Zeichen aus der Unterwelt - Regina Shadow - E-Book

Zeichen aus der Unterwelt E-Book

Regina Shadow

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Beschreibung

Es ist der ganz besondere Liebesroman, der unter die Haut geht. Alles ist zugleich so unheimlich und so romantisch wie nirgendwo sonst. Werwölfe, Geisterladies, Spukschlösser, Hexen, Vampire und andere unfassbare Gestalten und Erscheinungen ziehen uns wie magisch in ihren Bann. Moonlight Romance bietet wohlige Schaudergefühle mit Gänsehauteffekt, geeignet, begeisternd für alle, deren Herz für Spannung, Spuk und Liebe schlägt. Immer wieder stellt sich die bange Frage: Gibt es für diese Phänomene eine natürliche Erklärung? Oder haben wir es wirklich mit Geistern und Gespenstern zu tun? Die Antworten darauf sind von Roman zu Roman unterschiedlich, manchmal auch mehrdeutig. Eben das macht die Lektüre so fantastisch... Lance hatte nicht die mindeste Absicht, sich den Unsinn des Verrückten länger anzuhören als nötig. Denn verrückt war er ganz eindeutig. Darüber hinaus wahrscheinlich gefährlich. Lance gab den beiden Polizisten, die den Mann verfolgt hatten, einen Wink. Sie packten ihn und zerrten ihn von der Stelle des Grauens weg. Der Mann wehrte sich wie ein Wilder. Er geiferte. Kurz bevor ihn die Polizisten in den Wagen verfrachteten, drehte er Lance noch einmal den Kopf zu. »Sie werden sterben! Alle, die dem Sohn der Pele ihre Hochachtung verweigern, werden sterben. So wie diese hier … Es hat gerade erst angefangen!« »Die Verrückten finden mich immer!«, sagte Lance laut. Das widerwärtige Gefühl, das sich in seiner Magengegend ausgebreitet hatte, machte allerdings keine Anstalten zu verschwinden. Er kannte es gut. Es war Angst. Prolog: Überfall? Es gibt Momente, in denen sich die Zeit zu beschleunigen scheint – und andere, in denen sie beinahe still steht, und alle Erinnerungen gleichzeitig durch das Gedächtnis huschen. Dies war ein solcher Moment. Elisabeth McLeod folgte ihrer Freundin, Fran McKenzie.

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Moonlight Romance – 31 –

Zeichen aus der Unterwelt

Ein uraltes Ritual bringt Verderben

Regina Shadow

Lance hatte nicht die mindeste Absicht, sich den Unsinn des Verrückten länger anzuhören als nötig. Denn verrückt war er ganz eindeutig. Darüber hinaus wahrscheinlich gefährlich. Lance gab den beiden Polizisten, die den Mann verfolgt hatten, einen Wink. Sie packten ihn und zerrten ihn von der Stelle des Grauens weg. Der Mann wehrte sich wie ein Wilder. Er geiferte. Kurz bevor ihn die Polizisten in den Wagen verfrachteten, drehte er Lance noch einmal den Kopf zu. »Sie werden sterben! Alle, die dem Sohn der Pele ihre Hochachtung verweigern, werden sterben. So wie diese hier … Es hat gerade erst angefangen!« »Die Verrückten finden mich immer!«, sagte Lance laut. Das widerwärtige Gefühl, das sich in seiner Magengegend ausgebreitet hatte, machte allerdings keine Anstalten zu verschwinden. Er kannte es gut. Es war Angst.

Prolog: Überfall?

Es gibt Momente, in denen sich die Zeit zu beschleunigen scheint – und andere, in denen sie beinahe still steht, und alle Erinnerungen gleichzeitig durch das Gedächtnis huschen. Dies war ein solcher Moment. Elisabeth McLeod folgte ihrer Freundin, Fran McKenzie. Die Situation hier im Volcano-Village war unübersichtlich: ihre Lodge lag ein wenig isoliert, mitten in tropischer Vegetation. Hawai zeigte hier ein üppiges, fruchtbares Gesicht, ganz im Gegensatz zu den Landstrichen, die vulkanisch geprägt waren.

