Wenn der Fährmann ruft... - Regina Shadow - E-Book

Wenn der Fährmann ruft... E-Book

Regina Shadow

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Beschreibung

Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – Gaslicht – Neue Edition In dieser neuartigen Romanausgabe beweisen die Autoren erfolgreicher Serien ihr großes Talent. Geschichten von wirklicher Buch-Romanlänge lassen die illustren Welten ihrer Serienhelden zum Leben erwachen. Es sind die Stories, die diese erfahrenen Schriftsteller schon immer erzählen wollten, denn in der längeren Form kommen noch mehr Gefühl und Leidenschaft zur Geltung. Spannung garantiert! »Dir bleibt wohl keine andere Wahl, als nach Schottland zu fahren und persönlich auf Schloß Thunderstorm vorstellig zu werden«, sagte Peter Hanson und nickte der jungen, ungefähr fünfundzwanzigjährigen Frau wohlwollend zu. »Das ist deine einzige Chance, um eine aktuelle Story über Grace Storm zu bekommen.« Miriam Clarke zögerte mit einer Antwort und strich eine Strähne ihrer blonden Haarpracht aus der Stirn. Dann reckte sie ihren sportlichen, schönen Körper. »Daran habe ich auch schon gedacht«, gab die junge Frau zu. »Alle meine Briefe und Telegramme wurden jedoch ignoriert. Es besteht natürlich die Gefahr, daß ich auf Schloß Thunderstorm nicht empfangen werde. Doch du wirst mir gleich sagen, daß ich dieses Risiko eingehen muß.« »Richtig, Miriam«, sagte der Chefredakteur einer der größten und angesehensten Frauenmagazine Großbritanniens. »Grace Storms zehnjähriger Todestag jährt sich in zwei Monaten. Wir sind bestimmt nicht das einzige Magazin, das sich an die weltbekannte Schauspielerin und Sängerin erinnern wird. Und mir schwebt eine Art Exklusivgeschichte vor, die sich gewaschen hat. Es bringt doch nichts, wenn wir den alten Brei wieder anrühren.« Peter Hanson rückte die schwere Hornbrille zurecht, die seinem markanten Gesicht einen intellektuellen Anstrich gab und sah Miriam Clarke forschend an. »Natürlich wird die Reise beschwerlich sein. Bis Glasgow kannst du fliegen. Dann wirst du endlose Stunden mit der Bahn fahren müssen.

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Gaslicht - Neue Edition – 1 –

Wenn der Fährmann ruft...

Regina Shadow

»Dir bleibt wohl keine andere Wahl, als nach Schottland zu fahren und persönlich auf Schloß Thunderstorm vorstellig zu werden«, sagte Peter Hanson und nickte der jungen, ungefähr fünfundzwanzigjährigen Frau wohlwollend zu. »Das ist deine einzige Chance, um eine aktuelle Story über Grace Storm zu bekommen.«

Miriam Clarke zögerte mit einer Antwort und strich eine Strähne ihrer blonden Haarpracht aus der Stirn. Dann reckte sie ihren sportlichen, schönen Körper.

»Daran habe ich auch schon gedacht«, gab die junge Frau zu. »Alle meine Briefe und Telegramme wurden jedoch ignoriert. Es besteht natürlich die Gefahr, daß ich auf Schloß Thunderstorm nicht empfangen werde. Doch du wirst mir gleich sagen, daß ich dieses Risiko eingehen muß.«

»Richtig, Miriam«, sagte der Chefredakteur einer der größten und angesehensten Frauenmagazine Großbritanniens. »Grace Storms zehnjähriger Todestag jährt sich in zwei Monaten. Wir sind bestimmt nicht das einzige Magazin, das sich an die weltbekannte Schauspielerin und Sängerin erinnern wird. Und mir schwebt eine Art Exklusivgeschichte vor, die sich gewaschen hat. Es bringt doch nichts, wenn wir den alten Brei wieder anrühren.«

Peter Hanson rückte die schwere Hornbrille zurecht, die seinem markanten Gesicht einen intellektuellen Anstrich gab und sah Miriam Clarke forschend an.

