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Das jüngste Buch des Autors RALF HANS ANDREAS D.. Titel: „ wer alleine kämpft “ Eine Science-Fiction-Erzählung mit harscher Kritik an der Gegenwart. Wer sieht die Folgen? In diesem Buch kommt so ziemlich alles vor: Von fantastischen Abenteuern bis hin zu Liebe und Mord. Der Autor wagt einen mutigen Blick in eine mögliche Zukunft. Was werden wir noch erleben? Auch eine Zukunft, in welcher die Mehrheit des Volkes gar nicht mitbekommen wird, wie man die Menschen bewusst verdummt und manipuliert? Viele mögen dazu sogar noch applaudieren! „Hurra, wie geht es uns doch gut!“ Zu den derzeitigen großen Sünden zählen: uneingeschränkte Freiräume für jegliches Großkapital, schleichende Aushöhlung der Demokratie, Wegsehen vieler.Und was könnte an Unbekanntem hinter den großen Weltraumprojekten stehen? Wirklich alles zum Nutzen der Menschheit? Summa summarum: ungewöhnliche Abenteuer und nützliche Lebensphilosophie.
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Seitenzahl: 262
Veröffentlichungsjahr: 2014
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Auch der Mephisto
ist Gottes Schöpfung.
Es ist Aufgabe der Menschen,
im Kampf gegen diesen
zu wachsen.
Doch wer kämpft,
muss eine treffsichere Waffe besitzen.
Die ist noch immer der Verstand.
Zu den Geißeln der Menschheit zählen
machtgieriges Großkapital,
Aushöhlung der Demokratie durch einzelne Bürokraten,
Desinteresse vieler.
Erfolgreiche und weniger erfolgreiche Menschen
müssen sich nach einem Zusammenbruch
mit Mut und vielen Ideen durchschlagen.
Auch unsere Protagonisten, darunter eine Familie.
Währenddessen planen unbekannte Kräfte
die Neuaufteilung der Erde..
Wir wachen in einer anderen Welt auf!
Ganz nebenbei auch Lebensphilosophie.
Ralf Hans Andreas D. – Industriekaufmann und Ökonom/Diplombetriebswirt (Fachhochschule) – arbeitete viele Jahre als Korrespondent für überregionale Publikationen. Daneben war er Herausgeber von Tourismuspublikationen. Schließlich erfolgte die Verwirklichung eines philosophisch geprägten Reiseführers und eines illustrierten Kinder-/Jugend-Abenteuerbuches (Fantasy), in dem er erschütternde Erfahrungen verarbeitete, die er während seiner vielen Reisen durch Süd-Ost-Europa erfahren hatte. Nicht wenige kennen ihn auch als Maler von Landschaftsbildern (signiert mit Rhad).
Kontakt: [email protected]
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebtes Kapitel
Achtes Kapitel
Neuntes Kapitel
Zehntes Kapitel
Elftes Kapitel
Zwölftes Kapitel
Dreizehntes Kapitel
Vierzehntes Kapitel
Fünfzehntes Kapitel
Sechzehntes Kapitel
Siebzehntes Kapitel
Strand, Sonne satt. Fröhlichkeit wie schon lange nicht mehr. Braungebrannte Menschen. Das Rauschen der Wellen schluckt viele Gespräche. Nur das Rufen der Kinder ist lauter. Deren Freude überall. Sie können nicht ahnen, was ihnen die Zukunft bringen wird. Die Eltern vielleicht. Aber wer soll einen Grund sehen, über die Zukunft nachzudenken, darf sein Dasein noch ein unbeschwertes sein? Im Unternehmen läuft es gut, das Einkommen stimmt. Was will man mehr? Sollen die in der Regierung doch machen, was sie wollen. Sagt dieser und jener. Solange das Geld stimmt, kann es uns egal sein. Über manchen Politiker-Unsinn könnte man laut lachen. Aber es lacht keiner. Man ist zu sehr mit sich selber beschäftigt. Welches neue Auto kaufe ich? Wohin soll die nächste Reise gehen? Welche neue Handy-Generation wurde angekündigt? Und, und, und…
Jene, welche tatsächlich klagen, sind eine unbedeutende Größe. Auf die muss man nicht hören.
„Hauptsache, am heutigen Abend ist hier wieder richtig was los!“, ruft einer über den Strand.
Es gibt inzwischen Regionen, da sieht es nicht mehr so rosig aus. Was aber wissen die Menschen wirklich? Sie haben die Entwicklung zu lange verschlafen. Auch verlernt, zwischen den Zeilen zu lesen und zu hören. Was die meisten Bürgerinnen und Bürger natürlich bestreiten.
„Ja, die Konjunktur hat eine kleine Delle erhalten“, kommentiert ein Politiker. „Aber dafür lebten wir doch eine lange Zeit in einem überdurchschnittlich hohen Wohlstand.“
„Was heißt hier ‚wir‘?“, spricht einer der Arbeiter. Er steht in der Schlange der Arbeitsvergabe-Stelle eines Unternehmens. „Wenn es denen da oben gut geht, glauben die doch wirklich, allen ginge es bestens. Das sind Blinde.“
„Oder Lügner“, antwortet jemand.
Es vergeht die Zeit. Der soziale Abbau schleichend. Für viele nach wie vor nicht spürbar. Sie können sich die jüngsten Teuerungen noch immer leisten.
