Wellentänze - Katie Fforde - E-Book

Wellentänze E-Book

Katie Fforde

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Beschreibung

Als die 34-jährige Julia eines Morgens feststellt, dass ihr der Hund ihres Verlobten Oscar um einiges sympathischer ist als der Gatte in spe, fasst sie zwei folgenreiche Entschlüsse: Sie gibt Oscar den Laufpass und gönnt sich zur Erholung erst einmal eine ausgedehnte Schiffsreise.

Doch mit dem entspannten Urlaub ist es augenblicklich vorbei, als Julia an Bord den attraktiven Fergus wiedertrifft, der ihr Leben vor langer Zeit schon einmal gehörig durcheinandergebracht hat ...

Kurzurlaub vom Alltag mit einer romantisch-heiteren Liebesgeschichte von Bestsellerautorin Katie Fforde.

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Seitenzahl: 581

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Inhalt

CoverÜber dieses BuchÜber die AutorinTitelImpressumWidmungDanksagungKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20Kapitel 21Kapitel 22Kapitel 23Kapitel 24Kapitel 25Kapitel 26

Über das Buch

Als die 34-jährige Julia eines Morgens feststellt, dass ihr der Hund ihres Verlobten Oscar um einiges sympathischer ist als der Gatte in spe, fasst sie zwei folgenreiche Entschlüsse: Sie gibt Oscar den Laufpass und gönnt sich zur Erholung erst einmal eine ausgedehnte Schiffsreise. Doch mit dem entspannten Urlaub ist es augenblicklich vorbei, als Julia an Bord den attraktiven Fergus wiedertrifft, der ihr Leben vor langer Zeit schon einmal gehörig durcheinandergebracht hat …

Über die Autorin

Katie Fforde hat bereits zahlreiche Romane veröffentlicht, die in Großbritannien allesamt Bestseller waren. Ihre romantischen Beziehungsgeschichten werden erfolgreich für die ZDF-Sonntagsserie »Herzkino« verfilmt. Katie Fforde lebt mit ihrem Mann, drei Kindern und verschiedenen Katzen und Hunden in einem idyllisch gelegenen Landhaus in Gloucestershire, England.

Offizielle Website: http://www.katiefforde.com/

Katie Fforde

Wellentänze

Aus dem Englischen von Michaela Link

beHEARTBEAT

Digitale Originalausgabe

»be« – Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment

Titel der englischen Originalausgabe: »Life Skills«

Für die Originalausgabe:

Copyright © 1999 by Katie Fforde

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2010/2015/2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Umschlaggestaltung: Kirstin Osenau unter Verwendung von Motiven © shutterstock: Kozhadub Sergei | Maya Kruchankova | McLura

eBook-Erstellung: hanseatenSatz-bremen, Bremen

ISBN 978-3-7325-4814-9

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

Für Susan Watt,

in großer Liebe und Dankbarkeit

Danksagung

Ich danke Mike, Sam und Rhiannon Adams für aktuelle Informationen über wichtige Dinge, den Besitzern und der Crew der Hart und Hind, Guy, Helen und Nigel, dafür, dass sie mir zu einer guten Erinnerung an Hotelboote verholfen haben – sie haben uns einen wunderbaren Urlaub möglich gemacht –, Steve Marshfield, dem allerfreundlichsten Inspektor der Gesundheitsbehörde überhaupt, Alexander Watt und Desmond Fforde für verschiedene technische Ratschläge und meiner verstorbenen Schwiegermutter Audrey Fforde einfach dafür, dass sie sie selbst war.

Kapitel 1

Ich verstehe dich nicht, Julia!«

Julia wischte sich verstohlen die Speicheltröpfchen aus dem Auge und versuchte, sich außer Sprühweite zu bringen. Wenn sie geahnt hätte, dass Oscar sich sosehr darüber aufregen würde, dass sie sich von ihm trennen wollte, hätte sie nicht in seinem Auto davon angefangen. Sie hätte ihn zum Kaffee eingeladen, und es wäre ihm erspart geblieben, mit dem Ellbogen, dem noch empfindlichen Gelenk, aufs Steuerrad zu schlagen, was ihm jetzt bereits zweimal passiert war, und sie selbst hätte den feuchten Bekundungen seiner Bekümmerung aus dem Weg gehen können.

»Dieser ganze Unfug, dass du etwas ›Spaß‹ willst!«, fuhr er fort. »Dafür bist du doch wohl ein bisschen zu alt, oder?« Ein weiteres Tröpfchen empörter Nässe landete auf ihrem Ärmel.

»Ich bin erst vierunddreißig, ich stehe also nicht direkt mit einem Fuß im Grab«, erwiderte sie leise und durchwühlte ihre Tasche nach einem Papiertaschentuch.

»Vierunddreißig ist ziemlich alt, wenn man noch Kinder haben will! Und das, wo Mutter uns so ihre Hilfe angeboten hat, wenn wir noch welche bekämen!«

Julias Mitleid mit ihm schwand zusehends dahin. »Du meinst, dass sie uns angeboten hat, deine alte Kinderfrau aus dem Altersheim zu zerren, damit deine Sprösslinge aufs Töpfchen dressiert werden, kaum dass sie aus dem Mutterleib heraus sind! Hat sie eigentlich noch nie etwas von Wegwerfwindeln gehört?«

»Und sie hat auch angeboten, uns bei den Schulgebühren unter die Arme zu greifen!«

»Nur wenn wir einen Jungen bekommen, der intelligent genug ist, um das gute alte Sandings zu besuchen!« Dieser Seitenhieb galt Oscars Alma Mater, der letzten Schule auf Erden, in die Julia ihre Kinder schicken würde, falls sie jemals welche bekommen sollte.

»Nun, natürlich. Privatschulen sind teuer. Du kannst kaum von ihr erwarten, dass sie Tausende von Pfund ausspuckt für ein Mäd …, für jemanden, der nicht so helle ist.«

Er brach ab, vielleicht weil er zum ersten Mal in seinem Leben bemerkt hatte, wie unmöglich er sich benommen hatte.

Julia brauchte einen Augenblick, um ihren Zorn herunterzuschlucken. Es hatte keinen Sinn, auf Oscar loszugehen. Er war mit jeder Faser seines Wesens sexistisch und elitär, und daran konnte er ebenso wenig etwas ändern wie an seiner Blutgruppe. Warum hatte sie bloß so lange gebraucht, um das zu erkennen?

»Ich weiß es durchaus zu schätzen, dass deine Mutter uns ihre Unterstützung bei den Schulgebühren angeboten hat.« Sie heftete den Blick auf sein Armaturenbrett aus Walnussholz, damit er ihr nicht ansah, dass sie log. »Aber ich möchte unsere Verlobung trotzdem lösen. Kinder sind im Moment nicht meine erste Priorität, und wir würden einander ohnehin nur unglücklich machen.«

»Warum hast du dich dann überhaupt bereit erklärt, mich zu heiraten?«

Die Frage war nur fair, aber obwohl Julia die Antwort kannte, würde sie Oscar etwas anderes erzählen. »Du bist sehr attraktiv. Deine Aufmerksamkeit hat mir geschmeichelt. Und ich liebe Sooty.«

Diese letzte Bemerkung war ein Fehler. Der Hinweis auf seinen halbwüchsigen schwarzen Labrador, der bei ihrer ersten Begegnung noch ein Welpe gewesen war, machte all ihre Versuche zunichte, Oscars Ego wieder aufzubauen.

»Sooty!« Oscar blinzelte verwirrt. »Was hat Sooty denn damit zu tun?«

»Nun, eigentlich gar nichts. Ich dachte bloß, ein Mann mit Hund wäre ein guter Kandidat zum Heiraten.« Julia hatte ihr Ziel ein wenig aus den Augen verloren. Sie wollte Oscar beschwichtigen, statt ihm das Gefühl zu geben, ein Refugium für unverheiratete, potenzielle Mütter zu sein, obwohl er traurigerweise genau das war. »Ich habe mich geschmeichelt gefühlt, Oscar«, wiederholte sie. »Aber dann ist mir klar geworden, dass ich niemals die Art Ehefrau sein könnte, die du brauchst.«

»Was soll das heißen?«

»Du hast gesagt«, erläuterte sie ihm geduldig, »es spiele keine Rolle, wenn ich bei der Beförderung übergangen würde, weil ich nach unserer Hochzeit ohnehin nicht mehr arbeiten würde.«

Er war mittlerweile von selbst darauf gekommen, dass das falsch gewesen war. »Aber warum hast du dann gekündigt? Wenn dein Job dir so viel bedeutet?«

Diesmal fiel es Julia schwerer, ihren Ärger zu unterdrücken. »Ich habe es dir doch erklärt. Sie haben Darren meine Abteilung gegeben, die Abteilung, die ich aufgebaut habe. Fast fünf Jahre habe ich dazu gebraucht, und er bekommt den Job, bloß weil er ein Mann ist und Golf spielt! Er ist nicht einmal besonders tüchtig!«

»Aber viele Leute haben es lieber mit einem Mann zu tun, und beim Golf geht es nicht nur um das Spiel selbst, verstehst du? Viele Geschäfte …«

»Ich habe die Abteilung ›Mietvermittlung‹ aufgebaut, ohne ein Mann zu sein oder meine Freizeit an der Theke des Golfclubs zu verbringen!«

»Nun, sie hätten dich ohne Begleitung auch gar nicht reingelassen …«

»Ich habe diese finnische Gesellschaft überredet, ihre Umsiedlung über uns abzuwickeln, statt über eine der großen Oxforder Firmen …«

»Ich weiß, Peter war sehr froh über den Auftrag. Er hat es mir erzählt …«

»Und hat dir dein Golfkumpel vielleicht auch erzählt, warum er mir die Abteilung nicht übertragen hat?«

