Wenn du mit mir schimpfst, kann ich mich nicht leiden, Mama - Petra Krantz-Lindgren - E-Book

Wenn du mit mir schimpfst, kann ich mich nicht leiden, Mama E-Book

Petra Krantz-Lindgren

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Beschreibung

Wertschätzende Kommunikation in der Familie

Als Eltern möchten wir unsere Kinder mit einem gesunden Selbstwertgefühl ausstatten und ihnen mit Respekt und Liebe begegnen. Im Alltag verhalten wir uns oft anders – ausgelöst durch Stress, Ärger, Sorgen und den Fokus auf die eigenen Bedürfnisse. Petra Krantz Lindgren, eine der renommiertesten Familientherapeuten in Schweden, beschreibt, wie authentische Beziehungengelingen können.

Sie unterstützt beim Finden von Alltagsstrategien, die für Kinder und Eltern funktionieren.

• Pädagogisches Wissen: Warum ein starkes Selbstwertgefühl so wichtig ist.
• Typische Verhaltensmuster: Wie du sie erkennst und durchbrichst.
• Praxisnahe Beispiele aus dem Familienalltag der Autorin.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 207

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Wenn du mit mir schimpfst, kann ich mich nicht leiden, Mama

Wie Sie das Selbstwertgefühl Ihres Kindes stärken

Aus dem Schwedischen übersetzt von Jutta Hamberger

Petra Krantz Lindgren

2. Auflage 2023

10 Abbildungen

Zitat

»Eltern sollen Kindern nicht beibringen, wie sie perfekt werden.

Eltern sollen Kindern beibringen, dass sie gut sind, so wie sie sind.«

Fia, 8 Jahre

Inhaltsverzeichnis

Titelei

Zitat

Einleitung

Wert und Leistung hängen nicht zusammen

Bevor du anfängst

Wie ein Erziehungsbestseller mich in die Irre führte

Für mich fühlte es sich so falsch an

Was ist mir als Mutter wirklich wichtig?

Ein paar Worte über das schlechte Gewissen

Selbstwertgefühl

Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl

Warum ist Selbstwertgefühl so wichtig?

Selbstwertgefühl auf dem Silbertablett?

Dein Kind – ein anderes Du

Unterschiede und Ähnlichkeiten

Behandle Kinder so, wie du selbst behandelt werden willst

Macht und Gleichberechtigung

Familie bedeutet, mit Konflikten umzugehen

Annahme 1: Was wir tun, soll uns nützen

Annahme 2: Unterschiedliche Strategien

Annahme 3: Konflikte und Wahl der Strategie

Lösungen, die für Kinder und Eltern gut sind

Rücksichtsvolle Alternativen machen glücklicher

Ich bin okay und du bist es auch

Wir wechseln die Positionen rasend schnell

Entscheidend ist, wie wir etwas sagen oder tun

Kinder machen es wie die Erwachsenen

Gemeinschaft und Interesse im Alltag

Zeit für Gemeinsamkeit

Zeit füreinander

Sprechen im Alltag

Interesse für die Kinder zeigen

Freude und Nöte miteinander teilen

Persönliches Feedback geben

Motivierende Fragen stellen

Erzähl etwas über dich

Die wichtige Warum-Frage

Was steckt dahinter?

Beispiel – Bettnässen

Beispiel – Stress am Morgen

Beispiel – Trotz

Erst verstehen, dann handeln

Zuhören – ohne zu kritisieren oder infrage zu stellen

Was gutes Zuhören wirklich bedeutet

Die zehn üblichsten Antworten

Kontakt schaffen

Schritt 1 – Mit Empathie zuhören

Schritt 2 – Lösungsorientierte Fragen stellen

Schritt 3 – Nachverfolgen

Gedanken über das empathische Zuhören

Mein Kind wird mich nicht verstehen

Muss man vermuten, was das Kind braucht?

Aber auf manches muss man doch wirklich nicht hören?!

