Wie ich einmal alles schaffen wollte, was ich mir schon immer vorgenommen habe - Martin Wittmann - E-Book
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Wie ich einmal alles schaffen wollte, was ich mir schon immer vorgenommen habe E-Book

Martin Wittmann

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Beschreibung

Schafft man es wirklich, besser, gesünder, nachhaltiger, engagierter zu leben – und zwar alles zugleich?

Wir alle nehmen uns tausend Dinge vor, verschieben unsere Vorhaben aber immer wieder aufs Neue. Martin Wittmann will seine Tatenlosigkeit überwinden und wagt den Selbstversuch: Ein Jahr lang zwölf gute Vorsätze in die Tat umzusetzen und in seinen Alltag als arbeitender Familienvater zu integrieren, um ein rundum besserer Mensch zu werden. Mit viel Offenheit und der nötigen Portion Humor erzählt der Journalist von einem Experiment, das ihm alles abverlangt, aber auch viele neue Einsichten beschert. Ein Buch über Erfolg und Misslingen von Vorsätzen, über Sinn und Unsinn der Selbstoptimierung – für alle, die wir uns immer wieder Neues vornehmen und daran zu scheitern drohen.

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Zum Buch

Gesünder leben, die Umwelt retten, Sprachen lernen – wir alle nehmen uns tausend Dinge vor, verschieben unsere Vorhaben aber immer wieder aufs Neue. Martin Wittmann will seine Tatenlosigkeit überwinden und wagt den Selbstversuch: Ein Jahr lang zwölf gute Vorsätze in die Tat umzusetzen und in seinen Alltag als arbeitender Familienvater zu integrieren, um ein rundum besserer Mensch zu werden. Mit viel Offenheit und der nötigen Portion Humor erzählt der Journalist von einem Experiment, das ihm alles abverlangt, aber auch viele neue Einsichten beschert.

Zum Autor

Martin Wittmann, 1979 in Landshut geboren, studierte Soziologie in München. Nach einem Volontariat bei der FAZ arbeitete er als freier Journalist, vor allem für die Süddeutsche Zeitung. Seit 2016 ist er Redakteur im Ressort Seite Drei, seit 2019 leitet er das Buch-Zwei-Team. Er hat zwei Bücher veröffentlicht: eines über Bayern, eines über Australien. Für seine Arbeiten wurde er mit etlichen Journalistenpreisen ausgezeichnet – zuletzt war er nominiert für den Reporterpreis in der Sparte Wissenschaftsreportage. Wittmann lebt mit Frau und Tochter in München.

www.penguin-verlag.de

Martin Wittmann

WIE ICH EINMAL

ALLES

SCHAFFEN WOLLTE,

WAS ICH MIR SCHON

IMMER

VORGENOMMEN

HABE

1 Jahr,

12 Vorsätze,

123 Einsichten

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Copyright © 2022 Penguin Verlag

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: Favoritbuero

Umschlagabbildungen: Martina Frank

Satz: Leingärtner, Nabburg

ISBN 978-3-641-28963-8V001

www.penguin-verlag.de

Du musst dein Leben ändern!

Peter Sloterdijk

Du musst einfach wissen, wer du bist und für was du stehst. Zweifel bringen dich um.Jennifer Lopez

Was du zu müssen glaubst, ist das, was du willst.

Marie von Ebner-Eschenbach

Nur du selbst immer sein du musst.

Meister Yoda

Du musst gar nix.

Frank Spilker (Die Sterne)

INHALT

DAVOR

JANUAR GESUNDHEIT UND GEWOHNHEIT

FEBRUAR MUSIK UND ZEITMANAGEMENT

MÄRZ KOCHEN UND ERZIEHUNG

APRIL FINANZEN UND ORDNUNG

MAI LEHRE UND LEIDENSCHAFT

JUNI HEIMAT UND HANDWERK

JULI SPRACHE UND STRESS

AUGUST KLIMA UND FREIHEIT

SEPTEMBER REISEN UND FREUNDSCHAFT

OKTOBER TANZEN UND LOSLASSEN

NOVEMBER GEBEN UND NEHMEN

DEZEMBER KÄMPFE UND PRÜFUNGEN

DANACH

DANK

AUSGEWÄHLTE LITERATUR

DAVOR

Das ideale Leben gibt es nicht. Sonst würden wir, die wir vernünftig, gewissenhaft und anspruchsvoll sind, die wir mit Zeit, Wohlstand und Freiheit beschenkt sind, dieses Leben ja führen. Was sollte uns hindern?

