Wie man eine Raumkapsel verlässt - Alison McGhee - E-Book

Wie man eine Raumkapsel verlässt E-Book

Alison McGhee

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Beschreibung

Von einer emotionalen Kraft, die einem den Atem nimmt Will ist einer, der geht. Von zu Hause zur Schule zur Arbeit und wieder zurück. Tag für Tag. Er geht an diesem kleinen Kerl vorbei, der auf Schmetterlinge wartet. Vorbei an Superman, dem Obdachlosen. Vorbei an dem wahnsinnigen Hund, der immer bellt. Aber es gibt auch Orte, an die will er nicht, kann er nicht gehen: die Brücke über die Fourth Street, den Laden mit den hundert chinesischen Segenssprüchen – Orte, die er immer mit seinem Vater besucht hat und der sich das Leben genommen hat. Will muss herausfinden, wie er auf seine Probleme zugehen kann, statt vor ihnen wegzulaufen. Vielleicht, indem er den Mut findet, wieder mit seiner Freundin Playa zu sprechen? Ist das der Weg raus aus der Traurigkeit und ins Leben zurück?

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Über das Buch

Manchmal muss man sich den Tag rauslaufen. Weißt du, was ich meine? Lass deine Füße den Weg finden. Du merkst es, wenn das geschieht. Dann lass den Tag aus dir heraussickern. Lass alles, was dir in den Kopf kommt, frei darin herumschweben.

Will ist einer, der geht. Von zu Hause zur Schule, zur Arbeit und wieder zurück. Tag für Tag.

 

 

 

 

In liebevoller Erinnerung an Garvin Wong und Jeanyee Wong, zwei Menschen, die für mein Leben ein unermesslicher Segen waren.

 

Echtes Maisbrot – hast du so eins schon mal gegessen?

Brot, das in einer gusseisernen Pfanne gebacken wird, die man im Ofen erhitzen muss, während man noch den Teig anrührt? Ganz heiß muss der Ofen sein, so heiß, dass du Ofenhandschuhe anziehen musst, bevor du die Tür aufmachst.

Dann nimmst du die Pfanne raus und gießt etwas geschmolzene Butter hinein, dass es zischt, so heiß muss die Pfanne sein. Dann folgt der Teig, und noch bevor die Form zurück im Ofen ist, wird der Teig braun und fängt an den Rändern an zu stocken.

So ein Maisbrot, so eins meine ich.

Es gibt alle möglichen Arten von Maisbrot, sagte mein Dad immer. Das nicht süße aus den Südstaaten, das süßliche aus dem Norden. Und natürlich Dads Maisbrot.

So wie er das sagte, hörte es sich wie fett gedruckt an. Du weißt schon:

Dads Maisbrot.

Die Liste seiner Zutaten hatte er im Kopf. Vielleicht experimentiere ich heute Abend mal wieder damit. Ich versuche nämlich, sein Rezept zu rekonstruieren. Damit das Brot genauso schmeckt wie bei ihm.

Die gusseiserne Pfanne verwahre ich bei mir im Kleiderschrank. Eier sind im Kühlschrank. Butter auch. Milch ist keine da, aber ist schon okay. Wasser tut’s auch.

Manchmal muss man sich den Tag rauslaufen. Weißt du, was ich meine? Ihn sich durch die Fußsohlen rauslaufen. Dollar Only hat jetzt geschlossen, mit meiner Schicht bin ich gleich fertig. Es ist Dienstag, das heißt, meine Mom hat Nachtschicht und merkt nicht, wenn ich nicht zu Hause bin.

Hinter dieser Tür warten die Nacht und die Bürgersteige. 

Noch den Mopp auswringen, Eimer ausleeren, mich im System abmelden. Major Tom Tschüss sagen. Der schon wartet, dass er abschließen und durch die Hoftür zu seinem Wagen gehen kann.

Major Tom ist nämlich kein Fußgänger. Die meisten Leute sind das nicht. Ich schon.

Heute Abend ist sogar die Luft dunkel. Das kommt vor. Dann fehlt nicht einfach die Sonne – dann spürt man die Dunkelheit.