Es ist heute mal wieder Markttag. Irgendwas allerdings ist anders als sonst. Aber was? Steht ein Unwetter bevor? Unsinn. Wo doch die Sonne so herrlich scheint. Die Menschen können nicht erkennen, was sich hinter den hohen Fassaden zusammenbraut.
Schwere Wolken ziehen am Horizont auf. Plötzlich doch ein Blitz. Donner bebt durch die Straßen und Gassen bis hinein in die Gebäude. Diesmal zieht wahrlich etwas herauf, das alles Bisherige übertreffen wird. Das sagt sich Marit sofort. Ihr Gefühl betrog sie noch nie. Als Jugendliche sah sie in jedem Gewitter eine Mahnung Gottes, sich der eigenen Grenzen zu besinnen. Nun vermag sie darüber nur zu lächeln. Und doch ist in diesen Momenten etwas nicht so wie sonst. Sie kann sich der Vorahnung nicht erwehren, bald Ungewöhnliches zu erleben. Dieses Gefühl ist ihr neu. Einflüsse des Unheimlichen scheinen nach ihr zu greifen. Vielleicht aber auch ist es nur dieses Gewitter, das die Beunruhigung auslöst.
In der Fußgängerzone bleibt sie unvermittelt vor einer Bettlerin stehen. Die Alte starrt sie an. Marit blickt in ein Gesicht, durch das tiefe Furchen ziehen, von unzähligen Fältchen gesäumt. Selber schuld, wenn du arm bist. Das würde sie dieser Kreatur sagen, aber belässt es dabei, dieses nur zu denken.
Die Sonne des Erfolgs scheint für sie schon seit langer Zeit und wird aller Wahrscheinlichkeit nach auch weiterhin nicht so schnell untergehen. Tüchtig war sie schon immer in der Welt des scheinbar ewigen Glücks. „Jeder kann ebenso erfolgreich sein“, sprach sie einmal zu jemandem, „wenn er nur will.“ Sie vergaß den Anteil derer, die für ihr jetziges Leben das Fundament mit legten. Aber auch das gelegentliche Quantum Glück, welches in der entscheidenden Stunde zur Stelle war.
Es ist nur sehr wenigen vergönnt, es alleinig aus eigener Kraft nach oben zu schaffen, ganz ohne eine weitere Hilfe.
Viele hoffen darum täglich von Neuem auf das notwendige Quäntchen Glück im Leben, und kaum erfuhren sie dieses, wird es schon geleugnet und der Erfolg ausschließlich den vermeintlichen persönlichen Fähigkeiten zugeschrieben. Bis irgendwann dieses Spiel von vorne beginnt. Selbstbetrug ohne Ende.
Ein Blitz fegt über den Platz vor dem hohen Gotteshaus, ein Krachen, die Steinplatten unter ihren Schuhen vibrieren. Erste Tropfen fallen. In der Seitengasse steht ein Taxi. Der Fahrer gibt ihr Lichtzeichen, auf die sie zueilt.
Sie nennt die Adresse ihrer Firma.
Der Fahrer nickt nur. „Ich habe hier nicht umsonst gewartet“, spricht er schließlich. „Es ist meine Aufgabe, Sie an einem Ort abzuliefern, wo eine interessante Person Sie sprechen will.“
Das erstaunt Marit nicht einmal. Es gab in den letzten Monaten viele, die begierig darauf waren, an ihrer Seite wichtige Themen zu beraten. Sie ist schließlich keine Unbekannte. Sehr erfolgreich noch dazu.
Alles rennt aufgeregt auf Gehwegen dahin oder kreuz und quer über Fahrbahnen. Kaum noch auf andere achtend. Wahrscheinlich steht der Weltuntergang bevor. Es scheint sich plötzlich für viele nicht mehr zu lohnen, Rücksichtnahme walten zu lassen. Da wird auch schon mal beim Rangieren schneller als sonst ein anderes Auto gerammt. Eine überdurchschnittliche Hektik ist allgegenwärtig.
„Ja, so liebe ich die Menschen“, lacht der Chauffeur, als sei er ein Diener der Hölle oder des Satans persönlich.
Marit nimmt die Worte nicht richtig wahr. Sie ist mit ihren Gedanken schon bei ihrer nächsten geschäftlichen Unternehmung. Die Frage, wie sie einen besonders hartnäckigen potenziellen Geschäftspartner doch noch dahin bringen kann, ihrem privaten Institut trotz aller Risiken – nur ihr alleine sind diese vollständig bekannt – eine gehörige Summe Geld anzuvertrauen, beschäftigt sie seit Wochen. Ihm aber noch mehr Gewinn in Aussicht zu stellen, würde diesen womöglich zu guter Letzt stutzig werden lassen. Sie weiß, nicht jedem gegenüber darf sie mit Übertreibungen aufwarten, ohne dafür sofort bestraft zu werden. Manchen freilich können Gewinnversprechen nicht hoch genug ausfallen. Deren permanente Jagd nach Geld hat diese derart verbogen, dass sie gar nichts anderes erwarten. Unnatürliches wurde für diese Leute inzwischen zu Natürlichem. Erst ein Ende mit Schrecken vermag sie aus ihren gefährlichen Träumen zu reißen. Dann ist das Wehklagen groß, Rechtsanwälte erhalten Arbeit.