Und doch gibt es Hinweise darauf, dass es dieses Leben geben muss. Wie sonst ist zu erklären, dass uns die Gesellschaft und die Industrie ständig spiegeln, wie unperfekt und verbesserungswürdig unser derzeitiges Dasein (und der globale Gesamtzustand) ist und was wir dagegen tun könnten und müssten. Der Zeitgeist drängt uns zur Selbstoptimierung und Traumerfüllung, die Not des Planeten zur Weltrettung, und so wachen wir morgens neben einer langen To-do-Liste auf, die uns diktiert, was wir an diesem Tag alles zu erledigen haben, und neben einer ausführlichen Bucket-List, die uns aufzählt, was wir uns in diesem Leben noch vorgenommen haben. Für uns, für andere, für alle, die noch kommen. Abends, nach viel getaner und sehr viel nicht getaner Arbeit, wundern wir uns über den schnell vergangenen Tag und jammern über verpasste Chancen und trauern präventiv den noch zu verpassenden nach. Wir hetzen durch den Alltag und vertrödeln ihn dabei, im Hinterkopf die Ahnung: Was wäre nicht alles möglich!

Das ist vielleicht das Gefühl, mit dem sich die meisten Menschen heute identifizieren können: dass wir mit dem eigenen Leben noch mehr anfangen sollten und dass wir die Welt mehr verändern müssten, als wir es bereits tun. Wenn wir denn mal anfangen würden.

Wer hat keine guten Vorsätze zu Jahresbeginn? Wer würde nicht gern ein Instrument spielen, eine (neue) Fremdsprache sprechen, kochen und wie wild tanzen können, mit dem Rad durch Deutschland fahren, gesund und fit sein? Wer hadert nicht mit der eigenen Faulheit, Mutlosigkeit, Aufschieberitis? Wer hat keine Life goals, die nie im Leben erreicht werden? Wer hat kein schlechtes Gewissen, wenn sie oder er in den Urlaub fährt oder gar fliegt; ein billiges Steak isst oder gleich vier, bei Amazon einkauft und das zu viel; um die eigenen First World Problems weiß, aber nichts für den Rest der Welt tut; jeder politisch korrekten Debatte wohlfeil nickend zuhört, aber selbst kein moralisches Musterleben führt?

Unsere Zeit bietet für das ideale Leben eigentlich Möglichkeiten, wie sie noch keine Gesellschaft vor uns hatte. Das ist ein Geschenk. Aber es ist made in Troja. Denn die Wahlfreiheit ist auch belastend, der gesellschaftliche Imperativ unser Ohrwurm, sei es von Nike (Just do it!), Adidas (Impossible is nothing) oder Hornbach (Es scheint unmöglich. Bis du es machst). Der permanente Zwang zur Steigerung und zur Neuerfindung führe zu einer psychischen Überforderung, sagt Hartmut Rosa. Wer nicht mithalten könne zum Beispiel bei der Körperoptimierung durch Fitness und Sport oder bei der Wissensaneignung im Allgemeinen, wer also dem Zwang zur Steigerung seiner selbst nicht genüge, komme nicht mehr mit. Der Soziologe schreibt: »Wir können den Status quo also sowohl als Einzelne als auch als Gesellschaft nicht aufrechterhalten, wenn wir nicht beschleunigen. Das ist, als würden wir ständig auf einer Rolltreppe stehen, die uns nach unten befördert. Wir müssen nach oben rennen, um unseren Status relativ zur Umwelt zu erhalten.«

Kann ich mithalten? Muss ich das? Will ich das? Ich will es zumindest versuchen. Wie wäre es also, mal ein Jahr lang wirklich gesünder, nachhaltiger, kreativer, mutiger, sportlicher, gewissenhafter, zupackender, zielgerichteter, woker und engagierter zu leben und endlich all die Dinge anzupacken, die ich mir schon seit Jahren vorgenommen habe?

Bisher bremsten mich hedonistische Bequemlichkeit, privates Missmanagement, fehlender Handlungsdruck und chronische Verdrängung aus – und natürlich meine Ängste: vor sozialer Isolation, vor fehlendem Talent, vor Familienfrust, Enttäuschung, Erschöpfung, Hunger, Appetit, Desillusionierung, Hektik, Burn-out, Überforderung, vor allem Neuem und vor der modernen Falle der asketischen Lustfeindlichkeit. Das sind die Teufel, die ich an die Wand male. Nach diesem Jahr sollen sie umarmt oder verschwunden sein. Eine weiße Wand.