Tipps, wie man Zuhören lernen kann

Stelle Vermutungen an

Verliere dein Ziel nicht aus den Augen

Respektiere alle Gefühle

Im Alltag empathisch zuhören

Wenn Kinder unzufrieden sind

Wenn Kinder Wutanfälle bekommen

Auch Eltern haben Gefühle

Sprechen – ohne Kränkung, Drohung oder Bestechung

Warum machen Kinder, was Eltern von ihnen wollen?

10 verbreitete Methoden, auf Kinder einzuwirken

Geheuchelte Fürsorge

Dialog für eine Lösung

Schritt 1: Erzählen, was man wahrnimmt

Schritt 2: Erzählen, was man fühlt

Schritt 3: Gefühle und Bedürfnisse in Einklang bringen

Schritt 4: Ein Ziel benennen

Zusammenfassung

Wenn das Kind tut, worum du es bittest

Wenn das Kind Nein sagt

Gedanken über die wertschätzende Konfliktlösung

Mein Kind kümmert sich nur um seine eigenen Bedürfnisse

Viel zu viele Worte

Dafür hat man doch gar keine Zeit

Manchmal müssen Kinder einfach zuhören

Sollen Kinder denn über alles mitbestimmen?

Eltern und das schlechte Gewissen

In sich hineinhören und Fehler annehmen

Sich selbst empathisch zuhören

Befrage dich einfach selbst

Die eigenen Bedürfnisse erkennen

Was sagt das schlechte Gewissen eigentlich?

ALL DAS SIND BEDÜRFNISSE

Service

Zum Weiterlesen

Dank

Autorenvorstellung

Impressum

Einleitung

Wenn du mich anschreist, Mama, kann ich mich selber nicht lieb haben. Das war ein Beitrag in meinem Blog. Ich beschrieb darin ein Gespräch mit meiner siebenjährigen Tochter, in dem ich sie fragte, ob sie sich selber lieb habe. Sie antwortete, dass sie das sehr oft tue, sich aber dumm fühle, wenn ich mit böser Stimme mit ihr spräche. »Wenn ich denke, ich bin dumm, ist es schwer, mich selber lieb zu haben.«

Der Eintrag verbreitete sich im Netz explosionsartig. In nur zwei Tagen hatte er 260.000 Klicks, sehr viel mehr als für alles, was ich jemals davor und auch danach geschrieben habe. Warum war das so? Ich glaube, die Antwort liegt in der Überschrift meines Beitrags. Wir Eltern lieben unsere Kinder. Natürlich wünschen wir uns auch, dass die Kinder sich selbst lieben, weil wir wissen, wie wertvoll und belohnend das ist. Der Gedanke, dass unsere Kinder daran zweifeln könnten, berührt uns tief. Und es tut weh, wenn wir uns klarmachen, dass die Art, wie wir mit unseren Kindern umgehen, Einfluss darauf hat, wie sie über sich selbst denken. Was wir als Eltern sagen und tun, hat für das Selbstbild unserer Kinder größte Bedeutung – auch dafür, wie sie sich sehen, welche Wünsche und Träume sie im Herzen tragen. Das ist eine große Verantwortung. Und eine großartige Chance.

Das erste Mal dachte ich über meine Verantwortung und meine Chancen als Mutter während eines Kurses in »Aktiver Elternschaft« nach. Dieser Kurs inspirierte mich, darüber nachzudenken, welche langfristigen Ziele ich als Mutter hatte und zu welchen Erwachsenen meine Kinder heranwachsen sollten. Zuvor hatte ich meist nur an schöne gemeinsame Stunden gedacht und daran, die täglichen Anforderungen zu erfüllen. Als ich mir die Zeit zum Nachdenken nahm, wurde mir klar, dass mein Zielbild inhaltsreich war – und ist. Ich möchte, dass meine Kinder sich zu empathischen, fürsorglichen, respektvollen, ehrlichen, verantwortungsbereiten, mutigen Menschen entwickeln. Ich will, dass sie Selbstwertgefühl, Selbstvertrauen, Zivilcourage und Selbstachtung haben.

