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Die (verdeckten) Botschaften aus den Fremdenbüchern vom Kap Arkona und des Fremdenbuches vom „Gasthaus zur Schaabe“ in Glowe vermitteln dem Leser von heute einen plastischen Eindruck von der Vorstellungswelt vorangegangener Generationen. Prominente Persönlichkeiten des deutschen Geisteslebens haben sich mit ihrem Eintrag in das Fremdenbuch des Logierhauses des Wirtes Schilling ein zusätzliches Denkmal gesetzt. Der aufmerksame Leser wird überrascht sein, welche interessanten Zeitbezüge sich aus diesen Texten von der Mitte des 19. Jahrhunderts erschließen lassen. Eine Auswahl von „Abschiedstexten“ aus den Jahren 1911-1942 aus dem Fremdenbuch des „Gasthauses zur Schaabe“ lässt den Leser die Gefühle und Hoffnungen nachempfinden, die die Gäste vor ihrer Abreise aus Glowe überkamen. Dabei entwickelten sie eine bemerkenswerte Kreativität. So entstanden aus der Stimmung heraus kleine Gedichte und Reimsprüche oder Zeichnungen und Karikaturen. Die kommentierte Auswahl dokumentiert für den heutigen Leser in beeindruckender Weise, wie eng verbunden sich viele Gäste mit dem Badeort an der Arkonabucht fühlten. So ist dieses Büchlein auch für den heutigen Besucher von Glowe und der Insel Rügen als Erinnerung bestens geeignet.
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Seitenzahl: 95
Veröffentlichungsjahr: 2015
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Für meinen Vater, Helmut Westphal.
Prolog
1 Sehnsucht nach Rügen
2 Arkonablick und Badestrand – Vom Fischerdorf zum Ostseebad
3 Fremdenblatt, Fremdenliste, Fremdenbuch
4 Was Fremdenbücher erzählen können
5 Abschiedstexte aus dem Fremdenbuch des
Gasthauses zur Schaabe
in Glowe auf Rügen
5.1 Umdichtungen und Zitate
5.2 Gelegenheitsdichtung
5.3 Abschiedsbilder
5.4 Abschiedsprosa
6 Epilog
Das
Gasthaus zur Schaabe
und der Glower Strand auf historischen Postkarten
„Meerumschlungen und kreidegrün“ – diese Zeilen stehen am Beginn der Eintragung, die Gerhart Hauptmann am 30. Juli 1885 im Fremdenbuch des Logierhauses des Gastwirtes Schilling am Kap Arkona hinterließ. Der spätere Nobel-preisträger (1912) war wie viele vor und nach ihm sichtlich beeindruckt von der Rügenschen Landschaft. Ein Pfarrer trug sich am 2. Juli 1914 mit folgenden Zeilen in das Fremdenbuch des Gasthauses zur Schaabe in Glowe ein: „Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den läßt er mal nach Glowe reisen …“ Im Augenblick des Abschieds kam ihm offensichtlich das Naturgedicht von Joseph von Eichendorff (1788-1857) „Der Frohe Wandersmann“ und die Melodie zu dem Lied in den Sinn, das von Friedrich Theodor Fröhlich komponiert worden war. In der zitierten Originalstrophe heißt es:
„Wem Gott will rechte Gunst erweisen,
Den schickt er in die weite Welt.
Dem will er seine Wunder weisen
In Berg und Wald und Strom und Feld.“
Nicht wenige Besucher der Insel Rügen im 19. Jahrhundert sahen beim Anblick des Kap Arkonas und der scheinbaren Unendlichkeit des Meeres ihre Vorstel-lungen von den magischen Kräften der Natur bestätigt. Die Gäste haben dies in ihren Einträgen in den Gästebüchern des Logierhauses am Kap Arkona und des Gasthauses zur Schaabe auf vielfältige Art und Weise zum Ausdruck gebracht. Auch darüber soll in diesem Büchlein berichtet werden.
Der Eintrag des Pfarrers vom 2. Juli 1914 schien dem Autor gut als Titel geeig-net zu sein; bringt er doch treffend die Abschiedsgefühle eines Besuchers der Insel zum Ausdruck. Das Kap Arkona auf der einen und das Fischerdorf Glowe auf der anderen Seite der Meeresbucht sind eingerahmt vom Wasser der Ost-see und „kreidegrünen“ Ufern. Das Gasthaus zur Schaabe wird so zu einem idealen Ausgangspunkt für einen Besuch des sagenumwobenen Kaps, das man von seinem Urlaubsdomizil aus stets in Blickweite vor sich hatte.