Zum Gotterbarmen die Gestalt, die soeben vor dem Taxi vorbei huscht. Zum Teufel mit allen, die nur eine Last für die Gesellschaft sind, damit auch für Marit, eine wahre Leistungsträgerin. Statt sich etwas einfallen zu lassen, hofft mancher auf die Hilfe anderer. Wozu auch die Arbeitsämter zählen. Wer half ihr denn? Und doch wurde sie eine reiche Frau. Und muss jetzt noch die mit bezahlen, die sich nicht selber aus dem Sumpf ziehen. Das ärgert sie nahezu täglich.
Der zerrissene Regenschirm der Kreatur vor dem Taxi vermag seinen Dienst nicht mehr zu leisten. Wer sich so erbärmlich durchs irdische Dasein kämpfen muss, ist bestraft genug. Diese Erkenntnis jetzt besänftigt ein wenig ihren Unmut. Nein, solche Kreaturen muss sie nicht noch zum Teufel schicken. Ein Lächeln flieht über ihr Gesicht. Nun ist sie wieder mit sich und der Welt zufrieden. Vorerst.
Auf kürzestem Weg geht es zur Stadt hinaus. Der Regen nimmt gelegentlich jede Sicht auf die vorüber fliehenden Flussauen, bevor sie in einen Wald eintauchen. Diesen nimmt sie nicht mehr wahr, ist zu sehr mit sich und ihren Geschäften befasst, in Gedanken den möglichen Erfolg überschlagend. Geld gehört für sie zum höchsten Gut, wofür zu jeder Stunde jeder Einsatz recht sein darf. Ihre Person scheint Geld anzuziehen. Geht von ihr eine magische Kraft aus? Es ist ihre Überzeugung, jeder Mensch kann sich zu einem höheren Erfolg aufschwingen, wenn er nur wahrhaftig will. Soll heißen, wer schon lange Zeit arm ist, der hat es nicht anders verdient. Das möchte sie am liebsten aufschreiben und jedem Habenichts in die Hand drücken. Andererseits, was muss sie sich um Armut scheren?
Manche sind in ihrer Überheblichkeit
blind geworden.
Solchen Menschen können nur
einschneidende Erlebnisse helfen.
Die Straßenlaternen flammen auf, schicken ihr warmes Licht durch den Dunst, der von den Wiesen hinter dem Dorf heran kriecht. „Wo Thor heute nur wieder bleibt?“ Immer, wenn Andrea in Abwesenheit ihres Gatten über diesen Worte verlauten lässt, gebraucht sie den Nachnamen.
Derweil spaziert er durch die Gassen des Heimatortes, in dem sie noch nicht lange wohnen. Sehr langsam sind seine Schritte. Die Augen tasten über Fassaden, als gelte es, die Gebäude zu taxieren. In Wahrheit studiert Wolf vor allem die Fenster und deren architektonische Ausführung sowie die Gardinen. Dieses Ensemble lässt oft Rückschlüsse auf die Bewohner zu. Natürlich, er kennt die Meisten hier nicht nur vom Sehen her. In erster Linie sind sie ihm aus deren eigenen Worten bekannt – über das Hier und Jetzt, nicht selten Vergangenes. Aber waren all die Worte wirklich geeignet, Auskunft über ihre Seele zu geben? Wohl kaum. Wolf glaubt, einen Weg gefunden zu haben, doch noch mehr zu ergründen, ohne neugierige Fragen.
Heute interessieren ihn also die Fenster. Die Gestaltung der Gärten inspizierte er schon vor einiger Zeit – gute Informationen, aber nicht genug. Die sogenannten Augen der Gebäude – eben die Fenster – besitzen etwas Magisches für jeden, der bereit ist, in ihnen zu lesen.
Da sind zum Beispiel die Fenster der Gretel. Der „Hänsel“ weilt längst nicht mehr unter den Lebenden. Ohnehin sind es meist die Frauen, welche über die betreffende Gestaltung vorrangig herrschen. Welcher Geist wohnt hinter diesen gläsernen Flächen? Die Gardinen – welche von sehr aufwendiger Natur – sagen ihm, hier ist keine Armut zu Hause. Der teure Stoff akkurat in Falten gehängt wie unter Verwendung eines Metermaßes. Da muss wohl alles auf das i-Tüpfelchen stimmen. Mit einer unerwarteten Äußerung wartete sie unlängst auf: Um politische Entscheidungen kümmere sie sich weiterhin nicht; noch nie gab sie sich damit ab.
Eben doch nicht alles in ihrem Dasein peinlich genau angelegt, murmelt Wolf dem Mauerwerk entgegen, dessen Weiß blendet. In der Tat, ihr geht es besser als manchen, die sich für das Wohl der Allgemeinheit aufopfern. Und da diese gerade auf diesem Feld keine Ungenauigkeit zulassen, bleibt deren Vorgarten lange unbearbeitet, noch immer voller Gestrüpp. Worüber schon mal die Nase gerümpft wird. Schau dir meinen Garten an, daran kannst du dir ein Beispiel nehmen.
Irgendwann sagt jemand auch direkt: „Du darfst mal bei dir Ordnung schaffen.“
Und wer nimmt gesellschaftliche Unordnung wahr? Wolf kann sich die Antwort geben.
