Wie der Glanz des silbernen Mondes - Linda Lael Miller - E-Book
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Wie der Glanz des silbernen Mondes E-Book

Linda Lael Miller

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Beschreibung

Die Liebe wartet am Ende der Welt ...

Australien, 19. Jahrhundert. Die amerikanische Schauspielerin Maggie Chamberlin beginnt aus der Not heraus ein neues Leben in Sydney. Kurz nach ihrer Ankunft auf dem roten Kontinent trifft sie auf Reeve McKenna, einen Mann, so rau und wild wie die Weiten Australiens. Er erfüllt sie schon bald mit ungekanntem, unbändigem Verlangen. Doch auch wenn Reeve ihre Leidenschaft erwidert, so bleibt Maggie sein Herz verschlossen. Denn den gutaussehenden Iren treibt die Suche nach seinem verschwundenen Bruder um. Doch Maggie will ihn nur ganz - oder gar nicht ...

Linda Lael Miller, eine der erfolgreichsten amerikanischen Autorinnen historischer Liebesromane, vereint in "Wie der Glanz des silbernen Mondes" gekonnt die Hitze unter der australischen Sonne mit der heißblütigen Leidenschaft zweier Liebender.

Band 2: Wie das helle Feuer der Sterne.

Weitere historische Liebesroman-Reihen von Linda Lael Miller bei beHEARTBEAT:

Die McKettrick-Cowboys-Trilogie. Die Corbin-Saga. Springwater - Im Westen wartet die Liebe. Die Orphan-Train-Trilogie um die Chalmers-Schwestern.

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Inhalt

Cover

Weitere Titel der Autorin bei beHEARTBEAT:

Über dieses Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Prolog

1

2

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4

5

6

7

8

9

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Weitere Titel der Autorin bei beHEARTBEAT:

Die McKenna-Brüder

Band 2: Wie das helle Feuer der Sterne

Die McKettrick-Saga

Band 1: Frei wie der Wind

Band 2: Weit wie der Himmel

Band 3: Wild wie ein Mustang

Die Corbin-Saga

Band 1: Paradies der Liebe

Band 2: Zauber der Herzen

Band 3: Lächeln des Glücks

Band 4: Weg der Hoffnung

Springwater – Im Westen wartet die Liebe

Band 1: Wo das Glück dich erwählt

Band 2: Wo Träume dich verführen

Band 3: Wo Küsse dich bedecken

Band 4: Wo Hoffnung dich wärmt

Die Orphan-Train-Trilogie

Band 1: Die Chalmers-Schwestern: Lily und der Major

Band 2: Die Chalmers-Schwestern: Emma und der Rebell

Band 3: Die Chalmers-Schwestern: Caroline und der Bandit

Über dieses Buch

Die Liebe wartet am Ende der Welt …

Australien, 19. Jahrhundert. Die amerikanische Schauspielerin Maggie Chamberlin beginnt aus der Not heraus ein neues Leben in Sydney. Kurz nach ihrer Ankunft auf dem roten Kontinent trifft sie auf Reeve McKenna, einen Mann, so rau und wild wie die Weiten Australiens. Er erfüllt sie schon bald mit ungekanntem, unbändigem Verlangen. Doch auch wenn Reeve ihre Leidenschaft erwidert, so bleibt Maggie sein Herz verschlossen. Denn den gutaussehenden Iren treibt die Suche nach seinem verschwundenen Bruder um. Doch Maggie will ihn nur ganz – oder gar nicht …

Linda Lael Miller, eine der erfolgreichsten amerikanischen Autorinnen historischer Liebesromane, vereint in »Wie der Glanz des silbernen Mondes« gekonnt die Hitze unter der australischen Sonne mit der heißblütigen Leidenschaft zweier Liebender.

Über die Autorin

Linda Lael Miller wurde in Spokane, Washington geboren und begann im Alter von zehn Jahren zu schreiben. Seit Erscheinen ihres ersten Romans 1983 hat die New York Times- und USA Today-Bestsellerautorin über 100 zeitgenössische und historische Liebesromane veröffentlicht und dafür mehrere internationale Auszeichnungen wie den Romantic Times Award erhalten. Linda Lael Miller lebt nach Stationen in Italien, England und Arizona wieder in ihrer Heimat im Westen der USA, dem bevorzugten Schauplatz ihrer Romane. Neben ihrem Engagement für den Wilden Westen und Tierschutz betreibt sie eine Stiftung zur Förderung von Frauenbildung.

Mehr Informationen über die Autorin und ihre Bücher unter http://www.lindalaelmiller.com/.

Linda Lael Miller

Wie der Glanz des silbernen Mondes

Aus dem amerikanischen Englisch von Katharina Braun

beHEARTBEAT

Digitale Erstausgabe

»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG

Für die Originalausgabe:

Copyright © 1988 by Linda Lael Miller

Titel der amerikanischen Originalausgabe: »Moonfire«

All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form.

This edition published by arrangement with the original publisher, Pocket Books, a division of Simon & Schuster, Inc., New York.

Für diese Ausgabe:

Copyright © 1992/2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Lektorat: Ute Biermann

Covergestaltung: Guter Punkt, München | www.guter-punkt.de unter Verwendung von Motiven © Alan Poulson Photography/Shutterstock; Sarah/Adobe Stock

eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar

ISBN 978-3-7325-7898-6

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

Prolog

Dublin – September 1867

Jamie zog die goldene Uhr hervor und ließ sie einen kurzen Moment an der Kette baumeln. Dann barg er sie mit einem triumphierenden Grinsen in seiner Hand.

Reeve – mit sechzehn zwei Jahre älter als sein Bruder – hatte wenig Sinn für solche Kostbarkeiten. Doch der Frau zuliebe, die in ihrem Bett am Feuer lag, und des Priesters wegen, der ihr die Letzte Ölung erteilte, bemühte er sich, seine Stimme gedämpft zu halten.

»Willst du, dass sie dich in eine Strafkolonie schicken, du Idiot?«, zischte er Jamie zu. »Einem Gentleman die Uhr zu stehlen ist etwas ganz anderes, als einen Kohl oder eine Zwiebel vom Feld zu klauen!«

Jamie schaute zum Lager seiner Mutter hinüber, das sie so dicht wie möglich an das kärgliche Feuer gerückt hatten. »Sie braucht Medizin«, verteidigte er sich lahm.

»Jetzt nicht mehr«, entgegnete Reeve.

»Sie braucht keine Medizin mehr, und das weißt du so gut wie ich.«

Der Priester beendete seine Zeremonie. Jamie und Reeve schauten schweigend zu, von einem verzehrenden Hass auf ihre Hilflosigkeit erfüllt. Wenn sie bloß mehr Geld gehabt hätten, dann hätten sie ihre Mutter retten können. Aber sie waren nun mal verdammt arm!

Callie McKenna lag mit geschlossenen Augen da und rührte sich nicht. Als Pater McDougal sich von ihrem Lager abwandte, wirkte er müde, sein hageres Gesicht war von tiefen Furchen durchzogen. Er sah aus, als lasteten die Sorgen der ganzen irischen Bevölkerung auf seinen schmalen Schultern. Nun ging er auf die Jungen zu und griff mit zitternder Hand in die Tasche seines abgetragenen Mantels.

Jamie, der auf der Tischkante hockte, sprang erschrocken auf. »Ist sie ...?«

Pater McDougal schüttelte den kahlen Kopf. »Noch nicht, Junge, aber ich glaube nicht, dass Callie die Nacht übersteht. Gott sei ihrer armen Seele gnädig.« Er machte eine Pause, um sich zu bekreuzigen, und seufzte schwer. »Sie ist jetzt in Gottes Hand.«

Reeve runzelte die Stirn und verschränkte abweisend die Arme vor der Brust; er wollte nicht hören von Gott oder dem bevorstehenden Seelenheil seiner Mutter. Wo war Gott gewesen, als Callie McKenna die schmutzigen Böden der Tavernen schrubbte und die Kleider für die feinen Damen nähte?