»Ich weiß nur das, was er dir auch gesagt hat, Darling.« Oscar, den Julias Ärger aus dem Gleichgewicht brachte, versuchte, die Wogen zu glätten. »Dass er glaube, Darren sei zwar noch sehr jung, habe aber ein großes Potenzial …«

Julia konzentrierte sich ganz darauf, ruhig zu bleiben. Wenn sie sich gestattete, über Oscars Worte nachzudenken, würde sie explodieren. »Das haben wir doch alles schon so oft durchgekaut, Oscar, und es bringt uns nicht weiter. Aber ich denke, du musst jetzt wirklich einsehen, dass wir nicht zusammenpassen.« Da sie sah, dass er zu einem Protest ansetzte, sprach sie hastig weiter. »Es gibt jede Menge großartige Mädchen, die mit Freuden …« Sie geriet ins Stocken. War am Anfang des neuen Jahrtausends wirklich noch ein weibliches Wesen bereit, eine Ehefrau zu sein, wie man sie in den Fünfzigerjahren gekannt hatte? »Die … deine vielen guten Eigenschaften zu schätzen wüssten … und begreifen würden, was für eine gute Partie du bist. Du bist sehr attraktiv und ein absolut wünschenswerter Partner, Oscar, du bist nur einfach für mich nicht der Richtige.«

Sie griff nach ihrer Handtasche und tastete nach dem Türgriff.

Er streckte die Hand aus, um sie am Aussteigen zu hindern. »Und diese Kanalgeschichte? Was soll das, bitte schön? Du hast eine absolut annehmbare Karriere aufgegeben, einen Job bei einem sehr soliden Burschen, und obendrein hast du dich bei deiner Kündigung sehr schlecht benommen, wenn ich dich daran erinnern darf …«

Julia hätte am liebsten laut losgelacht. Seinerzeit war sie zu wütend gewesen, um das zu erkennen, aber rückblickend hatte ihr Abgang aus dem Büro durchaus seine komischen Seiten gehabt. Nachdem Peter sich die extrem gemäßigte Version von Julias Kündigungsgründen angehört hatte, hatte er sich über den Schreibtisch gebeugt, um ihre Hand zu tätscheln, und gesagt: »Na, na, na.« Mit dieser herablassenden Geste hatte er gleichzeitig seinen Kaffeebecher umgeworfen, der randvoll gewesen war. Der Kaffee hatte sich über seinen ganzen Schreibtisch ergossen (den er stets aufgeräumt hielt, um zu beweisen, wie tüchtig er war) und über seine Hose. Er war zutiefst bestürzt gewesen. »Dieser Anzug ist brandneu! Meine Frau wird die Wände hochgehen! Tu doch etwas, bevor es Flecken gibt, Julia, bitte!«

»Warum fragst du nicht Darren?«, hatte sie kühl erwidert. »Er hat ein großes Potenzial.«

»Aber er weiß bestimmt nichts über Kaffeeflecken!«, hatte Peter erklärt. »Er ist ein Mann!«

»Das ist er. So ein Pech.« Julia hatte mit geheucheltem Mitleid gelächelt und war aus dem Büro spaziert.

Jetzt sagte sie sanft: »Ich finde nicht, dass ich mich so schlecht benommen habe. Du kannst mir kaum einen Vorwurf daraus machen, dass ich keine Lust hatte, Peters Hosenstall mit Tempotüchern zu bearbeiten, oder?«

»Weich bitte nicht vom Thema ab! Du weißt rein gar nichts über diese Frau – und über Kanäle auch nichts.«

»Ich werde sehr viel mehr über beides wissen, wenn ich das Vorstellungsgespräch hinter mir habe. Aber ich wäre sowieso von Strage’s weggegangen. Ich war schon viel zu lange da.« Sechs Jahre zu lang, wie ihr jetzt aufging.

»Du weißt nicht einmal, wie viel diese Frau dir bezahlen wird! Wie willst du mit dem Geld zurechtkommen? Hast du darüber vielleicht mal nachgedacht?«

»Natürlich! Ich bin kein Idiot.« Julia schluckte ihre Wut herunter. »Ich werde mein Haus vermieten; damit sind schon mal die Hypotheken und die Rechnungen abgedeckt. Was immer sie mir bezahlt, betrachte ich einfach als Taschengeld.«

»Taschengeld! Ha!«

»Ich bin jung und ledig, Oscar – nun ja, ziemlich jung. Ich habe die ersten Schritte zu einem eigenen Haus gemacht, und solange ich die Hypotheken bezahlen kann, brauche ich keine Unsummen zu verdienen. Außerdem ist die Bezahlung ja vielleicht vollkommen in Ordnung.« Was sie im Grunde für genauso unwahrscheinlich hielt wie er, aber da keiner von ihnen Genaueres wusste, fand sie, dass sie sich diese Bemerkung leisten konnte.

»Wenn jemand dich nicht bezahlt, weiß er dich auch nicht zu schätzen!«

»Ich wurde bei Strange’s gut bezahlt, und was hat das bewiesen? Außerdem – ich selbst messe meinen Wert nicht an meinem Gehalt, und ich erwarte auch von sonst niemandem, dass er das tut. Aber jetzt muss ich wirklich los.« Diesmal schaffte sie es, die Tür zu öffnen und einen Fuß aufs Pflaster zu setzen, bevor Oscar seinen nächsten Versuch machte.

»Meine Mutter wird sehr enttäuscht sein, sehr enttäuscht.«

»Ich glaube, sie wird von Herzen erleichtert sein«, entgegnete Julia, die bei der einen Gelegenheit, bei der sie Oscars Mutter begegnet war, ein wenig schmeichelhaftes Gespräch über ihr Alter und ihre potenzielle Gebärfähigkeit mit angehört hatte. »Auf diese Weise steht es dir frei, dir eine jüngere und fügsamere Frau zu suchen.« Oscar errötete, als er diese Worte hörte – genauso hatte sich seine Mutter damals ausgedrückt. Julia küsste ihn auf die Wange. »Tut mir Leid, dass es mit uns nicht funktioniert hat, Oscar. Aber ich weiß, dass ich dich niemals hätte glücklich machen können, nicht auf lange Sicht.«

Julia stieg aus dem Wagen und ging traurig und schuldbewusst auf ihr Haus zu. Obwohl es ihr seinerzeit nicht bewusst gewesen war, überlegte sie, waren es Oscars angeborener Stumpfsinn und sein paradiesisches Queen-Anne-Haus gewesen (sie errötete vor Scham), die sie veranlasst hatten, seinen Antrag anzunehmen.

Ich war einfach ständig so müde – dachte sie, während sie den Kessel aufsetzte; ich habe mich halb tot gearbeitet, um die neue Abteilung aufzubauen. Sie hatte stundenlang mit Finnland telefoniert, um eine hypermoderne High-Tech-Firma davon zu überzeugen, dass es hier, im verschlafenen Oxfordshire, jede Menge hochkarätigen Wohnraum für die finnischen Führungskräfte gab, und noch mehr Stunden waren dafür draufgegangen, um die Besitzer besagten Wohnraums davon zu überzeugen, dass sie ihre Cotswolder Juwelen unbesorgt in ihre Hände geben konnten. Julia hatte ein Gärtnerteam zusammengestellt, damit keine Rose unbeschnitten und keine Winde ungestutzt blieb, und sie hatte sogar eine Firma zur Restaurierung von Möbeln engagiert, damit auch der kleinste Kratzer von den Chippendale-Möbeln entfernt wurde. Sie erinnerte sich lebhaft an Darrens vernichtende Bemerkungen, als er diese Einzelheiten herausgefunden hatte, die seiner Meinung nach reine Zeitverschwendung waren. Es hatte ihr echte Befriedigung bereitet, ihm zu erklären, dass die Sorge um ihre Stühle viele Leute davon abhielt, ihre Häuser zu vermieten. Darren hatte etwas von Versicherungen und wasserdichten Verträgen vor sich hin gemurmelt, als hätte Julia noch nie davon gehört.

Die vielen Überstunden hatten sich auf ihr gesellschaftliches Leben ausgewirkt, und Oscar, der ihr von ihrem Chef vorgestellt worden war, schien freundlich und anspruchslos zu sein. Seine Vorstellung von Spaß (abgesehen von einer verlockenden Partie Golf) bestand darin, Julia in erstklassige, ländliche Restaurants auszuführen und vor dem Sommelier mit seinem Wissen zu prahlen. Da er selbst so gut wie nichts trank (sein klassischer Jaguar war ihm ebenso teuer wie sein Labradorwelpe), kam Julia in den Genuss einiger hervorragender Jahrgänge. Da er in puncto Konversation nicht viel verlangte, war Oscar vollkommen zufrieden damit, wenn Julia nur gelegentlich nickte und zustimmende Laute von sich gab, und er war auch nicht gekränkt, wenn sie auf dem Rückweg in seinem Wagen etwas dringend benötigten Schlaf nachholte. Er hatte ihr seinen Antrag gemacht, als sie in Gedanken ganz woanders gewesen war, und so war sie am Ende zu einer Verlobung mit einem Mann gekommen, von dem sie im Grunde wenig wusste und der von ihr noch weniger wusste.