Für kreative Persönlichkeiten wurden insbesondere Regionen interessant, die sowohl historische Sehenswürdigkeiten als auch reizvolle Landschaften zu bieten hatten. Mitte des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts wird ein solcher Ort die Insel Rügen. Die Insel, die nach 1815 zu Preußen gehörte, erlebte in den folgenden Jahrzehnten, insbesondere nach der Gründung des 2. Kaiserreiches 1871, eine rasante Entwicklung des Tourismus. Weiße Strände, ausgedehnte Wälder und auch das heilsame Seeklima lockten in den folgenden Jahrzehnten zunehmend Besucher aus allen Teilen Deutschlands an. Für histo-risch interessierte Gäste boten vor allem die Halbinseln Jasmund und Wittow attraktive Ausflugsziele: den Königsstuhl und den Herthasee bei Stubbenkam-mer sowie das Kap Arkona; Orte mit magischer Ausstrahlung und in Mythen und Sagen verwoben. Daran hat sich bis heute nichts geändert.
So konnte die Insel sowohl dem Entdeckungshungrigen als auch dem Erholungssuchenden Anreize für eine Reise in den Norden bieten.
Neue Kommunikationsmittel wie die Telegraphie und die stürmische Entwick-lung der Eisenbahn ermöglichten im industriellen Zeitalter eine zeitlich detail-lierte Planung.
War Reisen bis ins ausgehende 18. Jahrhundert vor allem ein Privileg der Adligen, so änderte sich dies im nachfolgenden Jahrhundert umfassend. Zunehmend entdeckten bürgerliche Intellektuelle die Lust am Reisen und sahen darin eine Möglichkeit, Inspirationen für die Verwirklichung eigener Zielvorstellungen zu erlangen. Ebenso erforderte die Ausweitung der Märkte die Planung und Durchführung von geschäftlichen Reisen.
Wurde das Fremde oder der Fremde über Jahrhunderte als bedrohlich empfunden, so änderte sich dies mit dem Aufkommen des modernen Tourismus. Der Fremde wird zumindest in den sich entwickelnden Tourismusregionen gern gesehen und zunehmend zu einem Wirtschaftsfaktor von strategischer Bedeutung.
Unter dem Einfluss des Fremdenverkehrs wandelten sich alte Fischerdörfer auf Rügen zu Ostseebädern. Speziell für den auswärtigen Gast wurden Dienstleistungen angeboten, die mit den ursprünglichen Erwerbstätigkeiten wenig gemeinsam hatten. Ehemalige Fischer betrieben nun Pensionen oder warben für Ausflüge mit dem Boot.
Das Buch versucht, eingebettet in historische Zusammenhänge und regionale Entwicklungsprozesse, die Reisemotive prominenter Besucher der Insel im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufzuhellen: unter ihnen der Dichter Gerhart Hauptmann, der Theologe Friedrich Daniel Schleiermacher, der Komponist und persönliche Freund Goethes, Carl Friedrich Zelter, der Musiker Richard Wagner sowie der Greifswalder Altertumsforscher Friedrich von Hagenow. Als Quellen dienten vor allem die 1907 von Paul Meinhold1 publizierten Einträge aus den Fremdenbüchern vom Kap Arkona und das Fremdenbuch des Gasthauses zur Schaabe in Glowe, dessen Einträge in einer Auswahl vom Autor erstmals 2013 publiziert worden sind.2
Mit der enormen Entwicklung des Fremdenverkehrs an der deutschen Ostsee-küste entwickelte sich das Fremdenbuch zu einem Instrument des Marketings und der Kundenbindung. Auszüge aus den berühmten Fremdenbüchern vom Kap Arkona vermitteln dem heutigen Leser einen anschaulichen Eindruck von der Gefühls- und Gedankenwelt der damaligen Schreiber. Die Anziehungskraft, die insbesondere das Kap Arkona auf die Besucher im 19. Jahrhundert ausübte, hing offensichtlich mit dem schon erwähnten genius loci (Geist des Ortes) zusammen. Für nicht wenige Besucher des Kaps war die Nordspitze Rügens mit patriotischen Gefühlen verbunden, galt es doch im politischen Diskurs der damaligen Zeit als Sinnbild von Wehrhaftigkeit und Siegeswillen. In den Eintragungen vieler prominenter Besucher von ‘Neuvorpommern’, wie man diese Region nach 1815 nannte, kommt dies zum Ausdruck.