»Gibt es Arbeit auf den Docks?«, erkundigte sich der Priester unnötigerweise, denn die Antwort kannte er. Es gab in ganz Irland keine Arbeit, weder in den Städten noch auf dem Land.

Reeve senkte den dunklen Kopf. Er war ein kräftiger junger Bursche, breitschultrig und stark, trotz des Hungers, der ihn quälte, solange er zurückdenken konnte. »Nein«, murmelte er nur. Angesichts seiner sterbenden Mutter hielt er es nicht für ratsam, seine Zukunftspläne zu erwähnen.

Der alte Priester räusperte sich umständlich. Reeve schaute auf und sah, dass Jamies schmutzige Hand noch immer die goldene Uhr umklammerte.

»Hast du schon wieder gestohlen, Junge?«, fragte Pater McDougal, doch es klang eher verzweifelt als verärgert. »Schäm dich! Das ist eine Sünde in Gottes Augen.«

Jamies Antwort kam so schnell und scharfsinnig wie alle seine Antworten. »Gott schaut ja doch nicht hin, oder? Er sieht weder mich noch meine arme Mutter. Er sieht ganz Irland nicht!«

Der alte Mann seufzte. Dann zog er zwei münzenförmige Bronzemedaillen aus der Tasche, reichte sie den Jungen und verließ ohne ein weiteres Wort die Hütte.

Im Halbdunkel entzifferte Reeve die Inschrift auf der Münze. Dank der Nonnen der Pfarrei von St. Patrick konnte er ein bisschen lesen. Gesegnet sei, wer den Armen hilft.

Vor Scham stockte ihm der Atem, das Blut pochte in seinen Schläfen. »Es ist ein verdammtes Bettlerabzeichen!«, zischte er.

Jamie blieb still, beide Jungen horchten auf das rasselnde Atmen ihrer Mutter. Sie war krank und fror – und würde so hungrig sterben, wie sie gelebt hatte.

In einem Anfall hilfloser Wut schleuderte Reeve das Abzeichen durch den Raum. Klirrend prallte es gegen den Kaminsims.

Jamie presste die Lippen zusammen und ging zur Tür. »Ich bin gleich wieder da«, sagte er sanft zu seiner Mutter. »Und dann bringe ich dir Brot und Tee – und alles, was ich sonst noch finden kann! Ich schwöre es bei allem, was mir heilig ist.«

»Mein Jamie«, flüsterte Callie schwach. »Er ist ein guter Junge, mein Jamie ... ein guter Junge.«

»Willst du etwa betteln gehen?«, herrschte Reeve seinen Bruder an.

Jamie hielt die goldene Uhr in die Höhe und ließ sie an ihrer Kette baumeln. »Genau, Reeve«, sagte er gepresst. »Wenn es nicht anders geht, werde ich sogar betteln. Aber vorher versuche ich, ein Geschäft mit dem Kaufmann abzuschließen.«

Reeve McKenna wurde von bösen Vorahnungen erfasst. »Tu es nicht, Jamie! Verlass dich darauf, dass sie dich diesmal schnappen werden!«

Jamies Gesicht wurde hart, für einen Moment war er ein Mann und kein Junge mehr. »Ich lasse Mutter nicht hungrig sterben, Reeve.«

Reeve ging zum Kamin und suchte das Bettlerabzeichen, das er eben noch so verächtlich fortgeschleudert hatte. Er würde damit von Haus zu Hause gehen – seiner Mutter zuliebe, und um Jamie vor einer Bestrafung zu bewahren. Er war der ältere Bruder, die Aufgabe stand ihm zu, so beschämend sie auch war.

»Dein Glück kann nicht ewig währen«, warnte er, während er den Boden um den Kamin absuchte. Doch als er die Bronzemünze endlich gefunden hatte, war Jamie längst fort.

Reeve stürzte zur Tür und riss sie auf. Der durchdringende Gestank der Dubliner Straßen stieg ihm in die Nase. »Jamie!«, schrie er mit aufsteigender Panik. »Jamie – komm zurück!«

Zu spät. Jamie war nirgendwo zu sehen.

Fluchend schloss Reeve die krächzende alte Tür und strich sich in einer hilflosen Geste übers Haar, als er zu der sterbenden Frau zurückkehrte, zum sterbenden Feuer und seinen sterbenden Hoffnungen ...

»Hat euer Dad schon geschrieben?«, fragte Callie mit erstaunlich klarer Stimme. »Wir fahren nämlich nach Amerika, schon sehr bald.«

Den Tränen nahe kniete Reeve neben dem Lager seiner Mutter nieder und nahm ihre schmalen, abgearbeiteten Hände in die seinen. »Nein, er hat noch nicht geschrieben«, erwiderte er leise.

Callies Augen, seegrün wie die Augen ihres ältesten Sohnes, richteten sich auf die Decke der ärmlichen Hütte, in der Marcus sie vor so vielen Jahren zurückgelassen hatte. »Nie ein Brief«, seufzte sie. »Ist es nicht seltsam, dass er nie geschrieben hat?«

Reeve legte seine Stirn an die ihre und atmete tief ein. »Dad hat nie gern geschrieben«, antwortete er sanft. Insgeheim war er überzeugt, sein Vater müsse entweder tot sein oder ein arger Schuft, aber das konnte er seiner Mutter natürlich nicht sagen. Er ärgerte sich jetzt sogar schon darüber, nicht einfach behauptet zu haben, es sei ein Brief mit Schiffspassagen und Geld für sie alle gekommen. Was hätte es schon schaden können, Callie in diesem Zustand zu belügen? Es wäre höchstens ein Segen für sie gewesen.

»Ich sterbe, nicht wahr?«, fragte Callie, und für einen Moment wich der abwesende Ausdruck aus ihrem Blick, und sie kehrte in die Wirklichkeit zurück.

Reeves Kehle war wie zugeschnürt, aber seine Mutter zu belügen brachte er nicht übers Herz. »Pater McDougal sagte, du kämst in den Himmel, Mutter«, erwiderte er nach kurzem Zögern.

Callie lächelte froh. In all den Jahren des Leidens, des Wartens und sinnlosen Hoffens hatte sie ihren Glauben nicht verloren. Reeve konnte sich nicht entsinnen, sie auch nur einmal in ihren Überzeugungen schwanken gesehen zu haben.

»O ja«, sagte sie leise. »Ich komme in den Himmel.« Ihr dunkles Haar, noch ohne eine einzige graue Strähne, lag ausgebreitet wie ein Schleier über dem unbezogenen Kissen. Sie zog eine feingezeichnete Augenbraue hoch. »Aber was wird aus dir und Jamie werden? Wo wollt ihr jetzt hin – nach Amerika?«

Reeve schüttelte den Kopf. Er durfte ihr die Wahrheit nicht länger verschweigen. »Ich habe ... auf einem Segelschiff angeheuert, Ma«, berichtete er stockend. »Es ist ein Walfänger, der nach New South Wales fährt, Mutter. Wir legen in der Hauptstadt Sydney an.«

Callies seegrüne Augen wurden groß. »New South Wales! Und was wird aus Jamie? Wirst du ihn mitnehmen?«

Reeve versuchte sich an die Unterhaltung mit dem Kapitän der Sally Dee zu erinnern. Doch obwohl sie erst heute Nachmittag stattgefunden hatte, schien sie schon Jahre zurückzuliegen. Eine schreckliche Beklemmung wuchs in ihm. Der Kapitän hatte gesagt, es sei nur Platz für einen Offiziersburschen auf dem Deck. Er würde sich Jamie ansehen, und ihn – falls der Junge fit genug für eine Seereise war – auf der nächsten Fahrt mitnehmen. Aber mehr als das hatte der Kapitän nicht versprechen können.

»Ich fahre nicht ohne ihn«, erklärte Reeve beruhigend und schwor sich, sein Versprechen zu halten, selbst wenn es ihn seine eigenen Träume und Pläne kosten sollte.

