Wer wir sind und wie andere uns sehen - Christoph Brechtel - E-Book

Wer wir sind und wie andere uns sehen E-Book

Christoph Brechtel

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Beschreibung

Der Autor Christoph Brechtel ist Diplompsychologe und Psychotherapeut. Er hat viele Jahre lang die psychologische Abteilung einer Fachklinik für Innere Medizin geleitet und arbeitet bis heute als Verhaltenstrainer und Management-Coach für Führungskräfte. Er beschäftigt sich vorwiegend mit Potenzial-Analysen und Persönlichkeitsentwicklung. In seinem Sachbuch "Wer wir sind und wie andere uns sehen" (2013) sind erstmals die unterschiedlichen Ansätze der Psychologie zum Thema Menschenkenntnis übersichtlich in einem einzigen Buch zusammengestellt. Es ist eine "psychologische Anleitung zur Menschenkenntnis". Es werden unter anderem die wichtigsten alltagstauglichen Persönlichkeits- und Kommunikations-Modelle anschaulich dargestellt und mit Beispielen beschrieben. Am Ende jedes Kapitels findet sich eine Kurzzusammenfassung "Was lernen wir daraus?" Darüber hinaus gibt der Autor konkrete Hinweise zur Umsetzung in die alltägliche Praxis.Die Hauptkapitel beschäftigen sich mit den Themen der Personenwahrnehmung, der Psychoanalyse, Verhaltenspsychologie, Transaktionsanalyse, NLP, sowie mit verbaler und nonverbaler Kommunikation und Metakommunikation. Es werden auch unterschiedliche Formen der Motivation, der Umgang mit Stress, Frustration, Gruppendynamik und Konflikt beschrieben. Weitere Themen sind emotionale Intelligenz, die Änderung von Einstellungen und die Gestaltung von Partnerbeziehungen.Die Zielgruppe des Sachbuches sind alle Personen, die sich für Psychologie interessieren und ihre Menschenkenntnis verbessern wollen. Die Ausführungen eignen sich für alle, die beruflich mit Menschen zu tun haben, wie z.B. Personalentwickler, Führungskräfte, Mentoren, Mediatoren, Sozialarbeiter, Pädagogen, Berater etc.Für Psychologiestudenten ist es eine gute Vorbereitung zum Studium und für alle, die sich schon auskennen, ein kurzweiliges Nachschlagewerk.Das Buch erschient im Verlag: tredition GmbH, Hamburg ISBN: 978-3-8495-7036-1

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www.tredition.de

Christoph Brechtel

Wer wir sind und wie andere uns sehen

Eine psychologische Anleitung zur Menschenkenntnis

www.tredition.de

© 2013 Dipl.-Psych. Christoph Brechtel

Autor: Christoph Brechtel

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN: 978-3-8495-7036-1

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Mein besonderer Dank für das Lektorat des Manuskriptes gilt meinen tpm-Kolleginnen Eva und Tanja Vornberger und Marianne Rockel, die mir mit vielen Hinweisen geholfen haben, die teilweise komplexen Themen übersichtlich und nachvollziehbar zu gestalten.

Inhaltsverzeichnis

Über dieses Buch:

Der erste Augenblick

Freud und das Unbewusste

Der Behaviorismus als Gegenmodell

Neurophysiologische Zusammenhänge

Die moderne Verhaltenstherapie

Lernen und Automatisierung

Transaktionsanalyse

Zurück zur Wahrnehmung von Personen

NLP

Kommunikation und Interaktion

Nonverbale Kommunikation

Der persönliche Raum

Biogenetische Unterschiede

Angeboren oder gelernt?

Beispiel eines „intuitiven Eindrucks“

Lächeln und Händeschütteln

Gesten und Sitzpositionen

Motivation

Frustration und Aggression

Stress und Burnout

Gruppendynamik

Problem und Konflikt

Kreativitätstechniken

Metakommunikation

Emotionale Intelligenz

Persönliche Kompetenzen

Soziale Kompetenzen

Einstellungsänderung

…und was ist mit Liebe?

Schlussbemerkungen

Literaturverzeichnis

Verzeichnis der Abbildungen

Über den Autor:

ÜBER DIESES BUCH:

Die Wirklichkeit ist das, was wir erleben oder uns gegenseitig erklären.

Das ist nicht objektiv und selten wissenschaftlich. Fähigkeiten von Experten dagegen bestehen darin, dass sie sich sehr detailliert um ihr Spezialgebiet kümmern und manchmal mit wichtigen Erkenntnissen unser Denken und damit unser Leben verändern können. Aber auch das ist nicht objektiv, denn jeder Wissenschaftler interpretiert seine Untersuchungsergebnisse auf der Basis seiner individuellen Einstellungen und Erfahrung. Somit können sich unterschiedliche Auslegungen von ein und demselben Sachverhalt ergeben, oder sich sogar widersprechen.

