Weißer Fondant - Klara Steinhauser - E-Book

Weißer Fondant E-Book

Klara Steinhauser

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Beschreibung

"Er griff nach dem Tortenstück und führte es an ihren Mund. Sie biss ein großes Stück ab. Größer als erwartet. Er legte den Rest wieder auf den Teller und wollte sich schon die Vanillecreme von seinen Fingern lecken, da fasste sie nach seiner Hand und führte seinen Zuckerdaumen an ihren Mund. Ohrenbetäubendes Gejohle der Umstehenden war die Folge. Die Braut lachte, während sie an seinem Daumen lutschte, sah ihm in die Augen und für einen Augenblick schien es, als könnte sie ihn durch den Schleier der Panik erreichen. Als würde sie ihn tatsächlich sehen. Und seinen Schmerz und das, was er getan hatte. Da zwinkerte sie ihm zu, biss neckisch in seinen Daumen und der Moment war vorüber."

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Veröffentlichungsjahr: 2023

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Ähnliche


Für Dieter und Oskar

INDEX

Prolog

Mörderin

Mutter des Bräutigams

Brautmutter

Visagistin, Mutter des Bräutigams, Brautmutter

Cousin

Brautmutter

Brautjungfer

Bräutigam, Braut

Braut

Vater des Bräutigams

Zeremonieleitende Person

Caterer, Servicepersonal

Zaungast

Brautjungfer

Bräutigam, Tanja oder Helene, Caterer

Brautvater

Hochzeitsgesellschaft

Vier Kinder

Zaungast

Zwei Hochzeitsgäste

Cousin, Bräutigam

Caterer, Servicepersonal, Cousin

Bräutigam, Tanja oder Helene

Cousin

Mutter des Bräutigams

Zaungast, Cousin, Mutter des Bräutigams

Mutter des Bräutigams, Brautmutter

Bräutigam, Tanja oder Helene

Bräutigam, Braut, Hochzeitsgäste

Epilog

PROLOG

Fidschi.

Fidschi ist ein Land im Südpazifik, das sich über mehr als 300 Inseln erstreckt.

Wem wollte sie etwas vormachen? Der Eintrag interessierte sie nicht. Sie wollte keine Fakten über Fidschi lesen. Sie wollte endlich ankommen! Sie ließ das Handy in ihre Tasche gleiten. 27 Stunden Flug lagen hinter ihr. 27 Stunden Schweigen, unterbrochen nur von den Stewardessen, die ihr Getränke, Speisen und heiße Tücher serviert hatten. Die Lust, zu plaudern, war ihr aber gründlich vergangen. Dabei hatte sie bei der Buchung bewusst den Sitzplatz am Gang gewählt, wollte sich bestmöglich unterhalten können, war doch richtig gut im Smalltalk. Aber so lange wie ein stummer Fisch auf dem Trockenen zu sitzen, hatte Vorfreude und Begeisterung in Luft aufgelöst. Eine einzige unbedachte Bemerkung. Eine! Mehr war es ja nicht gewesen! Woher hätte sie denn wissen sollen…? Es war wirklich zu dumm! Und einfach Pech.

Als das Flugzeug zum Sinkflug ansetzte, ärgerte sie sich immer noch, dass sie sich nicht richtig über die Sonne, das Meer und den immer näherkommenden Strand freuen konnte. Sie zog die Augenbrauen zusammen, den Unterkiefer schob sie nach vorne. Sie konnte für all das nichts!

Minuten vergingen, eine kleine Erschütterung, und das Flugzeug setzte auf der Landebahn auf. Sie waren da.

Aus den Augenwinkeln, ansonsten regungslos, schielte sie über den leeren Sitz weiter zu der jungen Frau am Fenster, nur keine Aufmerksamkeit erregen, nur ein wenig beobachten. Ob sie seit dem Start nochmal geweint hatte? Mit verwischter Wimperntusche blickte die Junge ausdruckslos aufs Grau der Landebahn. Leer, wie ein Geist, als wären sie beide nicht eben im Paradies gelandet. Der Gedanke bereitete ihr Gänsehaut, sie schämte sich.

Der Pilot verkündete das Ende des Fluges, einige Passagiere klatschten, andere streckten sich.

Aus Peinlichkeit hatte sie vermieden, große Bewegungen zu machen. Das rächte sich, ihre Beine waren eingeschlafen und ihr Nacken steif.