Callie sah erleichtert aus, und Reeve fragte sich, ob sie etwas von Jamies Diebereien ahnen mochte. »Er ist ein guter Junge, mein Jamie«, sagte sie, und man hörte deutlich die Anstrengung in ihrer Stimme, »aber leider nicht so vernünftig wie du, Reeve. Er braucht noch jemanden, der auf ihn aufpasst.«

Reeve nickte lächelnd. »Das stimmt.«

»Wirst du dich um ihn kümmern?«

»Das werde ich«, versprach er ruhig, und Callie schloss die Augen, um zu schlafen.

Fast eine Stunde verging, bevor Jamie zurückkam. Er hatte Tee mitgebracht, einen ganzen Laib Brot, der noch warm vom Ofen war, eine kalte Hammelkeule und eine kleine Tüte mit grobem weißem Zucker. Nach einem Blick auf seine Mutter stellte er alles auf den Tisch und ging zum Herd, um die letzten Kohlen ins Feuer zu schütten.

Reeve, der ihn voller Unruhe und Besorgnis beobachtet hatte, nahm den abgenutzten alten Kessel und ging hinaus, um aus der Pumpe Wasser hineinzufüllen.

Jamie schnitt gerade Fleisch auf, als Reeve zurückkam. »Wie geht es Mutter?«, fragte er den älteren Bruder leise.

Reeve steckte die Hände in die Taschen seiner zerlumpten Hosen. »Sie wartet noch immer auf einen Brief von Dad. Nach all diesen Jahren.«

»Glaubst du, er ist tot?«

»Kann sein. Vielleicht ist er aber auch sehr vergesslich«, erwiderte Reeve mit kaum verhohlener Bitterkeit.

Jamie schien über die Antwort nachzudenken. »Dad musste sieben Jahre für seine Schiffspassage arbeiten«, erinnerte er seinen Bruder nach einer Weile ruhig.

»Die hat er gehabt, Jamie, und noch vier Jahre dazu. Falls Dad noch lebt, hat er beschlossen, sich nicht darum zu bemühen, seine Frau und seine beiden Söhne aus der Alten Welt zu holen.«

Jamie presste die Lippen zusammen. Er war ein hübscher Junge mit seinem weizenblonden Haar und den wachen blauen Augen. »Hast du eigentlich nie überlegt, selbst nach Amerika zu gehen, Reeve? Ich meine, wenn Dad für seine Überfahrt arbeiten konnte – warum wir nicht auch?«

Reeve dachte an das Bettlerabzeichen, das ihn auf schmerzliche Weise an seine beschränkten Möglichkeiten erinnerte. »Sie hielten sich dort früher Sklaven«, sagte er schaudernd. »Und einen Krieg hatten sie kürzlich auch.«

Jamie steckte ein Stück Fleisch in den Mund und kaute gedankenvoll. »Du wärst kein Sklave, das ist jetzt vorbei. Sich seine Schiffspassage zu erarbeiten ist etwas ganz anderes.«

»Nein, eine Zeitlang ist es fast das Gleiche. Man hat einen Herrn, dem man gehört, als wäre man eine Kutsche oder ein Kalb.«

»Für Leute wie uns ist es die einzige Möglichkeit, Irland zu verlassen«, gab Jamie zu bedenken, während er das noch warme Brot in Stücke teilte.

»Ja«, stimme Reeve halbherzig zu und dachte an den Job, der ihm auf der Sally Dee angeboten worden war. Früher oder später würde er darüber sprechen müssen, aber noch war die Zeit nicht reif.

Als das Wasser zu kochen begann, goss Reeve es in die alte Teekanne aus abgestoßenem Steingut, und Jamie weckte sanft seine schlafende Mutter.

Callies Hände zitterten, als sie den Teller nahm, den ihr Sohn ihr reichte. Ein verwunderter Ausdruck stand in ihren Augen, und sie schaute sich in der ärmlichen Hütte um, als sei sie plötzlich in einem anderen, besseren Leben erwacht.

Callie aß nicht viel, aber sie trank zwei Tassen von dem starken, gezuckerten Tee. Später in dieser Nacht, als ihre beiden Söhne auf den Strohsäcken auf dem Hüttenboden schliefen, wechselte sie still in eine andere Welt hinüber.

Sie wurde in einem Armengrab bestattet, aber Pater McDougal war da, um die geheiligten Worte zu sprechen. Reeve lauschte in stummer Wut und hasste nicht nur den Priester, sondern auch den Gott, dem dieser diente. Der Gedanke, seine Mutter befinde sich nun an einem Ort des Friedens und des Überflusses, hätte ihn trösten können, aber so weit reichte sein Glaube leider nicht.

Er konnte auch nicht weinen, wie es Jamie tat. Nichts anderes blieb ihm übrig, als sich mit der schrecklichen Tatsache abzufinden, dass seine Mutter tot war.

Am Friedhofsausgang wartete der Lebensmittelhändler, flankiert von zwei Soldaten der englischen Krone. »Das ist er!«, schrie der dicke Kaufmann durch den strömenden Regen. »Das ist der Junge, der mir die Uhr gegeben hat!«

Reeve versuchte, sich zwischen Jamie und die Soldaten zu stellen, aber der Priester hielt ihn zurück. »Es hat keinen Zweck, mein Junge.«

Reeve wollte sich losreißen und die Schuld auf sich nehmen. Doch Jamie trat bereits auf die Soldaten zu, das Gesicht noch nass von Tränen.

»Ich bin es, den Sie suchen«, sagte er gelassen.

»Verdammter Kerl!«, murmelte einer der Soldaten, als er Jamies Hände fesselte. »Langfingrige Schurken, diese Iren, alle miteinander!«

»Warten Sie!«, schrie Reeve erstickt auf. »Es ist nicht wahr! Ich habe die Uhr gestohlen ...«

Der zweite Soldat lachte spöttisch. »Zu spät, mein Junge.«

Diesmal packte Pater McDougal Reeves Arm überraschend hart. »Du kannst jetzt nichts mehr tun. Lass sie gehen!«

Jamie nickte seinem älteren Bruder zu und schenkte ihm ein Lächeln, das Reeve sehr lange nicht vergessen sollte. Dann schleppten die Soldaten den Vierzehnjährigen fort. Der fette Händler folgte ihnen händeringend und beteuerte lautstark seine Unschuld an dem Verbrechen.

Reeve sank gegen einen Baum und konnte endlich weinen – um seine Mutter, um Irland, um Jamie und um sich selbst.

Zu Hause aß er das letzte Stück Fleisch und trank den Tee. Die Besitzerin der Hütte, eine zänkische alte Witwe, hatte neue Mieter gefunden, und deshalb konnte Reeve nicht bleiben. Packen war nicht nötig, denn alles, was er auf dieser Welt besaß, trug er am Leib. Bevor er allerdings endgültig die Hütte verließ, nahm er das Bettlerabzeichen an sich – es war zwar ein Beweis der Schande, aber gleichzeitig auch eine Art Besitz, und es gehörte ihm allein.

In den nächsten Tagen versuchte Reeve mehrmals, Jamie zu sehen, aber seine Bitte wurde immer abgelehnt. Nachts schlief er in Hauseingängen und dunklen Gassen.

Am Tag von Jamies Gerichtsverhandlung war Reeve unter den Zuschauern. Jamie erschien in stolzer Haltung, mit trotzig vorgeschobenem Kinn und einem wilden Funkeln in den Augen, das den Richter alles andere als nachsichtig stimmte.

Dieser Mann, der sicher keinen Hunger kannte, hielt einen hochtrabenden Vortrag über die Schlechtigkeit der Diebe und verurteilte den Angeklagten zu sieben Jahren Zwangsarbeit in den Kolonien.

Entsetzt über das Urteil, halb krank vor Hunger und Verzweiflung stolperte Reeve aus dem Gerichtssaal in den strömenden Regen hinaus und wandte sich zum Hafen. Nun blieb ihm nur die eine Hoffnung, dass die Sally Dee nicht ohne ihn gesegelt war ...