Je mehr sich unser Wissen erweitert hat, desto mehr Spezialgebiete gibt es in den wissenschaftlichen Disziplinen. Was fehlt, ist so etwas wie eine interdisziplinäre Erkenntnis, die einen Gesamtüberblick schaffen könnte, bestenfalls zum aktuellen Stand des Wissens. Ich glaube, dass heute jeder die Möglichkeit hat, das gesamte Wissen der Welt im Internet zu recherchieren. Allerdings muss man hierzu auch die richtigen Suchbegriffe eingeben! Da könnte vielleicht ein Statistiker ermitteln, wie viele Leben man dazu braucht, um das alles abzufragen. Das wäre eine Frage der Quantität. Qualität würde erst dann entstehen, wenn es gelänge, eine übersichtliche Zusammenfassung zu erstellen, die in sich schlüssig, wahr und praktisch nachvollziehbar ist. Der Versuch, komplexe Zusammenhänge radikal zu vereinfachen, resultiert aber oft in einer banalen Aussage, die entweder keinen mehr interessiert oder aber den Wunsch nach genaueren Erklärungen entstehen lässt. Dann sind wir also wieder bei den Details!

Es gibt einen Begriff, von dem Sie vielleicht schon gehört haben: die „Gesundheitsmündigkeit“. Nach einem Zitat (aus Reader’s Digest 09/13) erläutert Kristine Sørensen, Projekt-Koordinatorin des European Health Literacy Project (HLS-EU) der Universität Maastricht in den Niederlanden, den Begriff wie folgt: „Wir definieren Gesundheitsmündigkeit als die Fähigkeit, sich Zugang zu Gesundheitsinformationen zu verschaffen, sie zu verstehen, zu bewerten und im Alltag so anzuwenden, dass sich dadurch die eigene Lebensqualität verbessert.“

Das gilt auch für die Psychologie und das Thema Menschenkenntnis, worum es in diesem Buch geht. Die Psychologen, die in diesem Buch vorkommen, haben hierzu einen Beitrag geleistet. Es gibt aber eine „conditio sine qua non“, eine Bedingung, ohne die es nicht geht: man muss sich für Menschen interessieren! Wer nicht neugierig darauf ist, wie ein anderer (oder man selbst) „tickt“, der wird auch nicht genauer hinschauen oder sich Gedanken machen, so dass er nicht zu Erkenntnissen über andere (oder zur Selbsterkenntnis) kommt.

Da Sie dieses Buch lesen, gehe ich davon aus, dass Sie sich für Menschen interessieren und ihre Menschenkenntnis verbessern wollen. Um dieses systematisch zu tun, lade ich Sie ein, sich (ganz subjektiv) mit der einen oder anderen Theorie auseinanderzusetzen und -was immer Sie für richtig halten- in die Praxis umzusetzen.

Die Auswahl dieser Theorien ist natürlich ebenfalls subjektiv: sie ist geprägt von meiner 10jährigen Erfahrung als klinischer Psychotherapeut und von meiner 30jährigen Trainingserfahrung mit meinen tpm-Kollegen und der Auseinandersetzung mit den Führungskräften in unseren Seminaren. Hier spielt das Thema, Menschen richtig beurteilen und verstehen zu können eine zentrale Rolle.

Ich biete Ihnen diverse psychologische Theorien, Modelle und Zusammenhänge in hoffentlich verständlicher Form an, damit Sie diese aus Ihrer persönlichen Sicht bewerten können. Vielleicht können Sie dann Ihre Beziehung zu anderen Menschen verbessern, weil Sie manches besser verstehen und einordnen können.

Ist das ein Angebot?

Der erste Augenblick

Wie ist das, wenn Sie jemanden zum ersten Mal sehen? Was passiert da?

Nun, das erste, was Sie nach nur wenigen Sekunden wissen, ist, ob Ihnen diese Person sympathisch ist oder nicht. Na gut, „wissen“ ist zu viel gesagt, denn der sogenannte Sympathie-Effekt geschieht unbewusst. Es passiert jedoch nicht in den ganz tiefen Schichten des Unbewussten; Sie können sich daher diesen Effekt sofort ins Bewusstsein rufen, indem Sie sich fragen: „Ist mir diese Person sympathisch oder nicht?“ Diese Frage können Sie immer beantworten. Wenn Sie sie stellen! Je sympathischer Ihnen die Person ist, desto deutlicher werden Sie nur die positiven Züge wahrnehmen, je unsympathischer, desto mehr die negativen. Ihre emotionale Wahrnehmung interpretiert Ihr Urteil. Es passiert jedoch relativ selten, dass jemand so bewusst mit seiner eigenen Wahrnehmung umgeht und sie immer hinterfragt. In vielen Situationen macht das wenig Sinn, denn das „Unbewusste“ nimmt uns Arbeit ab, indem es Prozesse „automatisiert“. Das ist oft, aber nicht immer, ein Vorteil. Doch davon später.

Bleiben wir bei diesem ersten Augenblick.

Maßgebend beeinflusst wird Sympathie oder Antipathie durch:

die Physiognomie (das Aussehen des Gesichts),

einen Komplex nonverbaler Signale (vor allem Blickkontakt und Lächeln, aber auch vertraute Verhaltensweisen, die wir bei Personen, die wir bereits kennen, wahrgenommen haben),

Phantasien, die „automatisch“ in unserem Kopf entstehen oder emotionale Erfahrungen, die wir mit ähnlichen Personen einmal gemacht haben. Diese sind in der „Amygdala“ gespeichert und werden nun spontan emotional aktiviert (darüber werde ich noch ausführlich berichten).

und Pheromone. Das sind sogenannte Sexualduftstoffe, die Menschen in unterschiedlicher Dosis ausströmen. Diese werden meist unbewusst wahrgenommen.