Wo findet er die, welche ihn verstehen? Diesen möchte er sich anschließen, mit ihnen Gedanken austauschen. Aber es steht den Menschen nicht auf der Stirn, woher sie kommen, vor allem wohin sie wollen. Geistige Freundschaft ist besonders wertvoll. Allein, es ist schon ein hohes Gut, die unverfälschte Freundschaft eines Menschen zu genießen, der die andere ihm fremde Auffassung toleriert, ihr nicht im Wege steht. Wolf kann noch nicht einmal auf eine solche zurückgreifen. Sind seine Maßstäbe zu hoch? Doch wie weit nach unten soll man steigen, wie weit sich vom erklommenen Gipfel entfernen, um auf Menschen zu stoßen, die einem gefällig sind? Den schweren Weg zurück auf die Höhe voller Licht ginge man dann vielleicht wieder alleine. Was wäre gewonnen?
Mit diesen Gedanken verabschiedet er sich von dem Gebäude. Er sah genug.
Reichtum fällt meist schnell ins Auge. Doch wieviel Armut gibt es, die niemand sieht, niemand sehen will?
„Wir sind darüber informiert“, behaupten Politiker. Dieses Thema würde sie tatsächlich bewegen. Dieses „Bewegen“ heißt noch lange nicht, etwas entscheidend zu verbessern. Die das müssten, werden eines Tages mit einer Pension belohnt, die angestellten Arbeitern gegenüber unmoralisch hoch ist. Reden als Droge für das einfache Volk – eine Droge, die Hoffnung aufbaut, also Schweigen.
„Ich weiß selber, es ist genügend Vermögen in der Gesellschaft vorhanden, um die Ärmsten nicht noch ärmer werden zu lassen“, sprach er einmal. „Wir leben angeblich in einer menschlichen Gesellschaft. Eine bessere soll nach den Worten derer, denen es hier ausgezeichnet geht, nicht existieren. Womit alles beim Alten bleiben dürfte. Ende der Durchsage.“
Die Weisheit der weniger Vermögenden
wird verachtet.
Dabei kennen die Armen
oft das Leben am besten.
Marit kehrt in die Realität zurück. Das Taxi mit der wertvollen menschlichen Fracht holperte über einen Ast. Für sie gibt es keinen Zweifel daran, dass ihre Person von hohem Wert ist. Sie fahren durch eine Schlucht. Haben sich soeben hinter ihnen Felsen geschlossen? Wurde der Zugang zu einer unbekannten Sphäre für Ungebetene versperrt?
Es bleibt keine Zeit für weitere Gedanken. Tore öffnen sich. Ein hoher Innenhof empfängt sie. Bedienstete bringen die fremde Dame zu einer Pforte. Unter der Flut vieler Lichter geht’s eilig Stufen hinauf, bevor sie in einer Halle zum Stehen kommt, nun mit sich allein. Um sie herum kahle Wände. Die Decke suchen ihr Augen vergeblich, verliert sich diese doch in einer Höhe, die sie nicht wahrzunehmen vermag. Und doch registriert sie eine ungewohnte Erhabenheit, die von dieser leeren Halle ausgeht.
„Der Baron erwartet Sie“, eine Stimme von irgendwoher.
Es öffnet sich eine Tür, die sie als solche gar nicht wahrgenommen hat. Wie automatisch führen sie ihre Schritte in einen Raum, der sich fürs Erste als eine umfangreiche Bibliothek präsentiert, doch schon wenige Sekunden später eher einem riesigen Büro ähnelt. Die hohe Gestalt in dunklem Anzug aus feinstem Tuch löst sich von dem wuchtigen Schreibsekretär aus Ebenholz. Geht zwei Schritte und keinen weiteren auf die zu, welche soeben seinen heiligsten Raum selbstsicher betritt, als sei sie hier daheim. Das gefällt, weiß er doch schon jetzt, diese Frau ist seines Charakters und passt haargenau in diese Welt, die seit Langem die des Teufels ist. Selbst jene, die allgemein zum Teufel geschickt werden, kämen hier nie an. Dieser Ort ist dazu bestimmt, nicht an Geld arme Leute zu empfangen, sondern Menschen arm zu machen und dabei selber reicher und reicher zu werden. Nur so vermag gelingen, das man sich hier auf die Fahnen heftete. In dieser Welt werden große Räder in Bewegung gesetzt und unablässig gedreht. Der seit Ewigkeit arbeitende Mechanismus ist in Gang zu halten, welcher die Armut produziert, die unablässig ist, Auserwählte – durch wen auch immer hierfür privilegiert – vermögender werden zu lassen. Damit ist sogar in den wohlhabenden Nationen dieser Erde Armut etwas Normales und soll es bleiben. Gegenteilige Beteuerungen plus Pseudomaßnahmen gegen die Armut können nicht über all das hinweg täuschen – nicht für Menschen, die sich die Mühe machen, hinter die Kulissen zu schauen.