Der Walfänger lag noch am Pier, sollte jedoch in einer Stunde auslaufen. Nach einem letzten Blick auf die engen Straßen, die überfüllten Hafentavernen und die windschiefen Hütten kehrte Reeve Dublin für immer den Rücken zu.

Was Jamie betraf – der hatte seine Überfahrt nach New South Wales gefunden, so ironisch es auch schien – und Reeve war ziemlich sicher, dass er seinen Bruder in Sydney wiederfinden würde.

1

Emigranten und Passagiere der ersten Klasse standen an der Reling der S. S. Victoria und starrten fassungslos auf das Bild der Zerstörung, das sich ihnen bot. Statt des Piers, an dem Freunde und Verwandte auf die Reisenden hätten warten können, tanzten Warenballen von den Docks auf dem blaugrünen Wasser, eine umgestürzte Hütte trieb vorbei, und auf den wenigen Stückchen Land, die noch zu sehen waren, drängten sich zitternd unzählige Kaninchen zusammen.

Der größte Teil der Stadt war fort – hinweggeschwemmt vom Hochwasser des Brisbane Rivers.

Maggie Chamberlins Herz raste vor Aufregung und Angst unter dem taubengrauen Reisekleid, das zwar der winterlichen Kälte Londons angepasst, doch für die Februarhitze in Australien viel zu heiß war. Philip Briggs, der Mann, der sie zu dieser Reise überredet und versprochen hatte, sie zu heiraten, war nirgendwo zu sehen. War es möglich, dass er die Hochwasserkatastrophe nicht überlebt hatte?

Maggie merkte, dass sie das Schiffsgeländer umklammert hielt, und lockerte ihren Griff. Das schwere silberblonde Haar rutschte ihr in den Nacken, und sie hob eine Hand, um die Nadeln zu befestigen, eine nervöse, unbewusste Geste, die ihr schon zur Gewohnheit geworden war.

»Ein feiner Empfang!«, beschwerte sich Tansy Quinn, die einzige Freundin, die Maggie in den fünf Wochen, seit sie London verlassen hatten, an Bord gefunden hatte. Tansy war ein kleines, etwas plumpes Mädchen mit mausbraunem Haar, hellblauen Augen und einem abgebrochenen Vorderzahn. Sie wanderte schon zum zweiten Mal in ihrem kurzen, aber ereignisreichen Leben nach Australien aus. »Es sieht aus, als wäre die halbe Stadt weggeschwemmt worden.«

Maggies Knie gaben nach; sie musste sich wieder an der Reling festhalten. Fieberhaft suchte sie die Küste nach dem geliebten Mann ab. Vergebens. Plötzlich hatte sie das Gefühl, als ob irgendetwas ihre Seele in einen dunklen Nebel zog. Mehrere kleine Boote näherten sich dem Schiff, Leute winkten – aber Philip war nicht unter ihnen.

Maggie stöhnte auf. Wieder einmal war sie eine Fremde in einem fremden Land, und niemand war gekommen, um sie abzuholen. Sie schloss einen kurzen Moment die Augen und schluckte vor Verzweiflung.

Tansy stieß sie aufmunternd in die Rippen. »Mach nicht so ein Gesicht, Maggie. Es sieht schlimm aus, aber wir können ja bis Sydney weiterfahren. Oder uns bei der Regierung in Melbourne um eine Stelle bewerben.«

Maggie öffnete die Augen und maß ihre Freundin mit einem müden Blick. Tansy hatte nie an Philip Briggs geglaubt und stets mit der gleichen freundlichen Verachtung von ihm gesprochen wie ältere Kinder vom heiligen Nikolaus.

»Philip sagte, ich sollte ihn hier treffen«, entgegnete Maggie steif. »In Brisbane.«

»Philip, Philip, Philip«, murmelte Tansy kopfschüttelnd. Die späte Nachmittagssonne schien auf ihre Sommersprossen und ließ sie golden aufleuchten. »Philip dies und Philip jenes. Da stehst du hier und weinst diesem Kerl nach – wie eine alte Jungfer, die sich eine letzte Chance auf ein Bett und einen Ring erhofft! Und dabei bist du erst neunzehn!«

»Ich brauche Philip«, beharrte Maggie, um dann hastig hinzuzufügen: »Außerdem liebe ich ihn.«

»Eine komische Amerikanerin bist du!«, meinte Tansy. »Keine Spur von Selbständigkeit und hilflos wie ein neugeborenes Kind!«

Heiße Röte stieg Maggie ins Gesicht, ihre grauen Augen blitzten vor unterdrücktem Zorn. »Ich bin genauso selbständig wie du, Tansy Quinn, und ich wäre dir dankbar, wenn du das nicht vergessen würdest!«

»Ich verlasse mich nicht auf einen Mann, um es einfacher zu haben!«, erklärte Tansy in hochnäsigem Ton.

Maggie verkniff sich eine Bemerkung über Tansys Flirt mit einem gewissen jungen Zahlmeister und erwiderte kühl: »Ich begreife nicht, wie du Philip hassen kannst, obwohl du ihn überhaupt nicht kennst.«

Tansy verdrehte die Augen. »Ich brauche ihn nicht zu kennen, um zu wissen, dass er so nutzlos ist wie ein kastrierter Eber. Welcher Mann schickt ein Mädchen um die halbe Welt, wenn er ihr nicht einmal die Überfahrt bezahlen kann? Du hast ein Pfund für deine Koje bezahlt, genau wie alle anderen, Maggie Chamberlin, und solltest lieber nicht vergessen, was du als Gegenleistung dafür versprochen hast!«

Maggie erinnerte sich sehr gut an ihr Versprechen: Sie hatte sich bereit erklärt, mindestens drei Jahre im Land zu arbeiten, bevor sie es wieder verließ. Der Vertrag würde allerdings null und nichtig sein, falls sie Mrs. Philip Briggs wurde, denn noch mehr als Gouvernanten, Dienstmädchen und Fabrikarbeiter brauchte Australien Frauen für seine Männer. »Ich habe es nicht vergessen«, sagte sie leise und wandte sich von der Reling ab, um den Anblick auf die zerstörte Küste nicht länger ertragen zu müssen.

Dabei stieß sie fast mit John Higgins zusammen, Tansys Zahlmeister, einem großen, hageren Mann mit Augenklappe, die ihm das tollkühne Aussehen eines Piraten verlieh.

Da er jedoch für Maggies Geschmack zu hochmütig war, wandte sie sich ab, als der Seemann sie abschätzend musterte. »Sinnlos, hier anzulegen«, bemerkte er schulterzuckend. »Wir laufen heute Abend gleich nach Einsetzen der Flut nach Sydney aus.«

»Und wie weit ist das?«, fragte Maggie höflich und bemühte sich, nicht die Nase zu rümpfen. Higgins strahlte einen stechenden Geruch nach ranziger Hühnersuppe aus.

»Knapp zwei Tagesreisen«, antwortete er und kniff Tansy lächelnd in ihr pralles Hinterteil. Nach einem gelassenen: »Schade, dass Sie Mr. Briggs jetzt doch nicht treffen werden«, schlenderte er weiter.

»Zwei Tage!«, stöhnte Maggie betroffen und eilte in ihre Kabine zurück, in der fast einhundert Frauen reisten. Dort setzte sie sich auf ihre Koje und dachte nach.

Es war sehr unwahrscheinlich, dass Philip in der Flut ertrunken war. Vermutlich hatte er von der Katastrophe gehört und war vernünftigerweise in Sydney geblieben, um seiner Arbeit am Royal Theatre nachzugehen.

Es herrschte eine unerträgliche Hitze unter Deck. Maggie zog ihr graues Wollkleid aus und legte sich in ihrer Unterwäsche auf die Koje.