Ich weihe mein Umfeld ein (und biete Verlagen die Idee für dieses Buch an). Man nennt das, um schon mal in die gut gefüllte Werkzeugkiste zu greifen, die von der Ratgeber-Industrie zur Verfügung gestellt wird, die Rubikon-Methode: Ich erzähle meine Pläne herum, um mich selbst unter sozialen Druck zu setzen. Um nicht mehr zurück zu können.

Zur Konkretisierung meines Vorhabens habe ich Umfragen zu verpassten Chancen und guten Vorsätzen studiert, habe mich in der Popkultur und in den Gesellschaftswissenschaften umgesehen, Bücher über das gute Leben und das schlechte Cholesterin gelesen und vor allem auf meine To-do- und »Was ich unbedingt machen will«-Listen geschaut. Am Ende haben sich zwölf große Ziele (und einige weitere kleinere) herauskristallisiert, zu erreichen in der Gegenwart eines Jahres: die Vorhaben umsetzen, die mich in der Vergangenheit verfolgt haben, und die Vorsätze angehen, die mich in der Zukunft zu einem besseren Menschen machen, darum wird es gehen.

1. Gesundheit (und Gewohnheiten): Voraussetzung für alle meine Life goals ist, dass ich am Leben bleibe. Mindestens dieses Jahr, gerne auch darüber hinaus. Sich um seine eigene Langlebigkeit zu kümmern, ist Gewöhnungssache: Es beinhaltet, sich gut zu ernähren, sich viel zu bewegen, genug zu schlafen. Letzteres dürfte am wenigsten Überwindung kosten.

2. Musik (und Zeitmanagement): Der Klassiker unter den Hätte-ich-doch-als-Kind-Quengeleien. Als junger Schüler hatte ich mal zwei Jahre Klavierunterricht, diese Phase war eine Qual für alle Beteiligten. Lehrer, Schüler, Schülereltern. Ich hoffe, dass zumindest das Klavier keine bleibenden Schäden davongetragen hat. Warum viele Erwachsene im Alter nicht mehr anfangen mit dem Erlernen eines neuen Instruments? Weil sie dafür keine Zeit finden (wollen). Ich aber hole mit 41 endlich und zum ersten Mal die Gitarre aus dem Schrank, die ich zum Geburtstag geschenkt bekommen habe. Zum 18. Geburtstag.

3. Kochen (und Erziehung): Ich kann nicht kochen. Dieser Umstand ist nicht nur ungesund, unsinnlich, unfair, sondern auch unverantwortlich: Soll unsere siebenjährige Tochter wirklich mit der Vorstellung aufwachsen, die Frau koche und der Mann warte aufs Essen? Dann lieber (erst mal) schlechter essen.

4. Finanzen (und Ordnung): Lange wollte ich keine Ahnung von Geld haben, es schickte sich nicht in meiner Bubble aus Soziologen (die Kapital für eine unredliche Angelegenheit halten), Lehrern (die Beamte sind und sich keine Gedanken machen müssen) und Journalisten (die über alles, aber kaum darüber sprechen). Ich habe mich deshalb nie um Geld geschert. Das will ich ändern. Das gehe nur über Ordnung, habe ich mal gelesen, in einem Buch, das ich jetzt nicht mehr finde in diesem Chaos hier. Jedenfalls will ich reich werden. Oder zumindest nicht verarmen.

5. Lehre (und Leidenschaft): Coaching hat sich als marktübliches Instrument der individuellen Verbesserung durchgesetzt, das verdient eine nähere Betrachtung. Was ich herausfinden möchte: Welches Coaching passt zu mir?

6. Handwerk (und Heimat): Natürlich habe ich keine Ahnung von echter Arbeit, ich bin Journalist und interviewe Menschen, die können, was ich nicht kann. Ich habe Freunde, die zupackend sind, mein Vater hilft auch ab und zu aus, wenn’s in der Wohnung knarzt, und der Hausmeister ist leicht bestechlich. Es gab bisher einfach keine Notwendigkeit, sich mit den praktischen Anforderungen des Lebens auseinanderzusetzen. Jetzt aber ist das Bett im Schlafzimmer kaputt. Warum ein neues kaufen und umständlich aufbauen, wenn man noch umständlicher selber eines schreinern könnte? Mein Cousin ist Schreiner auf dem Land, er will mir zeigen, wie man ein Bett baut. Hornbach wird auch mithelfen müssen.