Irgendwie hatten sie nie Zeit gefunden, einander besser kennen zu lernen, und Julia, die immer noch von einem Termin zum anderen hetzte, begann sich mit dem Gedanken anzufreunden, in einer wunderschönen Umgebung (Oscar hatte in seinem Haus einige sehr hübsche Antiquitäten) ausgezeichnet zu essen und zu trinken. Aber als dann der junge, arrogante und inkompetente Darren, nur weil er ein Mann war, auf die Stelle befördert wurde, die von Rechts wegen ihr zugestanden hätte, ging Julia endlich auf, dass sie einiges dringend überdenken und ihre Ansprüche ein wenig herunterschrauben musste (das Queen-Anne-Haus hatte sieben Schlafzimmer). Aufgrund der harten Arbeit war ihr ein böses Fehlurteil unterlaufen, und das Ganze war es einfach nicht wert. Vielleicht sollte sie Peter Strange dankbar sein, dass er ihr unwissentlich die Augen geöffnet hatte.

Nachdem sie aus dem Büro gestürmt war, hatte sie sich zur Vorbereitung auf ihr neues Leben eine Ausgabe von The Lady gekauft. Denn wenn sie auch große Lust gehabt hatte, auf der Stelle einen Rucksack zu packen und durch Indien zu trampen, gab es noch eine andere, etwas erwachsenere Stimme in ihr, die ihr riet, sich irgendwie ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Sie hatte nicht einmal gewartet, bis sie nach Hause gekommen war, sondern die Zeitung gleich auf den hinteren Seiten aufgeschlagen und noch im Gehen zu lesen begonnen. Im Hinterkopf hatte sie die Frage beschäftigt, warum sie einen so großen Teil ihres Lebens einer Firma wie Strange’s gewidmet hatte, die in einer Frau niemals viel mehr sehen würde als eine bessere Sekretärin, ganz gleich, was sie erreichte.

Während sie mit knapper Not einer Pfütze ausgewichen war und sich die Hüfte am Gartentor gestoßen hatte, war ihre Erregung gewachen. War nicht jede Stellenanzeige ein leuchtendes Fenster lockender Möglichkeiten, die ihr eine neue Welt auftaten, spannend, glitzernd, das absolute Gegenteil von dem Stress der vergangenen sechs Jahre? Und dabei wäre es um ein Haar zu spät gewesen! Zum Glück hatte Oscars Mutter darauf bestanden, dass sie in einer äußerst beliebten Kirche heiraten sollten, einer Kirche mit einer neun Monate langen Warteliste.

Das Bewusstsein, wie knapp sie ihrem Schicksal entkommen war, hatte Julia veranlasst, ein klein wenig voreilig zu sein, als sie verschiedene Annoncen angekreuzt hatte. Mit knapper Not hatte sie so weit bei Verstand bleiben können, sich nicht um Jobs als Kindermädchen zu bewerben (es besteht die Möglichkeit, mit der Familie zu reisen) oder als Stallbursche (muss große Hunde lieben), da sie über wenig Erfahrung mit Kindern und über gar keine Erfahrung mit Pferden verfügte.

Aber ein Job war dabei gewesen, der ihr nicht nur interessant erschien, sondern für den sie sich auch qualifiziert fühlte. Und eben dieser Job führte sie an einem kalten Februartag, etwa eine Woche nach ihrem Bruch mit Oscar, zu Mittag in ein altes Postgasthaus in der Vorstadt.

Kapitel 2

Als Julia die Tür öffnete und den Pub betrat, überkam sie eine plötzliche Nervosität. Oscar hat Recht, dachte sie. Ich bin verrückt, ich sollte bei meinen Leisten bleiben, statt mich in Pubs, die so dunkel sind, dass ich nicht mal die Theke finde, mit wildfremden Frauen zu treffen. Sie stolperte zwischen Stühlen und Tischen umher, ihr Blick glitt suchend an landwirtschaftlichen Maschinen vorbei, bis sie schließlich von gedämpften Stimmen unter den originalen Eichenbalken des Schankraums zu ihrem Ziel gelockt wurde.

Drei silberhaarige Männer, die sehr vornehm mit ihren jeweiligen Rasentreckern geprahlt hatten, hielten in ihrem Gespräch inne, als Julia näher kam. Sie wussten, dass es heutzutage vollkommen akzeptabel war, wenn eine Frau allein einen Pub betrat, aber ihre Ehefrauen hätten so etwas nicht getan. Julia, die diese Spezies kannte, entspannte sich und lächelte mitfühlend. Einer der Männer erhob sich und rief in die Küche: »Madge! Kundschaft!«

Julia fuhr sich mit der Zunge über die Zähne, um sich zu versichern, dass dort kein Lippenstift haften geblieben war. Sie wünschte sich so sehr, diesen Job zu bekommen. Es würde eine furchtbare Enttäuschung für sie sein, zugeben zu müssen, dass Oscar Recht gehabt hatte und es unnötig gewesen war, sich durch die Stellenanzeigen im Daily Telegraph zu arbeiten.

Sie lenkte sich ab, indem sie sich die beruhigende Liste bekömmlicher Speisen zu Gemüte führte, die auf der Tafel angepriesen wurden. Endlich trat dann auch »Madge« in Erscheinung, die über ihrer gestreiften Schürze eine dünne Mehlschicht trug. Julia bestellte ein Glas Rotwein, ging damit zu einem Tisch am Fenster und blickte hinaus auf den Parkplatz. Die ersten Regentropfen fielen in die Pfützen auf dem Boden; das Geräusch, das dabei entstand, klang in Julias Ohren wie leise Überraschungsrufe angesichts der jüngsten, gewaltigen Veränderungen in ihrer Lebensweise.

Sie hätte wirklich einen aktualisierten Lebenslauf mitbringen sollen, aber mit ihrem dramatischen Abgang aus ihrem Büro hatte sie die Brücken zu jeder ordnungsgemäßen Sekretariatsdienstleistung hinter sich abgerissen, und abgesehen von einem Job als Kellnerin vor fünfzehn Jahren (in ihrer Studentenzeit) hätte sie ihrem Lebenslauf ohnehin nichts hinzufügen können, das bei der gegenwärtigen Bewerbung hilfreich gewesen wäre.

Athletischer, wetterfester Typ für die Arbeit auf den Kanälen gesucht, sollte gut kochen und mit Menschen umgehen können. Keine Kanalerfahrung notwendig …

Julia kam sich nicht besonders athletisch vor, aber nach Oscars jüngsten Bemerkungen über ihr Alter fand sie, es sei an der Zeit, es zu werden. Sie war eine gute Köchin und konnte unzweifelhaft gut mit Menschen umgehen, was einer der Gründe für ihren maßlosen Zorn gewesen war, als Darren den Job bekommen hatte; er war einfach hoffnungslos unfähig in dieser Beziehung.

Julia hatte ihr Glas Fitou ausgetrunken und rang gerade mit sich, ob ein zweites klug wäre oder nicht, als eine sehr junge Frau hereinkam.

Sie war schlank genug für eine Lederhose, ein weißes T-Shirt und eine kurze Jacke, und sie trug teuer aussehende Stiefel und einen Schal, der allein so viel gekostet hatte wie Julias gesamte Aufmachung. An ihrem Handgelenk und ihren Ohren glitzerte Goldschmuck, und sie war atemberaubend schön. Ihr Haar war kurz und dick und wies blonde Strähnchen in mindestens drei verschiedenen Tönen auf. Es war die Art Frisur, die alle drei Wochen nachgeschnitten und alle vier Wochen »geliftet« werden musste, und zwar von modischen Londoner Frisören der Art, die für eine erste Beratung wahrscheinlich eine Warteliste hatten, die so lang war wie die von Oscars Mutter bevorzugter Kirche.

Julia fragte sich, ob sie wirklich für jemanden arbeiten konnte, der vom Scheitel bis zur Sohle nach einer Debütantin der vornehmen Gesellschaft aussah, oder ob sie sich lieber durch die Hintertür davonstehlen sollte, bevor sie bemerkt wurde. Aber genau in dem Augenblick drehte die junge Frau sich um und bemerkte sie.

»Julia Fairfax? Suzy Boyd. Entschuldigen Sie die Verspätung, ich habe mich hoffnungslos verfahren. Was trinken Sie? Rotwein? Ist er gut? Dann nehme ich auch einen.«

Julia stellte fest, dass sie unwillkürlich auf das breite, von Kieferorthopäden vervollkommnete Lächeln reagierte, das ihr Gegenüber seiner Begrüßung folgen ließ, aber gleichzeitig kam sie sich in ihrer zweckmäßigen Kleidung recht schäbig vor. Suzy Boyd war so strahlend und gut gepflegt wie ein hochgezüchtetes junges Rennpferd, das nur so strotzte vor Gesundheit und edlem Blut. Neben ihr fühlte Julia sich wie ein zotteliges altes Reitschulpony.

Suzy kehrte mit zwei Gläsern zurück, gab eins davon Julia und nahm von dem anderen selbst einen Schluck. »Ich habe noch nie im Leben ein Vorstellungsgespräch geführt. Ich habe mir eine Liste von Fragen gemacht.« Sie durchwühlte einen Ledersack, auf dem in Goldlettern der Name eines Designers stand und der offensichtlich ziemlich überfüllt zu sein schien. »Hier.« Sie warf rasch einen Blick darauf. »Ich bin mir nicht sicher, ob wir uns erst ein bisschen unterhalten oder gleich in die Fragen einsteigen sollten?«

Julia, die sich langsam für Suzy erwärmte – trotz der Lederhose und des nur minimalen Oberschenkel-Umfangs –, sagte: »Die Fragen würden uns den Einstieg sicher erleichtern.«

Suzy war offensichtlich froh, dass ihr diese Entscheidung abgenommen wurde. »Also schön, mal sehen. Sie sind vierunddreißig …« Sie blickte kurz auf, als hielte sie Ausschau nach Zeichen von Reife. »Und Sie haben Erfahrung als Köchin?«

»Ich habe einmal in den Sommerferien in einem Pub gekocht, als ich noch Studentin war, aber seither habe ich leider nur für Dinnerpartys gekocht.« Wenn man einige vornehme kleine Abendmahlzeiten abzog, die sie für Oscar zubereitet hatte, und das eine grässliche Essen, als sie seine Mutter sonntagmittags bekocht hatte. Julia war sich wie in einem Werbespot für Soße vorgekommen und hatte lauter Klumpen fabriziert.