Als sie die Augen schloss, glaubte sie, Philips markantes Gesicht zu sehen, sein goldbraunes Haar und seine bernsteinfarbenen Augen. In Gedanken kehrte sie zu dem schäbigen kleinen Theater im Londoner West End zurück, zu ihrer winzigen Garderobe dort ...

Maggie hatte sich gerade geschminkt, als der junge Australier, von dem sie schon so viel gehört hatte, plötzlich hinter ihr im Spiegel auftauchte. Seine Hände – schmale, glatte Hände ohne Schwielen – berührten flüchtig ihre nackten Schultern.

»Miss Chamberlin?«, fragte er. »Sie werden mir mein Eindringen verzeihen, aber ich habe Ihren letzten Auftritt gesehen und wollte Sie unbedingt persönlich sprechen.«

Maggie stand hastig auf und zog den schäbigen Seidenkimono über, der noch von ihrer Mutter stammte. »So?«, erwiderte sie zögernd. »Worum geht es denn?«

Ein engelhaftes Lächeln spielte um Philips Mundwinkel und erhellte seine sanften Augen. »Sie sind Amerikanerin«, bemerkte er.

Maggie nickte, das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Der Kimono verhüllte ihre Gestalt nur unvollkommen, und obwohl sie ein Kostüm darunter trug, fühlte sie sich wie ausgezogen unter den Blicken dieses Mannes. Sie errötete, weil das Gefühl gar nicht so unangenehm war, und stammelte eine ausweichende Antwort.

Philip Briggs lachte, sein Blick war wie ein Streicheln, als er fragte, ob sie gern auf der Bühne stand.

Maggie zuckte die Schultern. »Das hier ist nur ein zweitrangiges Theater«, erwiderte sie verlegen und begann ihm dann zu ihrer Überraschung – obwohl sie in knapp fünfzehn Minuten auf die Bühne musste – ihre ganze Lebensgeschichte zu erzählen.

Sie sprach von ihren Eltern, amerikanische Artisten, die nicht bei ihren gefährlichen Auftritten im Zirkus – Maggies Mutter war Hochseilkünstlerin gewesen, ihr Vater Löwenbändiger –, sondern bei einem Zugunglück in den Schweizer Bergen ums Leben gekommen waren. Sie erzählte auch von ihrer Schulzeit in den Vereinigten Staaten, wo sie jeden Winter in einem anderen Waisenhaus verbrachte und erst im Frühjahr – wenn der Zirkus wieder in die Stadt kam – von ihren Eltern abgeholt wurde.

»Dann sind Sie praktisch von Ihren eigenen Eltern adoptiert worden?«, war Philips scharfsinniger Kommentar, als Maggie ihre Geschichte beendet hatte.

Sie lächelte. Es war seltsam, aber sie fühlte sich entspannt und war gleichzeitig wahnsinnig aufgeregt. Vielleicht war es das, was sie zu dem Schluss veranlasste, dass sie Mr. Briggs liebte, obwohl sie sozusagen gar nichts von ihm wusste. »Mindestens achtmal«, antwortete sie. »Ich hasste die Winter, aber ein Internatsaufenthalt wäre viel zu teuer gewesen.«

In diesem Augenblick wurde Maggie auf die Bühne gerufen, und jetzt, nach diesem intimen Einblick in ihr Leben, empfand sie Philip gegenüber eine ganz eigenartige Scheu. Sie schaute ihn nicht an, als sie den Kimono auszog und ihr knappes, paillettenbesticktes Kostüm zum Vorschein kam, doch bevor sie den Raum verlassen konnte, ergriff Philip ihren Arm. Ein warmes Prickeln durchströmte ihren Körper, und ihr Herz pochte so heftig, dass es sich in ihrer Kehle festzusetzen schien.

»Werden Sie mit mir speisen? Nach der Vorstellung?«

Maggie nickte und verließ fluchtartig die kleine Garderobe.

Darauf folgte eine Werbung, wie Mädchen in Maggies Stellung sie sich nur erträumen konnten. Philip lud sie Abend für Abend zum Dinner ein und erzählte ihr von Australien, wo er mehrere Theater leitete. Nach einer kurzen, aber stürmischen Romanze bot er ihr dann die zwei Dinge an, die sie sich auf dieser Welt am meisten wünschte: die Ehe und eine Hauptrolle in Shakespeares Der Widerspenstigen Zähmung. Sie sei zu sanft und schön für die Rolle der Kate, erklärte Philip ihr nach einem galanten Handkuss, sie müsse die Bianca spielen, Kates sanfte Schwester.

Maggie hätte viel lieber die Kate gespielt, aber sie war nicht dumm und wusste, wie selten es vorkam, dass ein Mann nicht nur seinen Namen bot, sondern auch noch einen Job dazu.

»Sag, dass du es tun wirst, Maggie«, bat Philip an jenem letzten Abend in dem eleganten Londoner Dinnerclub, den zu betreten sie nie zu hoffen gewagt hätte. »Sag, dass du nach Australien kommen wirst. Ich hole dich in Brisbane ab, dort legt das Schiff zuerst an. Wir heiraten, sobald du australischen Boden betrittst. Unsere Flitterwochen verbringen wir in Queensland, Maggie, dort gibt es weiße Strände und Muscheln, bunt wie Juwelen, und dann fahren wir nach Sydney.«

Maggies Zögern war nichts als Verstellung; sie war sicher, Philip Briggs zu lieben, und es gab nichts, was sie in London hielt. Sie hatte keine guten Freunde, besaß nur ein einziges anständiges Kleid und lebte im Hinterzimmer einer billigen Pension. Nein, sie hatte nichts zu verlieren ...

Als sie nun die Augen öffnete und die schönen Erinnerungen verflogen, seufzte sie und bereitete sich auf die Abenteuer vor, die nun auf sie einstürmen würden. Sicher wartete Philip schon in Sydney – bereit, sie zu heiraten und von den eingegangenen Verpflichtungen zu erlösen.

Tansy war unter Deck zurückgekehrt, saß auf ihrem Koffer und schrieb in ihrem Tagebuch. Als sie Maggies Blick spürte, sagte sie lächelnd: »Ich dachte, du schläfst.«

Maggie hatte noch nie eine so loyale Freundin wie Tansy gefunden und wollte sie nicht beleidigen. So gähnte sie ausgiebig und richtete sich halb auf. »Das habe ich auch«, log sie. »Wirst du Mr. Higgins wiedersehen, wenn wir in Sydney sind?«

»Das ist sehr unwahrscheinlich«, gab Tansy zu. »Ein Seemann ist nichts für mich. Ich will einen Mann, der mich nachts in seinen Armen hält.«

Maggie lächelte und schlang die Arme um den Körper. Ihr war kalt in ihrer abgetragenen und so oft gestopften Unterwäsche. Doch bald würde Philip sie wärmen und in seinen Armen halten. »Glaubst du, es ist schön, was ... was Männer und Frauen nachts im Bett tun?«

Tansy kicherte und nickte. »Ich weiß, dass es schön ist!«, flüsterte sie Maggie zu. »Ob nachts oder am helllichten Tag!«

Maggie errötete und spürte, wie ein angenehmes Prickeln durch ihren Körper strömte. Ihre vollen Brüste schienen sich unter dem dünnen Hemd zu dehnen. »Du prahlst doch nur, Tansy! Du weißt überhaupt nichts darüber!«

»O doch, natürlich«, beharrte Tansy mit funkelnden Augen. »Im Regierungsgebäude in Melbourne gibt es einen Stallknecht, der mich zum Heulen bringt wie seiner Lordschaft besten Hund!«

Maggie war sehr schockiert, aber auch neugierig, denn sie erinnerte sich an die merkwürdigen Geräusche, die sie nachts im Zirkuswagen ihrer Eltern gehört hatte. »Erzähl weiter!«, forderte sie Tansy gespannt auf.