Was mir ebenfalls klar wurde und worüber ich in diesem Buch schreiben werde, ist, dass das Selbstwertgefühl in diesem Zusammenhang eine ganz besondere Bedeutung hat. Selbstwertgefühl ist wie eine Plattform, von der aus sich viele andere Eigenschaften entwickeln. Kinder mit gesundem Selbstwertgefühl akzeptieren und mögen sich. Sie hören auf ihre eigenen Gefühle und Nöte und auf die anderer. Sie erheben die Stimme gegen Ungerechtigkeit, sie trauen sich, eigene Lebenswege zu gehen. Sie übernehmen Verantwortung für ihre Fehler. Sie wissen, dass sie gut genug sind, auch wenn ihnen niemand sagt, dass sie tüchtig sind, und sie können mit Kritik konstruktiv umgehen.

Wert und Leistung hängen nicht zusammen

Die beiden letzten Punkte – zu wissen, dass man gut genug ist, auch wenn niemand die eigenen Leistungen rühmt, und mit Kritik konstruktiv umzugehen – liegen mir ganz besonders am Herzen. Ich selbst bin aufgewachsen in dem Glauben, dass mein Wert davon abhängt, wie andere Menschen mich und meine Leistungen bewerten, dass Kritik bedeutet, dass man etwas falsch gemacht hat, und dass Anerkennung das Wichtigste im Leben ist. Ich habe mich lange unglaublich angestrengt, so ziemlich in jeder Situation, in der ich mich befand. Ich habe ständig nach Zustimmung dafür gesucht, dass ich etwas konnte. Als ein Professor an der Universität, an der ich studierte, zu mir sagte, ich hätte Potenzial, und mir riet, mich der wissenschaftlichen Forschung zu widmen, war ich überglücklich. Es fühlte sich wie eine wunderbare Bestätigung meiner Kompetenz an und ich sah die Möglichkeit, durch das Schreiben der Dissertation noch mehr Bestätigung zu bekommen.

So kam es, dass ich sechs Jahre meines Lebens damit verbrachte, an einem Text zu schreiben, an dessen Thema ich, wenn ich ehrlich bin, auch nicht das geringste Interesse hatte. Fast jeden Tag fühlte ich mich schlecht. Jeden Tag hörte ich meine innere Stimme sagen: »Du hast doch ganz andere Träume und Ziele für dich.« Jeden Tag gebot ich meiner inneren Stimme, zu schweigen. Denn wenn ich meine Dissertation nicht fertigstellen würde, wenn ich also nichts Gutes leisten würde, was wäre ich dann?

Wäre es nicht großartig, wenn unsere Kinder aufwüchsen und lernten, auf ihre innere Stimme zu hören? Wenn sie den Mut hätten, ihren eigenen Sehnsüchten zu folgen und ihre Träume zu verwirklichen? Wenn sie begriffen, dass ihr Wert nicht davon abhängt, wie oft ihnen jemand sagt, wie gut sie sind und was sie alles leisten? Diese Sehnsucht war mein Antrieb, dieses Buch zu schreiben. Über die Jahre habe ich viele Ideen entwickelt und mit anderen besprochen, habe viele Vorlesungen und Kurse besucht, in denen es ums Elternsein ging. In diesem Buch habe ich meine Gedanken und Ideen darüber gesammelt, wie Selbstwertgefühl sich aus Beziehungen zu anderen Menschen speist. Mein Buch richtet sich an Eltern, aber man könnte das Wort »Eltern« auch problemlos gegen das Wort »Erwachsene« austauschen. Was ich beschreibe, ist in allen Beziehungen wichtig.

Bevor du anfängst

Ich bin es gewohnt, Kurse zu geben, Vorlesungen zu halten und zu bloggen. Alles bietet die Möglichkeit zum Austausch. Ich sehe, wie das, was ich sage, sich in einer Antwort niederschlägt. Ich kann verdeutlichen, entwickeln und verändern. Diese Möglichkeiten sind mir im Buch genommen. Wahrscheinlich ist das der Grund dafür, dass ich sehr viel darüber nachdenke, wer du, liebe Leserin, bist und wie du auffassen wirst, was ich schreibe. Meine Hoffnung ist, dass du mein Buch neugierig liest, dass du offen dafür bist, meine Ideen auszuprobieren und dich gleichzeitig fragst:

Stimme ich zu?

