Wider den globalen Kapitalismus - Alain Badiou - E-Book

Wider den globalen Kapitalismus E-Book

Alain Badiou

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Beschreibung

Die westliche Welt ist verunsichert wie schon lange nicht mehr. Die Novembermorde von Paris stellen unser eurozentrisches Selbstverständnis radikal auf die Probe. Alain Badiou stellt entscheidende Fragen: Wie konnte es zu den Gewaltexzessen kommen? Wie können westliche Gesellschaften darauf reagieren und dennoch liberale Rechtsstaaten bleiben? Kann es sein, dass fast die ganze Welt längst von einer totalitären, kapitalistischen Logik unterminiert ist – und sich gerade dadurch Gesellschaften radikalisieren? Fest steht: Mehr Polizei wird dieses Problem genauso wenig lösen wie der Rückzug auf nationale Identitätskonzepte. Stattdessen fordert Badiou, dass wir dem globalen Kapitalismus entgegentreten: mit einem neuen politischen Denken, das die herkömmlichen politischen Strukturen überwindet und in eine moderne Form des Kommunismus mündet.

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Das Buch

Die westliche Welt ist verunsichert wie schon lange nicht mehr. Die Novembermorde von Paris erschüttern unser eurozentrisches Selbstverständnis. Alain Badiou stellt entscheidende Fragen: Wie konnte es zu den Gewaltexzessen kommen? Wie können westliche Gesellschaften darauf reagieren und dennoch liberale Rechtsstaaten bleiben? Erfüllt der Staat überhaupt noch seine Funktion? Kann es sein, dass fast die ganze Welt von einer totalitären, kapitalistischen Logik unterminiert ist – und Gesellschaften dadurch einen neuen Typus von Faschismus generieren, der unter anderem solche Gräueltaten ermöglicht?

Fest steht: Mehr Polizei wird dieses Problem genauso wenig lösen wie der Rückzug auf nationale Identitätskonzepte. Stattdessen fordert Badiou, dass wir dem globalen Kapitalismus entgegentreten: mit einem neuen politischen Denken, das die herkömmlichen politischen Strukturen überwindet und in eine moderne Form des Kommunismus mündet.

Der Autor

Alain Badiou, geboren 1937 in Rabat, Marokko, ist Philosoph, Mathematiker, Dramaturg und Romancier. Er lehrte unter anderem an der Pariser Universität Paris VIII, an der École normale supérieure (ENS) und am Collège international de philosophie. Heute hat er den Descartes-Chair an der European Graduate School inne. Badiou lieferte wichtige Beiträge zur Psychoanalyse, zum wissenschaftlichen Marxismus und zur Kulturkritik. 1985 war er Mitbegründer der Bürgerrechtsorganisation »Organisation politique«.

ALAIN BADIOU

WIDER DEN GLOBALEN KAPITALISMUS

FÜR EIN NEUES DENKEN IN DER POLITIK NACH DEN MORDEN VON PARIS

Aus dem Französischen von Caroline Gutberlet

Ullstein

Der Originaltitel des Textes lautet:

Notre mal vient de plus loin. Penser les tueries du 13 novembre.

Dieser Text ist die Mitschrift eines Vortrags, den Alain Badiou am 23. November 2015 im Théâtre de la Commune in Aubervilliers gehalten hat. Der Autor dankt der Leiterin des Theaters Marie-José Malis für ihre spontane Zusage und ihren Mitarbeitern für den freundlichen Empfang.

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ISBN 978-3-8437-1346-7

© 2016 für die deutsche Ausgabe Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin

© 2016 Alain Badiou

© 2016 Librairie Arthème Fayard

Umschlaggestaltung: Sabine Wimmer, Berlin

Umschlagfoto: © privat

E-Book: LVD GmbH, Berlin

Alle Rechte vorbehalten.

Vorbemerkung

Ich möchte heute darüber sprechen, was am Freitag, dem 13. November passiert ist, darüber, was uns passiert ist, was dieser Stadt, was diesem Land und letztlich auch dieser Welt passiert ist.

Zunächst möchte ich auf die Geisteshaltung zu sprechen kommen, die wir, so denke ich, einnehmen sollten, wenn wir über eine so schreckliche Tragödie sprechen; denn in solchen Situationen ist natürlich der Affekt, die emotionale Reaktion – wie wir alle wissen und wie uns die Presse und die staatlichen Verantwortungsträger auf gefährliche Weise einschärfen – unvermeidlich und in gewisser Weise auch notwendig. Es gibt eine Art Trauma, das Gefühl einer unerhörten Ausnahmesituation, die den gewohnten Gang des Lebens unterbricht, die Unerträglichkeit des Todes, der plötzlich zuschlägt. Diesem Gefühl kann sich niemand entziehen, es ist nicht zu kontrollieren und auch nicht zu beanstanden.