Tansy schien erfreut. »Dann hat der wunderbare Philip Briggs dich also doch noch nicht gehabt! Na, das ist aber eine Überraschung, wenn man bedenkt, wie der Kerl dich jetzt sitzengelassen hat!«

»Fängst du schon wieder damit an!«, entgegnete Maggie gereizt. »Du bist nur eifersüchtig, Tansy, weil niemand auf dich wartet.«

»Sei da nicht so sicher«, entgegnete Tansy spitz. »Ich konnte mir die Männer aussuchen in Sydney.«

Maggie drehte sich verletzt zur Wand.

Als Tansy und die anderen zum Abendessen gingen, ein Luxus, auf den Maggies Stolz sie zu verzichten zwang, verließ sie ihre Koje und ging unruhig durch den Raum. Es störte sie tatsächlich, dass Philip sie überredet hatte, als Emigrantin nach Australien zu reisen anstatt als seine Frau. Denn wenn irgendetwas schiefging, wenn er sie nicht heiratete, musste sie drei Jahre lang in diesem fremden Land arbeiten, und da sie nie etwas anderes getan hatte, als auf schäbigen Bühnen zu stehen, waren ihre Möglichkeiten sehr begrenzt. Wahrscheinlich war sie dann gezwungen, Fußböden zu schrubben und anderer Leute Nachttöpfe auszuleeren.

Mit zitternden Fingern zog Maggie ihre Reisetasche unter der Koje hervor und öffnete sie. Unter dem einzigen anderen Kleid, das sie besaß, lag ihre Geburtsurkunde, der Beweis für ihre amerikanische Staatsbürgerschaft, die sie brauchen würde, falls sie je wieder in die Vereinigten Staaten zurückkehren wollte. Allerdings schien das nicht sehr wahrscheinlich, wenn man die Entfernung zwischen den beiden Kontinenten bedachte. Bei der Geburtsurkunde lag die Annonce, die Philip aus der Londoner Times ausgeschnitten und Maggie mit einer Verbeugung überreicht hatte.

Freie Emigration. Junge Frauen und Männer in Australien gewünscht. Nur über achtzehn.

»Das ist die sinnvollste Art zu reisen, Maggie«, hatte Philip geschwärmt. »Du zahlst ein Pfund für die Koje, Decken, Laken, Seife und so weiter. Außerdem brauchst du einen Auswanderungsantrag – unterschrieben von einem Arzt, einem Priester und dem Theaterdirektor – als Beweis, dass du gesund und anständig bist. Das dürfte kein Problem sein, glaube ich. Das Geld, das wir bei der Überfahrt sparen, können wir dazu benutzen, Porzellan zu kaufen oder einen schönen neuen Teppich für das Wohnzimmer.«

Maggie legte die Annonce seufzend zurück und nahm das Foto ihrer Eltern in die Hand.

Mama, die wagemutige blonde Trapezkünstlerin, furchtlos und schön. Papa, der attraktive Löwenbändiger, in Wirklichkeit sanft wie ein Lamm. Mit welcher Leidenschaft sie sich geliebt hatten – und wie zärtlich sie ihre Tochter liebten!

Ergriffen von der Einsamkeit, die sie sonst nur nachts überfiel, drückte Maggie das Bild ans Herz und drängte die Tränen zurück. Philip würde in Sydney auf sie warten, ganz bestimmt, und er würde auch sein Versprechen halten. Sie durfte nur nicht ihren Mut und ihren Glauben an ihn verlieren.

Als Tansy eine Stunde später vom Essen zurückkam, brachte sie Maggie ein Glas Tee mit, einige Scheiben Schinken und eine gebutterte Schnitte Brot.

»Glaub nicht, ich hätte es mir anders überlegt«, warnte Tansy, als Maggie erfreut zu essen begann. »Ich glaube immer noch, dass Philip ein Schwindler ist, aber ich werde meine Ansichten von jetzt an für mich behalten.«

Maggie schaute lächelnd zu ihrer Freundin auf. Sie glaubte ihr kein Wort, aber es war klar, dass Tansy sich mit ihr vertragen wollte. »Danke«, sagte sie freundlich.

»Einige der Passagiere gehen von Bord«, berichtete Tansy aufgeregt. »Sie bringen sie mit den Ruderbooten an die Küste.«

Maggie stellte sich plötzlich vor, wie Philip zwischen den gestrandeten Kaninchen und den Ruinen von Brisbane stand und den Booten erwartungsvoll entgegenblickte ... Sie sprang auf und zog sich hastig an.

»Wo willst du hin?«, fragte Tansy streng.

»Nach Brisbane, wohin sonst?«, antwortete Maggie, während sie ihre Reisetasche unter der Koje hervorzerrte. Ihr Haar fiel ihr halb aufgelöst auf die Schultern, aber das war ihr jetzt egal. Die Tasche in der Hand, stürmte sie aus der Kabine und auf Deck.

Tatsächlich tanzten vier Ruderboote auf dem Wasser, aber sie waren schon ziemlich weit vom Schiff entfernt. Als plötzlich ein Kopf mit einem Strohhut an der Reling auftauchte, erschrak Maggie so sehr, dass sie eine Hand auf ihren Busen presste.

Blaugrüne Augen in einem sonnengebräunten markanten Gesicht musterten sie ungeniert. Im nächsten Moment sprang der Mann, der die Strickleiter hinaufgeklettert war, mit einem Satz über das Geländer. Er lächelte und nahm mit einer Verbeugung seinen Hut ab.

Maggie, die inzwischen ihre Fassung zurückgewonnen hatte, bedachte den Eindringling mit einem vernichtenden Blick und schickte sich an, die Strickleiter hinabzuklettern, ein Boot zu besteigen und sich auf den Weg zu Brisbanes Küste zu machen.

»Ich fürchte, dazu ist es zu spät«, sagte John Higgins, der hinter sie getreten war und sie am Ärmel festhielt. »Das letzte Boot ist fort.

Maggie war so enttäuscht, dass sie mit dem Fuß aufstampfte und mit der freien Hand auf den Unbekannten zeigte. »Wenn dieser ... Gentleman an Bord gekommen ist, muss ihn irgendein Boot hergebracht haben! Und wenn ihn ein Boot gebracht hat ...« Sie brach ab, um einen Blick über die Reling zu werfen. Das kleine Ruderboot, das den ungewöhnlichen Passagier hergebracht hatte, schaukelte bereits auf die Küste zu. »Kommen Sie zurück!«, schrie Maggie.

»Eine Yankee!«, bemerkte der Eindringling in nachsichtigem Ton.

»Genau«, bestätigte John Higgins seufzend.

Maggie stampfte erneut mit dem Fuß auf und trat gegen die Reling. »Verdammt, verdammt, verdammt!«, schrie sie gellend.

»So schlimm kann es doch nicht sein«, meinte der Unbekannte und trat neben Maggie. Sein Lächeln begann sich allmählich in ein ziemlich dreistes Grinsen zu verwandeln, und ein leichter irischer Akzent klang in seiner Stimme mit, wenn er sprach.

»Ist es auch nicht!«, warf Tansy seufzend ein. Sie war ebenfalls an Deck gekommen und schob ihre Hand unter John Higgins’ Arm. »Dieser Philip Briggs erwartet sie bestimmt in Sydney.«

Der Fremde zog die schwarzen Augenbrauen hoch und setzte seinen Hut auf. »Sie haben die weite Reise gemacht, um Philip Briggs zu sehen?«

Maggies Augen wurden groß, als sie die Verachtung im Blick des Mannes sah. »Ja ... warum? Kennen Sie Mr. Briggs?«

An der Wange des Australiers zuckte ein Muskel. »Ja, ich kenne ihn. Er arbeitet für mich.«

Maggie versuchte sich an die Namen zu erinnern, die Philip erwähnt hatte. »Dann sind Sie Mr. McKenna?«

Der Mann nickte so knapp, dass es schon fast unhöflich wirkte. »Ja, der bin ich.«

Maggie sah im offenen Ausschnitt seines Hemds ein Medaillon aufblitzen. Als sie merkte, wie sie den Mann anstarrte, blinzelte sie verlegen. Die Art, wie er Philips Namen ausgesprochen hatte, beunruhigte sie, und sie musste ihre ganze Schauspielkunst aufbieten, um ein zuversichtliches Lächeln aufzusetzen. »Dann müssten Sie eigentlich wissen, dass Philip und ich heiraten werden.«

»Ach wirklich?«, entgegnete Mr. McKenna mit höflichem Interesse. »Das wird allerdings einiges Aufsehen in Sydney erregen.«

Maggie hatte fünf lange Wochen auf See verbracht, nur um jetzt, wo sie Brisbane endlich erreicht hatte, daran gehindert zu werden, Philip zu treffen. Und hier stand der Arbeitgeber ihres zukünftigen Ehemannes und hatte weder ein tröstendes Wort für sie noch hieß er sie willkommen. War es möglich, dass Philip gar nicht über seine Heiratspläne gesprochen hatte?