„Willkommen in der Gilde der wahren Geldmacher“, wird Marit begrüßt. „Wer uns ‚Vampire’ nennt, hat keine Ahnung; wir sind weit gefährlicher und schlagkräftiger als jene grausamen Blutsauger, die ebenfalls mit den Mächten des Bösen in Verbindung stehen. Gewiss, sie waren unsere Lehrmeister und sind es hier und da noch. An uns kommt niemand vorbei, der seine Seele an das Geld verpfändete und seine Macht auf finanziellen Reichtum baut oder noch zu gründen sucht. Ich sehe es Ihnen an, Sie besitzen eine Nase für die Symbiose von Geld und Macht. Sie streben nach mehr? Dann schlagen Sie ein! Sie sollen mit tätig sein zum Wohle des Großmeisters des Geldes und in Ihrem persönlichen Interesse sowieso. In Einzelheiten will ich mich jetzt nicht verlieren, die halten nur auf.“
„Das ist für mich ein Angebot, das ich nicht ausschlage“, Marits prompte Antwort. „Auch wenn mir noch keine konkreten Informationen vorliegen.“ Und greift unverzüglich zu der Feder, die ihr entgegengehalten wird, das wichtige Dokument zu unterzeichnen. Es ist leicht vergilbt, als hätte es über einen längeren Zeitraum auf diesen Augenblick warten müssen. Und tatsächlich, so wird ihr ohne Umschweife übermittelt, sei dieser Schritt ein von sehr langer Hand vorbereiteter. Man habe sie eine Ewigkeit beobachtet.
Kaum ist das getan, ertönt ein Glockenschlag, dessen dumpfes Dröhnen die Mauern dieses Reiches mehrfach zurückwerfen. Es ist ein Echo, das ihren Körper erzittern und sie fühlen lässt, eine wichtige Etappe ihres irdischen Seins erreicht zu haben. Sie fragt nicht nach weiteren Zusammenhängen in dieser Sphäre; der Zweck segnet die Mittel, und endlich ist sie angekommen, wo ihr im Gegensatz zum Bisher weit höhere Weihen zuteil werden können. Was will sie mehr? Sie hofft, im Laufe der kommenden Monate mehr in Erfahrung zu bringen über diesen auch für sie im Grunde geheimnisvollen Teil dieses Universums. Doch ist sie selber nicht ebenfalls ein geheimnisvolles Wesen? Wie auch immer, es ist für sie vorrangig, mit an dem Tisch zu sitzen, wo die Karten für ein gewaltiges Spiel gemischt werden. Über welche Wege man auf ihre Person kam, interessiert sie erst einmal kaum.
Sie wird in einen weiten Raum geführt, die Decke – hoch über ihrem Kopf verliert sich diese in einem Himmel aus unzähligen Lichtern – wird getragen von weißen marmornen Säulen, die auf einem Fußboden aus schwarzem Granit ruhen, im Zentrum ein wuchtiger Tisch, dessen Bernsteinplatte gelbbraun leuchtet. Darüber ein Lüster aus dem gleichen kostbaren Material, in dem sich die Strahlen brechen. Es herrscht eine sonderbare Stille. Noch nie wurde Marit derart bewusst, wie vornehm Stille sein kann, wie erhaben; sie macht das Wesen „Mensch“, das in diese Heiligkeit tritt, sofort zu einer sonderbaren Schöpfung, die an Erhabenheit nicht übertroffen werden kann. Nur so kann sie es sehen.
Wie primitiv hingegen jedes Alltagsgeschrei geringen Inhalts. In diesen Augenblicken spürt sie den gewaltigen Unterschied und fragt sich, was die Menschen doch alles verpassen, ist Geschrei erst zur Gewohnheit geworden; vor allem können sie alles Wahrhaftige, das noch nie in einem lauten Ton daherkam, zu ihrem Nachteil gar nicht wahrnehmen.
Hier, in dieser Atmosphäre, wird Großes vorbereitet, unabhängig davon, ob es in jedem Fall der Menschheit zum Guten gereichen wird oder nicht. Und erinnert sich: Sie erlebte noch nie Herrscher über das Geld, die sich für ewig damit zufrieden geben wollten, ihr gut behütetes Vermögen mit anderen zu teilen, schon gar nicht mit solchen geringeren Standes. Wachen in alten Volksmärchen Furcht erregende Drachen über angehäufte Reichtümer, so ersinnen heute schlaue Kapital-Fürsten aktuellere Ungeheuer. Diese erschrecken sofort Politiker, die ernsthaft einen winzigen Teil der Schätze für den Durchschnittsbürger heraus brechen möchten. So bleibt es stets bei wohlwollenden Absichtserklärungen; von wegen, man wolle das Kapital in die Schranken verweisen oder Reichtum gerechter verteilen. Es brauchen nur mal schnell ein paar konstruierte mögliche Folgen zu Monstern aufgepustet werden, schon bleibt alles wie es ist. Im Wesentlichen jedenfalls.
Das lernte Marit beizeiten. Heute darf sie eintreten in einen Tempel, in dem Heiligtümer des Weltkapitals verborgen sind und ständig durch neue ergänzt werden. Überwiegend helfen dabei undurchsichtige Konstruktionen und geheim bleibende Absprachen und Entscheidungen, nicht nur das Geld betreffend. Die Währungen sind lediglich die Räder eines Himmelsgespanns, dessen Triebwerke von einem imaginären Ofen unter Feuer gehalten werden, der alles schluckt. Hauptsache, das Gefährt jagt weiter um die Erde, stets Ausschau haltend nach neuen Reichtümern, die sogar Kriege lohnend machen.