Sympathie und Antipathie beeinflussen die Wahrnehmungsfähigkeit von Personen, nicht aber die Urteilsfähigkeit. Allerdings ist die Wahrnehmung ein Filter, der damit auf indirekte Weise die „objektive“ Urteilsbildung erschwert. Man spricht auch von „selektiver Wahrnehmung“. Bei diesem Effekt geht es um die ersten Sekunden! In der Folge können noch weitere Merkmale „selektiv“ wahrgenommen werden, wie z.B. ähnliche Interessen, ähnlicher Lebens- oder Kleidungsstil, gemeinsame Werte usw., welche die anfängliche Sympathie noch verstärken kann. Merkmale, die der Sympathie entgegenstehen, werden zunächst ausgeblendet.

Eine nachträgliche Veränderung des Sympathieurteils ist aufwändig, aber nicht unmöglich. Weniger „radikal“ ist unsere Wahrnehmung bei Antipathie: auch wenn wir jemanden nicht mögen, sind wir in der Lage, hin und wieder auch positive Merkmale zu entdecken. Dies stimmt uns in der Regel emotional aber nicht grundsätzlich um.

Diese Erkenntnisse können wir durchaus nutzen, um unsere Wirkung auf andere zu steuern. Wenn Sie selbst einen positiven ersten Eindruck hinterlassen wollen, ist es hilfreich, wenn auch Sie Ihr Gegenüber sympathisch finden und dazu beitragen, dass auch der andere Sie sympathisch finden kann. Dann ist auch der Umgang mit dem anderen leichter und natürlicher.

Positiv wirkt, wenn Sie in der Lage sind, Vertrauen zu fördern, statt als Gegner oder Konkurrent aufzutreten. Offener Blickkontakt, ein freundliches Lächeln, angenehmer Händedruck, angemessene Kleidung und ein situationsangepasstes Verhalten, das den anderen nicht irritiert; all dies ist hilfreich, wenn Sie nicht „so tun, als ob“. Vielleicht finden Sie im Gespräch auch Gemeinsamkeiten.

Natürlichkeit ist dabei allerdings der Schlüssel, denn wenn Sie etwas „vorspielen“, was Sie nicht sind, ist die Gefahr, dass dies durch Ihre Körpersprache entdeckt wird, sehr groß. Warum? Weil wir Körpersprache nicht so bewusst steuern können. Selbst gute Schauspieler müssen das lange üben.

Um eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen, geht es nicht darum, einen besseren Eindruck zu machen als alle anderen; ein guter genügt.

Und wichtig ist, dass Sie authentisch „rüber kommen“. Menschen sind in der Regel gut in der Lage, nonverbale Botschaften intuitiv zu deuten. Viele können sich auf ihr „Bauchgefühl“ verlassen, ohne dass sie dies logisch erklären könnten.

Wenn Ihnen jemand gegenüber besonders freundlich und zugewandt auftritt, dies aber nicht „echt“ auf Sie wirkt, erkennen Sie das und werden misstrauisch. Vertrauen wird gefördert, wenn wir ein Verhalten als „stimmig“ empfinden.

Ein Beispiel ist der „typische Verkäufer“, der sich nur freundlich und zugewandt verhält, weil er Ihnen etwas verkaufen will (eine Ware, eine Versicherung, eine Geldanlage). Die Wertschätzung, die dieses Verhalten vermitteln könnte, wirkt aber nun nicht wirklich glaubwürdig auf Sie. Ihr „Bauchgefühl“ meldet sich!

Positive Wirkung hinterlassen Verkäufer, die sich wirklich für die Person des Kunden und seine Wünsche und Neigungen interessieren und dann das Produkt anbieten, das zu ihm passt. Und nicht das, was die meiste Provision einbringt. Oder aber er ehrlich einräumt, dass er das entsprechende Produkt nicht hat, anstatt eines „aufzuschwätzen“, mit dem der Kunde dann doch nicht zufrieden ist. Ehrlichkeit schafft Vertrauen, aber nur wenige glauben an den „ehrlichen“ Verkäufer. Woran liegt das?

Da sind wir beim Thema „Vorurteile“. Auch diese beeinflussen unsere Wahrnehmung, noch bevor wir jemanden besser kennengelernt haben. Vorurteile sind typisierende Bilder. Sie entstehen häufig entweder aus dem, was manche ihre „Lebenserfahrung“ nennen, oder weil sie ungeprüft Urteile anderer übernehmen.

Vorurteile sind im täglichen Leben überall präsent, zum Beispiel gegenüber Berufsgruppen (Beamte, Politiker, Steuerfahnder, Lehrer, Psychologen) oder Abstammung (Ausländer, oder innerhalb Deutschlands die Landeszugehörigkeit: Badener oder Schwaben, Bayern oder Norddeutsche etc.), Religion (Islamisten, Buddhisten, Mormonen), Schichtzugehörigkeit oder auch die weit verbreiteten Frau-Mann-Vorurteile. Auch genetische Merkmale, wie das äußere Erscheinungsbild (zusammengewachsene Augenbrauen, Körperbau) und vieles andere mehr.