»Aber Sie haben für ziemlich große Gesellschaften gekocht?«

»Kommt darauf an, was Sie unter groß verstehen.«

Suzy legte den Kopf zur Seite und gestattete dabei einer erdbeerfarbenen Haarsträhne, ihr lose über die Wange zu fallen. »Nun, wir nehmen zehn Passagiere auf, und die Mannschaft besteht aus drei Leuten, das heißt, wenn wir voll besetzt sind, wären dreizehn Personen zu bekochen. Würden Sie das schaffen?«

»Ich denke schon.«

»Gut«, meinte Suzy. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich es könnte. Ich habe nie für mehr als sechs Personen gekocht, und selbst dann war es immer ein Albtraum. Obwohl ich nach der Schule einen Kochkurs besucht habe. Meine Eltern dachten, es könnte nützlich sein.«

Julia fühlte sich gezwungen zu fragen. »Und, war es das?«

Suzy schien zu zweifeln. »Nun, vielleicht nützt es mir ja jetzt etwas.« Sie warf abermals einen Blick auf ihre Liste. »Wie steht es mit Ihren Erfahrungen auf Kanalbooten?«

»Ich habe keine.« Julia wollte diesen Job wirklich bekommen, aber nicht unter Vorspiegelung falscher Tatsachen.

»Vergessen Sie es. Onkel Ralph meinte, wenn ich auf dieser Art von Erfahrungen bestehen würde, würde ich niemals jemanden finden.« Suzy nahm einen Schluck von ihrem Wein. »Außerdem haben wir ja Jason.« Sie sah Julia an, und diese bemerkte eine gewisse Unsicherheit im Gesicht ihrer potenziellen Arbeitgeberin. »Es war nämlich – es ist – Onkel Ralphs Geschäft. Er will es mir verkaufen – zu günstigen Bedingungen über mehrere Jahre hinweg –, wenn ich die erste Saison gut hinter mich bringe. Wenn nicht, sucht er sich einen anderen.«

»Wie … nett.« Julia fand, dass sie persönlich in der Vergangenheit genug Verantwortung getragen hatte.

»Das ist es vielleicht wirklich. Onkel Ralph war immer auf meiner Seite. Jedenfalls, wenn es gegen Mummy und Dad ging.« Suzy zog die Nase kraus. »Ich habe das nicht ganz so gemeint, wie es klang. Ich meine, die beiden lieben mich sosehr, aber man hat einfach den Eindruck, dass sie mich nicht glücklich sehen wollen. Ralph hat immer verstanden, wie sehr mich das alles erstickt hat.«

»Hm.« Julia versuchte, möglichst neutral zu klingen, und machte ein Gesicht, von dem sie hoffte, dass es offen und interessiert wirkte. Sie hatte seit Jahren kein Vorstellungsgespräch mehr mitgemacht, da sie so lange für Strange’s gearbeitet hatte, aber sie hielt es auf jeden Fall für eine schlechte Idee, sich zu den Eltern ihrer zukünftigen Arbeitgeberin zu äußern. Es war ihrer Sache nicht besonders förderlich gewesen, als sie sich einmal auch nur einen Anflug von Kritik bezüglich Oscars Mutter gestattet hatte, auch wenn in diesem Anflug das Wort »Kuh« vorgekommen war.

»Und wie gesagt, wir haben ja auch noch Jason.« Suzy verzog das Gesicht ein wenig. »Was wahrscheinlich eine gute Sache ist.«

»Nur wahrscheinlich?«

»Er ist eine Spur zu herablassend. Ich habe ihn letzten Sommer kennen gelernt, als ich mit Ralph auf den Hotelbooten gearbeitet habe. Jason hat mir sehr viel beigebracht, und er meinte, ich sei ›recht gut‹. Aber in Wirklichkeit meinte er: ›recht gut, wenn man bedenkt, dass ich Daddys kleine Prinzessin bin.‹«

Julia spürte, dass sie errötete. Sie hatte genau denselben Gedanken gehabt, was Suzy betraf.

»Womit er damals durchaus Recht hatte«, gestand Suzy lachend. »Aber heute ist das anders. Von jetzt an werde ich ohne das Geld und die überholten Vorstellungen meiner Eltern zurechtkommen.«

»Das ist sicher ein guter Entschluss.« Julia hatte in letzter Zeit selbst unter überholten Vorstellungen zu leiden gehabt.

Suzy nahm wieder ihre Liste zu Hilfe. »Onkel Ralph riet mir, Sie zu fragen, warum Sie sich für den Job beworben hätten. Er meinte, das wäre sicher sehr aufschlussreich. Obwohl ich mir da jetzt nicht mehr so sicher bin.«

Julia beschloss, ihr eine ehrliche Antwort zu geben. »Ich habe gerade eine sehr unpassende Verlobung gelöst und gleichzeitig meine Stellung gekündigt. Mein Chef und mein Verlobter sind gute Freunde. Ich fand, dass sich in meinem Leben etwas von Grund auf ändern müsse und ich zur Abwechslung mal etwas tun sollte, was mir Spaß macht.«

»Ich finde, das klingt sehr überzeugend. In gewisser Weise ist das auch der Grund, warum ich hier bin. Meine Eltern wollten auch von mir, dass ich heirate und mich häuslich niederlasse.«

»Sind Sie dafür nicht noch ein bisschen jung?«

»Natürlich. Aber sie sind der Meinung, ich hätte in puncto Männer einen unmöglichen Geschmack. Bloß weil ich eine Affäre mit dem Pool-Boy hatte!« Sie schnitt eine Grimasse. »Aber das war von Anfang an nichts Ernstes. Ich weiß gar nicht, warum sie deswegen so ein Theater gemacht haben.« Suzy grinste, und in ihren sorgsam geschminkten Wangen erschienen zwei Grübchen. »Nach dieser Geschichte haben sie dann den Kronprinzen von Daddys Imperium ins Spiel gebracht. Ein Langweiler! Erzählen Sie mir von Ihrem Exverlobten.«

»Er war auch furchtbar langweilig, nur dass ich es irgendwie geschafft habe, es nicht zu bemerken. Er – nun, eigentlich mehr seine Mutter – wollte, dass wir sofort Kinder bekommen, damit seine alte Kinderfrau das noch erlebte und sich um sie kümmern konnte.« Sie sah, wie sich auf Suzys Lippen die Frage bildete: Warum haben Sie sich überhaupt mit so einem Mann eingelassen?, und Julia wich einer Antwort aus. »Er hatte ein paradiesisches Haus und einen hinreißenden schwarzen Labradorwelpen. Sooty war im Grunde das Beste an Oscar.«

»Aber was für ein langweiliger Name für einen schwarzen Hund. Sooty.«

Julia dachte nach. »Sie haben Recht. Oscar ist wirklich absolut fantasielos.« Julia rief sich ins Gedächtnis, dass sie ein Vorstellungsgespräch führte, und kehrte zum Thema zurück. »Davon abgesehen hatte ich einfach das Gefühl, mal eine Abwechslung von dem ewigen – Büroleben zu brauchen.« Julia drückte sich absichtlich vage aus. Sie wollte Suzy nicht verschrecken. »Der Job hat mich gereizt.«

»Wirklich? Ralph hat mir den Wortlaut der Anzeige gegeben, die er zu schalten pflegte. Ich fand sie ein bisschen altmodisch.«

»Wollten Sie jemand Jüngeres?« Oscar hatte ihr einen gehörigen Komplex beschert. Die Jahre fürs Kinderkriegen mochten langsam dahingehen, aber sie war doch sicher noch nicht zu alt, um für eine Anstellung infrage zu kommen?

»O nein. Das heißt, ich glaube es jedenfalls nicht. Ich meine, Sie sind doch gesundheitlich fit und so weiter, nicht wahr?«

»Ich denke schon.«

Suzy zuckte zusammen. »Wenn ich von zu Hause weggehe, werde ich meine Mitgliedschaft im Country Club aufgeben müssen. Wer weiß, was dann aus mir werden wird. Wahrscheinlich bekomme ich einen Schwabbelbauch.« Suzy schob mit langen, manikürten Fingern die Bierdeckel hin und her. »Sie haben da einen schnuckligen Trainer, der sogar in Lycra gut aussieht. Da lohnte sich wenigstens die Anstrengung hinzugehen.«

Julia schluckte. »Hmhm.«

»Möchten Sie noch einen Drink?«

»Ich weiß nicht …«

»Sind Sie mit dem Wagen hier?«

»Nein. Es ist nicht weit zu laufen. Ich bin zu Fuß hergekommen.«

»Ich werde wohl auch bald wieder Fußgängerin sein. Daddy zwingt mich sicher, ihm den Wagen zurückzugeben. Er glaubt, wenn er mir all meine Spielsachen wegnimmt, werde ich ›zur Vernunft kommen‹.«

»Würden Ihre Eltern Sie zwingen, einen Mann zu heiraten, den Sie nicht lieben?« Julias Mutter hatte ein paar Mal ziemlich kräftig mit dem Holzpfahl gewunken, aber zu Gewalt, egal, in welcher Form, hatte sie bisher noch nicht gegriffen.