Sie waren bereits am Flughafen, direkt nach ihrer Ankunft, mit Unruhen konfrontiert worden. Einer der Traditionalisten, die Hawai von aller Modernität säubern wollten, hatte Fran sogar angegriffen. Als Gäste des KECK-Observatoriums, das auf dem Gipfel des Mauna Kea errichtet worden war, waren sie beide für die Traditionalisten wie ein rotes Tuch.

Elisabeths Gedanken drehten sich im Kreis. Die Unruhe, die sie beherrschte, hatte gute Gründe. Niemand konnte sagen, was die Feinde der Modernität tun würden. Die Errichtung des neuen Dreißigmeter-Teleskops war ein Politikum und mehr als das. Es war zum Anlass eines Kulturkampfes geworden. Aus den Augenwinkeln sah sie Fran McKenzie, deren Körper gespannt war, wie ein Bogen. Die kleine Buchhändlerin aus Ullapool hatte diese Reise ermöglicht und ganz sicher hatte sie nicht damit gerechnet, hier auf solche Feindseligkeit zu stoßen. Ihr Ansprechpartner, Robert Grenier schien darüber hinaus Probleme zu haben, die sie beide nicht einordnen konnten. Er hatte sie nicht abholen können und damit waren sie mehr oder weniger auf sich gestellt. Das alles bildete eine wirre und bedrohliche Mischung. Elisabeth und Fran kannten sich seit vielen Jahren und sie hatten vieles zusammen erlebt. Nicht zuletzt Fran hatte es Elisabeth es zu verdanken, dass sie ihre Burnout-Erkrankung vor einigen Jahren überstanden hatte: überraschend schnell. Auch wenn es nicht angenehm gewesen war – Fran hatte sie unterstützt und ihr geholfen, wann immer Elisabeth Hilfe gebraucht hatte. Ihre Dankbarkeit führte dazu, dass sie Frans Macken und Launen mit einem Lächeln ertrug.

In diesem Moment allerdings zeigte Fran ihre andere Seite. Sie zeigte weder Angst noch Unsicherheit und wirkte beinahe aggressiv.

Ob das einen möglichen Angreifer beeindrucken würde, war zwar etwas komplett anderes, aber sie hatte bereits am Flughafen bewiesen, dass sie sich nicht herumschubsen ließ. Dann sahen sie ihn. Ein Mann. Er war nur ein Schatten, eine Silhouette in der Dunkelheit. Das Licht aus der Lodge drang nicht bis hierher.

Fran stieß ein lautes Kreischen aus. Der Mann erschrak offenbar beinahe zu Tode. Etwas lag am Boden. Es war eine Taschenlampe, die der Unbekannte hatte fallen lassen. Fran griff danach und leuchtete dem Mann direkt ins Gesicht.

»Was wollen Sie und wer sind sie?«, fragte Elisabeth laut. Sie mussten ihren Vorteil und die Überraschung nutzen.

»Robert! Oh, mein Gott!« Das war Frans Stimme

Der Mann hielt noch immer die Hand vor die Augen, weil ihn der Lichtstrahl der Lampe blendete.

»Bist du das?«, krächzte er.«

1. Sender: Kleo Fm K-Big 106-1, Kona

Breaking News

Mittlerweile ist es gelungen, den Namen des getöteten Technikers, der auf dem Gipfel des Mauna Kea einem Unfall zum Opfer gefallen sein soll, in Erfahrung zu bringen. Es handelt sich um den achtunddreißigjährigen Ralph Shepherd, der seit etwas über einem Jahr beim IRTF arbeitete. Shepherd hinterlässt eine Frau und drei Kinder.

2. Beobachter

Das leise Rauschen der Blätter bildete eine unheimliche Melodie, gerade so, als summe die Dunkelheit ein Lied. Niemand verstand es, aber der Mann im Schatten hatte keine Angst. Nicht vor solchen Dingen.

