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In diesem Buch wird erzählt, wie aus einem Buben namens Hellmut, der noch die Wirren des Zweiten Weltkriegs erlebte, ein beispielhafter Erklärer von geistigen Wahrheiten wurde. Sein Leben wurde beeinflusst durch die Begegnungen mit Albert Schweitzer. Der Theologe, Organist, Philosoph und Arzt wurde Hellmuts großes Vorbild. Hellmut hat gemeinsam mit seiner Frau Siglind unzählige beispielhafte Aktionen ins Leben gerufen, denn für beide war das Wichtigste, ihren ethischen Leitlinien zu folgen. Hellmut, die Hauptfigur dieser Erzählung, ist jetzt 92 Jahre alt. Er ist der Onkel der Autorin Carla Thompkins. Sie findet, dass ihr Onkel eine große Ausnahmeerscheinung in der heutigen Welt ist, weil er der festen Überzeugung ist, dass wir stets für Frieden und die Einheit der Menschheit eintreten müssen.
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Seitenzahl: 61
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Warum dieses Buch entstand
Eine Zeitreise in das 19. Jahrhundert
Wie verhielt sich Albert Schweitzer im Alltag
Hellmuts Jugendjahre
Begegnung mit Albert Schweitzer
Verstehen und umsetzen
Letzte Begegnung
Siglind und Hellmut sind einzigartig
Todi und mehr
Die Cramms als Vorbilder
Ehre, wem Ehre gebührt
Unruhestand
Schlussakkord
Danksagung
Quellenangaben
Dieses Buch ist ein Ausdruck meiner Wertschätzung für die lebenslange Förderung meiner geistigen Entwicklung, die ich von meinem Onkel Hellmut erhielt. Die Leser werden am Beispiel meines Onkels erfahren, wie aus einem Buben, der noch die Wirren des Zweiten Weltkriegs erlebte, ein beispielhafter Erklärer von geistigen Wahrheiten wurde.
Hellmuts Leben wurde beeinflusst durch seine Begegnungen mit Albert Schweitzer, dem er als junger Mann nacheifern wollte. Albert Schweitzer war 56 Jahre älter als mein Onkel und hätte vom Alter her Hellmuts Großvater sein können. Der Theologe, Organist, Philosoph und Arzt wurde Hellmuts großes Vorbild.
Mein Onkel hatte deswegen einige Probleme zu lösen, weil nicht immer alle Menschen seine Motive akzeptierten. Sogar die engsten Verwandten zweifelten manchmal an seinen Einstellungen. Aber was auch geschah, für meinen Onkel war das Wichtigste, zusammen mit seiner lieben Frau Siglind seinen ethischen Leitlinien zu folgen.
Hellmut konnte nicht in ein Entwicklungsland gehen und dort als Arzt und Missionar wirken. Stattdessen wirkte er als gestandener Mann und Familienvater zusammen mit seiner Siglind in Basel und Basel Land. Das Ehepaar Cramm zeigte unzähligen Menschen durch ihr vorgelebtes Beispiel, wie ein sinnvolles und erfülltes Leben geführt werden kann.
Ich finde, dass mein Onkel in der heutigen, zerfallenden Welt eine große Ausnahmeerscheinung ist, weil er der festen Überzeugung ist, dass wir stets für Frieden und die Einheit der Menschheit eintreten müssen.
Mein Onkel und ich telefonieren jeden Sonntag miteinander, und in diesen Gesprächen wurde die Idee geboren, schriftlich festzuhalten, wie Albert Schweitzer sein Leben beeinflusste und welchen Lebensweg mein Onkel einschlug.
Aber zuerst schreibe ich über die Lebensumstände der damaligen Zeit. Darunter verstehe ich die sozialen Beziehungen und Interaktionen, die eine Person umgeben und maßgeblich deren Entwicklung, Verhalten und Wohlbefinden beeinflussen. Ich bin überzeugt, dass das soziale Umfeld den größten Einfluss auf den Werdegang eines Menschen hat und nicht seine Gene.
Deshalb fange ich damit an, das Milieu zu beschreiben, in dem Albert Schweitzer aufwuchs und in dem 50 Jahre später mein Onkel groß wurde.
Carla Thompkins, September 2024
Zunächst möchte ich einen Blick zurück in das 19. Jahrhundert werfen. Dabei entdecke ich ein komplexes Geflecht aus mehreren gleichzeitig auftretenden Fakten und Ereignissen.
Ich hörte oft von der »guten alten Zeit«, aber dem war nie so. Der Sittenverfall des 19. Jahrhunderts machte auch vor dem Dreiländereck von Schweiz, Frankreich und Deutschland nicht Halt. Wenn wir in Archiven stöbern1), so lesen wir, dass es auch in dieser Gegend drunter und drüber ging. Ein zentraler Ort des Geschehens war Straßburg.
Mit der Industrialisierung und den wachsenden Fabriken wurden immer mehr billige Hilfsarbeiter gebraucht, die zu Tausenden aus den ehemaligen französischen Kolonien rekrutiert wurden. Viele junge Männer drängten nach Frankreich, ohne die Möglichkeit zu haben, ihre Angehörigen nachzuholen.