Bevor man Marit ihrer Aufgabe zuführt, vollzieht sich Unerwartetes. Sie scheint wirklich in einer sehr sonderbaren Sphäre angekommen zu sein. Sie wird in ein Nebengelass geführt und – ohne gefragt zu werden – von einer Schneidermeisterin aufwendig eingekleidet. Dies sei ein Ritual, dem sich alle Mitglieder oder Anwärter zu unterwerfen hätten. Beste Stoffe, die ein Vermögen wert sind, sollen Wohlbefinden und Kreativität steigern helfen; es geschieht nichts Großes unter diesem Himmel, fühlt man sich nicht auch in dieser Frage außergewöhnlich gut. Letztlich würde sie schon bald an einem göttlichen Werk beteiligt sein. Sie versteht die Botschaft. Wie dem auch sei, es gibt nichts, das es nicht gibt. Diesen Spruch kennt sie, wandte ihn selber oft genug an. Darum muss sie sich auch nicht weiter wundern.
„Willkommen“, heißt es hiernach, leise aber deutlich genug. Ihr Platz ist einer zwischen ihr unbekannten Fürsten des Geldadels. Ja, sie nennen sich Fürsten. Marits Aufgabe ist an diesem Tag, die ins Auge gefassten Maßnahmen aus der Sicht von Volk und in der Politik agierenden relativ einfachen Leuten zu hinterfragen; sie verstünde nicht nur viel in Sachen Kapital, sondern hätte ja tagtäglich mit dem Durchschnittsbürger zu tun und müsse dessen tiefstes Inneres bestens kennen. Mit ihrer hohen Intelligenz und ihren Erfahrungen stünde sie weit über einem der üblichen Banker. Immerhin gelte es, selbst die geringsten Risiken auszuschalten. Kritische Bemerkungen aus ihrem Munde seien besonders wertvoll. Natürlich könne sie mit eigenen Variationen zu der ewig währenden großen Sinfonie „Göttliche Macht auf Erden“ beitragen; da sei jeder Vorschlag willkommen. Manch einer, der hier Macht verkörpert, zählt sich längst zu den Göttern.
Marit ist also eine der Auserwählten eines irdischen Daseins geworden, das als universelles Spiel funktioniert.
Hoffentlich ist auch sie nicht schon derart dem allgemeinen Leben entrückt, dass es ihr schwerfällt, sich in die Belange der Mehrheit der Menschen hineinzudenken. Nur, das behält sie lieber für sich.
„Lasst uns mit den eher einfacheren Dingen beginnen“, eröffnet jemand die Runde.
Aber was ist in diesem Leben schon einfach, denkt Marit. Am Ende will alles peinlichst genau durchdacht sein. So ist hier mit „einfacheren Dingen“ wohl nichts anderes gemeint, als das auch noch Steigerungen bevorstehen.
„Wir gingen noch vor Kurzem davon aus“, wird erläutert, „alleine mittels Steuerung der wichtigsten Währungen doch noch eine signifikante Vergrößerung des Einflusses auf die Geschicke der menschlichen Gesellschaft zu sichern. Nun, dieser Weg erweist sich gegenwärtig als zu schleppend, wenn er uns auch nie aus den Händen gleiten darf. Besser wäre es, die Völker wachten in einem riesigen Chaos auf, das sie am Ende zu jeder Diktatur Ja sagen lässt. Die Armut ist noch immer nicht groß genug. Auch wenn wir über unsere Einflussmöglichkeiten schon länger mit dafür sorgten, dass die wichtigsten Dienstleistungen und Güter des täglichen Lebens stetig teurer werden durften. Draußen sagt man: Eine Folge der freien Marktwirtschaft. Wir brauchen ein Szenario, das Regierungen dazu treibt, ihre Bürger finanziell noch mehr in die Pflicht zu nehmen. Es muss dabei den Menschen vorgegaukelt werden, es gäbe dazu keine Alternative und alles andere sei mit viel schlimmeren Härten verbunden.“
„Reicht Armut aus, um eine instabile Lage dieser Größenordnung zu produzieren?“, Marits Zwischenfrage.
„Sie müsste, ist sie nur umfassend genug“, die Antwort des vormaligen Redners, der sogleich ausholt, weitere Gedanken nachzuschieben: „Die damit einher gehende Kriminalität – anfangs ein mehr schleichender Prozess – wird von den Regierenden erst nicht deutlich wahrgenommen – wie die Praxis beweist –, dann zunehmend hingenommen, weil die Kapazitäten nicht mehr ausreichen, einer solchen Entwicklung wirksam zu begegnen. Die wirkliche Bekämpfung wird zur Nebensache in dem Maße, wie die Politik mehr und mehr mit sich selber und der Wahrung der eigenen Privilegien beschäftigt ist. Das wird zu einem Automatismus, der dem System innewohnt; selbst wenn man ihn wegdiskutieren wollte, er bleibt bestehen. Und wer will das System grundlegend ändern?“
So schraubt Marit bald mit an dem Werk, die Armut wieder einmal zu verschärfen – wie schon so oft in der Historie. Dieses Projekt wird in einer Sphäre, in welcher der Mephisto mitwirken darf, nie altmodisch.