Man hat einmal schlechte oder gute Erfahrungen mit jemandem gemacht und generalisiert dies auf alle Personen, die ähnliche Merkmale zeigen. Ein guter Freund hat uns über jemanden Schlechtes berichtet, oder uns sind Gerüchte bekannt, und schon sind wir voreingenommen. Die Wirkung von Vorurteilen wird umso stärker, je öfter sie bestätigt werden, wenn auch manchmal nur in unserer Phantasie oder in Aussagen von Autoritäten. Man spricht von einer „sich selbst erfüllenden Prophezeiung“, das heißt, dass wir glauben, vorhersehen zu können, was passieren wird, und dann tatsächlich nur selektiv wahrnehmen, was diese Vorahnung auch bestätigt: denn Realität ist das, was wir erleben, oder wie wir es interpretieren.

Das, was wir wahrnehmen, bestimmt unsere Wirklichkeit. Die Wahrnehmung setzt sich sowohl aus bewusstem Erleben als auch aus unbewussten Einflüssen zusammen. Vom Begriff der „Objektivität“ haben sich Wissenschaftstheoretiker schon lange verabschiedet. In den letzten Jahren erfahren wir zwar viel über das menschliche Verhalten durch die Erkenntnisse der Hirnforschung. Diese Forschung hat sich (wie viele Bereiche in der modernen Medizin) durch den Einsatz modernster Technologien extrem weiter entwickelt.

Dennoch werden die Ergebnisse dadurch nicht objektiver, denn kein Wissenschaftler kann sich dagegen wehren, dass auch er selbst seine Forschungsergebnisse subjektiv deutet. Alle sich ergebenden Fakten können je nach Ausbildung und Einstellung tendenziell unterschiedlich interpretiert werden. So ergeben sich auch im Lager der Hirnforscher unterschiedliche Meinungen. Die einen behaupten, dass wir den Cortex, unser Denken, nur dazu benutzen, Entscheidungen vor uns selbst zu begründen, die das Unbewusste schon längst getroffen hat. Die anderen behaupten, dass der Cortex maßgeblich an der Entscheidungsvorbereitung beteiligt ist, und die jeweilige Entscheidung dann spontan auftritt wenn sie „reif“ ist. Das sind schon grundsätzlich unterschiedliche Positionen.

In der Psychologie gibt es schon seit vielen Jahrzehnten die Auseinandersetzung, was im menschlichen Verhalten genetisch geprägt ist, oder auf der Basis von Lernprozessen erarbeitet wird. Es ist wohl immer eine Mischung, sonst würde ja Lernen oder das Sammeln von Erfahrungen keinen Sinn machen. Der vermutete Ausprägungsgrad der beiden Einflussfaktoren schwankt aber je nach psychologischem Modell oder Theorie zwischen 20% und 80% auf beiden Seiten!

Was lernen wir daraus?

Es gibt kein objektives Bild über andere Personen

Unsere Wahrnehmung ist selektiv und hängt von unserer Lerngeschichte ab

Bewusste und unbewusste Prozesse spielen eine wichtige Rolle

Wir können unsere Wirkung auf andere in gewissen Grenzen auch selbst beeinflussen

Ein authentischer Eindruck entsteht, wenn Ausdrucksweise, Verhalten und Körpersprache als „stimmig“ empfunden werden

Der erste Eindruck kann richtig oder falsch sein. Wichtig ist es, sich bewusst zu machen, wodurch dieser Eindruck bei uns entstanden ist

…es lohnt sich also mehr zu erfahren, was unser Verhalten beeinflusst. Deshalb erst einmal ein Exkurs über psychologische Zusammenhänge in unterschiedlichen Modellen.

Die Auswahl der psychologischen Erklärungsmodelle, die ich Ihnen im Folgenden darstellen will, gehen von teilweise völlig unterschiedlichen Ansätzen aus und sind auch geprägt von den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ihrer Zeit und dem damaligen Stand der Wissenschaft. Dennoch finden sich bemerkenswerte Parallelen und Zusammenhänge, die das Verhalten von Menschen verständlicher machen.

FREUD UND DAS UNBEWUSSTE

Der Begriff „das Unbewusste“ (umgangssprachlich wird auch von dem „Unterbewusstsein“ gesprochen) stammt von einem der wohl bekanntesten Psychoanalytiker der Welt, der die Psychoanalyse selbst erfunden hat: Sigmund Freud (1856 - 1939).

Freud entwickelte ein Schichtenmodell der Persönlichkeit, das er aufteilte in das „Über-Ich“, das „Ich“ und das „Es“. Dabei definierte er das „Über-Ich“ als das Bewusstsein und das „Es“ als das Unbewusste. Das „Ich“ ist ein Konstrukt, das zwischen dem Bewusstsein und dem Unbewussten vermittelt.

Abbildung 1 Strukturmodell

Das „Über-Ich“ beheimatet die Vernunft und die Moral. Das Denken im Sinne von logischem Schlussfolgern, das Problemlösen, die Einsicht, die Bildung und das Wissen. Hier spielen auch Religion, Phantasie, Lebensziele, soziale Regeln und Ordnung eine wichtige Rolle. „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut!“ sagte einmal Goethe in seinem Gedicht „Das Göttliche“.