»Natürlich wird die Reise beschwerlich sein. Bis Glasgow kannst du fliegen. Dann wirst du endlose Stunden mit der Bahn fahren müssen. Und um das Schloß zu erreichen, mußt du dir sogar einen Mietwagen nehmen.«

Miriam seufzte.

»Sei doch froh, daß du dem Londoner Mief für einige Tage entrinnen kannst«, fuhr der Chefredakteur fort.

»Du bist nun einmal mein bestes Pferd im Stall. Ich würde den Auftrag nur ungern an eine deiner Kolleginnen übergeben. Überleg es dir in Ruhe.«

Er lächelte verhalten.

»In spätestens zehn Minuten muß ich Bescheid wissen. Meine Sekretärin kümmert sich dann um die verschiedenen Buchungen, falls du zustimmst.«

Miriam Clarke seufzte erneut.

Zehn Minuten blieben ihr, um sich zu entscheiden! Und nur zu gut wußte sie, daß Peter nicht scherzte.

Dazu kannten sie sich zu lange. Und bisher war ihre Zusammenarbeit bestens gewesen.

»Na, was ist?« murmelte er.

»Du hast mir zehn Minuten gegeben!«

»Na gut, du findest mich drüben in meinem Büro«, sagte er versöhnlich und deutete auf einige Manuskriptseiten und Fotos, die auf Miriams Schreibtisch lagen. »Das ist nicht schlecht geschrieben, doch es lockt keine Maus hinter dem Ofen hervor. Ich möchte ein Interview mit Mr. Storm. Dazu Fotos von Grace Storms Grab oder Gruft. Außerdem gibt es überhaupt keine Aufnahmen von Schloß Thunderstorm aus der Nähe. Ich möchte wissen, wie die weltbekannte Diva vor ihrem Tod gelebt hat. Mich interessiert, was die Bediensteten über die große Künstlerin zu sagen haben. Du mußt Stoff sammeln, damit wir den Vogel abschießen.«

Nach diesen Worten verließ Peter Hanson das kleine Büro mit schnellen Schritten. Dumpf fiel die Tür hinter ihm ins Schloß.

Grace Storm!

Das war vor zehn Jahren der Name gewesen, der die Menschen in aller Welt begeistert hatte. Millionen Fans lagen ihr damals zu Füßen. Sie hatte die Herzen im Sturm erobert. Und ein Aufschrei ging um die Welt, als ihr Tod publik wurde.

Grace Storm!

Noch heute waren ihre alten Filme wahre Straßenfeger, wenn sie im Fernsehen liefen. Noch immer gab es unzählige Fanclubs, die ihrem Idol huldigten, als würde es noch leben.

Ein Mythos hatte sich in den vergangenen zehn Jahren gebildet.

Daran dachte Miriam Clarke in diesen Sekunden. Auch sie selbst war von der Schauspielerin begeistert und hatte viele ihrer Filme gesehen. Und Grace Storm hatte nicht nur über schauspielerisches Können verfügt, sondern auch noch eine erstklassige Stimme besessen. Ihre Schallplatten waren Renner.

Nach Grace Storms plötzlichen Tod – sie sollte bei einem Autounfall ums Leben gekommen sein – flammten die wildesten Gerüchte auf. Und sie wurden immer wieder genährt, weil niemand das Grab der Künstlerin gesehen hatte. Broderick Storm, der Ehemann des Stars, hatte Schloß Thunderstorm allen Besuchern verschlossen gehalten.

Er gab keine Interviews, Fernsehleute, Reporter und Journalisten waren bereits an der Grundstücksgrenze abgewiesen worden.

Daher verstummten auch die Gerüchte nicht, wonach Grace Storm noch leben sollte und bei dem schweren Unfall nur ihre Schönheit eingebüßt habe.

Für die sogenannte Regenbogenpresse war es jahrelang nach Grace Storms Tod zur Routine geworden, die unglaublichsten Spekulationen aufzustellen.