Texte sind auf vielfache Weise auch Ausdruck von Persönlichkeitsmerkmalen und Zeitumständen. Die vorgestellten Eintragungen erzählen viel über die Schreiber, ihre Wünsche, Hoffnungen und Sorgen. Sie liefern aber auch lebendige Darstellungen des Erlebten.
Wer schrieb die Bibel? Diese Frage stellte sich nicht erst der amerikanische Universitätsprofessor Friedman in seinem gleichnamigen Buch. Indem er jede Stelle der Bibel kritisch hinterfragte und u.a. Erkenntnisse der Geschichtswissenschaft und der Archäologie hinzuzog, gelangte er zu neuen Einsichten hin-sichtlich der Autorenschaft von Bibeltexten und ihrer Entstehungsgeschichte. Vor ihm nutzte schon der Berliner Theologe Friedrich Daniel Schleiermacher die sog. „textkritische Methode“. Auch er bezog externe Wissenskomponenten in die Textanalyse mit ein und entwickelte auf dieser Grundlage ein neues Verstehenskonzept („Hermeneutik und Kritik“, 1838). Wie aus den Briefen an seine Freundin Henriette Herz zu ersehen ist, waren die gemeinsamen Aufenthalte auf Rügen, insbesondere auf Jasmund (Bobbin und Sagard), eine wichtige Quelle der Inspiration (siehe dazu Kapitel 1). Friedmann, der die „textkritische Methode“ bezogen auf die Texte des „Alten Testaments“ anwendete, zieht u.a. folgendes Fazit: „Ich glaube, Genaueres über die Verfasser der Bibel aussagen zu können. Wann sie lebten, wo sie wohnten, zu welcher gesellschaftlichen Gruppe sie gehörten, welche Beziehungen sie zu den wesentlichen Persönlichkeiten und zu den Ereignissen ihrer Zeit hatten, wer ihre Freunde, wer ihre Feinde waren, und welche politischen und religiösen Zwecke sie mit ihrem Werk verfolgten.“3
Der Leser soll durch dieses Beispiel ermuntert werden, die schriftlichen Zeugnisse, die uns Besucher des Kap Arkonas und Glowes hinterlassen haben, kritisch zu lesen. Und vielleicht entdeckt der eine oder andere eine neue Botschaft und kommt auf diesem Weg zu einer ganz persönlichen Deutung und Lesart. So wird die Lektüre dieser Texte zu einer Entdeckungsreise. Um dem Leser das Verständnis zu erleichtern, werden notwendige wissenschaftliche Begriffe und historische Hintergründe in Anmerkungen erläutert.
Während im Fremdenbuch des Logierhauses vom Kap Arkona vor allem die Topographie und Geschichte des Ortes mit den persönlichen Eindrücken des Schreibers verbunden wurden, dominieren in den Eintragungen des Fremdenbuches des Gasthauses zur Schaabe Abschiedsgefühle. Die Besucher von Glowe kamen vor allem wegen der reizvollen Landschaft, dem Klima oder den Bade-möglichkeiten nach Glowe. Der Abschied von dem beschaulichen kleinen Fischerdorf und Ostseebad an der Tromper Wiek fiel den Gästen schwer. Die Auswahl von Einträgen aus den Jahren 1911-1942 bestätigt dies auf lebendige Weise.
Die Einträge aus dem Fremdenbuch des Gasthauses zur Schaabe wurden in der handschriftlichen Fassung abgedruckt. In einigen Fällen musste jedoch aus technischen Gründen auf die Wiedergabe des handschriftlichen Originals verzichtet werden. Nicht alle Eintragungen konnten vollständig entziffert werden, deshalb erfolgte die Wiedergabe unleserlicher Textstellen mit Auslassungszeichen bzw. Fragezeichen (in Klammern gesetzt). Für die Richtigkeit der vorgenommenen Übertragungen kann somit keine Gewähr übernommen werden. Die ursprüngliche Formatierung und Orthographie der Originale wurde weitestgehend beibehalten. Lediglich aus Gründen der Authentizität wurden zeittypische Grußformeln wiedergegeben. Dieses Buch ist eine erweiterte Ausgabe der Publikation „Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den läßt er mal nach Glowe reisen.“ Abschiedstexte aus dem Fremdenbuch des Gasthauses zur Schaabe in Glowe auf Rügen aus dem Jahre 2013. In diese neue Ausgabe fanden zahlreiche Anregungen von Lesern und Freunden Eingang. Allen, die mir bei der Erarbeitung dieser Ausgabe geholfen haben, sei hiermit herzlich gedankt.