Aber was ist gut?

Im „Über-Ich“ ist alles gespeichert, was wir von unseren Eltern, Lehrern, Vorbildern etc. gelernt haben, wie wir denn sein sollen oder auch sein wollen. Die Auseinandersetzung mit der Realität ist da manchmal konfliktvoll. Im „Ich“ entstehen immer mal wieder Zweifel, ob das, was man uns gelehrt hat, auch für uns selbst das Richtige ist. Wenn das „Über-Ich“ sehr mächtig ist, findet kaum mehr eine Veränderung statt. Das „Ich“, das immer im Hier und Jetzt lebt, und sich mit der erlebten Wirklichkeit auseinander setzt, muss hier korrigierend eingreifen, wenn sich eine individuelle Persönlichkeit entwickeln soll.

Das „Es“ (umgangssprachlich auch: der „innere Schweinehund“) steht für die triebhaften Impulse, die sich kaum um die Moral bzw. das „Richtig“ oder „Falsch“ kümmern. Dem „Es“ geht es ausschließlich um die sofortige Befriedigung seiner Bedürfnisse. Und es wird wütend, wenn das nicht geschieht. Wer Kinder hat, weiß, was ich meine. In den frühen Entwicklungsjahren muss das „Ich“ erst lernen, dass nicht alles sofort erreicht werden kann. Im „Es“ sitzt auch nach Freuds Ansicht das „Unbewusste“, das es zu zähmen gilt, welches aber auch -durch das oben beschriebene „Bauchgefühl“- Entscheidungen spontan beeinflussen kann. Zum Vor- oder Nachteil des „Ich“. „Den Drachen zähmen und reiten lernen“, so nennen es die Asiaten.

Freud spricht von „Ich-Stärke“, wenn es dem „Ich“ gelingt, den Ausgleich zu schaffen zwischen den Ansprüchen des „Über-Ich“ und den Antrieben des „Es“. Wenn dieses Gleichgewicht nicht gelingt, wenn zum Beispiel das „Ich“ vom „Über-Ich“ gesteuert wird, spricht Freud von Neurosen (zum Beispiel Waschzwang); wenn das „Ich“ vom „Es“ überwältigt wird, dann spricht er von Psychosen (z.B. Schizophrenie). Der Unterschied besteht darin, dass sich ein Neurotiker seiner Störung bewusst ist und darunter leidet; der Psychotiker dagegen glaubt, dass alle anderen gestört sind, er aber nicht. Psychotiker gibt es auch viele; nicht nur die, die in „Anstalten“ festgehalten werden. Manche sitzen in leitenden Positionen in Unternehmen.

Freud nutzt diese Unterscheidung, um über die Wirksamkeit der Psychoanalyse entscheiden zu können. Der Neurotiker, der mit einem erheblichen Leidensdruck in die Sprechstunde kommt, sei der Psychoanalyse zugänglicher, als ein Psychotiker oder Psychopath, der wohl freiwillig auch nicht in der Sprechstunde auftaucht.

Freud hat das Unbewusste nicht erfunden. Bereits die antiken griechischen Philosophen wussten schon, dass das menschliche Verhalten nicht nur durch Vernunft gesteuert ist.

Freuds These erregt zu seiner Zeit bei seinen Kollegen, Wissenschaftlern und Philosophen starken Widerspruch. Vor allem, weil er fast alle psychischen Störungen auf „frustrierte Sexualität“ zurückführt.

Albert Ellis (1913-2007), der Begründer der „Rational-Emotiven Verhaltenstherapie“, beschäftigte sich in seinem New Yorker Institut unter anderem ausführlich mit der Sexualität des Menschen. Er machte über Freud im Rahmen eines Psychotherapiekongresses die launische Bemerkung: „Wer so wenig Sex in seinem Leben hat, der sollte nicht so viel darüber reden!“ Im Gegensatz zu Freud ging Ellis sehr unverkrampft mit dem Thema Sexualität um. So stellte er seine neue Mitarbeiterin Lonnie Barbach als „My girl!“ vor! Das ist jedoch nicht sexistisch gemeint. Im Amerikanischen drückt man damit Stolz und Bewunderung aus. „My girl!“ heißt sowas wie: schaut her, was ich für eine tolle Tochter, Ehefrau oder eben Mitarbeiterin habe! Sie gab 1980 ein Buch heraus, das auch in Deutschland zu einem Bestseller wurde. Der Titel: „Der einzige Weg, Oliven zu essen und andere intime Geständnisse.“ Dabei handelte es sich ausschließlich um sexuelle Fantasien von Frauen. Von dieser Lockerheit waren Freud und sein Zeitalter noch weit entfernt.