Wenn du ein Geher bist, ein echter Geher, dann finden deine Füße von selbst den Weg. Manchmal führt der richtige Weg an all den Orten vorbei, die du liebst, am Dom, am Park, am Markt mit seinen Ständen.

Manchmal führt der richtige Weg an manchen Orten eben nicht vorbei, Orten, die du liebst, an denen du aber gerade eben unmöglich vorbeigehen kannst.

Zum Beispiel Playas Haus.

Zum Beispiel der Voodoo-Laden.

Zum Beispiel die Brücke über die Fourth Street.

Lass deine Füße den Weg finden. Du merkst es, wenn das geschieht. Dann lass den Tag aus dir heraussickern. Lass alles, was dir in den Kopf kommt, frei darin herumschweben.

Was heute Abend in meinem Kopf ist?

Maisbrot. Dieses dunkle Maisbrot aus der gusseisernen Pfanne, so wie mein Dad es immer gebacken hat.

Und das zerschlissene kleine Tuch, das Playa jeden Tag im Rucksack mitschleppte, damals, in der Grundschule.

Und das Kistchen ganz hinten im Voodoo-Laden, mit den hundert Segenssprüchen, alle chinesisch durchnummeriert.

Heilung für dein gebrochenes Herz.

Eine Wolke aus Geborgenheit für dich.

Ein Licht für eine friedliche Nacht.

Den Job im Dollar Only hab ich so bekommen: Es gab da einen Aushang im Schaufenster, dass sie jemanden suchten.

Wieso hier?, fragt Major Tom. Wieso Dollar Only?

Ich muss langsam mal anfangen zu sparen. Fürs College.

Und wo hast du unsere Anzeige gesehen?

Ich komm praktisch jeden Tag hier vorbei. Auf dem Weg zur Schule.

Ah ja, Schule. Welche?

Mountain High.

Hm. Es gibt da einen Song, Rocky Mountain High heißt der. Schon mal gehört?

Ähm, ja. Meine Mom steht drauf.

Na, dann sag deiner Mutter, sie hat einen guten Geschmack. Kannst du auch abends und am Wochenende arbeiten?

Das Bewerbungsgespräch fand in Major Toms Büro statt. So nennt er es, er besteht darauf, dabei ist es nur ein Kabuff, gleich neben dem Personalklo, in das er einen Schreibtisch und einen Bürostuhl auf Rollen reingequetscht hat.

Drinnen hängt eine Pinnwand aus Kork mit irgendwelchen aufmunternden Sprüchen.

Wovon du träumen kannst, das kannst du auch erreichen.

Mit jedem neuen Tag kommen neue Kraft und neue Ideen.

Ein Leben ohne Ziel ist kein Leben.

Klappt’s nicht auf Anhieb, versuch’s noch einmal.

Man könnte meinen, er hätte es drauf angelegt, die lahmsten Sprüche aller Zeiten zu finden. Weißt du, was ich meine?

Gehen. Ob zur Schule, zum Job oder nach Hause.

Anfangs habe ich Major Tom immer mit seinem richtigen Namen angeredet: Mr. Montalvo.

Aber das will er nicht. „Sag einfach Tom, Will!“

Erst hab ich gedacht, ich solle ihn Tom Will nennen, und fand das sehr seltsam. Aber so war’s nicht. Will bin ich, und Tom heißt er, und so soll ich ihn nennen.

Zu dem Zeitpunkt war ich gerade mal eine Woche da, aber ich wusste schon, dass dieser Laden, der Dollar Only, mehr oder weniger sein ganzer Lebensinhalt war.

Manche Leute sind eben so. Die mit diesem hilflosen Lächeln.

Leute wie Major Tom nehme ich auf den Arm, von Anfang an. Dann fühlen sie sich zugehörig. So als wären sie ein Teil dieser Welt, als hätten sie echte Freunde. Als würden sie gesehen.

Wieso ich angefangen hab, ihn so zu nennen?

Weil er Musik mag. Weil er etwa so alt ist wie meine Mutter. Von daher müsste er Bowies Song kennen, Space Oddity. Meine Mutter liebt diesen Song über Major Tom.

Bowie war alt, aber cool. So würde Mr. Montalvo sich mit einem Spitznamen wie Major Tom auch fühlen.

Genauso ist es. Wieso auch nicht? Ich sag nur: Bowie.