Davon hielt Miriam Clarke nicht viel, denn sie nahm ihren Job sehr ernst – und vor allem sehr genau.

Aus diesem Grund war sie zu einer der besten Journalistinnen aufgestiegen. Und auch das väterlich, freundschaftliche Verhältnis mit Peter Hanson trug dazu bei, daß sie sich in ihrem Beruf immer wohler fühlte.

Es klopfte an die Tür ihres kleinen Redaktionsbüros. Peter steckte den Kopf zur Türspalte herein.

»Noch fünf Minuten«, rief er und verschwand wieder.

*

Kurze Zeit später stand Miriam Clarke auf und strich ihren Rock glatt, ehe sie mit federnden Schritten ihr Büro verließ. Draußen auf dem Flur herrschte rege Betriebsamkeit.

Redaktionsschluß für die nächste Ausgabe, dachte Miriam. Da geht es immer wie in einem Tollhaus zu. Eigentlich ist es gar nicht so schlecht, dieser Hektik für einige Tage zu entfliehen.

Mehr als abblitzen kann ich auf Schloß Thunderstorm nicht. Dann aber kann ich wenigstens meine persönlichen Eindrücke schildern. Das ist immerhin auch etwas, wenn sonst jedes Gespräch mit Broderik Storm scheitern sollte.

Exakt zehn Minuten nach dem Gespräch mit ihrem Boß betrat Miriam das Chefbüro.

Peter telefonierte und deutete mit der freien Hand auf den Sessel vor seinem Schreibtisch.

Miriam setzte sich, schlug ihre wohlgeformten Beine übereinander und lehnte sich zurück.

»Unglaublich!« tönte Peter Hanson. »Das ist eine Ente – nicht wahr? Mensch, Smith, das nehme ich Ihnen einfach nicht ab!«

Das breitflächige Gesicht des Chefredakteurs rötete sich immer mehr. Einige große Schweißperlen rannen ihm über die Stirn. Mehr als einmal rückte er die schwere Hornbrille zurecht.

»Das ist ja ein Ding, falls Sie mir da wirklich keinen Bären aufbinden, Smith«, sagte er erregt. »Natürlich bin ich interessiert. Ist doch klar. Gut. Ja! Natürlich. Wenn das aber eine Falschmeldung sein sollte, dann ertränke ich Sie mit eigenen Händen in einem Whiskyfaß!«

Peter lachte.

»Einverstanden. Bis später!«

Hanson schmetterte den Hörer auf die Gabel, zog ein Taschentuch aus seiner Anzugjacke und tupfte über seine Stirn.

Ein zufriedenes Lächeln teilte seine vollen Lippen, als er Miriam Clarke ansah. Und die junge Frau erkannte Triumph in seinen grauen Augen.

Peter trommelte mit den Fingerspitzen seiner rechten Hand auf die Schreibtischplatte und starrte Miriam noch immer an.

»Ich bin einverstanden, Peter«, sagte Miriam in die erwartungsvolle Stille hinein. »Du kannst die Buchungen veranlassen. Wann soll ich abreisen?«

Peter Hanson lächelte und wirkte nun um etliche Jahre jünger.

»Habe ich schon veranlaßt«, meinte er dann und hob seine rechte Hand, als sein Gegenüber die Stirn in Falten legte und wütenden Protest anmelden wollte.

»Hör’ gut zu, Kindchen«, meinte der Chefredakteur. »Ich würde dich sogar begleiten, wenn ich nicht zuviel um die Ohren hätte. Du bekommst die Chance deines Lebens. Ob du’s glaubst oder nicht. Und ich gönne sie dir. Bestimmt nicht nur aus dem Grund, daß ich mit deinem Vater

gemeinsam aufs College gegangen bin.«

Miriam Clark sah ihren Chef mißtrauisch an.