Für die kritische Endredaktion des Manuskripts danke ich ganz besonders mei-ner Frau Petra. Frau Dr. Gisela Ros danke ich für den fachlichen Rat. Bleibt noch, dem Leser eine angenehme Lektüre zu wünschen.
Werner Westphal
Greifswald im Januar 2015
1 Meinhold, Paul: Aus Arkonas Fremdenbüchern, Stettin 1907.
2 Westphal, Werner: „Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den läßt er mal nach Glowe reisen. Abschiedstexte aus dem Fremdenbuch des Gasthauses zur Schaabe in Glowe auf Rügen, BoD-Books on demand, Norderstedt, 2013.
3 Friedmann; Richard Elliot: Wer schrieb die Bibel, Gustav Lübbe Verlag 1992, S. 37.
Über die nördlichste Insel Deutschlands gab es schon zum Ende des 19. Jahr-hunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine recht umfangreiche Reiselite-ratur (Rellstab, Kosegarten, Grümbke, Arnim usw.). Sie entstand unmittelbar aus dem Bedürfnis, dieses ‘geheimnisumwitterte‘ Eiland einem interessierten Publikum nahe zu bringen sowie eine neu entstehende Branche, den Tourismus, zu fördern.
1832 gab der Verleger Karl Baedecker seinen ersten Reiseführer heraus. Er selbst besuchte das Kap Arkona, die Nordspitze Rügens, am 9. August 1864. Rügen wird vor allem von prominenten deutschen Romantikern entdeckt. Der Greifswalder Maler Caspar David Friedrich (1774-1840) machte die Insel mit seinen Zeichnungen der Wissower Klinken weithin bekannt. Auch der Königs-stuhl mit seiner weiten Sicht auf das Meer und die weiße Küste von Rügen brachten viele Besucher zum Schwärmen. Das Spiel der Farben, die reine Luft, die Wälder der Stubnitz, machten die Halbinsel Jasmund zu einem Geheimtipp für Reisende. Der Königsstuhl, die Stubbenkammer, der sagenumwobene Herthasee und das schon erwähnte Kap Arkona waren für nicht wenige Reise-lustige der damaligen Zeit mit einem Schleier des Mystischen umgeben. Das inspirierte zu Gedankenspielen und Assoziationen.
So wird das Eiland ein Ziel der geistigen Elite Deutschlands, unter ihnen Wilhelm von Humboldt, Friedrich Schleiermacher4 oder Henriette Herz.5 Schleiermacher verbrachte mit seiner Freundin Henriette Herz im Sommer 1804 „unvergessliche Tage“ auf Jasmund.6 Beide unternahmen ausgedehnte Erkundungsfahrten. Die enge Verbundenheit des Berliner Gelehrten mit Rügen, das zu damaliger Zeit (1648-1815) zu Schweden gehörte, resultierte u.a. aus der Freundschaft mit der Familie von Willich. Sagard und Jasmund verdanken Pfarrer Ehrenfried v. Willich den Bau einer Badeanstalt, in der das Wasser der Brunnenaue zu Heilzwecken benutzt wurde. Schleiermacher war dort einer der prominentesten Badegäste. Am 18. Mai 1809 heiratete Schleiermacher die inzwischen verwitwete Frau des verstorbenen Bruders des Pastors in Sagard. Die Aufenthalte auf der Ostseeinsel (genannt werden immer wieder die Orte Bobbin, Götemitz und Sagard, Saßnitz bzw. Klein-Jasmund) waren für ihn eine Quelle der Inspiration und boten ideale Möglichkeiten zum geistigen Austausch mit Freunden.
Saßnitz feierte im August 1924 „jenen Tag, an dem hundert Jahre zuvor die ersten Fremden als Badegäste nach Saßnitz kamen“, so der Chronist Max Koch.7 Als einer der Entdecker von Saßnitz als Badeort wird Schleiermacher gepriesen, der im Sommer 1824 seine Frau und seine Kinder zur Erholung dorthin geschickt hatte. Der Ortschronist stellt dazu fest: „Die Mitglieder der Schleiermachschen Familie waren wie es scheint, die ersten richtigen Badegäste von Saßnitz.“8
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