenzahl: 106

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Fjodor Dostojewski

Weiße Nächte

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort

Weiße Nächte

Die erste Nacht

Die zweite Nacht

Nastenkas Geschichte.

Die dritte Nacht

Die vierte Nacht

Der Morgen.

Impressum neobooks

Vorwort

Zwischen Traum und Wirklichkeit – Dostojewskis Weiße Nächte

Weiße Nächte – eine zarte, fast märchenhafte Novelle – ist eines der frühesten Prosawerke Fjodor Michailowitsch Dostojewskis, erstmals veröffentlicht im Jahr 1848. Noch lange vor den düsteren, psychologisch komplexen Romanen wie Schuld und Sühne oder Die Brüder Karamasow präsentiert sich hier ein junger Autor auf der Suche nach Stimme und Form, aber bereits mit einem untrüglichen Gespür für die Tiefe der menschlichen Seele. Diese Erzählung ist ein poetisches Kleinod, das bis heute durch seine emotionale Aufrichtigkeit, seine atmosphärische Dichte und seine existenzielle Fragilität berührt.

Im Zentrum steht ein namenloser Ich-Erzähler – ein Träumer, ein stiller Beobachter, ein einsamer Stadtwanderer –, der in den berühmten „weißen Nächten“ Sankt Petersburgs einer jungen Frau namens Nastenka begegnet. In wenigen Tagen entspinnt sich zwischen den beiden eine flüchtige, aber intensive Beziehung, getragen von gegenseitigem Vertrauen, Offenheit und einer tiefen Sehnsucht nach Nähe. Doch was zunächst wie ein romantisches Erwachen erscheint, mündet in eine melancholische Erkenntnis: Der Traum war schön – doch die Wirklichkeit bleibt.

Dostojewski gelingt es hier auf beeindruckende Weise, das Zusammenspiel von Hoffnung und Enttäuschung, von innerer Welt und äußerer Realität zu inszenieren. Die nächtliche Stadt, in ihrer entrückten Sommerhelligkeit, wird zum Spiegel der seelischen Zustände seiner Figuren. Die „weißen Nächte“ selbst – ein meteorologisches Phänomen des Nordens – verwandeln sich in eine Metapher für jenes Zwischenreich, in dem sich das Leben der Einsamen abspielt: nicht ganz Traum, nicht ganz Wirklichkeit.

Obwohl Weiße Nächte stilistisch und thematisch noch nicht den düsteren Tiefgang der späteren Werke Dostojewskis erreicht, ist die Novelle doch ein bemerkenswertes Zeugnis seiner frühen Auseinandersetzung mit zentralen Themen: Einsamkeit, unerwiderte Liebe, das Streben nach Sinn und die Kluft zwischen Fantasie und Realität. Der „Träumer“ – eine Figur, die in verschiedenen Variationen in Dostojewskis Werk immer wiederkehrt – steht hier prototypisch für den empfindsamen Menschen, der an seiner Welt vorbeilebt, weil er zu viel fühlt, zu viel hofft, zu viel in sich selbst zurückgezogen ist.

Diese eBook-Neuauflage erscheint im Rahmen der Reihe Klassiker der Weltliteratur im eBook-Format und will den Zugang zu einem oft übersehenen, aber umso berührenderen Werk eröffnen. Gerade in einer Zeit, in der sich viele nach Sinn, Nähe und echter Begegnung sehnen, ist Weiße Nächte aktueller denn je. Die Novelle lädt dazu ein, innezuhalten, sich dem leisen Takt des Gefühls zu öffnen – und vielleicht einen Teil von sich selbst im „Träumer“ wiederzufinden.

Weiße Nächte

Ein empfindsamer Roman

(Aus den Erinnerungen eines Träumers)