»Na gut, Peter. Ich weiß genau, daß ich dir sehr viel zu verdanken habe. Du hast dich in den vergangenen Jahren – nach dem Tod meiner Eltern – rührend um mich gekümmert und bist sozusagen mein Ersatzvater gewesen. Ich möchte aber nicht, daß du…«

»Unsinn, Kleines.«

Peter winkte ab.

»Ich habe eine faustdicke Überraschung für dich. Ehrlich! Mir hat es selbst zuerst die Sprache verschlagen!«

Nun lächelte Miriam Clarke ein wenig spöttisch.

»Glaube ich dir nicht. So schnell kann dich nichts aus der Fassung bringen«, zweifelte sie.

»Auch du wirst gleich ziemlich kariert aus der Wäsche schauen, wenn ich dir die Neuigkeit verrate.«

»Nur zu, Peter.«

»John Smith rief mich vor wenigen Minuten an. Weißt du zufällig, wer das sein könnte?«

Miriam Clarke schüttelte den Kopf.

»Dazu ist der Name zu ›selten‹«, witzelte sie.

»Na gut, Kindchen. John Smith war Grace Storms ehemaliger Agent, Manager und Mädchen für alles.«

Miriam blickte ihren Chef nun doch neugierig an. Eine steile Falte grub sich über der Nasenwurzel in ihre Stirn.

»Und jetzt lasse ich die Bombe platzen, Kleines. Du bekommst eine Einladung für Schloß Thunderstorm. Mit dir werden noch neun andere Journalisten aus aller Welt auf das Schloß eingeladen. Na, was sagst du jetzt? Ist das nicht eine tolle Überraschung?«

»Ausgezeichnet«, stieß Miriam hervor und konnte es nicht fassen. »Das wird meine Recherchen sehr erleichtern. Was aber ist der Grund für die plötzliche Meinungsänderung?«

Peter Hansons Augen wurden schmal.

»Das ist die zweite Überraschung, die aber unter uns bleiben muß und vorerst nicht an die Öffentlichkeit dringen darf.«

»Ich bin keine Plaudertasche und schreibe auch nicht für irgendein Boulevardblatt«, murrte Miriam Clarke.

»Ich weiß. Zum zehnjährigen Todestag von Grace Storm soll der Weltöffentlichkeit ein Film präsentiert werden, in dem der Star die Hauptrolle spielt. Ist das nicht eine Riesenüberraschung?«

*

»Ein neuer Film mit Grace Storm in der Hauptrolle?« staunte Miriam Clarke. »Ich kann’s nicht glauben. Aber…«

Peter Hanson unterbrach die junge Journalistin.

»Natürlich kein ›neuer‹ Film, denn Grace Storm ist seit über zehn Jahren tot – wie alle wissen. Es war ihr letzter Film, der kurz vor ihrem Tod fertiggestellt wurde«, stellte der Chefredakteur richtig. »Der Film wurde zurückgehalten. Anscheinend sollte er im damaligen Rummel um Graces Tod nicht untergehen. Und jetzt soll er der Öffentlichkeit präsentiert werden.«

»Das gibt natürlich ein Riesengeschäft«, erkannte Miriam sofort.

»Ja, genau. Darauf scheint auch Broderik Storm zu spekulieren. Er muß damals den Produzenten und alle an der Herstellung beteiligten Leute ausbezahlt haben. Doch das alles wirst du auf der Pressekonferenz auf Schloß Thunderstorm erfahren. Sie findet in exakt einer Woche statt. Wie bereits gesagt, sind nur wenige erstklassige Presseleute ausgewählt worden, um die Neuigkeit unter die Bevölkerung zu bringen. Mehr weiß ich auch nicht. John Smith schickt uns deine Einladung morgen zu. Ohne sie wirst du nicht eingelassen.«

Peter holte tief Atem. Für seinen Geschmack war das eine viel zu lange Rede gewesen.