7. Sprache (und Stress): Wen schmückt es nicht, seine Tapas akzentfrei zu bestellen, im Urlaub mit Einheimischen zu sprechen und Almodóvar-Filme im Original schauen zu können? Eine Sprache zu lernen, war eine der häufigsten Antworten, wenn ich Freunde und Bekannte danach gefragt hatte, was anzugehen sie verpasst hatten. Ich für meinen Teil habe es einst nicht versäumt, mich dem Spanischen zu nähern. Aber das Spanische hat es seinerseits versäumt, sich mir zu nähern.

8. Klima (und Freiheit): Ich will nicht mehr Auto fahren. Seit dem Tag, an dem ich den Führerschein bekam, habe ich mit diversen Benzinern die Natur und mein Bankkonto belastet. Aber die Zeiten sind heute andere. So stolz ich als Dorfjugendlicher über die Landstraßen gefahren bin, so beschämt nutze ich das Auto heute, als erwachsener Städter (und Vater), der um die umweltschädlichen Folgen weiß. Damit muss Schluss sein. Zündung aus.

9. Reisen (und Freundschaft): Ich will Radfahren. Von Nürnberg nach Berlin, 500 Kilometer in fünf Tagen. Mit dem Gravelbike, einer Art Hybrid aus Mountainbike und Rennrad, ein relativ

junger Trend. Auf Reisen gehe ich mit einem Freund. Und der Raupe Nimmersatt.

10. Tanzen (und Loslassen): Wo bin ich im Club? Am Tresen. Wo bin ich auf einer Party? In der Küche. Wäre ich jemals auf einem Rave gewesen, hätte ich ihn wahrscheinlich stundenlang in einem Dixi-Klo versteckt durchgestanden. Hauptsache nicht tanzen. Meine Tanzscham ist vielleicht das kurioseste Gefühl, das sich in der Pubertät entwickelt hat, das im Gegensatz zu Pickel und langen Haaren danach aber nie verschwunden ist. Sie zu überwinden, ist das Ziel.

11. Geben (und Nehmen): Wenn ich von Menschen höre, wie sie sich selbstlos einsetzen für andere, setzen bei mir gleichzeitig Bewunderung für ihre gute Tat und die Überzeugung, mich selber engagieren zu wollen, ein – gefolgt von der sofortigen Verdrängung dieses Vorhabens. Dabei weiß jeder: Wer anderen hilft, hilft sich auch selbst. Ein Effekt, um den es mir freilich nicht geht (der aber jetzt auch kein Hinderungsgrund sein soll).

12. Kämpfe (und Prüfungen). Sport gehört in diesen superfitten Zeiten selbstverständlich auf die Liste, eine Regelmäßigkeit zu etablieren, wäre vernünftig und gesund, gleichzeitig sollte die Routine auf ein Ziel hinauslaufen, mehr sein als nur Training. Was hat Bedeutung über die Ertüchtigung hinaus? Boxen. Es ist vintage-hip und gewiss nichts für Feiglinge (zu denen ich mich zähle). Bislang habe ich keinerlei Vorkenntnisse außer durch ein paar Filme und einige Besuche eines nicht sehr gut riechenden Boxstudios als Student, die nie im Ring endeten, aber doch immer im Schmerz (Muskelkater). Ich werde nun trainieren, denn am Ende einer jeden guten Erzählung braucht es einen Kampf, das weiß ich von diversen Rocky-Filmen. Zumindest braucht es ein Sparring. Hauptsache, es fließt Blut.

Ich werde also ein Jahr, vom 1. Januar bis 31. Dezember, alles daransetzen, meine Vorhaben umzusetzen (dass es sich um das Jahr 2021 handelt, ist unerheblich). Ziel ist es, das Außergewöhnliche (etwa den Bettenbau) anzupacken und das Gewöhnliche (zum Beispiel meine Ernährung) anzupassen. Auf dem Weg werde ich nebenbei die diversen kleineren Herausforderungen angehen, seien es Yoga-Challenges, Hypnose-Sessions oder Fisch-Massaker. Um das alles zu schaffen, werde ich die gängigen Theorien, Erkenntnisse und Praxistipps ausprobieren, die mir Wissenschaft und Marktwirtschaft dazu zur Genüge bieten. In diesem Buch geht es nicht (wirklich) um Corona, (fast) nicht um Erziehung, (absolut) nicht um Karriere, (eigentlich) nicht um Glück, (hoffentlich) nicht um Männersachen, (zum Glück) nicht um den Tod, nicht (unmittelbar) um Liebe und (gar) nicht um Sex, auch wenn das förderlich für den Erfolg des Buches wäre. Dieses Buch soll kein weiterer Ratgeber sein, sondern das Produkt eines Ratnehmers, weniger das Werk eines Schreibers, der Schlussfolgerungen zieht, denn eines Lesers, der Anfänge wagt. Kein Sachbuch, sondern ein Machbuch.