Die gesellschaftlichen Konventionen seiner Zeit prägen auch Freuds Denken: so ist für ihn z.B. Homosexualität eine sexuelle Störung. Von ihm stammt auch der Begriff „Penisneid“. Er glaubt, dass Frauen sich minderwertig fühlen, weil sie keinen Penis haben. In der Tat fühlten sich die Frauen der damaligen Zeit gesellschaftlich benachteiligt, weil sie nur selten eine einflussreiche Position einnehmen konnten. Männern fiel dies leichter. Wenn man den Penis als ein Machtsymbol sieht, dann könnte man diesen Begriff als eine Metapher ansehen. Dass er diese gesellschaftspolitische Situation auf den Penis reduzierte, nahmen ihm einige übel. Ein weiterer Irrtum findet sich in seinen Schriften über das Kokain. Freud leidet in späteren Jahren an Kieferkrebs. Morphium soll ihm die Schmerzen nehmen, aber der Arzt Freud weiß um die Nebenwirkungen und bevorzugt daher das Kokain, weil er glaubt, dass Kokain keine Nebenwirkungen habe.

Die „traditionellen“ illegalen Drogen wie z.B. Kokain, Opium, Diacetylmorphin (auch als Heroin bekannt), LSD (Lysergsäurediethylamid) oder Cannabis (Haschisch, Marihuana) sind natürlich nicht nebenwirkungsfrei. Genauso wenig wie die „legalen“ Drogen, wie z.B. Schmerzmittel, Methadon, Alkohol und Nikotin. Alle können süchtig machen. Nichts macht schneller süchtig als Heroin, aber alle Drogen sind mehr oder weniger gefährlich. Allerdings gibt es deutliche Unterschiede zwischen Morphium und Aspirin oder zwischen Haschisch und Crack. Auch illegale Drogen können entzündungshemmend, stimmungsaufhellend und entspannend wirken. Cannabis wird in Holland z.B. nicht kriminalisiert, auch in Deutschland führt der Besitz „privater“ Mengen nicht zu einer Verhaftung. In Colorado hat sich eine ganze Industrie darauf vorbereitet, dass Personen mit einem „Patient-ID“ Cannabis in mannigfaltigen Stärke- und Qualitätsgraden in sogenannten „Dispensaries“ kaufen können. Auf Rezept eines Arztes. Harmlos ist dadurch Drogenkonsum immer noch nicht. Der US-Präsident könnte das jederzeit wieder rückgängig machen. Aber andererseits geht es um einen großen Markt, der auf diese Weise besser kontrolliert werden kann.

Und nicht zu vergessen: es gibt auch körpereigene Drogen, Neurotransmitter oder Hormone, die der Körper selbst herstellt, wie z.B. Adrenalin, Testosteron, Oxitocin, Dopamin und Endorphin, um nur einige zu nennen, die unser Verhalten beeinflussen. Auch danach kann man süchtig werden. Sie kennen doch den Begriff „Adrenalin-Kick“, oder den „Macho“, dessen Testosteron zu verstärkter Sexualität führt, oder den Belohnungseffekt durch das Dopamin, das die Leidenschaft unseres Tuns verstärkt. Sicher haben Sie auch schon von ehrgeizigen Marathonläufern gehört, die durch ihren Endorphin- Spiegel dazu gezwungen sind, regelmäßig zu laufen, auch wenn ihnen danach gerade nicht zumute ist. Das ist nicht das „unbewusst Triebhafte“, wie Freud es verstand, sondern eine physische Reaktion, eine Drüsensekretion, so wie es die Behavioristen (siehe nächstes Kapitel) sahen.

Das gebildete Publikum der damaligen Zeit in Wien (wo Freud praktizierte) und später in ganz Europa, nimmt alles Neue und Aufregende bereitwillig auf. Es ist die Zeit der 20er Jahre und die Jahre zwischen den beiden Weltkriegen. Da ist Lebensfreude angesagt! Der Charleston, der „verrückte“ amerikanische Gesellschaftstanz, ist sehr populär. Das Grab des ägyptischen Pharaos Tut-Ench-Amun wird von Howard Carter 1922 entdeckt und ist die wichtigste archäologische Sensation des Jahrhunderts. Auch Freud selbst ist davon fasziniert, sein Arbeitszimmer ist voller ägyptischer Artefakte. In der Kunst kommt der Jugendstil (z.B. Gustav Klimt) auf und der Surrealismus (z.B. Salvatore Dali) bildet sich aus den Elementen des Dadaismus. Mythologie ist absolut cool und in. Freuds Traumdeutung und das öffentliche Ansprechen von Sexualität passen genau in diese „wilde Zeit“ hinein und fällt auf fruchtbaren Boden. Die Zeit ist reif für die Psychoanalyse.

Obwohl Freud Mediziner war, beschäftigte er sich mit dem Menschen eher philosophisch, indem er nachdachte, sich einfühlte und tiefenpsychologische Theorien entwickelte. Dabei blieb er immer nah am Menschen und an deren Alltag. Auch in seiner Sprache. Viele seiner Schriften sind sogar amüsant, z.B. „Zur Psychopathologie des Alltagslebens“. Die nachwachsende Generation der wissenschaftlich orientierten Psychologen arbeitet eher wie Chemiker, Physiker oder Pharmakologen. Die Erkenntnisse der Verhaltenspsychologie entstammen wissenschaftlichen Experimenten mit Mäusen, Ratten,

Hunden und Tauben. Erst danach waren die Menschen selbst Subjekte von Versuchsreihen.

Was lernen wir daraus?