»Alles klar?«

»Natürlich, Peter. Ich verspreche…«

»Schon gut, Kindchen. Du bist genau richtig für diesen Job. Laß dich morgen wieder bei mir blicken, damit ich dir die Einladung geben kann. Ich kümmere mich auch um alle Buchungen, damit du rechtzeitig an Ort und Stelle sein wirst. Ist sonst alles in Ordnung?«

»Das ist es. Wenn du meine Affäre mit Harold meinst, dann habe ich die Sache verkraftet. Er ist nun einmal nicht der richtige Mann für ein Leben zu zweit gewesen. Ich bin froh, daß ich das noch rechtzeitig bemerkt habe.«

»Kein Ton über die Neuigkeit zu ihm«, warnte Peter. »Harold Pinter ist ein verdammtes Schlitzohr, das sofort seinen Profit aus der ganzen Angelegenheit herausschlagen würde. Er hat gute Beziehungen zum amerikanischen Fernsehen. Außerdem nehme ich es ihm sehr übel, daß er dich abwerben wollte. Zum Glück hast du aber die Seiten nicht gewechselt.«

»Wie könnte ich dich im Stich lassen?« sagte Miriam Clarke. »Was ich kann, hast du mir beigebracht. Ich bin durch deine, zugegeben nicht immer leichte Schule gegangen.«

»Um so mehr freue ich mich, daß du es geschafft hast, Kleines. Darauf bin ich sehr stolz. Du hast das Zeug dafür, einmal meine Nachfolge anzutreten. Doch noch ist es zu früh, darüber zu sprechen, denn ich möchte schon noch einige Jährchen mitmischen.«

Die junge Frau stand auf, trat an den Schreibtisch und hauchte Peter Hanson einen zärtlichen Kuß auf die Wange.

»Wir sehen uns später«, murmelte sie. »Ich gehe noch mal alle vorhandenen Unterlagen über Grace Storm durch.«

»Genau das wollte ich dir vorschlagen. Und fertige dir eine Liste mit allen ihren Filmen und Fernsehspielen an. Es gibt genügend Nachschlagewerke, in denen alle aufgeführt sind. Sieh dir auch die Titel an, und präge dir die Inhalte ein. Ich möchte nicht, daß wir auf irgendeinen Schwindel hereinfallen und einen uralten Film untergejubelt bekommen.«

»Einverstanden, Peter. Glaubst du wirklich, daß so etwas geschehen könnte? Ich kann mir’s einfach nicht vorstellen!«

»Im Showgeschäft ist alles möglich. Vielleicht hat man Szenen aus verschiedenen Filmen zusammengeschnitten und nur mit neuem Ton unterlegt, damit eine ganz neue Geschichte entsteht. Du mußt auf alles gefaßt sein.«

»Mißtrauisch wie immer«, bemerkte Miriam lächelnd.

»Ich bin stolz darauf, daß wir unseren Lesern noch niemals eine Ente präsentiert haben. Doch so etwas ist schnell passiert. Ich muß mich da voll und ganz auf dich verlassen können.«

Miriam Clarke verließ das Chefbüro und wich einigen geschäftig heranstürmenden Mitarbeitern aus. Eine halbe Stunde später trat sie aus dem Verlagsgebäude und fuhr in ihr kleines Appartement.

Sie wollte in Ruhe über alles nachdenken, ehe sie weiter recherchierte. Außerdem mußte sie für die bevorstehende Reise packen. Plötzlich freute sie sich auf Schloß Thunderstorm.

*

Jemand rüttelte Miriam Clarke an der Schulter. Sie schlug die Augen auf und blickte in das schmale Gesicht eines ungefähr 30 Jahre alten Mannes, der freundlich lächelte.

»Endstation, Miss. Ich nehme doch an, daß Sie hier in dieser Ortschaft aussteigen wollen.«

»Danke, daß Sie mich geweckt haben«, murmelte sie noch verschlafen. »Ich bin seit über 24 Stunden unterwegs. Die Reise von London hierher habe ich mir nicht so anstrengend vorgestellt.«

Der junge Mann zog ein besorgtes Gesicht, obwohl der Schalk in seinen braunen Augen nicht zu übersehen war.