Etwas schnürte ihr die Kehle zu, als sie sehnsüchtig zur Küste hinüberschaute. Tansy und ihr Verehrer spazierten auf dem Deck entlang, aber Mr. McKenna blieb. Er lehnte an der Reling und betrachtete die junge Frau mit den traurigen Augen.

Ein Schwarm grauweißer Vögel mit rosa Brustfedern schwirrte vorbei, und Maggie lächelte ganz unbewusst.

»Sie werden Galahs genannt«, sagte Mr. McKenna.

Maggie konnte und wollte ihren ungebetenen Begleiter nicht ansehen. Denn dann entdeckte sie vielleicht Mitleid in seinen blaugrünen Augen, und das konnte sie nicht ertragen.

»Sie sind hübsch«, erwiderte sie und schaute den Vögeln nach. »Sind Sie auf der Flucht vor den Folgen der Flutkatastrophe, Mr. McKenna?«

»Nein«, antwortete er kurz, aber freundlich. »Ich habe geschäftlich in Sydney zu tun.«

Maggie holte tief Luft und zwang sich, in diese unglaublich blaugrünen Augen zu sehen. »Mr. Briggs wartet sicher in Sydney auf mich, nicht wahr, Mr. McKenna?«, fragte sie.

»Sie werden ihn schon finden«, erwiderte der Australier seufzend und zog den Hut noch tiefer in die Stirn.

Maggie, die immer weniger verstand, straffte die Schultern und kehrte würdevoll unter Deck und zu ihrer Koje zurück.

2

Trotz seiner eher groben Kleidung belegte Reeve McKenna eine Kabine in jenem Teil des Schiffes, der der ersten Klasse vorbehalten war. Seine Position im Leben ermöglichte es ihm, nur das Beste zu nehmen, und außerdem verspürte er den recht ungewöhnlichen Drang, sich so weit wie möglich von dieser eigenwilligen Amerikanerin zu entfernen, deren Haar die Farbe des Mondes hatte und deren Augen grau waren wie der Himmel von Queensland vor einem Sturm ...

Müde und nicht besonders sauber nach einem Tag auf den Feldern von Seven Sisters, seiner Zuckerrohrplantage, ließ Reeve sich auf die Koje in seiner Kabine sinken und nahm den Hut ab. Als er auch die Stiefel abgestreift hatte, streckte er sich auf dem schmalen Bett aus und lächelte genüsslich.

Loretta. Er brauchte nur an Loretta zu denken, seine Mätresse, um die eigenwillige kleine Amerikanerin zu vergessen.

Einen nach dem anderen zählte er in Gedanken Lorettas Vorzüge auf: ihr glänzendes dunkles Haar, ihre großen braunen Augen, ihre elfenbeinfarbene Haut und ihre Lippen, zart wie reife Erdbeeren, ihre verlockend weichen Brüste ...

Von unerträglicher innerer Unruhe erfüllt seufzte Reeve und verschränkte die schwielenbedeckten Hände hinter seinem Kopf. Lorettas Bild verblasste in seinem Bewusstsein wie Rauch und wieder erschien die kleine Amerikanerin vor ihm.

Wie mochte sie heißen? Und was machte sie hier in Australien, mehrere tausend Meilen von ihrer Heimat entfernt? Hatte sie sich diesem Schuft von Briggs geschenkt, oder war es ihr durch eine gütige Fügung des Schicksals erspart geblieben?

Als es klopfte, richtete Reeve sich kopfschüttelnd auf. Was interessierte es ihn, ob das Mädchen Philip Briggs gehörte oder nicht? Erstens ging es ihn nichts an, und zweitens hatte er Loretta.

Wieder klopfte es. »Ihr Bad, Mr. McKenna!«

»Die Tür ist offen«, erklärte Reeve gereizt.

Ein Steward kam herein, gefolgt von zwei Pagen, die eine riesige Kupferwanne schleppten. Reeve gab ihnen ein Trinkgeld und schickte sie fort. Dann zog er sich aus und stieg aufatmend in das heiße Wasser. Seine Muskeln schmerzen wie verrückt, hoffentlich würde die Wärme den Schmerz lindern.

Reeve schloss die Augen und ärgerte sich, keinen Brandy bestellt zu haben. Dann hätte er über sämtliche Bequemlichkeiten verfügt, die er auch zu Hause hatte – mit Ausnahme von Loretta natürlich.

Wieder klopfte es, diesmal ganz schüchtern, und Reeve lächelte. Sicher war der Steward zurückgekommen und brachte eine gute Flasche Wein und eine Zigarre.

»Herein!«, sagte er und rutschte tiefer in das heiße Wasser.

Die Tür ging auf, doch anstelle der Stimme des Stewards hörte er einen erschrockenen weiblichen Ausruf: »Mein Gott!«

Es war die Amerikanerin! Sie stand frisch frisiert in der Tür und starrte ihn betroffen an. Anstatt zu fliehen, wie es jede andere Frau getan hätte, drehte sie ihm schlicht den Rücken zu, schloss die Tür und murmelte: »Es tut mir leid.«

Reeve fluchte, mehr verblüfft als ärgerlich. Wenn es ihr wirklich leidtat, warum ließ sie ihn dann nicht in Ruhe? »Was wollen Sie?«, fragte er schroff.

Obwohl sie mit dem Rücken zu ihm stand, legte sie eine Hand vor ihr Gesicht, und plötzlich hätte Reeve all seinen beträchtlichen Besitz dafür gegeben, zu erfahren, ob sie wenigstens den Anstand besaß zu erröten. Aber sie seufzte nur leise und begann stockend: »Ich ... ich wollte Sie nicht beim ... beim Baden stören, Mr. McKenna. Wirklich nicht. Es ist nur ... Was Sie über meinen Philip sagten ... oder nicht sagen wollten ...«

»Allmächtiger!«, stöhnte Reeve und betrachtete ihre schlanke Taille und den Ansatz der vollen Brüste unter ihrem erhobenen Arm. Vielleicht ist es besser, wenn ich Loretta nichts davon erzähle, schoss es ihm plötzlich durch den Kopf.

Der schmale Rücken der Amerikanerin wirkte rührend steif in ihrem Bemühen um Würde, und sie hielt den Kopf stolz erhoben, obwohl sie Reeve immer noch den Rücken zuwandte. »Ich habe mich entschuldigt«, erinnerte sie ihn spitz.

Dieses freche kleine Ding! Aber für ihre Frechheit waren die Yankees ja bekannt. »Wie heißen Sie?«, erkundigte Reeve sich streng.

»Maggie«, antwortete sie. »Maggie Chamberlin. Was meinen Verlobten betrifft, Mr. McKenna ...«

Plötzlich wurde Reeve die Komik der Situation bewusst; er legte sich schmunzelnd zurück und ließ sogar ein Bein aus der Wanne baumeln.