Sie hoffte auf einen fähigen Masseur im Hotel, sonst würden die nächsten Wochen grauenvoll werden. Wenn sie nur erst aus diesem Flugzeug kam.

Das ersehnte Ping, das das Lösen der Gurte und das Öffnen der Außentüren ankündigte, ertönte.

Sie erhob sich, wünschte in die ungefähre Richtung der Frau am Fenster einen schönen Aufenthalt und war keinen Augenblick später draußen, wo der Duft von Meer und Palmen ihr helfen würde, die Stunden im Flugzeug hinter sich zu lassen.

1

Es ist nichts da. Es ist alles da.

Sie sog die Nachtluft ein. Ließ sich in die Stille fallen. Eine kühle Brise streichelte ihre Wange. Sie spürte ein Lächeln und schloss die Augen. Diesen ruhigen Augenblick wollte sie genießen, ehe der Tag von Minute zu Minute Fahrt aufnehmen würde und schlussendlich am Ziel als zischende und spuckende Dampflok mit ihrem explodierenden Kessel die Fahrgäste schockiert und traumatisiert zurücklassen würde.

Ihre Hände waren kalt trotz der warmen Tasse, die sie hielt, also stellte sie sie auf dem kleinen Tischchen ab und ging durch die offene Balkontür wieder hinein. Im Bad seifte sie die klammen Finger so lange und gründlich ein, bis endlich warmes Wasser kam. Das war ihr persönlicher Luxus.

Der Tee am Balkon war noch heiß. Sie holte die Tasse, stellte sie am Schreibtisch ab, öffnete eines der kleinen Päckchen Zucker, die neben dem Wasserkocher in einer Schale lagen und ließ den Zucker langsam in den Tee rieseln. Nippte, um gleich darauf alles im Bad in den Ausguss zu kippen. Wollte keine weitere Verzögerung, war nun bereit.

Der Kiesweg knirschte unter ihren Gummistiefeln. Den einen oder anderen Stein würde sie in ihrem Profil wiederfinden. Ein sanfter Regen setzte ein, er störte sie nicht, sie zog nur die Kapuze tiefer ins Gesicht. An den Flügeltüren streifte sie die Gummistiefel ab, schloss auf und betrat den Festsaal.

Drinnen war es still. Die Hitze der vergangenen Tage hing noch in den Wänden, in den Vorhängen, die alle bis auf einen zugezogen waren. Durch ihn fiel das erste Licht des Tages, das die schwerelosen Staubpartikel beleuchtete und vor ihren Augen tanzen ließ. Sie blickte an den weißen Wänden hoch zu den Blumen in der Galerie. Altrosa und weiße Rosen, Eukalyptus und Farne wie aus einem Brautmodemagazin, sie musste grinsen. Die Tische waren eingedeckt und mit Namensschildern, Blumenarrangements ähnlich jenen auf der Galerie und langstieligen cremefarbenen Kerzen versehen. Sie vermied den Blick auf die einzelnen Namen, wollte ihre Gedanken nicht in die Zukunft wandern lassen und bog links in den Gang Richtung Küche. Eine Tür davor blieb sie stehen, legte die Hand auf die Klinke, doch etwas in ihr weigerte sich, sie hinunterzudrücken. Sie schloss die Augen und öffnete sie wieder. Atmete bewusst ein und aus. Spürte den Boden unter ihren Füßen und überprüfte die Situation. Ein fast loses Stück Haut wollte mit den Zähnen von ihrer Lippe gezogen werden. Sie erwischte es, kaute einen Moment darauf herum und schluckte.

Nein, noch immer nicht.

Sie wartete.

Ich werde mich nicht dazu zwingen.

Ich kann es sein lassen. Alles.

Widerstand regte sich. Darauf hatte sie gewartet. Gleich würde die Motivation einsetzen, die sie hierhergebracht hatte und ihr helfen, all das, was sie sich vorgenommen hatte, durchzuziehen.

Ihre Gedanken ordneten sich, ihr Herzschlag war wieder ruhig und als wäre ihr Zug wieder auf Schienen, ging die Fahrt weiter.

Als sie die Tür öffnete, bewegte sich der Vorhang vom gegenüberliegenden Fenster wie zum Gruß. Sie ging hin, schob ihn und den vergilbten Store dahinter zur Seite und blickte auf den Stamm der alten Linde. Er war so dick, dass nur jemand, der sich zwischen ihn und das Fenster gequetscht hätte, hineinsehen hätte können, und doch fiel nun genug Licht in den Raum. Der Himmel war wolkenverhangen und würde auch den ganzen Tag über bedeckt bleiben.