Das kleine Haus, in dem die beiden ausländischen Frauen abgestiegen waren, war hell erleuchtet. Er versuchte nicht, sie zu verstehen; es war ihm gleichgültig, worüber sie sich unterhielten – es hatte nichts mit den Angelegenheiten zu tun, die hier auf der Insel geschahen.

»Sie haben nicht die leiseste Ahnung, in was sie hier hineingeraten sind!«, murmelte er. So etwas wie Mitleid machte sich in ihm breit. Er war Zeuge geworden, wie sich die beiden des Angriffs vor dem Flughafen erwehrt hatten. Er war sich nicht sicher, ob es Mut gewesen war oder lediglich Überraschung … vielleicht Ärger. Aber Tom Meadows war niemand, der Widerstand duldete. Er beobachtete, wie sich die beiden Frauen um ein kleines Chamäleon kümmerten, das sich ins Innere des Hauses verirrt hatte. Er hörte sie lachen.

»Freut euch nicht zu früh«, flüsterte er. »Es wird schlimm werden! Ihr wisst es nur noch nicht.«

Eine Zeit lang beobachtete er das Haus, ohne sich selbst zu bewegen. Reglos stand er zwischen großen, dicken Blättern, von denen Feuchtigkeit perlte. In dieser Region Hawais herrschte das Klima des Regenwaldes, nicht zu vergleichen mit der kalten braungrauen Ödnis, die man in der weiten Umgebung der Krateröffnungen fand. Hier pulsierte das Leben. Achtlos streifte der Mann eine dicke Raupe von seiner Schulter. Aus der Ferne drang Motorenlärm durch die Geräuschkulisse des Dschungels. Er runzelte die Stirn. Dies war Touristengebiet, aber das galt für weite Bereiche der Insel. Er sah die Entwicklung der letzten Jahrzehnte voller Missbilligung, aber sogar er musste sich eingestehen, dass erst die Ströme von fremden Besuchern modernen Wohlstand auf die Insel gebracht hatten. Er selbst hatte wenig Verwendung für die Segnungen der Zivilisation, obwohl er sie benutzte. Allerdings wusste er, dass andere Einheimische nicht im selben Maße wie er selbst zur Askese neigten. Mit Wenigem zufrieden zu sein war keine sehr verbreitete Eigenschaft. Daran lag es, dass die Bewegung nicht in dem Maße zu nahm, wie er sich das gewünscht hätte.

»Warten wir’s ab«, murmelte er verbissen. »Angst ist eine ausgezeichnete Motivation! Und sie werden Angst bekommen. Mehr, als sie sich jetzt noch vorstellen können!«

Ein kurzer, warmer Regenschauer stürzte von oben herab. Er trat zwei Schritte zurück und stellte sich unter eine ganze Ansammlung breiter Blätter, die sich wie Schindeln zu einer Art Dach überlagerten. Vor seinen Füßen bildeten sich Pfützen. Dicke Tropfen warfen Blasen. Das Geräusch war laut. Irgendwo über ihm zog ein Flugzeug seine Bahn, wahrscheinlich im Landeanflug auf den Flughafen der Hauptstadt.

»Noch mehr Touristen.« Er verzog das Gesicht. Erst wenn man bewusst solche Dinge wahrnahm, bekam man ein Gefühl dafür, wie viele fremde Menschen die Insel heimsuchten. Sie suchten Vergnügen, Spaß, Entspannung. Eine gewaltige Horde amüsiersüchtiger, armseliger Figuren, die nicht die mindeste Vorstellung von der Größe und Majestät der Welt hatten. Für sie bestand die Welt aus ihrem Haus, ihrem Job, ihrem Wagen, ihren Versicherungen und den Annehmlichkeiten des nächsten Supermarkts.

Er kicherte leise. »Größenwahn ist so selbstverständlich für sie. Sie halten sich für die Krone der Schöpfung … der Welt. Dabei haben sie nicht die leiseste Vorstellung, was diese Welt wirklich ist.«

Das Motorengeräusch wurde lauter.