Warum stimme ich zu?

Was ist mir besonders wichtig?

Was will ich jetzt tun?

Vielleicht bist du von Natur aus jemand, der viel infrage stellt. Vielleicht hast du dieses Buch in eher abwartender Haltung gekauft. Dann findest du meine Bitte, dich kritisch mit diesem Buch auseinanderzusetzen, eventuell seltsam und etwas anmaßend. Vielleicht wirst du aber auch von dem Wunsch angetrieben, eine Wegweisung oder Unterstützung zu finden. Vielleicht liest du dieses Buch in der Hoffnung, deutliche und handlungsorientierte Lösungen für die Herausforderungen, denen du dich als Elternteil stellen musst, zu finden. Dieser Wunsch kann ein Risiko bergen. Es kann sein, dass man sich dabei selbst verliert und all das macht, was im Buch steht. Nicht etwa, weil man in der Tiefe seines Herzens dran glaubt, sondern weil man daran glauben will. Das Bedürfnis, als Mutter oder Vater Anweisungen und Unterstützung zu erhalten, kann dazu führen, dass man diese nicht mit sich selbst abstimmt – stimme ich dem wirklich zu? Das aber ist wichtig, denn wenn das, was du zu deinem Kind sagst oder mit ihm tust, keine Verankerung in dir selbst hat, ist die Wirkung auf dich und dein Kind alles andere als wohltuend. Ich weiß, wovon ich spreche. Ich war so eine von außen gesteuerte Mutter. Noch dazu eine ziemlich ehrgeizige.

Wie ein Erziehungsbestseller mich in die Irre führte

Als frischgebackene Mutter war ich ganz gelassen. Ich dachte, es werde sich schon alles von selbst lösen. Das tat es auch, jedenfalls zu Beginn. Aber als wir unser zweites Kind bekamen, veränderte sich der Alltag komplett. Das Baby schlief nur wenige Stunden. Das Stillen bereitete mir Probleme. Die Zweijährige wollte alles bestimmen und alleine machen.

Ich war sowohl ratlos als auch frustriert und begann, nach Lösungen zu suchen. Ich las Bücher, Elternzeitschriften und Elternblogs. Ich wurde Mitglied in einem Elternforum und tauschte mich im Netz mit anderen Müttern und Vätern aus. Aber ich fand keine Hilfe, ich fühlte mich überwältigt. So viel sollte man aufnehmen. So vielem sollte man sich stellen. Gute Eltern zu sein war wirklich eine Kraftanstrengung.

Ich erinnere mich daran, welche Erleichterung ich empfand, als ich ein Buch fand, das meiner Ansicht nach klar und umfassend war. Ich war auf Anna Wahlgrens »Das Kinderbuch – wie kleine Menschen groß werden« gestoßen. Nach kurzer Zeit entdeckte ich auch Annas Forum im Internet, in dem Anna und Eltern, die sich die Kinderbuch-Philosophie zu eigen gemacht hatten, auf Fragen antworteten. Was für eine Fundgrube! Plötzlich kam ich mir nicht mehr so schlecht und böse vor. Ich hatte den sicheren Hafen gefunden und dort ging ich vor Anker.

Mit neuem Selbstvertrauen widmete ich mich meinem Elternsein. In Übereinstimmung mit dem Kinderbuch führte ich Stundenpläne ein, in denen von Essen über Schlafen bis Spielen, soziale Teilhabe sowie Ausflüge alles ein Vierteljahr im Voraus minutiös geplant war. Den Plan klebte ich an die Kühlschranktür, wie ein Manifest meiner neuen, selbstsicheren Elternschaft. Ich war gerettet. Das Kinderbuch und das Netzforum waren meine Heiligen Schriften, Anna meine Göttin.

Aber auch wenn ich durch die Kinderbuch-Philosophie (oder das, was ich dafür hielt) eine wunderbare Erfahrung von Wegweisung und Geborgenheit machte, kamen manchmal auch weniger angenehme Gefühle auf.