Das heißt konkret: Ich werde weder meine Frau und unsere Tochter verlassen, um auf einen Selbstfindungstrip zu gehen, noch ein Sabbatical beantragen, um den Sinn des Lebens zu finden. Der Selbstversuch soll innerhalb des Rahmens durchgeführt werden, den wir Normalität nennen, samt Vollzeitjob, Familie, Sozialleben, Alltag. Kurz: Ich werde weiter mein Leben führen. Nur besser.

In diesem Buch widme ich mich jeden Monat vorwiegend einem der Vorhaben. Da mein Lebenswandel interdisziplinär abläuft und ich viele Projekte gleichzeitig vorantreibe, werde ich immer wieder auch die Zwischenstände auf den anderen Plätzen durchgeben. Ich werde viel unterwegs sein in den Welten, die ich mir zu eigen machen möchte, ob es nun das Boxstudio, Spanien, Feldwege, die Werkbank, die Schulbank, die Liege oder der Motivations-Kurs sind. Ich werde nach vorne schauen, auf meine Ziele, und nach hinten, um mich zu erinnern, wie ich hierher gekommen bin. Und ich werde zurückgreifen auf die Privilegien, die ich als Journalist genieße: auf Recherchen, die ich für das Thema machen durfte, und auf Interviews, die ich mit Stars über (ihr) Schaffen und Nicht-Schaffen führen konnte.

Hilfreich wird sein, was die Literatur und die Forschung zum uns alle (über-)fordernden Zeitgeist zu sagen haben, vor allem meine alte Studienliebe Soziologie: Warum will ich das eigentlich, und warum will die Gesellschaft eigentlich, dass ich das will, und wo führt das alles hin? Was machen die Menschen mit den vielen Ansprüchen und was machen die Ansprüche mit den Menschen? Die Antworten führen hoffentlich zu 123 Einsichten, die sich über das Buch verteilen, vielleicht werden es auch nur neun sein oder doch 7000. Wer weiß schon, was so ein Jahr bringt.

Ich jedenfalls bin gespannt und werde spä…, oh halt, im Ersten läuft schon der Countdown der Silvestershow, schnell noch das letzte Stück Geräuchertes in den Mund geschoben und mit einem Schluck Bier hinunterspülen. 5, 4, 3, 2, 1. Bumm.

Frohes neues Leben.

Feliz Año Nuevo

Frohes neues Jahr

Viernes, 1 Enero

JANUAR

GESUNDHEIT UND GEWOHNHEIT

Es hat genau null Grad an diesem Neujahrsmorgen, sehr gutes Omen, auf die Plätze, fertig, los, alles offen, alles möglich. Nebel, der sich lichtet. Mein neues Leben fühlt sich körperlich noch an wie das alte. Etwas verkatert und leicht schwerfällig, im Magen noch die Happen Fleisch, die ich in den letzten Minuten des alten Jahres verschlungen habe. Emotional aber bin ich schon weiter, ich fühle mich bereit, endlich anzufangen, was ich schon immer machen wollte, und sein zu lassen, was mich schon lange stört. Richtig leben. Besser werden. Am unmittelbarsten ist es wohl, mit mir selbst, der eigenen Gesundheit zu beginnen. Und wie eine Laboruntersuchung zeigt, ist es auch am dringendsten.

»Herzlichen Glückwunsch, deine Blutwerte sind schrecklich.« Meine Hausärztin hat mir die Auswertung aufs Handy geschickt. Ich hatte ihr von meinem Vorhaben erzählt, mich ab sofort besser zu ernähren, mehr Sport zu treiben, gesünder zu leben. Schlechte Werte wären da gar nicht so schlecht, meinte ich, dann könne es leicht besser werden. Erstes vorbereitendes Etappenziel erreicht. Das zweite habe ich knapp verfehlt, bei 178 Zentimeter Größe wäre es pikant gewesen, die 90-Kilo-Marke zu knacken, aber selbst die bei meinen Eltern im Bratensud verbrachten Feiertage haben dafür nicht ganz gereicht.