»Er kommt hierher«, sagte er sich und schob sich weiter hinein in den Wald. Er wollte nicht gesehen werden.

Aus dem Dunkel schälte sich ein mitgenommen aussehender Dodge Pickup. Die Lackierung löste sich und war irgendwann einmal hellblau gewesen. Nun sah das Fahrzeug aus, als sei es von Lepra befallen. Die Scheinwerfer hingegen waren hell und zeigten keine Alterserscheinungen, genauso wie der Motor, der kräftig und laut seinen Dienst tat. Der Mann, dem dieser Wagen gehörte, legte wenig Wert auf Äußerlichkeiten.

Mit einem lauten Quietschen der Bremsen hielt der Dodge. Zunächst geschah nichts, dann stieg ein Mann aus. Er verharrte kurz neben dem Pickup, dann ging er um ihn herum und öffnete die hintere Ladefläche. Er stieß einen unterdrückten Schrei aus; vielleicht sagte er sogar etwas, doch es war nicht zu verstehen. Die ganze Haltung des Mannes zeigte nur eines: völlige Ratlosigkeit und Überraschung. Der Beobachter zog sich weiter zurück, als er die beiden Frauen aus dem Haus kommen sah. Egal, was nun geschah, er hatte nichts damit zu tun. Er musste warten. Wenn auch nicht lange …

3. Aloha, zum Zweiten

Fran McKenzie ließ das Messer sinken.

»Robert!«, ächzte sie fassungslos. »Was treibst … wie kommst du denn hier her?«

Der Astrophysiker hatte noch immer die Hände erhoben. »Mit meinem Wagen … wie denn wohl sonst?«

Elisabeth grinste unwillkürlich. »Ja. Natürlich. Wie denn wohl sonst. Fran, nimm das Messer runter! Sie sind also Robert Grenier. Schön, dass ich Sie endlich kennenlerne.«

Grenier nickte ihr zu. »Schön, dass mich Fran am Leben gelassen hat. Ums Haar wäre das mit dem Kennenlernen schief gegangen!« Er wandte sich wieder Elisabeth zu. »Sagen Sie Robert zu mir, wenn’s recht ist, ja?«

Elisabeth reichte ihm die Hand. »Ich heiße Elisabeth. Eli für die meisten, es sei denn, sie wollen mich ärgern!« Sie musterte den Astronomen unauffällig. Fran hatte nicht übertrieben. Robert Grenier sah gut aus. Wirkte größer, als er tatsächlich war, hatte ein prägnantes, aber nicht zu hartes Gesicht und die umwerfendsten, blauen Augen, die sie je gesehen hatte.

»Ich ärgere niemals Frauen, die bewaffnet sind!«, versicherte Grenier treuherzig. »Fran, nimmst du jetzt endlich das Ding runter? Ich bin’s wirklich!«

Fran zog die Augenbrauen zusammen und tat, was man ihr sagte.

Grenier grinste jetzt ebenfalls. »Wen habt ihr denn erwartet, um Himmels willen? Jack the Ripper oder Donald Trump?«

Fran reckte sich. »Wir haben komische Geräusche gehört. Unsere Ankunft auf Hawai war ein wenig … unerfreulich, wie du vielleicht weißt?«

»Ich habe vor Kurzem mit Officer Lance gesprochen. Das war der Polizist, der euch bei eurer Ankunft befragt hat.«

Fran runzelte vorwurfsvoll die Stirn. »Da du uns ja nicht abholen konntest …«

Grenier sah bedrückt aus.«Ja. Das tut mir leid, ließ sich aber nicht vermeiden. Wir hatten einen merkwürdigen Vorfall. Es gab leider einen Toten. Der Mann wurde förmlich verkohlt. Es war schrecklich und wir wissen noch immer nicht, was genau da vor sich gegangen ist.«

»Das ist ja schrecklich!« Fran war blass geworden. »Hast du das gemeint?«

»Womit?«, fragte Grenier, offenbar irritiert.