Unlust war eines davon. Dieses Gefühl stellte sich immer dann ein, wenn ich Sachen machte, die – wenn ich ehrlich bin – gegen meine inneren Werte verstießen. Manchmal z. B. wendete ich das »Ins-Bett-Schicken« an. Wenn das Kind etwas getan hatte, was ich nicht wollte, zwang ich es, ins Bett zu gehen, und ging selber weg. Es fühlte sich falsch an. Und doch tat ich es. Ich war ja eine Kinderbuch-Mutter. Ich hatte gelesen, wie andere Eltern das »Ins-Bett-Schicken« mit großem Erfolg praktizierten. Ich dachte mir, ich sei unnötig empfindsam.

Frust und Ärger quälten mich immer dann, wenn ich etwas tat, von dem ich annahm, dass ich es tun sollte, tief im Innersten aber keine Lust dazu hatte. Und das passierte ziemlich oft. Ich verbrachte z. B. täglich mehrere Stunden nicht zu Hause, obwohl sowohl ich als auch beide Kinder zu Hause eigentlich ziemlich zufrieden waren. Echte und tägliche Ausflüge waren aber ein Eckstein der Kinderbuch-Philosophie. Ich ließ mich auch davon überzeugen, die Kinder in die Zubereitung der Mahlzeiten einzubeziehen. Das Baby saß an der Spüle und der große Bruder stand auf einem Hocker. Das war unglaublich anstrengend, vier Kinderhände immer im richtigen Abstand zu heißen Herdplatten, scharfen Messern und heißen Töpfen zu halten. Die Kinder an alltäglichen Arbeiten zu beteiligen war aber extrem wichtig, das hatte Anna Wahlgren gesagt. Auf jeden Frust und Ärger folgten Reinfall und Schuldgefühle. Ich dachte, ich mache etwas falsch. Ich sollte mich freuen, mit meinen wunderbaren Kindern zusammen zu sein. »Kleine Kinder sollen sich wohlfühlen und man soll sich mit ihnen wohlfühlen!« Auch das hatte Anna Wahlgren gesagt.

Für mich fühlte es sich so falsch an

Aber natürlich war ich nicht die Einzige, die Unbehagen verspürte, wenn ich Dinge sagte oder machte, die nicht aus eigener Überzeugung erwuchsen, sondern die ich in einem Buch gelesen hatte.

Ich erinnere mich besonders an einen Tag, kurz nachdem mein Sohn vier Jahre alt geworden war. Ich wollte die Wäsche aufhängen und bat ihn, sein Spiel zu unterbrechen und mir zu helfen. Ich hatte gelesen, dass Kinder wissen und spüren müssen, dass eine Familie ohne sie deutlich schlechter zurechtkäme. Deshalb sagte ich zu ihm: »Jetzt möchte ich, dass du mir beim Wäscheaufhängen hilfst. Du bist wichtig, mein Schatz. Ohne dich schaffe ich das nicht.« Mein Sohn sah mir direkt in die Augen und antwortete: »War das Ironie, Mama?«

Kinder sind hellhörig. Sie haben einen eingebauten Lügendetektor, der sofort anschlägt, wenn Erwachsene nicht ehrlich sind. Mein Sohn, gerade mal vier Jahre alt, spürte das sofort. Im besten Fall sind Kinder verwirrt, wenn Eltern nicht sagen, was Sache ist. Vermutlich aber spüren sie Unlust. Es ist gruselig, mit jemandem zusammen zu sein, der sich hinter einer Maske verbirgt. Denn wer ist das hinter der Maske eigentlich? Im schlimmsten Fall beginnen Kinder zu zweifeln, und zwar an sich selbst. »Stimmt etwas an mir nicht? Ist das der Grund, warum meine Eltern nicht sagen, wie es wirklich ist?«

Was ist mir als Mutter wirklich wichtig?