»Um fair zu sein, ich glaube nicht, dass sie das tun würden, aber sie wollen, dass ich etwas Vernünftiges mit meinem Leben anfange: Das heißt, etwas, das sie vernünftig finden. In ihren Augen ist die ganze Sache mit den Hotelbooten schlichtweg lächerlich, und sie werden mir keinen Penny geben.«

»Nun, warum sollten sie auch? Was haben Ihre Eltern denn damit zu tun?« Suzy schien ein wenig erschrocken zu sein, aber Julia ließ nicht locker. »Ich meine, Sie sind erwachsen. Warum sollten Ihre Eltern Ihnen Geld geben?«

Suzy sah sie verblüfft an. »Na ja, eigentlich haben Sie Recht. Nur dass sie mir bisher eben immer Geld gegeben haben.«

»Sie Glückspilz.«

»Das hat auch seine Schattenseiten. Als ›Daddys kleine Prinzessin‹ weiß man nicht, wozu man selbst imstande ist, weil man sich nie anstrengen musste. Ich kann nicht einmal sagen, ob ich in der Lage wäre, mir meinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen, und dabei bin ich vierundzwanzig.«

»Sie meinen, Sie hatten noch nie einen Job?«

»Oh, doch, ich habe etliche Jobs gehabt – ich war Empfangsdame, Propagandistin, habe mich ein wenig als Model versucht und solche Dinge – aber ich musste nie von selbst verdientem Geld leben. Onkel Ralph meint …« – Suzy holte tief Luft – »… dass von seinem Lohn zu leben noch nicht das Gleiche ist, wie sich seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Das sei ein himmelweiter Unterschied. Er findet, es zählt erst, wenn man sich selbst etwas aufbaut, Kunden findet und so weiter. Nur ein Gehalt zu empfangen reiche da nicht aus.«

Julia vergrub die Finger in ihrem Haar. »So habe ich das noch nie betrachtet.«

»Nein, aber er hat Recht. Und wenn ich meiner Familie beweisen kann, dass ich dieses Geschäft so weit in Schwung halte, dass es Geld abwirft, stellen sie vielleicht ihre Versuche ein, mich zu einer repräsentativen Ehefrau zurechtzustutzen. Und wenn ich will, kann ich das Geschäft dann später von Onkel Ralph kaufen. Wenn es nicht klappt, muss ich am Ende der Saison mit eingezogenem Schwanz nach Hause zurückkehren.«

Julia schauderte. »Dann erzählen Sie mir doch etwas über das Geschäft. Worum genau geht es eigentlich?«

Suzy straffte sich. »Es geht um ein Hotelboot. Nur dass wir zwei haben. Zwei Hotelboote, meine ich.«

»Hotelboote? So etwas wie Lastkähne?«

»Sprechen Sie dieses Wort niemals aus!« Julias unbeabsichtigte Blasphemie entsetzte Suzy. »Onkel Ralph hasst es, wenn man Hotelboote als Lastkähne bezeichnet! Lastkähne sind viel breiter! Unsere Boote sind gerade mal zwei Meter breit! Allerdings sind sie zwanzig Meter lang«, fuhr sie etwas gelassener fort. »Früher hat man mit den Booten Fracht auf den Kanälen transportiert. Heute geht fast das gesamte Frachtaufkommen über die Straßen, daher werden die Kanäle praktisch ausschließlich zu Freizeitzwecken genutzt.« Julia hatte den Eindruck, dass dies nicht Suzys eigene Worte waren, sondern die eines anderen. »Hotelboote sind für Leute gedacht, die nicht selbst ein Boot chartern und die ganze Arbeit an den Schleusen, mit dem Kochen und dem übrigen Kram am Hals haben wollen.«

»Aber warum haben Sie dann zwei Boote? Wäre es nicht einfacher mit nur einem Boot?«

»Nun, es gibt einige Betriebe mit nur einem einzigen Hotelboot, aber die können nicht mehr als etwa fünf Passagiere aufnehmen. Die meisten anderen Betriebe lassen zwei Boote fahren und können zehn bis zwölf Personen beherbergen. Einige haben auch Kabinen mit Bad und WC, aber Onkel Ralphs gehören nicht dazu. Seine beiden Boote haben Platz für zehn Personen. Kosteneffektiver wäre es natürlich, wenn sie zwölf Personen aufnehmen könnten.« Suzy holte tief Luft und sprach weiter. »Die Passagiere schlafen in dem Boot ohne Motor, das von dem anderen geschleppt wird. In dem Boot mit Motor befinden sich die Quartiere für das Personal, die Kombüse, der Salon, in dem die Leute essen und auch zu anderen Gelegenheiten zusammenkommen, und ein Deck, auf dem man sitzen und die Landschaft betrachten kann. Moment mal.« Suzy durchstöberte abermals ihre Handtasche. »Ich muss irgendwo noch die Broschüre vom letzten Jahr haben. Da ist ein Foto drin.«

Julia betrachtete den Grundriss von etwas, das aussah wie zwei in die Länge gezogene Eisenbahnwaggons mit spitzen Enden. Die Kabinen waren, wie man auf den Fotos sehen konnte, mit Waschbecken und Kleiderschränken ausgestattet, und auf dem Motorboot gab es eine ziemlich geräumig wirkende Kombüse, einen Salon und einen Wohnbereich. Alles war mit bemerkenswertem Einfallsreichtum auf die schmalen Boote zugeschnitten. »Die wirken ja ziemlich geräumig.«

»Aber nur auf dem Papier. In Wirklichkeit ist alles recht eng. Aber übersichtlich, Sie verstehen? Es gibt Platz für alles und jedes, und alles hat seinen Platz und so weiter.« Suzy runzelte die Stirn. »Lassen Sie uns noch etwas trinken.«

»Ich habe noch nie viel mit Booten zu tun gehabt«, gestand Julia, als sie sich auf ihren Vorschlag hin mit einem Stück Hackfleischauflauf eine bessere Grundlage für den Alkohol verschafft hatten.

»Im Grunde muss man nur eine Leine auffangen können, stark sein und keine Höhenangst haben«, erwiderte Suzy.

»Oh.« Julia hatte nicht viel übrig für Höhen, wusste nicht, ob sie eine Leine auffangen konnte und fühlte sich gerade im Augenblick nicht besonders stark.

»Aber machen Sie sich deswegen keine Gedanken. Sie werden reichlich Zeit haben, alles Notwendige zu lernen, bevor die Saison beginnt. Zurzeit liegen die Boote in der Werft und werden überholt. Es wäre schön, wenn Sie mir helfen könnten, alles in Schuss zu bringen. Dann nimmt Ralph Sie mit uns runter nach Stratford, wo wir unsere ersten Passagiere erwarten. Von Stratford an sind wir dann auf uns gestellt. Abgesehen von Jason natürlich.« Als sie seinen Namen aussprach, rümpfte Suzy abermals die Nase, und Julia gewann den untrüglichen Eindruck, dass es sich bei Jason um keine ganz zweifelsfreie Errungenschaft handelte.

Julia beschloss, mit ihren Bedenken nicht länger hinterm Berg zu halten. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich auf einem Boot so furchtbar viel tauge. Wollen Sie mir den Job wirklich anbieten? Vielleicht haben sich ja noch ein paar … sportlichere Leute beworben.«

»Sie sind die Einzige, bei der ich ein gutes Gefühl hatte. Von den anderen war einer gerade als Koch von einer Weltumseglung zurück – furchteinflößend, kann ich Ihnen sagen. Und dann war da noch ein Bewerber, der völlig daneben zu sein schien, ohne Erfahrung auf irgendeinem Gebiet, geschweige denn als Koch.« Suzy musterte Julia mit einem ruhigen Blick. »Onkel Ralph meinte, ich solle mir jemanden suchen, der einen gesunden Menschenverstand hat, ganz egal, was er sonst noch hat oder kann. Außerdem waren alle anderen Bewerber Männer, und ich brauche eine Frau, weil wir uns ein Quartier teilen müssen. Onkel Ralph würde es gar nicht gern sehen, wenn ich von Anfang an mit der Mannschaft rummache.«

»Das kann ich mir vorstellen«, antwortete Julia, die aus dieser Bemerkung entnahm, dass sie unter lauter ungeeigneten Bewerbern immerhin die Beste war. »Und wie heißen die beiden? Ich meine die Boote?«

»Pyramus und Thisbe. Die Namen kommen aus dem Sommernachtstraum. Äußerst passend, da wir so oft nach Stratford-upon-Avon fahren. Also …« Suzy sah Julia mit einem flehenden Blick an, der sicher schon härtere Herzen als ihres hatte dahinschmelzen lassen. »Sind Sie dabei? Die Arbeit ist schrecklich hart, aber wir würden viel Spaß haben. Und die Kanäle sind so wunderschön. Sie werden sich bestimmt sofort in sie verlieben, genau wie ich.«

Julia dachte, dass es bei ihrem Gegenüber wohl wirklich Liebe sein musste, wenn dieser bunte Vogel aus der gehobenen Gesellschaft all die Bequemlichkeiten aufgab, die sein Vater ihm zur Verfügung stellen konnte. »Ich würde Ihr Angebot wirklich gern annehmen. Es klingt, als wäre es genau das, was ich im Augenblick brauche. Aber sollten Sie nicht vorher besser meine Referenzen und all diese Dinge überprüfen?«

Suzy schüttelte den Kopf. »Onkel Ralph wird Sie kennen lernen, und wenn Sie ihm nicht gefallen, wird er das sagen.« Sie runzelte die Stirn. »Ich fürchte, die Löhne sind unter aller Kritik. Ich hätte wohl von Anfang an damit rausrücken sollen, aber ich wollte Sie nicht von vornherein abschrecken.« Sie nannte eine äußerst magere Summe. »Werden Sie damit auskommen?«

Julia schluckte, dankbar dafür, dass Oscar niemals würde erfahren müssen, wie wenig ihr dieser Job einbrachte. »Ich werde mein Haus vermieten, was meine laufenden Unkosten decken sollte, die Kommunalsteuern und solche Dinge.«

»Dann wäre das also geregelt. Werden Sie denn noch etwas Geld übrig haben?« Suzy stellte ihre Frage mit einer Naivität, die verriet, dass sie selbst sich nie mit so weltlichen Problemen hatte herumschlagen müssen.