Die erste Nacht

Es war eine wunderbare Nacht, eine von den Nächten, die wir nur erleben, solange wir jung sind, freundlicher Leser. Der Himmel war so sternenreich, so heiter, daß man sich bei seinem Anblick unwillkürlich fragen mußte: können denn unter einem solchen Himmel überhaupt irgendwelche böse oder mürrische Menschen leben? So fragt man nur, wenn man jung ist, freundlicher Leser, wenn man sehr jung ist; doch möge der Herr Ihnen solche Fragen öfter eingeben ... Da ich gerade von allerlei mürrischen und bösen Herrschaften spreche, muß ich an mein musterhaftes Betragen während des ganzen heutigen Tages denken. Schon vom frühen Morgen an quälte mich ein seltsames Unlustgefühl. Es war mir plötzlich, als ob ich, Einsamer, von allen verlassen sei und als ob sich alle von mir lossagten. Nun kann man mich allerdings fragen: wer sind diese »Alle«? Denn ich lebe schon seit acht Jahren in Petersburg und habe es bis heute nicht verstanden, Bekanntschaften zu machen. Wozu brauche ich auch Bekanntschaften? Ich kenne auch so ganz Petersburg; darum hatte ich auch das Gefühl, von allen verlassen zu sein, als ganz Petersburg aufbrach und in die Sommerfrischen zog. Es war mir so schrecklich, allein zu bleiben, und darum irrte ich ganze drei Tage in der Stadt umher, von einem starken Unlustgefühl bedrückt und ohne zu begreifen, was mit mir vorging. Gehe ich auf den Newskij-Prospekt oder in einen Park, oder irre ich an den Kais entlang, – nirgends treffe ich auch nur ein Gesicht von denen, die ich gewohnt war, das ganze Jahr hindurch an einer bestimmten Stelle zu einer bestimmten Stunde zu sehen. Alle die Leute kennen mich natürlich nicht, aber ich kenne sie. Ich kenne sie ganz genau, ich habe ihre Gesichter studiert, – und ich habe mein Vergnügen an ihnen, wenn sie vergnügt, und bin verstimmt, wenn sie mißvergnügt sind. Mit einem alten Männchen, dem ich jeden lieben Tag zu derselben Stunde an der Fontanka zu begegnen pflegte, bin ich beinahe befreundet. Er hat ein so ernstes, nachdenkliches Gesicht, murmelt sich immer etwas in den Bart, schwenkt den linken Arm hin und her und trägt in der rechten Hand einen Knotenstock mit goldenem Knopf. Auch er kennt mich bereits und nimmt an mir großen Anteil. Ich bin überzeugt, daß er sehr verstimmt sein wird, wenn ich zur bestimmten Stunde an einer bestimmten Stelle der Fontanka nicht erscheine. Darum sind wir nahe daran, einander zu grüßen; besonders, wenn wir beide gut aufgelegt sind. Als wir uns neulich ganze zwei Tage nicht gesehen hatten und uns am dritten Tage wieder trafen, griff ein jeder von uns nach seinem Hute; wir beherrschten uns aber noch zur rechten Zeit, ließen die Hände sinken und gingen mit teilnahmsvollen Blicken aneinander vorbei. – Auch unter den Häusern habe ich Bekannte. Wenn ich eine Straße entlang gehe, so eilt mir jedes Haus gleichsam etwas entgegen, blickt mich mit allen seinen Fenstern an und spricht: »Guten Tag! Wie geht es Ihnen? Mir geht es, Gottlob, recht gut, und im Mai bekomme ich ein neues Stockwerk.« Oder: »Wie ist Ihr Befinden? Was mich betrifft, so komme ich morgen in Reparatur!« Oder: »Ich wäre neulich um ein Haar verbrannt und bin mit ordentlichem Schrecken davongekommen« usw. Ich habe unter ihnen meine Lieblinge und gute Freunde; eines von ihnen hat die Absicht, sich diesen Sommer einer Kur bei einem Architekten zu unterziehen. Ich habe mir vorgenommen, es jeden Tag zu besuchen: daß man es mir, Gott behüte, nicht zu Tode kuriert! ... Doch niemals vergesse ich die Geschichte mit einem reizenden hellrosa Häuschen. Es war ein so liebes steinernes Häuschen, es lächelte mich immer so freundlich an und blickte so stolz auf seine plumpen Nachbarn, daß sich mir jedesmal, wenn ich vorbeiging, das Herz im Leibe freute. Doch wie ich in der vorigen Woche vorbeigehe und meinen Freund anschaue, höre ich plötzlich seinen Jammerschrei: »Man streicht mich gelb an!« Diese Bösewichter! Barbaren! Nichts haben sie verschont: weder die Säulen, noch die Gesimse, und mein Freund wurde gelb wie ein Kanarienvogel. Mir lief vor Erregung beinahe die Galle über, und ich bringe es auch heute noch nicht übers Herz, meinen verunstalteten armen Freund aufzusuchen, den man in der Farbe des Reiches der Mitte angemalt hat.

Nun verstehen Sie wohl, freundlicher Leser, auf welche Weise ich ganz Petersburg kenne.