„Ja, die verflixten Währungen“, stöhnt jemand sorgenvoll. „Man wird auch mit Leuten von uns eines Tages ins Gericht gehen wollen“, beginnt ein anderer der Runde ein weiteres Diskussionskapitel.
Die prompte Anwort: „Wir werden dann einfach mal wieder verkünden lassen, niemand habe den Zusammenbruch von Währungen in dem Maße vorhersehen können, eben wie eine Naturkatastrophe.“
„Wer kann unseren Dienern – den ‚Mächtigen‘ der politischen Bühnen – schon nachweisen, dass sie oder gar wir es waren, die dieses Unheil herbei gesteuert haben? Warum aber fiel uns niemand in die Arme, als die Schuldenberge ins Unermessliche stiegen und heimlich wie offen mehr und mehr Geld gedruckt und auf die Märkte geworfen wurde? Immerhin in Größenordnungen, die man im Interesse der Währungsstabilität hätte nie zulassen dürfen! Weil den kurzzeitigen Wohlstandsvorteil alle genossen, es den meisten Menschen im Grunde ziemlich egal war, wie wir den Wert ihres Geldes langsam untergruben. Solange sie nur ihr gewohntes einigermaßen gutes Dasein leben konnten, waren sie glücklich. Unsere Sprachrohre – das Gros wichtiger Politgrößen – plapperten unaufhörlich nach, was wir einflößten. Die Menschen glaubten sich in Sicherheit, entwarfen weiter große Pläne, nur wenige fragten nach dem Wahrheitsgehalt gefeierter Wohlstandsprognosen. Deshalb müssen wir nach wie vor darauf achten, den noch existierenden Pseudowohlstand eines größeren Teils der Bevölkerung so lange es geht zu erhalten. Der macht satt und lässt die Leute schläfrig werden. Wir brauchen diese Ruhe, um in unserem Sinne weiter die Welt zu bewegen.“
„Aber wie passt das zu dem Ziel, die Armut zu vergrößern?“, will Marit wissen.
„Eine gute Frage. Es müssen immer noch genügend Mitglieder der Gesellschaft über einen gewissen Besitzstand verfügen. So vermeiden wir, dass die Armut zu spürbar wird und sich eine Revolution entwickelt. Diese Teilung der Gesellschaft muss ausgewogen sein und ist fortwährend im Auge zu behalten. Wem es einigermaßen gut geht, der wird sich kaum überdurchschnittlich für die Armen einsetzen, bestenfalls hin und wieder ein paar Spenden aufbringen. Diese dürfen sogar dem eigenen Image dienen. Und steuerlich lassen sich solche Wohltaten auch noch geltend machen. Wer aber arm ist, dem fehlt die Kraft, gegen uns etwas Wirksames in die Wege zu leiten. All das ist ein uraltes Rezept.“
„Ich muss noch einmal fragen“, bohrt Marit weiter. „Ist es wirklich notwendig, das scharfe Schwert der totalen Geldentwertung zu führen?“
„Der Zusammenbruch der Währungen verschafft uns neue Plattformen der Macht – ungeahnte Macht –, und das in einer relativ kurzen Zeitspanne. Den Völkern wird ganz schnell jede Form der Regierung angenehm sein, wenn sie nur einen Ausweg aus dem Dilemma verspricht.“
Der Konferenz weiter beizuwohnen wird ihr erst einmal nicht zugestanden. Ein Taxi soll sie zurück bringen.
Diesmal ist es ein anderer Fahrer, der Marit in ihre bisherige Welt chauffiert.
Als sie durch den dunklen Wald fahren, den ihre Augen wiedererkennen, bricht der Herr des Gefährts sein Schweigen: „Was ich jetzt rate, das bleibt unter uns.“
Sie nickt, begierig auf Neues.
„Sie erlebten eine Sphäre, in der Sie sich zu Hause fühlen möchten“, setzt der Chauffeur das Begonnene fort. „Haben Sie schon darüber nachgedacht, ob deren Inhalt tatsächlich der Weisheit letzter Schluss sein darf? Mir ist jemand bekannt, der Ihre neuen vermeintlichen Freunde und deren Lakaien sehr gut einzuschätzen weiß und Ihnen ein Gespräch anbietet. Es soll Ihr Schaden nicht sein; möglich, Sie erfahren noch etwas mehr über Kräfte, die uns zu beherrschen suchen.“
„Ich nehme auch das an.“ Ihre Antwort kommt unverzüglich; es entspricht ihrer Art, kein interessantes Angebot auszuschlagen, ständig auf der Suche nach neuen Gewinnchancen auch geistiger Natur.
„Sind Sie bereit für eine Reise, die nicht von dieser Welt ist?“, fragt er, zugleich warnend vor möglichen Gefahren.
Sie fahren durch eine ihr unbekannte Gegend. Aber jetzt ängstlich Fragen zu stellen wäre in ihren Augen ein Ausdruck von Mutlosigkeit. Eine solche Blöße will sie sich nicht geben. Als sie anhalten, erspäht sie einen Planwagen, an dem Gegenstände baumeln, die jede Hausfrau in ihrem Haushalt braucht.