»Ihr Verlobter«, sagte er gelassen und hätte in diesem Augenblick sein Königreich für eine Zigarre und einen Brandy hingegeben. »Ach ja. Philip Briggs.«

»Irre ich mich etwa in der Annahme, dass Sie meinen Philip nicht leiden können?«, entgegnete Maggie gereizt. »Wissen Sie, ich bin von weit hergekommen, und wenn ich Mr. Briggs nicht heiraten kann, muss ich drei Jahre lang Fußböden schrubben und Nachttöpfe ausleeren ...«

Reeve war dem Lachen nahe, doch galant genug, es zu unterdrücken. »Ich bin nicht sicher, ob das nicht besser wäre, als Philip Briggs zu heiraten«, bemerkte er. »Haben Sie eine Ausbildung als Dienstmädchen erhalten?«

Die schmalen Schultern versteiften sich. »Natürlich nicht! Ich bin Schauspielerin, Mr. McKenna, und Philip versprach mir ...«

»Sagen Sie es nicht, lassen Sie mich raten!« Reeve nahm ein Stück Seife und begann, seine Schultern einzuseifen. Das rasch abkühlende Wasser erinnerte ihn daran, dass das Bad nicht ewig dauern konnte. Was unter den gegebenen Umständen eigentlich recht bedauerlich war. »Philip versprach Ihnen, Sie zu heiraten und Ihnen eine Rolle in einem Bühnenstück zu geben.«

Maggie vergaß sich fast und drehte sich sekundenlang zu Reeve um; zum Glück gelang es ihr noch rechtzeitig, ihn nicht anzustarren. »Ja.«

Reeve seufzte nur und seifte seine Brust ein. Die drei Theater, die er besaß, bedeuteten ihm nichts. Sie waren nichts als Spielzeuge für Loretta, mit denen sie sich beschäftigen konnte, wenn er in Melbourne, Sydney oder Brisbane war und sich um seine breitgestreuten Interessen kümmerte. Er besaß eine Walfangflotte, mehrere Zuckerrohrplantagen und ein berühmtes Vollblutzuchtgestüt. »Aha«, sagte er nach langer Pause.

Maggies Stimme zitterte, als sie wieder sprach. »Wenn es etwas gibt, was ich wissen müsste, Mr. McKenna, bevor ich mich auf eine Ehe einlasse, ist es Ihre Pflicht, es mir zu sagen.«

Reeve tauchte kurz den Kopf unter Wasser und seifte sein dichtes Haar ein. »Haben Sie schon einmal auf der Bühne gestanden, Miss Chamberlin?«, hörte er sich dann zu seinem Erstaunen fragen.

Durch tropfendes Wasser und Seifenblasen sah er Maggie Chamberlin mit dem Fuß aufstampfen, genau wie vorhin auf dem Deck. »Würden Sie bitte aufhören, meinen Fragen auszuweichen?«

Reeve spülte den Schaum aus seinem Haar. »Philip Briggs ist ein hinterhältiger, verlogener Schwächling mit einer unnatürlichen Bindung an seine Mutter«, sagte er gelassen. »Und glauben Sie mir, Miss Chamberlin – er hat genauso wenig vor, Sie zu heiraten, wie ich es tue. War das direkt genug?«

Sogar über das Plätschern des Wassers hörte Reeve, wie sie erschrocken Luft holte.

»Sie mögen ihn ja wirklich nicht!«, rief sie entrüstet.

Reeve griff nach einem Handtuch, um sein Haar zu trocknen. »Nein«, antwortete er mit einem langen Blick auf Miss Chamberlins steifen Rücken. Es ärgerte ihn ein wenig, dass sie Philip Briggs zu lieben schien und Tausende von Meilen weit gereist war, um ihn zu heiraten.

»Sie brauchen nicht so unhöflich zu sein, Mr. McKenna.«

»Erzählen Sie mir nichts von Unhöflichkeit, Miss Chamberlin. Sie sind diejenige, die hier eingedrungen ist. Oder gehört es zu den Angewohnheiten junger Amerikanerinnen, die Zimmer nackter Männer zu betreten?«

Sie wirbelte ganz unvermutet herum, ihre Wangen waren hochrot, ihre zinngrauen Augen blitzten. »Ich bin sehr weit gereist, Mr. McKenna, auf das bloße Versprechen des Mannes hin, den ich liebe. Ich habe kein Geld und keine Empfehlungsschreiben, und wenn Sie die Wahrheit über Philip sagen, bleibt mir nichts anderes übrig, als drei Jahre lang als Hausmädchen zu dienen! Es wäre besser gewesen, in London zu bleiben – da hatte ich wenigstens ein Engagement ...«

»Also haben Sie doch Erfahrung auf der Bühne«, erwiderte Reeve nachdenklich, während er sich ins Wasser zurückrutschen ließ.

Ihr Blick ruhte auf dem Bronzemedaillon, das Reeve um den Hals trug. Aus irgendeinem unverständlichen Grund legte er die Hand darüber, weil er nicht wollte, dass sie sah, was es war.

»Ich habe auf der ganzen Reise nichts anderes getan, als die Rolle der Bianca aus Der Widerspenstigen Zähmung zu studieren«, sagte Maggie unglücklich. »Philip hatte mir fest versprochen, dass ich die Bianca spielen dürfte.«

Reeve empfand Mitleid mit dem Mädchen, verbarg es jedoch hinter einem schroffen: »Die Rolle der Kate passt besser zu Ihnen.«

Ein Hoffnungsschimmer flackerte in ihren grauen Augen auf, erlosch jedoch so schnell wie eine Kerze im Wind. »Es ist nicht nett von Ihnen, Mr. McKenna, mich eine Widerspenstige zu nennen.«

Loretta bringt mich dafür um, dachte Reeve mit bemerkenswertem Mangel an Gefühl. Langsam hob er die Hand und strich sein nasses Haar zurück. »Ganz im Gegenteil, Miss Chamberlin, es war ein Kompliment. Nur sehr wenige Frauen sind imstande, eine glaubhafte Kate zu spielen, aber ich glaube, Sie können es. Die Rolle gehört Ihnen, wenn Sie wollen.«

Maggie wich zur Tür zurück; ihre schmale Hand umklammerte bereits die Klinke. »Machen Sie sich bitte nicht lustig über mich, Mr. McKenna – ich bin zu weit gereist, um enttäuscht zu werden, und es wäre sehr gemein von Ihnen, meine Lage zu verschlimmern.«

»Wenn Sie die Rolle haben wollen«, antwortet Reeve müde, »kommen Sie in die George Street, Nummer fünfzehn, sobald wir in Sydney anlegen.«

Maggie ging nicht, sondern schaute Reeve nur unglücklich an. »Ich musste mich verpflichten, im Austausch für meine Schiffspassage drei Jahre lang zu arbeiten ...«

Reeve winkte ungeduldig ab. Das Mädchen sollte endlich gehen! Ausgelöst durch ihre Anwesenheit in seinem Zimmer kamen allmählich seine niedrigeren Instinkte zum Erwachen. »Du liebe Güte, Miss Chamberlin«, herrschte er Maggie an, »halten Sie eigentlich nie den Mund? Ich kaufe Ihnen Ihre verdammten Papiere, wenn es sein muss. Aber jetzt verschwinden Sie, bevor ich meine guten Manieren vergesse und persönlich feststelle, in welchem Ausmaß Philip Briggs Sie betrogen hat!«

Maggies Wangen färbten sich blutrot, aber nun riss sie endlich die Tür auf und stürmte hinaus.

Reeve starrte ihr stirnrunzelnd nach. War es möglich, dass Maggie Chamberlin Briggs intimen Forderungen widerstanden hatte? Wenn man bedachte, wie dreist sie war, erschien es kaum wahrscheinlich. Der Gedanke versetzte ihn in Zorn, und er schleuderte das Stück Seife an die Tür, hinter der Maggie verschwunden war.

Mr. McKenna für den Rest der kurzen Reise aus dem Weg zu gehen war nicht schwer: Maggie brauchte nur die erste Klasse zu meiden und ihre Mahlzeiten in der Kabine einzunehmen.