In vielen Familien auf beiden Seiten des Rheins mussten Frauen ebenso arbeiten, um ihre Angehörigen am Leben zu halten. Frauenarbeit war auch damals schlechter bezahlt als Männerarbeit. Arbeitende Frauen wurden aber nicht besonders respektiert. Die bürgerliche Gesellschaft distanzierte sich von den Arbeiterinnen. Es wurde sogar behauptet, sie würden ihre Familien vernachlässigen.
Ansteckungen mit Geschlechtskrankheiten waren in dieser Zeit üblich. Dennoch wurde der medizinische Diskurs in den religiös-moralischen eingewoben. Sünde, Alkoholismus und Prostitution wurden als Ursache, nicht als Folge der Industrialisierung angesehen. Syphilis und Tripper waren verbreitete Krankheiten, nicht nur in der Oberschicht.
Männer schienen im späten 19. Jahrhundert einen Prostitutionswahn zu haben. Dies schuf ein riesiges Gewerbe rund um den Menschenhandel. Um die enorme Kundennachfrage zu befriedigen, wurden Mädchen aus Afrika importiert. Auch junge, naive Mädchen vom Land landeten in Schlachthäusern – eine Bezeichnung für billige, fabrikähnliche Bordelle.
In dieser Zeit der sozialen Umwälzungen und des moralischen Niedergangs wurde Albert Schweitzer 1875 in Kaysersberg, also im Oberelsass, als deutscher Staatsbürger geboren. Und unter diesen Rahmenbedingungen eines desolaten sozialen Umfelds wuchs er auf. Das wird bei Berichten oft nicht berücksichtigt, wenn über das Aufwachsen des Nobelpreisträgers berichtet wird.
Wir können davon ausgehen, dass der wache Geist von Albert Schweitzer schon als junger Mensch sehr gut diese Faktoren einordnen konnte, er aber immer auf das Gute schaute und das Schlimme oft nicht in Worte fassen wollte.
Fast jeder Mensch hat auch in der heutigen Zeit von Albert Schweitzer gehört. Aber ist uns auch bewusst, dass der einzige deutsche Friedensnobelpreisträger im 19. Jahrhundert geboren wurde und in einem sozialen Umfeld aufwuchs, in dem nur die Männer das Sagen hatten? Das war Normalität in Mitteleuropa vor hundertfünfzig Jahren und wurde damals selten in Frage gestellt.
Albert Schweitzer wurde 1875 als zweites Kind in einer protestantischen Pfarrersfamilie geboren. Einige Monate nach seiner Geburt zogen seine Eltern von Kaysersberg nach Günsbach, wo Alberts Vater bis zu seinem Tod als Pfarrer tätig war. Die Familie Schweitzer hatte auch einen Hund, der Phylax hieß.
Schweitzer selbst beschreibt seine Kindheit im Pfarrhaushalt. Es war im Elternhaus immer sauber, die Kleider der Kinder frisch gewaschen, und es herrschte eine »strenge Zucht«. Das heißt, in der Familie wurde auch auf äußerste Keuschheit und Abstinenz vom unmoralischen Zeitgeist geachtet.
Der kleine Albert fühlte sich behütet, aber auch einsam und schüchtern. Er wollte als »Pfarrerssöhnchen« sich nicht von den anderen Kindern unterscheiden und beschreibt sich als »nicht händelsüchtig, still und verträumt«.2) Er hatte in der Schule Probleme beim Schreibenlernen und nahm alles furchtbar ernst, auch beim Spielen.
Seine musikalische Begabung zeigte sich schon sehr früh. Mit fünf Jahren erhielt er bereits Klavierunterricht, mit acht Jahren begann er, Orgel zu spielen.
Ich kann mir gut vorstellen, dass der kleine, einsame Albert anfing, seine Gedanken und Gefühle in seinem Klavierspiel auszudrücken, und er sich buchstäblich an der Orgel festklammerte3). Er hat also seine Emotionen ins Orgelspiel gelegt und beim Orgeln ausgelebt.
Dies ist sehr nachvollziehbar, denn die Orgel ist ein Instrument, dessen vielfältiger Klang den Zuhörer und den Orgelspieler im übertragenen Sinn nach oben ziehen und in eine andere Atmosphäre.
Wenn ich alte Originalaufnahmen von Albert Schweitzer heutzutage anhöre, so kommt mir sein Orgelspiel warm, gefühlvoll und auch leidenschaftlich vor. Sein Orgelspiel zaubert mir immer noch ein Strahlen ins Gesicht und ein Wohlgefühl in mein Herz.
Mit neun Jahren entwickelte der Bub eine grenzenlose Lesewut, wie er selbst sagte. Er las auch Zeitungen, brachte aber weiterhin schlechte Zeugnisse nach Hause. Er blieb verträumt und liebte es, in der Natur zu sein.
Dann hatte Albert einen Lehrer, Dr. Wehmann, der immer gut vorbereitet seinen Unterricht gestaltete. Der jugendliche Albert hätte sich geschämt, diesem engagierten Lehrer zu missfallen. So wurde er in der Quinta und Quarta ein besserer Schüler.4)
Man kann also durchaus sagen, das Vorbild eines Lehrer hatte einen großen Einfluss auf die Transformation vom zurückgezogenen Kind zum strebsamen Jugendlichen.
Ab dem 14. Lebensjahr, schreibt Schweitzer, wurde er zum »Diskutierweltmeister« und beschreibt sich selbst als Störenfried jeder Unterhaltung. Er dachte aber auch schon in jungen Jahren an die Überwindung konfessioneller Unterschiede.