»Nein.«

Wenn gesunder Menschenverstand der Grund für ihre Anstellung war, so überlegte Julia, sollte sie jetzt ein wenig davon zeigen. Suzy hatte drei große Gläser Wein getrunken. »Wissen Sie was? Warum kommen sie nicht mit zu mir nach Hause und trinken einen Tee? Sie könnten sogar über Nacht bleiben. Ich glaube nicht, dass Sie jetzt noch fahren sollten.«

Suzy zuckte mit den Schultern. »Daddy wird mir den Wagen sowieso wegnehmen, da spielt es keine Rolle, ob sie mich wegen Trunkenheit am Steuer drankriegen oder nicht.«

»Und ob das eine Rolle spielen wird. Lassen Sie Ihren Wagen hier stehen und kommen Sie mit mir. Ich habe heute Abend nichts Besonderes vor – ich wollte nur ein bisschen packen, weil ich morgen meine Schwester besuchen werde. Sie können Ihren Wagen morgen früh wieder abholen.«

»Ein gemütlicher Frauenabend, wie? Das wird bestimmt lustig.«

Als Suzy, gestützt von Julia, auf ihren Plateausohlen die Straße entlangtrippelte, dachte Julia, dass ein »gemütlicher Frauenabend« für Suzy etwas so Exotisches wie die Kommunalsteuer sein musste. Aber sie verbrachten einige sehr angenehme Stunden vor dem Feuer, aßen Nudeln und tranken den Wein, den zu kaufen Suzy sich nicht hatte nehmen lassen. Am Ende des Abends waren sie sehr gute Freundinnen.

Suzy hatte sich erboten, Julia zu ihrer Schwester zu fahren, und als sie am nächsten Morgen zu Fuß zum Pub zurückgingen, wo Suzys Wagen stand, griff die junge Frau zutraulich nach Julias Arm. »Mir fällt ja so ein Stein vom Herzen, jetzt, wo ich weiß, dass du mit von der Partie bist. Es ist ein tolles Gefühl, eine Erwachsene an der Seite zu haben.«

Julia wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Sie hatte soeben Oscar und einen sehr gut bezahlten Job aufgegeben, damit sie mal etwas anderes als die vorbildliche Erwachsene sein konnte, aber trotzdem fühlte sie sich von Suzys Vertrauen geschmeichelt. »Vielen Dank. Ich werde mein Bestes tun, um dich nicht zu enttäuschen.«

Suzy lachte. »Ach, du enttäuscht mich bestimmt nicht.« Sie ließ die Türen ihres scharlachroten Flitzers aufspringen. »Steig ein. Mal sehen, ob ich dich zu deiner Schwester fahren kann, ohne mich irgendwo zu verirren.«

Angela wohnte in einem hübschen Dorf bei Oxford, weniger als zehn Meilen von Julia entfernt, und sie erreichten ihr Ziel tatsächlich, wenn auch nicht, ohne das eine oder andere Mal falsch abgebogen zu sein. Sobald Julia nach einem riskanten Wendemanöver aus dem Wagen gestiegen war, gab Suzy Gas und brauste davon, ohne sich Angela vorstellen zu lassen. Sie rief Julia noch das Versprechen nach, ihr zu schreiben, wann und wo sie sich das nächste Mal treffen wollten. Julia hatte das Gefühl, dass ihre Arbeit alles Mögliche würde sein können – nur nicht langweilig.

Ihre drei Jahre jüngere Schwester öffnete die Haustür. Auf ihrer Schulter lag, kunstvoll drapiert, die drei Monate alte und absolut bezaubernde kleine Petal.

»Hallo, Ju. Wie war das Vorstellungsgespräch?«

Julia umarmte ihre Schwester. »Warte, ich erzähle es dir sofort. Du siehst schrecklich aus! Lässt diese Bande dich denn überhaupt nicht mehr schlafen?«

»Nicht genug jedenfalls.« In diesem Augenblick stieß Ben, ein energiegeladener Zweijähriger, ein Spielzeug in Julias Richtung, was wohl eine Art Begrüßung sein sollte, dann lief er in einem jähen Anfall von Schüchternheit zurück in die Küche.

»Hast du den Job bekommen?«, fragte Angela, während sie Ben folgten.

Julia nickte. »Ich hab ihn, aber frag mich nicht, wie viel ich verdienen werde. Bens Taschengeld ist wahrscheinlich großzügiger bemessen. Aber ich glaube, es wird Spaß machen.«

»Wie ist sie denn so, deine neue Arbeitgeberin?«

»Sehr schillernd, aber im Grunde ein lieber Kerl und eine ulkige Nudel. Hallo, Grace.« Julia wandte sich an das älteste von Angelas Kindern. »Coole Schuhe. Wenn du rausgewachsen bist, kann ich sie dann haben?«

»Wenn Petal sie nicht will«, erwiderte Grace. »Ich habe ein Tamagotchi.«

»Zeig mal her.«

Da die Kinder lärmend um Aufmerksamkeit rangen, musste Angela sich eine Weile gedulden, bevor sie ihre Schwester weiter über deren neuen Job ausquetschen konnte. Aber zu guter Letzt schafften sie es bis in die Küche, und Angela lud Petal auf Julias Schoß ab. »Hier, halt mal kurz deine Nichte, dann mache ich uns einen Kaffee. Ich musste sie schon den ganzen Morgen rumtragen.«

»Oh, warum denn?«

»Blähungen. Die letzte Nacht war die reinste Katastrophe – verabreicht in hübschen kleinen Zwanzig-Minuten-Portionen. Und als Petal endlich schlief, hatte Ben einen Albtraum.«

Julia warf einen Seitenblick auf ihre Schwester. Angela, die nie zu Übergewicht geneigt hatte, war nach den drei Schwangerschaften zu einem Gespenst geworden. »Ich weiß nicht, wie du das machst, Ange.«

»Mir bleibt ja gar nichts anderes übrig. Wenn man Kinder hat, muss man sich um sie kümmern. Es sei denn, man hat einen Superjob und kann sich eine Kinderfrau leisten.« Angela nahm einen Schluck Kaffee. »Also, dann erzähl mal von deiner neuen Stelle.«

»Von meinem hoch dotierten Superjob?« Julia kicherte in sich hinein. »Es wird zwar nicht so anspruchsvoll werden, so viel dürfte feststehen, aber es ist genau das, was ich brauche – eine Abwechslung. Und Spaß machen wird es obendrein.«

»Ich fand schon immer, dass die bei Strange’s dich gar nicht richtig zu schätzen wussten.«

»Weiß denn irgendjemand dich zu schätzen?« Petal fing an zu sabbern, daher gab Julia sie ihrer Mutter zurück und beobachtete voller Ehrfurcht, wie ihre Schwester Ben mit einer Hand hochzog und beide nebeneinander auf ihren Schoss setzte. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich jemals den Mut aufbringe, ein Kind zu bekommen. All diese Schmerzen und dann monatelang kein Schlaf.«

Angela lachte. »Wenn die Zeit gekommen ist, wirst du schon Kinder haben wollen. Du hast nur noch nicht den richtigen Mann gefunden. Da wir gerade beim Thema sind – wie hat Oscar es aufgenommen?«

Julia zuckte mit den Schultern. »Wie erwartet. Die Geschichte mit den Hotelbooten hat ihn fuchsteufelswild gemacht.«

Angela sah plötzlich ein wenig verlegen drein. »Deinen hoch geschätzten Bruder übrigens auch. Es ist mir so rausgerutscht …« Sie hob die Hand, als wollte sie sich entschuldigen. »Und da ich nun schon mal so viel verpetzt hatte, habe ich auch noch einfließen lassen, dass du dich von Oscar getrennt hast.« Angela seufzte. »Es tut mir Leid! Aber ich war müde. Kinder können einen schon ziemlich konfus machen.«

»Nun, dann hat er wenigstens noch einen Grund, mein Verhalten zu missbilligen. Das tut er doch mit solcher Leidenschaft.«

»Du und Rupert, ihr geratet euch zwar immer in die Haare, aber er hat dich sehr gern. Er meinte sogar, du könntest Strange’s vielleicht wegen unzulässiger Kündigung verklagen. Du sollst es ihn wissen lassen, falls du das tun willst.«

Julia lächelte; es rührte sie, dass ihr spießiger Bruder, Rechtsanwalt von Beruf, so aufmerksam war. »Ich glaube, die Sache wäre völlig hoffnungslos, da ich von mir aus gegangen bin, aber es ist sehr nett von Rupert, mir seine Hilfe anzubieten. Und habt ihr in letzter Zeit mal was von unserer Mutter gehört?«

Angela nickte. Sie war es gewöhnt, diejenige in der Familie zu sein, bei der alle Informationen zusammenliefen. »Sie hat irgendeinen Hippie bei sich aufgenommen, der Holz hackt und in ihrem Garten Windspiele aufhängt. Du musst ihr unbedingt erzählen, wie die Sache weitergeht. Sie ist vollkommen verrückt auf diese Geschichte mit den Booten.«

»Das habe ich auch nicht anders erwartet. In gewisser Weise ist sie einfach cool, wie Grace sagen würde.«

Angela brach ein Stück von einem Schokoladenkeks ab. »Hm. Das sehen wohl alle so – bis auf ihre Töchter. Stell dir nur all die jungen Männer vor, die auf sie fliegen!«

»Und die sie an mich weiterzureichen versucht«, ergänzte Julia grimmig. »Ich garantiere dir, sie mochte Oscar nur deshalb nicht, weil sie ihn nicht für mich entdeckt hatte, und weil sie sich nicht länger als Kupplerin betätigen konnte.«

»Na, dann hat sie ja jetzt wieder freie Bahn«, meinte Angela. »Ach ja, hast du schon von ihrer jüngsten alternativen Therapie gehört?«

»Was meinst du? Radionik?«

Angela nickte. »Sie hat mich gebeten, ihr eine Locke von Petals Haar zu schicken, damit sie ›sie in die Schachtel legen‹ und herausfinden könne, warum sie nachts immer noch nicht durchschläft.«

»Allmächtiger! Was hast du gemacht?«

»Ich habe ihr gesagt, Petal schlafe deshalb nicht durch, weil sie erst drei Monate alt ist. Außerdem könne sie kein einziges Haar erübrigen.« Sie streichelte den flaumbedeckten Schädel ihrer kleinen Tochter.