Durch meine Adern und Venen zirkuliert also Blut, das laut Auswertung gefährliche Pluspunkte aufweist: die Leberwerte GPT und Gamma GT sind erhöht, die Werte der Harnsäure auch, die der Triglyceride, das sind Blutfette, ebenfalls, Cholesterin ist viel zu hoch. Alles rot.

»Du musst was machen«, sagt die Hausärztin.

Was bei Verschlechterung alles drohte, überfliege ich nur, Schlaganfall, Herzinfarkt, Gicht, das alles lese ich nicht als zukünftige Gefahren, sondern als bereits gebannte. Ich strotze vor Tatendrang und Zuversicht, geistig bin ich meinem Körper schon weit voraus. Im Kopf habe ich schon ein neues Blutbild gemalt, grün wie frisches Gras. Ich bin euphorisch wie nie. Der Duden definiert »Euphorie« übrigens mit »dem objektiven Zustand nicht entsprechende gesteigerte Gemütsstimmung«.

Wie kommt das alte, eigentlich aktuelle Blutbild, wie kommt mein Leben zustande?

Nun, ich lebe extrem. Extrem durchschnittlich. Ich bin das Volk, zumindest statistisch betrachtet: Meine Frau und ich sind verheiratet, so wie 69,9 Prozent der Paare mit Familie, wir gehören in vielen Kategorien zur jeweils größten Gruppe: Altersunterschied unter vier Jahren, gleicher Bildungsstand, Eltern geworden mit knapp über 30, überversichert, Kaffee am liebsten mit Milch, keine Punkte in Flensburg, nicht religiös, Mülltrenner, keine Nussallergie. Ähnlichkeiten bei Musiksozialisation (Bon Jovi) und gegenwärtigem Geschmack (Bon Scott und Bon Iver). Wir haben genau ein Kind, so wie mehr als die Hälfte der Familien in Deutschland (51,2 Prozent). Wie die meisten Deutschen (77,5 Prozent) leben wir in einer Stadt, in unserem Fall München, auf unterdurchschnittlichen 76 Quadratmetern. Nicht arm, nicht reich, Rechtshänder. Ein Mittelklasse-Auto, das wir steuern, aber nicht selbst reparieren können, und das uns sommers in den Süden fährt.

Ich habe ein Faible für den Volkssport Fußball und Gitarrenmusik. Beim Italiener wähle ich den populärsten Belag (Salami) auf der Pizza, ich bin weder extravagant noch introvertiert, nicht laut und nicht maulfaul, eher ADAC denn ACAB. Ich bin nicht sehr nostalgisch (außer bei Grunge) und nicht wirklich visionär (außer dieses Jahr). Ich kann wie die meisten Menschen die Zunge und wie die meisten Bayern das R rollen. »Ois ganz normal«, würde meine Mutter sagen. Ich habe noch einen Milchzahn, das immerhin ist selten.

Ich sehe durchschnittlich genug aus, um des Öfteren auf der Straße von Fremden gegrüßt zu werden. Sie entschuldigen sich: Sie hätte mich verwechselt mit jemand ähnlich (unmarkant) Aussehenden. Ich habe einen etwas zu hohen Body-Mass-Index (28) und gehöre damit zur Mehrheit der übergewichtigen Männer. Und damit zurück zu den Blutwerten.

Die 55 Kilo Fleisch, die in Deutschland pro Kopf und Magen jährlich konsumiert werden, esse ich locker, die 95 Liter Bier und 450 Tassen Kaffee trinke ich mindestens. Morgens Brot, mittags und abends Doppelportionen, später auch gerne Chips (ungarisch) und Bier (regional). Kurze Alibi-Joggingrunde, lange Adidas-Jogginghose. Die durchschnittlich mehr als zehn Stunden am Tag, die die Deutschen vor Bildschirmen verbringen, toppe ich noch. Kurz: Ich bin die perfekte menschliche Laborratte.

Dass ich mit meinem Wunsch, mein Leben zu ändern, nicht alleine bin, sehe ich auch an den immer wieder zu Jahresbeginn erhobenen Umfragen zu den Plänen der Deutschen im neuen Jahr. Jede und jeder Dritte hat gute Vorsätze, die drei beliebtesten lauten: mehr Sport treiben, gesünder ernähren und abnehmen. Weniger Alkohol trinken nimmt den siebten Platz ein, vegetarisch zu leben liegt immerhin auf Rang elf. Beim Sportstudio Fitness First melden sich im Januar dann auch doppelt so viele Neumitglieder an wie in einem Sommermonat. Die Outdoor-Plattform Strava hat aber auch ermittelt, dass schon am zweiten Freitag des Monats die Leistungsnachweise der gemeldeten Mitglieder einbrechen. Sie nennen den Tag den »Quitters Day«. Dem Planen einer Aufgabe folgt das Aufgeben des Geplanten.