»Wenn ich Sie aus dem Zug hinaustragen soll, dann…«

»Schon gut«, winkte Miriam lachend ab. »Alles andere schaffe ich allein. Nochmals herzlichen Dank.«

»Gern geschehen, Miss.«

Der nicht nur sportlich gekleidete Mann nickte, griff nach einem kleinen Koffer und verließ das Abteil. Miriam beeilte sich, seinem Beispiel zu folgen.

Die Dämmerung sank vom geröteten Himmel und ließ die Schatten länger werden. In spätestens einer halben Stunde würde die Nacht hereinbrechen.

Miriam blickte zu dem kleinen Stationsgebäude hinüber, wo kein Mensch zu sehen war. Auch sonst hielt sich niemand mehr am Zug auf, der erst in ungefähr drei Stunden die Rückreise antreten würde.

Auch der junge Mann mit dem sportlichen Aussehen war verschwunden. Hinter dem kleinen Bahnhofsgebäude waren die Häuser der Ortschaft zu sehen, an dessen fast unaussprechbaren Namen sich Miriam Clarke im Moment nicht erinnern konnte.

Dann entdeckte sie Schloß Thunderstorm, das von den letzten Strahlen der untergehenden Sonne wie in Gold getaucht wurde.

Es thronte hoch oben auf einem gewaltigen Bergrücken und schien mit einem mächtigen Felsen verwachsen zu sein. Irgendwie ähnelte das Schloß einem Adlerhorst – unangreifbar, abweisend und gefährlich.

Dicke Mauern zeichneten sich deutlich ab. Schießscharten, zahllose Türme, Zinnen und Wehrgänge rundeten das Bild einer uneinnehmbaren Festung ab.

Ein schmaler Weg schlängelte sich in Serpentinen den Berg empor, umgeben von Brachland, auf dem Schafe weideten.

Miriam Clarke sog die klare, frische Luft des schottischen Hochlands tief ein.

Das tat gut!

Dann zog sie die modische Lederjacke fester um ihren schlanken Körper. Ein kühler Wind kam auf und spielte mit ihren schulterlangen Haaren.

Mit ihrer kleinen Reisetasche ging sie auf das flache Bahnhofsgebäude zu. Ein uniformierter Mann tippte gegen den Rand seiner Mütze und lief ihr einige Schritte entgegen.

»Kann ich etwas für Sie tun, Miss?«

»Können Sie mir sagen, wo ich Mr. Henderlee finde? Ich wollte bei ihm einen Wagen leihen.«

Der Stationsvorsteher nickte lächelnd.

»Er wartet auf Sie vor dem Bahnhof. Sie können ihn gar nicht verfehlen. Sind Sie auch auf Schloß Thunderstorm eingeladen?«

»Das bin ich, Sir«, antwortete Miriam Clarke höflich, bedankte sich und trat durch die Sperre.

Es schien sich herumzusprechen, daß sich etwas auf Schloß Thunderstorm tut, dachte Miriam. Bestimmt sind schon mehrere meiner Kollegen hier eingetroffen. Ich bin spät dran. Morgen früh soll bereits die Pressekonferenz stattfinden.

Sie lief auf einen älteren Mann zu, der neben einem Austin stand und ihr forschend entgegenblickte.

»Mr. Henderlee?«

»Das ist mein Name, Miss. Und Sie müssen Miss Clarke sein.«

»Erraten. Ist das der Wagen, der für mich bestellt worden ist?«

»Richtig, Miss Clarke. Die Papiere liegen im Handschuhfach, und der Zündschlüssel steckt. Ich benötige nur eine Unterschrift von Ihnen. Sonst ist alles bestens erledigt.«

Miriam Clarke setzte ihren Namen unter einen Mietvertrag und stellte ihre Reisetasche auf den Beifahrersitz. Sie enthielt außer Wäsche und Kleidungsstücken auch ein Diktiergerät und eine Fotoausrüstung.

»Kommen Sie mit dem Fahrzeug klar?«

»Natürlich, Mr. Henderlee. Ich hoffe doch, daß es vollgetankt ist?«