Für mich selbst kam der Wendepunkt im Zusammenhang mit einem Kurs in Aktiver Elternschaft. Ich hatte mich in der Hoffnung angemeldet, so die letzten kleinen Risse in meiner nach eigener Ansicht perfekten Elternschaft zu kitten. Stattdessen fiel alles in sich zusammen, als ich auf einmal kapierte, wie wenig Zutrauen zu meinem eigenen Elternsein ich hatte. Und wie viel Zutrauen ich zu Anna Wahlgren hatte (sicherheitshalber möchte ich betonen, dass nichts von dem, was ich schreibe, als Kritik an Anna Wahlgren gedacht ist. Was ich beschreibe, ist mein eigenes Verhältnis zum Kinderbuch und dessen Forum). Fast immer, wenn ich auf ein unlösbares Problem gestoßen war, hatte ich mich ins Forum eingeloggt oder in Annas Buch geblättert, um dort Annas Tipps zu finden, wie ich mich verhalten sollte.

Der Elternkurs ermutigte mich dazu, Stellung zu beziehen zu allem, was mir in meiner Elternschaft wichtig war. Wie wollte ich als Elternteil sein? Welche Werte wollte ich vermitteln? Und welche wollte ich über Bord werfen? Das war ein langer und teilweise auch schmerzlicher Prozess, in dem ich vieles neu bewertete, oft von Schuld, Scham und Verzweiflung übermannt, weil es nicht die eine, richtige Antwort gab, sondern immer ein einerseits und andererseits. So viele Möglichkeiten, etwas zu tun. Ich musste mich nicht länger ins Forum einloggen, um dort die Antwort von jemand anderem zu finden. Ich konnte mich in mich selbst einloggen und dort die Antwort finden. Das fühlte sich großartig an. Echt. Die Disharmonie, die ich früher so oft verspürt hatte, wenn ich etwas getan hatte, das gegen meine Prinzipien verstieß, verschwand. Genauso wie der Frust und Ärger darüber, Dinge zu tun, die ich nicht mochte. Denn jetzt übernahm ich die Verantwortung für meine Entscheidung. Ich tat, was ich wollte, und der Rest konnte mir den Buckel runterrutschen.

Meine Hoffnung beim Schreiben dieses Buches ist, dass du Inspiration und Unterstützung darin findest, weil du Stellung beziehst zu dem, was für dich wichtig ist, und in Übereinstimmung damit handelst. Denk an mein Buch wie an ein Kochbuch. Wenn man sich festgefahren hat und nach neuen Ideen sucht, kann man es aufschlagen und Inspiration darin finden. Ein Vorschlag klingt verlockend, ein anderer nicht. Manches spricht einen sofort an und man wundert sich vielleicht, warum man auf diesen Gedanken nicht selbst gekommen ist. Manches verändert man ein bisschen und passt es dem Familiengeschmack an. Manchmal traut man sich auch und testet ganz neue Dinge. Manchmal will man einfach nur Hilfe dabei haben, ein wenig anders zu denken, aber innerhalb des alten und vertrauten Rahmens. Es gibt viele Möglichkeiten, ein Kochbuch zu lesen. Ich bezweifle allerdings, dass es irgendeinen Menschen gibt, der es von Anfang bis Ende liest und dann genau alles tut, was darin steht.

Ein paar Worte über das schlechte Gewissen

Unsere Kinder sind das Kostbarste, was wir haben. Wenn man manchmal entdeckt, dass man etwas getan oder gesagt hat, das nicht auf der Linie dessen liegt, was man für sich selber wünscht, ist die Gefahr sehr groß, in Selbstkritik und schlechtem Gewissen zu ertrinken: »Ich hätte ihn niemals so nennen dürfen!« »Dass ich es nie lassen kann, meine Tochter zu kritisieren!« »Ich sollte wirklich mehr mit meinen Kindern spielen!«

Am Ende des Buches widme ich ein ganzes Kapitel der Frage, wie man mit diesen Zweifeln und dem schlechten Gewissen umgehen kann; jetzt möchte ich betonen, was du und ich und alle anderen Eltern längst wissen: Eltern zu sein ist ganz schön schwer!