»Als wir dich überraschten, hast du so was gesagt wie »Er ist weg!«, sagte Fran.

Grenier wirkte übergangslos unsicher. »Es ist weg. Der Lavabrocken, den ich zu Untersuchungen aufgelesen hatte. Sonderbare Geschichte. Wie er verschwinden konnte, verstehe ich nicht mal im Ansatz.«

»Äh, runtergefallen vielleicht?«, erkundigte sich Fran, die Greniers Unverständnis nicht begriff. »Das soll schon mal vorgekommen sein.«

»Fran, die Ladefläche ist nicht offen und die Ladeklappe war geschlossen und gesichert. Da kann nichts einfach so runterfallen.« Grenier trat zu seinem Pickup, griff sich die Taschenlampe und leuchtete an die Stelle, an der sich der Lavabrocken befunden hatte.

»Nichts. Ihr seht es selbst!«

Elisabeth kniff die Augen zusammen. »Das stimmt nicht ganz. Ich sehe da eine Verfärbung. Schwarz. Könnte so was wie Rus sein.«

Grenier stieß einen leisen Pfiff aus. »Das stimmt. Genau an der richtigen Stelle. So als sei das Stück verbrannt oder in Rauch aufgegangen. Sublimiert vielleicht?«

»Sublimiert!«, wiederholte Fran ungläubig.

»Das bedeutet, dass etwas direkt vom festen in den gasförmigen Zustand übergeht, ohne flüssig zu werden!«, sagte Grenier.

»Ich weiß, was Sublimation ist!«, sagte Fran empört. »Dass das mit Lava passiert, ist mir neu.«

Grenier hob ratlos die Schultern. »Tja … mir auch! Basalt und ähnliche Lavagesteine sind in aller Regel ziemlich fest. Ich wüsste nicht …«

»Wir sollten uns das vielleicht morgen bei Tageslicht nochmal anschauen!«, sagte Elisabeth nachdenklich. »Wir werden dieses Rätsel kaum mitten in der Nacht lösen. Ich schlage vor, wir kratzen eine Probe von dem Zeug ab. Vielleicht kann man’s durch eine chemische Analyse bestimmen.«

»Gute Idee«, stimmte Grenier zu. Er kletterte auf die Ladefläche, zog ein kleines Opinel-Klappmesser aus der Hosentasche und begann, etwas von dem rusähnlichen Belag abzuschaben.«

Fran sah fasziniert zu. »Du hast ein Messer in der Tasche?«, fragte sie.

Grenier sah nicht auf, als er die schwarze Substanz in eine kleine Plastiktüte füllte. »Ja. Seit meiner Kindheit hab ich immer ein Opinel bei mir. Das ist in meiner Heimat eine alte Tradition: Sobald man alt genug ist, bekommt man sein eigenes Messer. Meines ist eher eines der Kleinen. Aber ich fühl mich unsicher, wenn ich’s nicht dabei habe!«

Fran verdrehte verzückt die Augen. Elisabeth hörte sie etwas murmeln, das etwa klang wie »Ein richtiger Mann«. Sie grinste. In mancherlei Hinsicht war Fran furchtbar altmodisch. Allerdings musste sie zugeben, dass der Astrophysiker sie mit seiner freundlichen und bodenständigen Art ebenfalls beeindruckt hatte.

»Na gut. Das hätten wir!«, sagte Grenier. »Nochmal: Es tut mir leid, dass ich erst jetzt auftauche. Was habt ihr heute Abend noch vor. Kann ich Euch zum Essen einladen … als Wiedergutmachung sozusagen?«

»Wir haben bereits gegessen!«, sagte Fran. Es klang bedauernd. Grenier nickte nur. »Ich habe in Hilo eine Kleinigkeit zu mir genommen. Dabei habe ich Officer Lance getroffen. Hab ich glaube ich bereits erzählt.«

»Genau. Der wusste natürlich über unsere etwas missglückte Ankunft bescheid!« Fran strich sich wie geistesabwesend über die Schramme auf ihrer Stirn. Der Chef von den Typen hat mich zu Boden gestoßen.«

»Fran hat ihm eine runtergehauen!«, kommentierte Elisabeth trocken. »Wenn ich an den Gesichtsausdruck denke, war das für den Herrn eine Premiere!«

»Das ist zwar mutig, aber schlau war es nicht!«, sagte Grenier.