Julia schüttelte den Kopf. »Es ist schon komisch, Dad war alles andere als ein Spießbürger. Ich weiß nicht, warum Mom sich nach seinem Tod in einen New Age-Hippie verwandeln musste. Weiß Rupert das mit der Radionik?«

»O ja, aber du kennst doch Rupe. In seinen Augen kann Mom einfach nichts falsch machen. Vielleicht würde er das anders sehen, wenn er derjenige wäre, dem sie bei jedem Gähnen eine Dickdarmspülung empfohlen hätte. Ich mag Kaffee, aber nicht als Einlauf. Komm, trinken wir noch eine Tasse.«

Angela schenkte Kaffee nach, und sie verfielen in Schweigen. Ihre Mutter war einer der Menschen, den alle anderen für eine Art Gottesgeschenk hielten. Und obwohl sie sie beide innig liebten, hätten sie es einfacher gefunden, wenn sie nicht ausgerechnet ihre Mutter gewesen wäre. Für den Rest der Welt war sie »entzückend exzentrisch« und mit einer ungeheuren Ausstrahlung gesegnet. Bei ihren Töchtern war sie äußerst kritisch und setzte Maßstäbe, die diese nie erreichen konnten. Aber es wäre schon ein Kunststück gewesen, sich über eine Mutter zu beklagen, die äußerlich so wunderbar war.

Als Julia später ihre Mutter anrief, war diese tatsächlich ganz aus dem Häuschen, so sehr begeisterte sie Julias neuer Job auf den Kanalbooten. »Ich hatte gerade einen jungen Mann bei mir zu Gast, der hat auf einem Kanalboot gelebt, während er zur Uni ging. Er sagte, das sei ein total irres Erlebnis gewesen.«

Kapitel 3

Zwei Wochen später saß Julia im düsteren Bahnhofscafé von Reading und fragte sich, ob sie nicht vielleicht einen schrecklichen Fehler gemacht hatte. Sie hatte drei Tassen Kaffee getrunken und zweimal die Frau hinter der Theke gebeten, auf ihr Gepäck Acht zu geben, während sie zur Damentoilette ging. Suzy war immer noch nicht aufgetaucht.

Nun gut, eigentlich waren es noch fünf Minuten bis zum verabredeten Zeitpunkt, aber ein Bahnhofscafé war ein ziemlich vager Treffpunkt. Angenommen, es gab noch eins, ein größeres und bekannteres Café, das Julia irgendwie übersehen hatte?

Vielleicht war Suzy als Arbeitgeberin einfach zu jung und zu schnodderig. Welche Eigenschaften waren es eigentlich, die sie zu der jungen Frau hinzogen? Ihre unkonventionelle Einstellung zu Männern, ihre Naivität, was die harte Realität des Lebens betraf, ihr fröhliches Wesen – vielleicht würden gerade diese Dinge Julia die Wände hochgehen lassen, wenn sie Anweisungen von ihr entgegennehmen musste.

Aber es war zu spät. Inzwischen füllten getrocknete Blumen, Weihrauchstäbchen und die Fotografien fremder Leute Julias Cottage. Die Freundin einer Freundin ihrer Schwester war dort eingezogen, machte sich bei Julias Katze lieb Kind, pflanzte Biogemüse im Garten, hielt ein wachsames Auge auf Julias ältliche und sehr liebenswerte Nachbarn und legte für dieses Privileg ein hübsches Sümmchen hin. Vor Ende September gab es kein Zurück für Julia.

Sie hatte gerade beschlossen, die jüngste Ausgabe von The Lady zu kaufen, falls sie in aller Eile einen anderen Job benötigte, als Suzy das Café betrat. Sie hatte etliche teure lederne Sporttaschen und einen gut aussehenden jungen Kerl bei sich, dem ein Schild mit der Aufschrift Wünschenswerter Verehrer für die Tochter eines Industriekapitäns um den Hals hätte hängen können. Ihm fehlten nur noch das Tweedjackett und derbe Straßenschuhe, um das Bild perfekt zu machen.

»Hey, Julia!«, sagte Suzy. »Die Strähnchen sind einfach klasse! Du siehst damit viel … Sie sind genau das i-Tüpfelchen, das du brauchst.« Nachdem sie damit aller Welt verraten hatte, dass Julia ihre Blondheit nicht Mutter Natur zu verdanken hatte, umarmte Suzy sie in einer Wolke von etwas, das sehr durchdringend und teuer roch. »Das ist George, der mich freundlicherweise im Wagen mitgenommen hat. Obwohl …« Sie wandte sich ihrem Begleiter zu: »Genau genommen hat er mich nicht mitgenommen, sondern ist extra meinetwegen hierher gefahren. Nun, wie auch immer, George, das ist Julia.«

»Guten Tag.« George bedachte Julia mit einem höflichen Lächeln. Perfekte Manieren, gute Zähne und noch bessere Zukunftsaussichten. Julia, die wusste, dass George der junge Mann war, den Daddy für seine kleine Prinzessin ausgesucht hatte, konnte ohne weiteres verstehen, warum Suzy ihn nicht heiraten wollte. Er war eine jüngere, galantere Ausgabe von Oscar.

»Also, Suzypussi«, meinte er, »wir hören voneinander. Ich muss jetzt los und mich meiner alten Dame widmen – meiner Mutter«, erklärte er Julia, die, da sie doch selbst so viel älter war, seine Bemerkung sonst womöglich nicht verstanden hätte. Julia zwang sich zu einem Lächeln.

»Es war wirklich lieb von dir, den ganzen weiten Weg zu fahren, um mich herzubringen, George!« Suzy hängte sich an seinen Hals und gab ihm dann die Art von Kuss, die sicherstellte, dass seine Zuneigung zu ihr genauso lange hielt, wie es ihr in den Kram passte.

Nachdem sie ihren Verehrer losgeworden war, kam Suzy sofort zur Sache. »Um wie viel Uhr geht unser Zug?«

Julia musste unwillkürlich lächeln. Suzy benutzte Menschen, wie andere Menschen Papiertaschentücher benutzen, und doch tat es ihrem Charme irgendwie keinen Abbruch.

»Um zehn nach drei von Gleis drei. Wir müssen über die Brücke gehen.«

»Ach ja? Oh, Mist. Ich hätte George hier behalten sollen. Da werde ich mein ganzes Zeug nie rüberkriegen.«

»Ich helfe dir. Ich habe nicht allzu viel dabei«, fuhr Julia mit einem leichten Tadel in der Stimme fort. »Du hast ja gesagt, ich solle nicht viel mitbringen.«

»Oh, ich weiß, aber ich will nicht nach Hause zurückgekrochen kommen, weil ich irgendetwas Wesentliches vergessen habe. Ich werde das ganze Zeug sortieren, wenn wir da sind, und verschenken, was ich nicht brauche.«

»Wir gehen jetzt besser. Der Zug wird in vier Minuten hier sein.«

»Okay.« Suzy hängte sich so viele Taschen wie möglich über die Arme und beäugte die letzte Tasche, als wäre sie unaufgefordert hinter ihr hergeschlurft.

Besagte Tasche hatte die Größe eines kleinen Koffers, und als Julia sie anhob, fühlte sie sich an, als wären Wackersteine darin. »Du stehst nicht zufällig auf Hanteltraining, oder?«

»Das klingt zu sehr nach harter Arbeit. Warum fragst du?«

»Ich habe nur gerade überlegt, ob du vielleicht die Gewichte mitgebracht hast, das ist alles.«

»Ist die Tasche schwer? Tut mir Leid. Es sind nur ein paar Schuhe drin, meine Stereoanlage, ein Radio und solches Zeug.«

Zeug, auf das Julia seufzend verzichtet hatte. »Also schön, dann setzen wir uns jetzt mal besser in Bewegung.«

Sie stolperten über die Brücke und kamen gerade in dem Augenblick auf dem Bahnsteig an, als der Zug einfuhr. Irgendwie schafften sie es, sich hineinzuzwängen, bevor er wieder abfuhr, und während Julia die Taschen im Gepäckabteil verstaute, suchte Suzy Sitzplätze. Ihre Suche förderte außerdem einen jungen Studenten zutage, mit dem sie flirtete und der sich, wie es Julia durch den Kopf ging, als nützlich erweisen würde, wenn sie aussteigen mussten.

Onkel Ralph war auf dem Bahnsteig, um sie abzuholen. Er öffnete die Tür und nahm die Taschen in Empfang, die Julia und der Student ihm anreichten.