Wir wollen mit denen, die wir lieben, gut umgehen, aber was ist eigentlich das Beste für sie? Und wie soll man das wissen? Und wie soll man das zusammenbekommen mit dem, was auch für andere Menschen das Beste ist? Und für einen selbst? Die Elternschaft kommt einfach mit sehr viel mehr Fragen als Antworten im Gepäck.

Es ist immer leichter gesagt als getan! Bist du wirklich immer so klug und machst es richtig mit deinen Kindern? Das sind Fragen, die mir Eltern stellen, die ich bei Vorlesungen oder in Kursen treffe. Ich schätze es sehr, weil diese Fragen die Unruhe spiegeln, nicht zu genügen. Vielleicht geht der Gedanke ungefähr so: Natürlich will ich, dass es meinen Kindern gut geht, aber wie viel kann man von wohlmeinenden und kämpfenden Eltern eigentlich verlangen?

Nein, ich befolge meine eigenen Ratschläge nicht immer. Ich lebe nicht immer nach meinem eigenen Ideal. Dieses Buch ist keine Beschreibung meiner eigenen Elternschaft, zumindest nicht der ganzen. Es gibt Tage, an denen werde ich laut, an denen höre ich nicht zu und wünsche mir einfach nur, dass die Kinder einfach tun, was ich ihnen sage, und nicht immer alles infrage stellen. Und ich glaube, das ist absolut in Ordnung so. Ich will, dass meine Kinder zu Individuen heranwachsen, die sich selber mögen und wissen, dass niemand perfekt sein muss. Dafür sind erwachsene Vorbilder nötig. Sie brauchen Menschen um sich herum, die das Beste für sie wollen, die nach bestem Vermögen für einen guten Rahmen sorgen, dabei aber immer zwischen »passend« und »perfekt« unterscheiden können. Menschen, die ein Ziel haben und Ideale, denen sie nachstreben, mit sich selbst freundlich und verzeihend umgehen und sich etwas zutrauen, wenn sie einmal nicht ganz bis ans Ende des Wegs gegangen sind.

Selbstwertgefühl

Es gibt wohl wenige Wörter, die man so oft und in so unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet und die einen so positiven Klang haben wie »Selbstwertgefühl«. Alle scheinen sich einig darin zu sein, dass Selbstwertgefühl wichtig ist. Allerdings ist man sich deutlich weniger einig darin, was Selbstwertgefühl eigentlich ist. Deswegen möchte ich gerne verdeutlichen, was ich darunter verstehe.

Ich gehe davon aus, dass Selbstwertgefühl zwei Dimensionen hat. In der ersten Dimension geht es um das Bewusstsein, das ich von mir selber habe: um meine Talente, meine Gedanken, meine Gefühle, meine Nöte, meine Wünsche und meine Träume. In der anderen Dimension geht es darum, dass ich mich so akzeptiere, wie ich bin. Jemand mit gesundem Selbstwertgefühl akzeptiert sich selbst und mag sich so, wie er ist. Diese Person erlebt sich als tüchtig, in allen Gedanken, Gefühlen und Bedürfnissen. Mit all ihren Wünschen und Sehnsüchten. Mit all ihrer Stärke, aber auch mit ihren Schwächen.

Selbstwertgefühl nährt sich im Zusammenspiel mit den Menschen, die für uns am wichtigsten sind. Ein Kind, dessen Selbstwertgefühl gut entwickelt ist, lebt zusammen mit Menschen, die sich für seine Gedanken, Gefühle und Nöte interessieren, die es respektieren, es sehen und hören, es schätzen und ernst nehmen.

Kurz gesagt, dieses Kind erlebt sich als interessant und wertvoll für die Menschen, die ihm am nächsten stehen. Ein Kind aber, das ein schwankendes Selbstwertgefühl hat und daran zweifelt, ob es interessant und wertvoll für die Menschen in seiner nächsten Umgebung ist, begegnet oft Gleichgültigkeit, Kritik, Wut oder Ironie.