„Ich bin ein Hausierer und bin auch keiner!“, die Begrüßung durch einen alten Mann, der sich von dem Pferdegespann löst und auf die Ankömmlinge zugeht. An Marit gewandt: „Es reinigt meine Seele stets von Neuem, Personen wie Sie vor allzu großer Blindheit zu warnen, vorausgesetzt, ich kann Ihnen damit dienen und Sie wissen nicht schon alles.“
„Ich bin gespannt, welche Weisheiten Sie in Ihrem Gepäck haben“, fordert sie ihn auf, sein Wissen zu lüften.
„Also gut“, beginnt der Alte. „Erster Hinweis: Auch Fürsten des Geldes können sich irren. Unfehlbare Führer hat es noch nie in der Geschichte gegeben. Mancher behauptete nur, unfehlbar zu sein. Das war aber auch schon alles. Das heißt Vorsicht, nicht eines Tages vor lauter Begeisterung in eine Falle zu trudeln, in welcher Sie sich am Ende allein wieder finden. Mit gefangen, mit gehangen. Doch in diesem Falle wären Sie noch nicht einmal mit gefangen, sondern stünden alleine und wären das berühmte große Bauernopfer.
Und nun zu einem Teil der Politiker-Kaste: Wenn manche davon sprechen, dem Volk etwas richtig erklären zu wollen, dann meinen sie nicht wirkliche Aufklärung. Ist davon die Rede, dies und das der Öffentlichkeit gegenüber besser zu kommunizieren, heißt das nichts anderes als die Verfeinerung der Reden, den blinden Gehorsam zu steigern. Was für eine Zeit! War es je anders?
Und alles, was an Wohltaten gegenüber dem Volk realisiert werden soll, darf letztlich dem Kapital nichts kosten, muss geeignet sein, von wichtigen Fragen abzulenken. Da ist man sich auch nicht zu schade, Nebensächlichkeiten mit hohem Aufwand zu ganz großen Würfen der Regierung aufzubauschen; alle sollen ja sehen, es geschehe etwas! Neulich meinte in einer Talk-Show ein sogenannter Experte, die Bürger wollten in erster Linie Politiker, auf die sie sich verlassen können. Was für eine Phrase, denn welche Verlässlichkeit existiert denn? Sie wird gewöhnlich nur versprochen. Doch wer ist denn wirklich Herr aller Geschicke?
Aber wissen Sie, im Grunde klammert sich die Mehrheit an die vielen Gewohnheiten. Die Flexibilität überlassen sie denen, welche diese für die eigenen Interessen einsetzen auf ‚Teufel komm‘ raus‘, wie eh und je.“
Marit will weit weg. An einen Ort, an dem sie noch nicht einmal von Nachrichten erreicht wird. Kein Rundfunk, keine Presse, nichts. Noch nicht einmal Menschen, die ihr etwas zu berichten wissen. Sie muss eine Reise finden, die sie dorthin bringen kann. Es soll eine ohne Komfort werden. Abstand von allem Treiben!
Die Unternehmerin – die große Finanzexpertin – hat es sich verdient, eine wirkliche Auszeit zu nehmen. Sie wird sich dorthin begeben, wo sie fern alltäglicher Probleme dieser Welt sein kann. Auf sie warten in der Tat weder Rundfunk noch Zeitungen. Und eine Internet-Verbindung wird auch nicht vorhanden sein. Gut so, ihr Kommentar in Gedanken. So sehr sie bis jetzt alle Möglichkeiten der Wissensaufnahme und Kommunikation nutzte – dafür in befreundeten Kreisen bekannt war –, so schnell möchte sie nun all das für eine gewisse Zeit konsequent abschalten, als habe sie dies satt wie eine Bürde, die sie zu lange schon verkrümmte.
Sie meint jetzt zu wissen, sie müsse sich von der eingegangenen Medien-Abhängigkeit endlich befreien, um wieder ganz Mensch zu sein. Frei von dem Versuch anderer, ihr ständig eine fremde Meinung einhämmen zu glauben. Das ist wie ein plötzliches Atmen an frischer Luft. Vor allem kein Fernsehen! Keine Zeitungen! Wie oft erlebte sie den Trugschluss, über eine politische Talkshow oder das Konsumieren bestimmter Presseartikel unbedingt wichtige Informationen zu erfahren. Am Ende jedoch war sie nicht schlauer als vordem, hat dafür aber Geld und Zeit geopfert. Würde sie mit dieser Erkenntnis ihren Bekannten gegenüber aufwarten, sie erntete gewiss nur Unverständnis, wo es doch heutzutage angeblich ein absolutes Muss sei, sich mit all dem zu befassen, dem sie jetzt zu entfliehen sucht. Wir leiden aber weniger an fehlenden Informationen als vielmehr daran, das schon vorhandene Wissen in gutem Sinne einzusetzen, die Unmenge an Kenntnissen logisch miteinander zu verknüpfen. Das kostet einen erheblichen Aufwand, den nicht wenige scheuen, stattdessen lieber immer Neuem hinterdrein jagen. Doch all das sogenannte Neue bringt nicht ernsthaft weiter, lässt nur den Berg an Erfahrenem – oft von wenig wert – wachsen und wachsen, vermüllt zunehmend die Hirne. Im Grunde hat sie sich schon jetzt davon befreit. Nun muss sie nur noch den Vollzug beenden, an einem abseits gelegenen Ort.