Freuds Psychoanalyse war für die damalige Zeit ein völlig neuer, revolutionärer Ansatz, sich mit menschlichem Verhalten auseinander zu setzen

Psychoanalyse beschäftigt sich mit der Aufdeckung des Unbewussten

Die Persönlichkeit wird aufgeteilt in das Über-Ich, das Ich und das Es

Wenn wir uns selbst oder andere einschätzen wollen, sollten wir berücksichtigen, dass sich unser Verhalten aus moralischen Haltungen und Werten, die wir -teilweise schon sehr früh- von anderen gelernt haben, aus der eigenen bewussten Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit, und aus einem großen Teil unbewusster Antriebe zusammensetzt

DER BEHAVIORISMUS ALS GEGENMODELL

Freud hatte zwar seine Anhänger in der Ärzteschaft (zum Beispiel Adler oder Jung), er sah sich aber auch konfrontiert mit der aufkeimenden Gegenbewegung der sogenannten Behavioristen aus den USA, die sich auf John Broadus Watson (1878 - 1958) beriefen, der -wenn man es in einem provokativen Satz zusammenfassen will- die These vertrat: „Menschliches Verhalten besteht in Muskelkontraktion und Drüsensekretion. Alles andere ist Phantasie!“

Watson kannte natürlich die Experimente des russischen Physiologen Iwan Petrowitsch Pawlow (1849-1936), den sogenannten pawlowschen Hund. Seine empirischen Forschungen bezogen sich auf den Zusammenhang von Speichelfluss und Verdauung von Zwingerhunden. Er beobachtete, dass schon die Schritte des Besitzers bei den Hunden Speichelfluss auslösten, obwohl noch kein Futter zu sehen war. Das Geräusch war also ein Stimulus, der diese Reaktion auslöste. Er überprüfte diese Hypothese durch sein berühmt gewordenes Experiment: auf das Zeigen von Futter erfolgt Speichelfluss. Auf einen Glockenton folgt nichts. Wenn aber beides in mehreren Wiederholungen zusammen auftritt, dann reagieren die Hunde allein auf den Ton, auch wenn kein Futter gereicht wird. Es wirkt also etwas, was eigentlich keine Wirkung haben sollte. Dieses Phänomen nannte er „Konditionierung“ (man könnte es auch „Dressur“ nennen). Pawlow war auch der erste, der 1927 die Wirkung von „Placebos“ (lateinisch- „ich werde gefallen“. So bezeichnet man „Medikamente“, die nachweislich keine Wirkung haben können) entdeckte. Er behandelte einen Hund, der jedes Mal, nachdem er ihm eine Injektion mit Morphium verabreichte, sich übergeben musste. Das tat er allerdings auch dann, wenn er ihm lediglich eine Kochsalzlösung, also ein „Medikament“, das keine Wirkung hat, gab. Auch hier wirkte die Konditionierung.

Diese Erforschung eines Reiz-Reaktions-Musters findet sich auch in Watsons Modell. Er benötigt hierzu keine Theorie über das Unbewusste; einfache Experimente führen zu Ergebnissen, die man allerdings auch richtig auswerten muss…

Das „Unbewusste“ wurde lange Zeit als philosophischer Unsinn abgetan. Watson stellt dem Strukturmodell Freuds sein eher technisches Stimulus- Response-Modell (Reiz- Reaktionsmodell) entgegen, welches man auch als eine der ersten Programmierungsanleitungen für Computer und künstliche Intelligenz ansehen könnte. Es besagt, dass ein bestimmter Reiz (Stimulus), der auf den Organismus trifft, zu einer entsprechenden Reaktion (Response) führt und das Ergebnis dieser Reaktion (wiederholter Erfolg oder Misserfolg) zum Erlernen oder Löschen von Verhaltensweisen führt. Diese These wird durch einfache Experimente immer wieder bestätigt und führt zu einer differenzierten Weiterentwicklung des Modells, die ich hier stark vereinfacht für Sie darstellen möchte.

Abbildung 2 SORCK-Modell

Das Zentrum des Reiz-Reaktionsmodells ist so etwas wie eine „Black Box“, also ein eckiger, schwarzer Kasten (Computer?), von dem man nicht weiß, was da alles drin ist. So definiert Watson ganz bewusst den Organismus, weil es ihn (im Gegensatz zu Freud) gar nicht interessierte, darüber zu spekulieren, was dieser dunkle Kasten beherbergen könnte. Ihm war es wichtig, zu klären, was passiert, wenn er etwas „eingibt“, einen Reiz, einen „Input“. Er analysiert die Reaktion, den „Output“ und zieht seine Schlüsse daraus. Die Erforschung von Persönlichkeit steht hier weniger im Vordergrund, als ein experimenteller Vorgang im Sinne von „was passiert, wenn ich etwas verändere?“.

Es geht also um die Frage: Wie lässt sich Verhalten konditionieren bzw. erlernen?

Watson stellt -zunächst in Ratten-Experimenten, dann an Menschen- fest, dass sich die Reaktion, das Verhalten stabilisiert, wenn es in der Konsequenz erfolgreich war und gelöscht wird, wenn es zu nichts führte. Diese „Konsequenz“ bezeichnet er als positive oder negative „Verstärker“. Es stellt weiterhin fest, dass diese Verstärker nicht immer gegeben werden müssen („Kontingenz“), sondern es genügt offenbar, dies (z.B. Lob oder Tadel) nur hin und wieder zu geben. Watsons Experimente ergeben viele neue Erkenntnisse zum Beispiel darüber, wie Lernen funktioniert. Aber auch andere Wissenschaftszweige profitierten von diesem Modell.