»Wie jetzt?«, fragte Fran empört.

»Tom Meadows ist einer der Führer der Traditionalisten. Ein undurchsichtiger Kerl und recht rabiat. Du hast ihn vor seinen Anhängern gedemütigt. Das finde ich persönlich zwar ziemlich angebracht, aber er selbst wird das anders sehen. Er wird es nicht vergessen und verzeihen wird er dir das nicht.«

»Du meinst, er ist nachtragend?«, erkundigte sich Elisabeth besorgt. »Was könnte er denn tun?«

»Das weiß ich nicht. Ich hatte zwar bereits mit Meadows zu tun, auch mit Bowden, dem Sprecher, aber das war eher offiziell. Ich als Vertreter der NASA und der Astrophysiker und er als Sprecher der Einheimischen, die den Bau des TMT auf jeden Fall verhindern wollen. Also eine fast schon rituelle Konfrontation. Was du getan hast, wird er persönlich nehmen. Und ich denke, er kann sehr unangenehm werden. Das können Leute wie er ganz gut.«

Fran runzelte die Stirn. »Oh!«

»Ja. Oh!«, sagte Grenier leise. »Ich bin sicher, ihr seid euch nicht das letzte Mal begegnet!«

Fran räusperte sich. »Und mein NASA-Shirt hat er natürlich gesehen. Damit weiß er erstens, wo meine Sympathien liegen, und zweitens ahnt er zumindest, dass wir miteinander zu tun haben könnten.«

Amüsiert registrierte Elisabeth den Blick Greniers auf Frans Astronomie-T-Shirt.

»Das ist eine der Aufnahmen der russischen VENERA-Sonden, nicht?«, fragte er.

Fran verdrehte die Augen. »Oh mein Gott. Typisch Wissenschaftler. Nie den Blick fürs Wesentliche!« Damit drehte sie sich um und ging erhobenen Hauptes zur Lodge zurück.

Grenier war ein wenig ratlos. »Was meint sie damit? Hab ich was Falsches …«

Elisabeth lächelte still in sich hinein. »Ist nicht so wichtig«, sagte sie. »Du wirst dir später die eine oder andere Anzüglichkeit anhören müssen. Sie wollte dich mit dem T-Shirt beeindrucken.

»Hat sie doch!«, meinte Grenier verblüfft.

»Ah, Männer«, kicherte Elisabeth. »Sie wollte eher den Inhalt gewürdigt wissen. Nicht den Aufdruck!«

»Oh!«, machte Grenier und riss die Augen auf. »Aber eine zu deutliche Bemerkung wäre sicher verkehrt gewesen, nehme ich an?«

»Ja«, sagte Elisabeth süffisant. »Eindeutig. Willkommen in Frans Welt.«

»Was tut sie jetzt? Hab ich sie beleidigt?«, wollte der Physiker wissen.

»Nein. Nicht wirklich. Nur ein bisschen; damit kann sie leben. Es könnte sein, dass sie ein paar Sekunden über eine Brustvergrößerung nachdenkt. Ich nehme an, sie erzählt gerade Francis von ihrer Schmach!«

Greniers Gesicht war bilderbuchreif. »Francis? Ihr seid zu dritt?«

Elisabeth genoss die Situation. »Nur beinahe. Francis ist unser neues Hauschamäleon. Hat sich selbst bei uns einquartiert und findet es bisher wohl recht angenehm!«

»Ein Chamäleon?«, staunte Grenier. »Sagenhaft. Habt ihr’s schon gefüttert?«