Trotzdem müssen wir wissen – und das ist mein Ausgangspunkt dafür, um einzubeziehen, was ich Geisteshaltung nenne –, dass uns unter solchen tragischen Umständen die unvermeidlichen Affekte mehreren Gefahren aussetzen. Auf diese Gefahren möchte ich eingehen, bevor ich meine Vorgehensweise darlege.

Ich sehe uns mit drei Hauptgefahren konfrontiert, wenn nach diesem Drama Trauma und Affekt die Oberhand gewönnen.

Erstens, wir lassen zu, dass der Staat sinnlose und inakzeptable Maßnahmen ergreift, die in Wirklichkeit nur zu seinem eigenen Nutzen gereichen. Der Staat rückt jäh ins Rampenlicht und findet vorübergehend zu seiner Funktion der symbolischen Repräsentation, als Garant der nationalen Einheit und anderen ähnlichen Attitüden zurück – oder glaubt dies zumindest. Das wiederum lässt uns, wie ich später noch ausführen werde, bei den Regierenden eine ziemlich makabre, doch offenkundige Freude an dieser von Verbrechen geprägten Stimmungslage wahrnehmen. Dennoch gilt es, in dieser Situation Maß zu halten. Bei allem, was getan und gesagt wird, dürfen wir die Fähigkeit nicht verlieren, genau abzuwägen, was unumgänglich oder notwendig und was sinnlos oder inakzeptabel ist. Das ist in meinen Augen die erste Vorsichtsmaßnahme: Es gilt, Maß zu halten angesichts der, ich sage es noch einmal, Unvermeidlichkeit und Notwendigkeit der Affekte.

Die zweite Gefahr bei dieser Dominanz des Emotionalen, so möchte ich es nennen, besteht darin, dass der Trieb nach Identität stärker wird. Auch das ist ein ganz natürlicher Vorgang. Wenn ein Angehöriger bei einem Unfall ums Leben kommt, dann ist es selbstverständlich, dass die Familie sich versammelt, enger zusammenrückt und in einem gewissen Sinne auch stärker wird. In diesen Tagen versichert man uns, ja man sagt uns immer und immer wieder mit der Trikolore in der Hand, dass ein entsetzliches Massaker auf französischem Boden das Nationalgefühl nur stärken kann. Als würde dieses Trauma automatisch auf eine Identität verweisen. Mithin werden die Worte français und France allerseits so ausgesprochen, als wären sie ein selbstverständlicher Teil dieser Angelegenheit. Doch hier drängt sich die Frage auf: Mit welcher Begründung? Was genau ist »Frankreich« in diesem Zusammenhang? Wovon ist eigentlich die Rede, wenn man heute »Frankreich« und »die Franzosen« sagt? In Wirklichkeit sind das sehr komplexe Fragen. Und diese Komplexität darf man auf keinen Fall aus den Augen verlieren: Die heutige Bedeutung der Worte France und français ist weder besonders trivial noch besonders eindeutig. Außerdem sollten wir, denke ich, uns die Mühe machen und uns daran erinnern – gegen jeden identitären Trieb, der das schreckliche Ereignis in einem trügerischen Schein verhüllt –, dass es überall auf der Welt Tag für Tag zu solchen Massenmorden kommt. Tag für Tag, in Nigeria und in Mali, erst kürzlich wieder im Irak, in Pakistan und in Syrien. Auch wäre es wichtig, sich daran zu erinnern, wie sehr sich unser Mitgefühl hierzulande in Grenzen gehalten hat, als vor wenigen Tagen mehr als zweihundert Russen in einem sabotierten Flugzeug massakriert wurden. Die vermeintlichen »Franzosen« haben diese Russen wohl mit dem bösen Putin in einen Topf geworfen!

Ich denke, dass es zu den grundlegenden Aufgaben der Justiz gehört, den Raum für die öffentlichen Affekte beständig und so weit wie möglich zu erweitern, seine identitär motivierte Beschneidung jedoch zu unterbinden; sich zu erinnern und sich bewusst zu sein, dass das Unglück ein Raum ist, dem im Endeffekt die ganze Menschheit als Maßstab zugrunde liegt und der niemals mit Äußerungen vermessen werden darf, die ihn auf Identität reduzieren. Andernfalls wird durch das Unglück selbst bewiesen, dass Identität das Einzige ist, was zählt. Die Vorstellung jedoch, dass das Einzige, was bei einem Unglück zählt, die Identität der Opfer sei, birgt eine gefährliche Wahrnehmung des tragischen Ereignisses, denn zwangsläufig verwandelt diese Vorstellung Recht und Gerechtigkeit in Rache.

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