Vorsätze: Bleibt alles anders?

Wie aber hält man seine Vorsätze durch? Wie man sie nicht durchhält, weiß ich bereits. Früher nahm ich mir etwas traumhaft Radikales vor (bei jedem Wetter mit dem Rad in die Arbeit) mit dem Ziel, den Plan von jetzt an auf ewig durchzuziehen (das war’s endgültig mit dem Auto, eigentlich kann ich gleich die Einlasskarte fürs Parkhaus in der Arbeit zurückgeben). Das ging meist eine Weile gut und fühlte sich auch so an (was machen diese PS-Irren überhaupt noch auf meiner Fahrradstraße?). Ich kam ins Straucheln, sobald ich das erste Mal abwich von meinem Superplan (Mist, spät dran, und kalt ist es auch, ach, das eine Mal).

Schrecklicher Gedanke: Kann es sein, dass ich mich gar nicht wirklich ändern möchte (verhasstes Autofahren, I love you!)? Meine größenwahnsinnige und alltagsfremde Vision, eine neue Stärke ohne einen Anflug alter Schwäche zu etablieren, scheitert schließlich komplett beim nächsten Einknicken (jetzt ist es auch schon egal). Die Folge: Frust (und Klimawandel).

Und diesmal? Zu den häufigsten in der üppigen Literatur genannten Gründen fürs Schwachwerden zählt die fehlende intrinsische Motivation: Es sind gar nicht die eigenen Wünsche, sondern die des Partners, der Hausärztin, des Chefs. Ich versuche also, meine ganz eigene Liste zu erstellen (siehe Einleitung) und anzugehen.

Nächster Stolperstein: Man soll sich nicht zu viel auf einmal vornehmen. Diesen Rat nun ignoriere ich weitgehend, mir geht es schließlich in diesem Jahr um nichts weniger als alles. Was aber immer hilft: den Lebensstil in Etappen ändern, mit Zwischenzielen. Beispiel Radreise: bis Ende März die erste Tour, bis Ende Juli die erste Ausfahrt mit 100 Kilometern, im September 500 Kilometer.

Im Großen werde ich ein paar Vorhaben über das Jahr verteilen. Das Bett zu bauen, fange ich wohl erst im Sommer an, das Tanzen vielleicht noch später. Im Kleinen löse ich das Problem der unguten Massierung der Vorhaben mit einem Trick: Für mich sind abnehmen, gesünder ernähren, weniger Alkohol trinken und vegetarisch leben nur ein einziger Vorsatz, überschrieben mit: »Nicht mehr so ungesund leben.«

Leider ist das auch schon wieder ein Fehler, nicht inhaltlich, sondern der Form wegen. Das Wording stimmt nicht. Der schwedische Wissenschaftler Per Carlbring von der Universität Stockholm hat für eine Studie 1066 Freiwillige, die sich besser ernähren wollten, in drei Gruppen eingeteilt. Es ging ihm um die Frage, inwiefern es sich auswirkte, ob die Probanden bei ihrem Vorhaben unterstützt wurden – oder nicht: Die erste Gruppe bekam während der Studie gar keine Hilfe, die zweite ein wenig und die dritte viel, etwa E-Mails mit nützlichen Tipps. »Es zeigte sich, dass die Unterstützung, die die Teilnehmer erhielten, keinen großen Unterschied machte, wenn es darum ging, wie gut sie ihre Vorsätze während des Jahres einhielten«, schreibt Carlbring. Ausschlaggebend war vielmehr die positive Formulierung der Ziele.

Wer seinen Vorsatz von »Ich werde aufhören …« zu »Ich werde damit anfangen …« umwandle, habe eine größere Chance, sein Ziel auch zu erreichen, schreibt Carlbring. In meinem Fall heißt das: »Von nun an lebe ich gesünder.«

Studien wie diese werden mein Jahr prägen, ich muss mich auf sie verlassen, als wissenschaftsgläubiger Diplomsoziologe tue ich das auch. Leichte Zweifel aber bleiben, was die Glaubwürdigkeit gerade dieser Studie aus Stockholm betrifft, habe ich doch noch nie einen ungesund wirkenden Schweden gesehen. Michel aus Lönneberga, der Fußballer Zlatan Ibrahimovi´c, Greta Thunberg, die Musiker von Mando Diao und von ABBA – alle fit.