Selbstwertgefühl wird manchmal mit einer Impfung verglichen, die ein Individuum davor schützt, sich selbst in schlechtem Licht zu sehen, wenn etwas misslingt, wenn es mit Kritik, Widerstand oder Ablehnung zu tun hat. Das sehe ich auch so. Mit der Einschränkung allerdings, dass eine Impfung keinen kompletten Schutz gibt. Wenn ich ein gutes Selbstwertgefühl habe und du als Leserin mein Buch kritisierst, dann denke ich womöglich, wie traurig es ist, dass ich dir kein besseres Leseerlebnis vermitteln konnte. Das hätte ich ja gerne getan. Deine Kritik hat aber keinen Einfluss darauf, wie ich mich selber sehe und akzeptiere. Ich empfinde mich trotzdem als tüchtig und wertvoll. Der Schutz, den das Selbstwertgefühl verleiht, ist allerdings nicht allumfassend. Wenn ich immer wieder von unterschiedlichen Menschen, die ich treffe, kritisiert werde, für meine Sprache und meine Ansichten, für die Art wie ich bin, für meine intellektuellen und sozialen Talente, schadet das irgendwann meinem Selbstwertgefühl. Wenn ich oft genug höre, dass ich und das, was ich tue, nicht ausreichen, werde ich vermutlich bald zu dem Schluss kommen, dass wohl etwas daran ist. Kurz gesagt: Ein gut entwickeltes und gesundes Selbstwertgefühl ist robust und stabil, aber es ist weder unverletzlich noch konstant.

Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl

Es ist wichtig, zwischen Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen zu unterscheiden. Man könnte sagen, Selbstwertgefühl hängt mit dem Wesen eines Menschen zusammen und Selbstvertrauen mit dem, was ein Mensch tut. Ein gutes Selbstvertrauen zu haben bedeutet, dass man in der Lage ist, zu liefern. Es wächst, wenn man etwas hinbekommt oder für eine Leistung anerkannt wird.

Im Unterschied zum Selbstwertgefühl variiert das Selbstvertrauen je nach Situation. Eine Person kann zum Beispiel ein sehr gutes Selbstvertrauen haben, wenn es um bestimmte Dinge geht, zum Beispiel Sport oder andere körperliche Übungen. Und gleichzeitig kann ihr Selbstvertrauen sehr schwach ausgeprägt sein, wenn es etwa darum geht, vor einer Gruppe von Menschen zu sprechen oder für sie zu kochen.

Auch wenn es in der Theorie nützlich ist, zwischen Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen zu unterscheiden, ist das im Alltagsleben nicht üblich. In der Praxis sehen viele Menschen einen Zusammenhang zwischen Leistung und Selbstwert und bewerten sich selbst aufgrund ihrer Leistungen. Ich möchte daher unterstreichen, dass ich, wenn ich darüber spreche, wie Erwachsene das Selbstwertgefühl von Kindern stärken können, dies unabhängig von den Leistungen des Kindes sehe.

Warum ist Selbstwertgefühl so wichtig?

»Ich bin gut, genauso wie ich bin.« »Ich muss nichts an mir ändern, damit andere Menschen mich lieben.« Davon überzeugt zu sein ist wertvoll und wichtig. Ich bin fest davon überzeugt, dass die meisten Eltern ihre Kinder mit genau diesem Zutrauen auf ihren Weg durchs Leben schicken möchten. Wie wir unseren eigenen Wert sehen, hat Auswirkungen auf unser Verhalten gegenüber uns selbst, gegenüber anderen Menschen und auch gegenüber den Herausforderungen und Freuden des Lebens. Selbstwertgefühl spielt eine große Rolle. Ich möchte einige Beispiele geben.

Selbstwertgefühl hängt zusammen mit unserem Vermögen, authentisch zu agieren, also in Übereinstimmung mit den eigenen Bedürfnissen und Werten statt aufgrund von Gesetzen, Strafen oder Belohnungen. Es ist sehr viel einfacher, für die eigenen Bedürfnisse und Werte einzustehen (zum Beispiel keinen Alkohol zu trinken, obwohl die Freunde sich darüber lustig machen), wenn man selbst akzeptiert, was man tut.