Regen bringt Segen.

Der Himmel weint vor Freude, würden die Gäste bei der Ankunft sagen. Ein schlechtes Omen, würden die Leute nach diesem Tag sagen und damit versuchen, eine Erklärung zu finden, die ihnen half, die Ereignisse zu verstehen.

Viel früher, bevor noch das Wetter für diesen Tag vorhergesagt worden war, bevor dieser Tag geplant worden war und sogar bevor sie sich für das von ihr geplante Ende jenes Tages entschieden hatte, war dieser Raum eben wegen dieser alten Linde und ihrem Schatten ausgewählt worden, um die Hochzeitstorte zu lagern.

Sie stand in einer Ecke neben dem Waschbecken und sah einfach hinreißend aus. Die meisten Menschen lassen sich von einer schönen Verpackung täuschen. Die hübschen Assistentinnen von Magiern dienen einzig und allein der Ablenkung. Während sie im aufwändigen Kostüm vor dem Publikum herumhampeln, tricksen ihre Meister im Hintergrund. Diese „hübsche Assistentin“ hier würde ihre Wirkung nicht verfehlen. Im mitgebrachten Rucksack fand sie ihr Schminktäschchen und darin die Instrumente für die nun folgende Operation: zwei Zahnstocher, eine Spritze und ein kleines Fläschchen mit hellbrauner Flüssigkeit. Sie legte alles fein säuberlich auf die Ablage unter dem Spiegel. Wie Chirurgenbesteck. Ein kontrollierender Blick in den Spiegel, sie war allein. Sie pflückte die einzige weiße Marzipanrose von der Torte, legte sie auf die Ablage und griff nach dem ersten Zahnstocher. Damit ritzte sie den Fondant an, öffnete ihn und legte den Vanilleteig frei. Sie schraubte das Fläschchen auf und durchstach mit dem zweiten Zahnstocher die Schutzhülle. Dann ließ sie Tropfen um Tropfen vom Zahnstocher auf den Kuchen gleiten, der alles aufsog. Sie schloss den Fondant wieder, setzte die Marzipanrose darauf und betrachtete ihr Werk. Sie war zufrieden.

Neben dem Waschbecken standen auf einem kleinen hölzernen Tisch ein Tablett mit zwei Sektflöten darauf, außerdem eine Flasche Champagner. Von letzterer entfernte sie die Schutzfolie und steckte sie in ihre Jackentasche.

Sie griff nach der Spritze und sog drei Milliliter der Flüssigkeit aus dem kleinen Fläschchen auf, durchstach mit der Injektionsnadel den Korken und drücke den Inhalt in den Champagner. Dann zog sie die Nadel vorsichtig aus dem Korken, bog sie auf der Ablage soweit um, dass sie in der Schutzvorrichtung einrastete und entsorgte sie in einer verschraubbaren Plastikflasche, die sie in ihrem Rucksack mitgebracht hatte und in der sich schon mehrere benutzte Spritzen tummelten. Den Rest der Flüssigkeit kippte sie ins Waschbecken, wusch das kleine Fläschchen sorgfältig aus und füllte es mit Wasser. Sie würde alles später in jenes Hotelzimmer schmuggeln, aus dem sie sich schon die Plastikflasche mit den gebrauchten Spritzen geborgt hatte. Sollte das Zimmer durchsucht werden, wovon sie nicht ausging, würde die behördliche Trachtengruppe nur homöopathische Beruhigungstropfen finden. Sie kicherte, während sie die Zahnstocher zerbrach und in die Jackentasche steckte, weil ihr die allgemeine Abwertung der Homöopathie so gelegen kam.

Wasser und nichts weiter.

Ihr Blick fiel auf den Lippenstift im Schminktäschchen, er hatte die Form einer Patrone.

Passend.

Das Rot darin war ebenso laut und knallte. Ein Tropfen hellbrauner Flüssigkeit hing noch am Zahnstocher. Kurz entschlossen übertrug sie ihn auf ihre Lippen und setzte das Rot des Lippenstiftes nach. Dann lächelte sie in den Spiegel, schloss den Vorhang wieder und verließ das Gebäude auf demselben Weg, wie sie gekommen war.