Wie ich schon sagte, verzehrte ich mich drei Tage in Unruhe, bis ich endlich ihren Grund erriet. Auf der Straße war es mir ganz trüb zumute (dieser fehlt, jener fehlt, und wo ist der und der hingeraten?), und auch zu Hause war es mir unbehaglich. Zwei Abende suchte ich zu erraten: was fehlt mir in meinem Winkel? Warum ist es mir zu Hause so unbehaglich? Und ich betrachtete forschend meine grünen verrauchten Wände, die mit Spinngewebe, welches meine Matrjona mit großem Erfolg züchtete, behangene Decke, musterte alle Möbel, untersuchte jeden Stuhl und suchte dem Übel auf die Spur zu kommen; wenn bei mir nämlich auch nur ein Stuhl anders steht, als er gestern stand, bin ich ganz außer mir; ich schaute auch zum Fenster hinaus, doch alles war umsonst und brachte mir auch nicht die geringste Erleichterung! Ich entschloß mich sogar, Matrjona herbeizurufen und richtete an sie bei dieser Gelegenheit eine väterliche Ermahnung wegen des Spinngewebes und der sonstigen Unordnung; sie sah mich aber nur erstaunt an und ging, ohne auch nur ein Wort zu entgegnen, wieder fort, so daß das Spinngewebe auch heute noch an seinem Platz hängt. Und erst heute früh kam ich endlich der Sache auf den Grund. Ach so! Sie brennen mir ja alle durch und ziehen aufs Land! Verzeihen Sie den trivialen Ausdruck, doch es war mir in diesem Augenblick wirklich nicht um die Schönheit des Stiles zu tun: denn alles, was es in Petersburg gab, war bereits in die Sommerfrische gezogen, oder war gerade im Begriff, es zu tun; denn ich mußte jeden soliden Herrn, der eine Droschke mietete, für einen ehrwürdigen Familienvater halten, der soeben sein Tageswerk erledigt hat und sich mit leichtem Herzen aufs Land, in den Schoß seiner Familie begibt; denn jeder Mensch, der mir begegnete, hatte ein ganz besonderes Aussehen und schien jedem andern Passanten zuzurufen: »Wir sind nur so vorübergehend hier, meine Herren, doch in zwei Stunden ziehen wir aufs Land.« Wenn irgendwo ein Fenster aufging, auf dem vorher zwei feine, zuckerweiße Finger getrommelt hatten, und ein hübsches junges Mädchen den Kopf aus dem Fenster hinaussteckte und einen Straßenhändler, der Blumen feilbot, heranrief, so stellte ich mir gleich vor, daß sie diese Blumen ganz ohne Zweck kaufte, das heißt gar nicht um sich in der dumpfen Stadtwohnung an ihnen und am Frühling zu ergötzen, und daß die ganze Familie sehr bald aufs Land ziehen und die Blumentöpfe mitnehmen würde. Und noch mehr als das: ich hatte auf diesem neuen und besondern Entdeckungsgebiet bereits solche Erfolge gemacht, daß ich nach dem bloßen Aussehen eines Menschen fehlerlos bestimmen konnte, in welcher Sommerfrische er wohnt. Die Bewohner der Stein- und der Apothekerinsel oder der Peterhofer Landstraße zeichnen sich durch anerzogene gute Manieren, elegante Sommerkleidung und schöne Equipagen aus, in denen sie in die Stadt hineinfahren. Die Bewohner von Pargolowo und der dahinterliegenden Gebiete imponieren gleich beim ersten Blick durch ihr solides und kluges Aussehen; die Sommergäste der Krestowskij-Insel fallen durch ihre unerschütterlich gute Stimmung auf. Wenn ich einer langen Prozession mit Bergen von Möbelstücken aller Art, Tischen, Stühlen, türkischen und nichttürkischen Diwans und sonstigen Einrichtungsgegenständen beladener Fuhrwerke begegnete, auf deren Gipfel oft auch noch eine schwächliche Köchin, das Gut ihrer Herrschaft wie ihren Augapfel bewachend, thronte, während die Fuhrleute, mit den Zügeln in der Hand, träge neben den Wagen einherschritten; oder wenn ich mit schwerem Hausrat beladene Kähne die Newa oder die Fontanka in der Richtung zum Schwarzen Bach oder zu den Inseln hinabgleiten sah, so verzehnfachten sich die Fuhrwerke und die Kähne in meinen Augen; es schien mir, daß alles sich aufmachte und in ganzen Karawanen aufs Land übersiedelte; es schien mir, daß ganz Petersburg sich in eine Wüste zu verwandeln drohte. Schließlich fühlte ich mich beschämt, beleidigt und traurig, weil ich nicht wußte, wohin und wozu ich aufs Land ziehen sollte. Ich wäre bereit, mit jedem Möbelwagen mitzulaufen, mich jedem Herrn, der eine Droschke mietete, anzuschließen; doch niemand, wirklich niemand forderte mich dazu auf; es war, als ob sie mich vergessen hätten, als ob ich ihnen wirklich ganz fremd wäre!

Ich irrte so viel und so lange umher, bis ich, wie es mir oft passierte, vergaß, wo ich mich befand; und plötzlich war ich bei der Stadtgrenze angelangt. Augenblicklich wurde es mir lustig zumute; ich passierte den Schlagbaum, schritt zwischen bestellten Äckern und Wiesen vorwärts, spürte keine Müdigkeit und fühlte mit meinem ganzen Wesen, wie eine schwere Last mir vom Herzen fiel. Alle Leute, die vorüberfuhren, warfen mir freundliche Blicke zu und waren nahe daran, mich zu grüßen; und alle ohne Ausnahme rauchten Zigarren. Und ich war so lustig, wie noch nie. Es war mir, als ob ich plötzlich nach Italien geraten wäre: einen solchen Eindruck machte auf mich, den halbkranken Stadtbewohner, der in den Stadtmauern beinahe erstickt war, die Natur.