»Ich bin Ihnen ja so dankbar für Ihre Hilfe«, sagte Suzy zu dem jungen Mann, als sie sich an ihm vorbeiquetschte. »Ohne Sie hätten wir das einfach nicht geschafft. Wie heißen Sie noch gleich?« Sie küsste ihn auf die Wange und wandte dann ihre Aufmerksamkeit ihrem Onkel Ralph zu.

Dieser war ein gut aussehender Mann von Anfang siebzig, mittelgroß und ziemlich kräftig gebaut, mit einer Unmenge dichten grauen Haars und einem breiten Lächeln. Er trug Cordhosen und ein verblichenes Polohemd. Als Suzy im Kielwasser ihres Gepäcks aus dem Zug stieg, nahm er sie herzlich in die Arme.

»Hallo, Mädchen! Was willst du mit all diesem Trödel? Auf dem Boot kannst du nicht mal halb so viel unterbringen. Was ist das bloß alles?«

Julia stieg hinter Suzy aus dem Zug und wartete darauf, dass Ralph sich aus Suzys Umklammerung befreite. Als er schließlich so weit war, schüttelte er ihr die Hand und grinste. »Sie sind also das Mädchen, das verrückt genug ist, um für meine wirrköpfige Nichte zu arbeiten? Nun, freut mich, dass Sie mitmachen. Suzy kann ihren Hintern nicht von ihrem Ellbogen unterscheiden.«

»Onkel Ralph!«

Julia konnte nicht sagen, ob Suzys Empörung der Bemerkung ihres Onkel galt oder seiner Wortwahl.

»Aber sie ist gutwillig, und sie hat Mumm, also müsste sie eigentlich klarkommen. Kommen Sie, ich stelle Ihnen Jason vor. Suzy und er sind alte Freunde.«

Jason kam vom hinteren Teil des Bahnhofs auf sie zu. Er trug einen ölverschmierten Overall und stellte eine mürrische Miene zur Schau.

»Hallo, Jason«, grüßte Suzy. »Schön, dich wiederzusehen.« In Suzys Lächeln brannten volle tausend Watt Charme, und als Zugabe ließ sie ihre niedlichen Grübchen sehen.

Jason nickte Suzy nur flüchtig zu, und Julia fragte sich, ob er wohl schüchtern war.

»Und das ist Julia«, erklärte Onkel Ralph, die Hand auf ihre Schulter gelegt. »Wie ich höre, ist sie eine erstklassige Köchin.«

Jasons Gesichtsausdruck legte die Vermutung nahe, dass er sich ausschließlich von Motoröl ernährte. Erstklassige Köchinnen waren ihm schnuppe.

»Hallo!« Julia legte in ihr Lächeln so viel Aufrichtigkeit und Kameradschaftlichkeit, wie sie nur zustande bringen konnte, rief damit aber keinerlei Reaktion hervor. Jason war nicht schüchtern, beschloss sie, sondern schlicht und einfach unhöflich. Er betrachtete ihr Gepäck mit abgrundtiefer Verachtung und schulterte die Riesentasche.

»Na, dann mal los«, bemerkte Ralph. »Schaffen wir das ganze Zeug in Ralphs Auto.«

Keine der beiden Frauen sagte etwas, während sie sich zusammen auf den Rücksitz des uralten Volvo quetschten, umringt von ihrer jeweiligen Habe. Suzy ist wahrscheinlich nervös, weil sie Jason Befehle wird geben müssen, dachte Julia. Und sie hat mehr zu verlieren als ich. Ich habe nur Angst, dass Jason mir vielleicht die Hand abbeißt, wenn ich versuche, ihm etwas zu essen zu geben.

Jason sprang aus dem Wagen, kaum dass Ralph in den Bootshafen eingebogen war, und öffnete gleich den Kofferraum. Er hob Suzys Reisetasche heraus und verschwand.

»Er ist im Grunde ein herzensguter Kerl«, versicherte Ralph, als müsste er sich selbst davon überzeugen. »Aber er ist es nicht gewöhnt, Frauen als Menschen zu betrachten.«

Nun, da bin ich wenigstens auf bekanntem Terrain, dachte Julia.

»Und er weiß einfach alles, was man über Boote wissen kann und wie man sie bedient«, fuhr Ralph fort. »Kommen Sie allein zurecht, Julia?«

Julia nickte und sah sich um, fasziniert von der Vielzahl von Booten, die überall aufgebockt standen. Es waren Schiffe aller Art, angefangen von Kajütkreuzern mit abblätternder Farbe und moosbewachsenem Rumpf, von zerrissenen Planen bedeckt, bis hin zu fein gearbeiteten Flussbooten mit Klinkerbeplankung, die in ihrem erstklassigen Zustand jedem Museum Ehre gemacht hätten. Sie alle wirkten außerhalb des Wassers riesig.

»Unser Butty – das hintere Boot, das ohne eigenen Antrieb, auf dem die Passagiere schlafen – liegt im Trockendock. Es heißt Thisbe«, erklärte Ralph. »Die Thisbe sollte eigentlich morgen wieder zu Wasser gelassen werden, aber wir müssen sie zuerst noch einmal schwarz überlackieren.«

»Benutzt du den Pluralis majestatis«, erkundigte sich Suzy, »oder schließt das ›wir‹ uns beide mit ein?«

»Letzteres. Genau genommen seid ihr dabei auf euch allein gestellt.« Ralph grinste. »Um eine Vorstellung von der Größe eines über zwanzig Meter langen Bootes zu gewinnen, gibt es nichts Besseres, als den Rumpf zu streichen«, fügte er an Julia gewandt hinzu.

»Davon bin ich überzeugt«, murmelte sie.

»Kommen Sie mit auf das Motorschiff. Das ist die Pyramus, sie liegt unten am Treidelpfad. Habt ihr zwei im Zug etwas zu Mittag gegessen? Nein? Nun, dann beeilen wir uns, damit wir im Pub noch etwas bekommen. Sie können sich das motorisierte Boot später ansehen.«

Das »General Custer« war die Art Pub, die von den Angestellten der Firmen vor Ort lebte. Viele von ihnen aßen dort zu Mittag. Ralph suchte ihnen einen Tisch unter lauter anderen Gästen, die ihn bestens zu kennen schienen. Suzy und Julia zogen unverhohlen neugierige, in Suzys Fall sogar offen begehrliche Blicke auf sich. Jason hatte sie nicht begleitet, weil der Wirt, wie Ralph ihnen erklärte, kürzlich Overalls in seinem Lokal verboten hatte.

»Das sind meine Nichte Suzy und ihre Freundin Julia«, stellte Ralph sie der Gruppe von Männern vor, die wahrscheinlich alle irgendetwas mit der Werft zu tun hatten. »Was wollt ihr beiden Mädels denn trinken?«

Julia, der sich die Nackenhaare aufgestellt hatten, wenn Peter Strange sie »Mädchen« genannt hatte, stellte zu ihrer Überraschung fest, dass sie nichts dagegen hatte, mit Suzy in einen Topf geworfen zu werden. Oscar hatte ihr immer das Gefühl gegeben, eine Dame – eine Dame in reiferen Jahren – zu sein.

»Oh, ich hätte gern einen Campari Soda, Ralph.«

Ralph musterte seine Nichte. »Du kannst auf den Kanälen nicht Campari trinken«, versetzte er. »Such dir etwas Anständiges aus.«

Suzy schnitt eine Grimasse. »Dann nehme ich ein Lager-Bier. Ich kann wohl keine Zitrone dazu bestellen?«

»Nein. Julia?«

»Ich wollte eigentlich einen trockenen Martini mit einem Spritzer Zitrone bestellen, aber ich gebe mich auch mit einem Lager zufrieden.«

Ralph grinste, dankbar dafür, dass seine Nichte den Grips gehabt hatte, jemanden mit Humor einzustellen.

»Also, Sie übernehmen Ralphs Hotelboote«, sagte ein kleiner Mann mit gewaltigem Bart zu Suzy. »Sie müssen verrückt sein. Da werden Sie nie Geld rausholen. Ich heiße übrigens Ted.«

»Und ich bin Donald«, meinte ein anderer der Männer, der einen schottischen Akzent hatte und einen Pullover trug, der fünfzehn Zentimeter unter seiner Bomberjacke hervorlugte. »Wie wird Ihnen die Zusammenarbeit mit Jason gefallen?«

»Jason kann sehr gut mit den Booten umgehen.« Suzy warf einen raschen Blick auf ihren Onkel, der immer noch an der Theke stand.

»Oh, stimmt«, pflichtete Donald ihr bei. »Da ist er der Beste. Lassen Sie ihn nur nicht in die Nähe der Fahrgäste.«

»So schlimm habe ich ihn gar nicht in Erinnerung. Außerdem arbeitet er jetzt seit zwei Jahren für Ralph, also muss er wohl irgendwie mit den Gästen klarkommen.« Suzy machte ein ängstliches Gesicht.

»Oh, stimmt, aber bisher hatte er auch seine Freundin bei sich, nicht wahr? Sie hat ihn bei Laune gehalten. Aber gegen Ende der letzten Saison ist sie mit einem Schleusenwärter auf und davon. Vorher hat Jason nur die meisten Menschen gehasst, jetzt hasst er alle.«

»So, da wären wir.« Ralph setzte ein ramponiertes Tablett auf den Tisch, und Donald und Ted nahmen sich ihre Gläser. »Die Sandwiches sind unterwegs. Ich hoffe, ihr habt meinen kleinen Mädchen keine Angst gemacht«, wandte er sich an Donald und Ted.

»O nein«, antwortete Ted. »Wir haben ihr nur gerade von Jasons Enttäuschung in der Liebe erzählt.«