»Von nun an lebe ich gesünder« ist nun auch noch nicht perfekt, denn essentiell sei es, so lese ich immer wieder, die Ziele nicht allzu vage zu formulieren. Besser wäre: »Ich werde einen Monat keinen Alkohol trinken, ein Jahr lang kein Fleisch essen und außerdem zu boxen anfangen.« Das ist so ein langer Satz, dass ich mich danach eigentlich in vorauseilender Erschöpfung erst mal hinlegen möchte.

Würde ich ihn nur leise zu mir selbst sagen, könnte ich später, wenn alles schiefgeht, so tun, als hätte ich ihn überhört. Was hier hilft, für die Motivation und die Kontrolle, ist ein Rechenschaftspartner. Die Idee dahinter: Es gibt da jemanden, der aufmunternd oder skeptisch zuschaut. In meinem Fall ist das die Familie, die in den folgenden Tagen und Wochen immer wieder nachfragt, ob ich das wohl durchhalte. Hier wirkt die Kontrolle: Bevor ich mir die Schmach antue, meine Schwäche zu offenbaren, ziehe ich mir halt doch schnell die Sportklamotten an. Und wie bringe ich mich dazu, in die Regelmäßigkeit zu kommen? So wie Kinder, schreibt Wendy Wood, Psychologieprofessorin an der University of Southern California, in ihrem tollen Buch Good Habits, Bad Habits. Gewohnheiten für immer ändern, es gebe da eine unkomplizierte Methode: »Sie müssen es nur einfach immer wieder versuchen.« Denn: »Klar, was wir gern tun, tun wir immer wieder. Aber dieses Phänomen gilt auch umgekehrt: Wir beginnen, das, was wir immer wieder tun, zu mögen.«

Ich beginne also, mittags als Hauptmahlzeit den einst verhassten Haferschleim zu essen. Ein von mir konsultierter Ernährungsberater preist ihn als Wundermittel. Wenn man Nüsse, Früchte und Samen reinmische, sei da alles Wichtige drin. Mir hilft nun einerseits, ihn einfach Porridge zu nennen, auch hier zählt das Wording. Zum anderen schadet es nicht, dass mir Porridge immer besser schmeckt.

Außerdem gewöhne ich mich daran, Sardellen zu essen. Früher mein Erzfeind, heute mein Pizzabelag statt Salami.

Der Schwede Carlbring schreibt, man könne ein Verhalten nicht auslöschen, aber durch etwas anderes ersetzen. Ich mache das nicht nur auf der Pizza, sondern auch bei der Flasche. Beim Bier ersetze ich das 5,2%-Augustiner durch das alkoholfreie Jever, das vielversprechend »Fun« heißt. Ich merke schnell, dass mich beim Ritual des Feierabendbiers weniger der Alkohol interessiert, sondern das zischende Öffnen der Flasche und das Löschen des ersten Dämmerungsdurstes. Hier bereits hilft das Wenn-dann-Denken, das in keinem Ratgeber fehlt: Wenn ich Lust auf ein Bier bekomme, dann nehme ich mir eines. Nur halt ein alkoholfreies. Fleisch ersetze ich mit Tofu (beim Asiaten), mit Lachs (in der Lasagne), mit Falafel (im Burger) und mit Soja und Erbsen (in vegetarischen Fleischpflanzerl). Aber klar: No alcohol, no meat, no sugar, das nehme den Dingen das Eigentliche, man gebe sich der Kultur des »Non-ism« hin, wie Philosoph Slavoj Žižek schimpfen würde.

Fitness: Und nun zum Sport

Sport wird in diesem Jahr die Antwort auf gleich mehrere Fragen sein: Wie lebe ich gesund? Wie lerne ich meine Heimat kennen? Wie fühlt man sich als Schüler? Wann fühle ich mich wohl? Und wo ist das ganze Geld hin?

Mit 41 habe ich bereits mehr als zwei Jahrzehnte Erfahrung auf dem Gebiet der repetitiven Leibesübung. Ich habe dabei sehr viele Trends ausprobiert. Der Beginn dieses speziellen Jahres ist ein guter Zeitpunkt, meinen Erfahrungsschatz zu taxieren, der vielleicht wertvoll ist, ganz sicher aber teuer war. Und so viel darf schon mal verraten werden: Am Ende der Inventur warten phänomenale Ergebnisse....Ende der Leseprobe