Burrhus Frederic Skinner (1904-1990) wird zum prominentesten Vertreter des Behaviorismus. Er wird 2002 in der Fachzeitschrift Review of General Psychology als der bedeutendste Psychologe des 20. Jahrhunderts bezeichnet. Noch vor Freud! Er prägt den Begriff „operante Konditionierung“ und erfindet das „programmierte Lernen“, eine logische Konsequenz des Modells von Watson. Um es kurz zu fassen: er bringt Tauben bei, verschiedene Knöpfe und Hebel in einem Käfig (später „Skinner-Box“ genannt) zu drücken, um bestimmte Ziele zu erreichen. Diese „Dressurleistung“ wurde durch Belohnung (z.B. Futter) „konditioniert“. 1944 bewirbt er sich um ein streng geheimes militärisches Projekt. Im zweiten Weltkrieg haben die Deutschen bereits ferngesteuerte Bomben entwickelt (V2-Raketen, die man noch während des Fluges steuern kann) und setzen sie gegen Ziele in England ein. Skinner plant, jeder amerikanischen Rakete eine dressierte Taube bei zugesellen, deren Pickbewegungen die Fernraketen auf Kurs halten sollten. Man entschied sich aber dann doch für radargestützte Systeme. Tauben bleiben aber auch weiterhin seine Modellorganismen für Verhaltensstudien. Skinner betätigte sich auch als Romanschriftsteller. Er verfasste den weltweit beachteten utopischen Roman „Walden Two“ (im Deutschen als „Futurum Zwei“ bekannt).

Ein weiterer Freud-Kritiker und überzeugter Verhaltenspsychologe ist Hans Jürgen Eysenck (1916- 1997), der sich mit der Erforschung der Intelligenz und der Persönlichkeit beschäftigte. Er beschrieb den Menschen aufgrund der unterschiedlichen Ausprägungen der (klinischen) Dimensionen Introversion-Extraversion und Labilität-Stabilität. Später nahm er dann noch das Merkmal Psychotizismus dazu. Damit knüpft er an die „Lehre von den Temperamenten“ an, die auf den antiken Arzt Galenos zurückgeht. Da wird der Mensch in vier „Grundpersönlichkeiten“ eingeteilt: Choleriker, Melancholiker, Phlegmatiker und Sanguiniker. Die Bezeichnungen beziehen sich auf die damals aktuelle Lehre der vier „Körpersäfte“: die gelbe Galle (cholé), die schwarze Galle (melas cholé), Schleim (phlegma) und Blut (sanguis).

Eysenck verband seine Theorie auch mit physiologischen Prozessen, aber nicht mit den „Körpersäften“, sondern mit dem Erregungsprozess des Gehirns. In der Weiterentwicklung seines Ansatzes entstand das zur Zeit bewährteste Fünf-Faktoren-Modell der Persönlichkeit („Big Five“), das ich im Folgenden kurz beschreibe.

Diese Faktoren sind:

•    Offenheit für Erfahrungen

Dieser Faktor beschreibt das Interesse an neuen Erfahrungen und Erlebnissen. Personen mit hohen Offenheitswerten sind breit interessiert, phantasievoll, wissbegierig und oft unkonventionell. Bei niedrigen Werten sind sie konventionell und eher einseitig interessiert, verlassen sich also auf ihre „Routinen“.

•    Gewissenhaftigkeit

Personen mit hohen Werten sind gut organisiert, zuverlässig, effektiv und überlegt. In geringer Ausprägung sind sie unordentlich, sorglos, unzuverlässig und leichtsinnig.

•    Introversion-Extraversion

Diese Dimension beschreibt die Aktivität in der zwischenmenschlichen Kommunikation. Introvertierte (=in sich gekehrte) Personen halten sich in Gesprächen zurück, sind gerne allein und verschlossen, während extravertierte (=nach außen gekehrte) Personen gesellig, gesprächig und personenorientiert sind.

•    Verträglichkeit

Diese Dimension hat viel mit Einfühlsamkeit (Empathie) zu tun. „Verträgliche“ Personen sind hilfsbereit, vertrauensvoll, kooperativ und nachgiebig. Personen mit niedrigen Werten sind eher egoistisch, misstrauisch und kämpfen für ihre eigenen Ziele.

•    Neurotizismus

Von einigen Autoren wird dies auch als „emotionale Labilität“ beschrieben. Der Gegenpol wäre emotionale Stabilität oder Ich-Stärke. Bei einer hohen Ausprägung handelt es sich um Personen, die angespannt, ängstlich, reizbar, unsicher und stressgefährdet sind. Bei niedriger Ausprägungen sind diese Personen eher ruhig, zufrieden, entspannt und sicher.

Diese Faktoren sind verhaltenspsychologische Persönlichkeits-Merkmale oder -Dimensionen, die man in viele Unterkriterien aufteilen und auf einer Skala messen kann. Auf der Basis des Fünf-Faktoren- Modells