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Beschreibung

Lebensmittel sind nicht nur eine Notwendigkeit unseres täglichen Lebens, sondern auch eingebettet in komplexe Wertschöpfungsketten, die einen wesentlichen Einfluss auf Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt haben. Wie vermarkten Unternehmen Lebensmittel? Vor welchen Herausforderungen steht das Marketing in Zeiten steigender Preise, drängender Umweltauswirkungen und Disruptionen globaler Wertschöpfungsketten? Wie passen sich Produkte an dynamische Bedürfnisse der Konsumenten und Konsumentinnen an? Diesen und weiteren Fragen widmet sich dieses Buch in rund 12 Fallstudien aus der Marketing-Praxis innovativer Start-Ups sowie Global Player der Lebensmittelbranche. Von der Marktforschung über die Produktinnovation zum Markenlaunch und dem strategischen Marketing bildet dieses Werk die Brücke zwischen Theorie und Praxis, um Studierende so auf vielseitige Aufgaben vorzubereiten. Für jede, der gemeinsam mit den Unternehmen erarbeiteten Marketingfallstudien, kann das erlernte Wissen mit jeweils 20 Übungsfragen angewandt und weiter vertieft werden. Ob es um die Gestaltung einer Informationskampagne oder die Abschätzung von Risiken geht, sind der Kreativität bei den Lösungsvorschlägen keine Grenzen gesetzt. Schließlich bietet das Marketing eine Vielzahl an Instrumenten an, um die verschiedenen Akteure und Akteurinnen in dem dynamischen Lebensmittelsystem bei der Erreichung Ihrer Ziele in herausfordernden Zeiten zu unterstützen.

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Seitenzahl: 284

Veröffentlichungsjahr: 2024

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P. Riefler, L. Wallnöfer, S. Pöchtrager, O. Meixner (Hg.)

Wie Unternehmen Lebensmittel vermarkten

Marketing-Fallstudien

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Copyright © 2024 facultas Universitätsverlag

Facultas Verlags- und Buchhandels AG, Wien, Austria

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und der Verbreitung sowie der Übersetzung, sind vorbehalten.

Umschlagbild: © Paul Gruber

Lektorat: Facultas Verlags- und Buchhandels AG

Umschlaggestaltung, Typografie und Satz: Florian Spielauer, Wien

Druck: Finidr, Tschechien

ISBN 978-3-7089-2520-2 (Print)

ISBN 978-3-99111-952-4 (E-Pub)

Über die Herausgeber und Herausgeberinnen

Petra Riefler ist Universitätsprofessorin und leitet das Institut für Marketing und Innovation an der Universität für Bodenkultur Wien. Sie forscht und lehrt im Bereich Marketing und Nachhaltiges Konsumverhalten.

Laura Maria Wallnöfer ist Universitätsassistentin im Post-Doc am Institut für Marketing und Innovation an der Universität für Bodenkultur Wien. Sie forscht und lehrt zu Akteuren und Akteurinnen in der Nachhaltigkeitstransformation.

Siegfried Pöchtrager ist Universitätsdozent am Institut für Marketing und Innovation an der Universität für Bodenkultur Wien. Er forscht und lehrt zu den Themen Qualitätsmanagement und Produktsicherheitsstandards in der Wertschöpfungskette Lebensmittel und Agrarmärkte.

Oliver Meixner ist Universitätsdozent und Institutsleiterstellvertreter am Institut für Marketing und Innovation an der Universität für Bodenkultur Wien. Er forscht und lehrt zu den Themen nachhaltiges Konsumverhalten, Entscheidungstheorie und Wertschöpfungskette Lebensmittel.

Vorwort der Herausgeber und Herausgeberinnen

Lebensmittel sind mehr als nur eine Notwendigkeit des täglichen Lebens. Sie sind zentraler Bestandteil jeder Kultur, haben direkten Einfluss auf das Wohlbefinden von Menschen und stellen eine wichtige Säule in Volkswirtschaften dar. Von der landwirtschaftlichen Produktion über die Verarbeitung und den Vertrieb bis hin zum Konsum beeinflussen Lebensmittel die ökologische und soziale Nachhaltigkeit im regionalen wie globalen Kontext.

Vor diesem Hintergrund der Bedeutsamkeit von Lebensmitteln für den eigenen Alltag, für Akteure und Akteurinnen entlang der Wertschöpfungskette Lebensmittel und für die Transformation hin zu einer nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung widmet sich dieses Buch der Frage, wie Unternehmen Lebensmittel in diesen herausfordernden Rahmenbedingungen vermarkten. Zu diesem Zweck beleuchtet das Buch in Form von zwölf Fallstudien ausgewählte Unternehmen und ihre Marketingaktivitäten in verschiedenen Bereichen. Kleine Start-ups werden dabei ebenso betrachtet wie große marktführende Lebensmittelhersteller. Die behandelten Themen reichen von innovativen Vertriebsmethoden und nachhaltigen Praktiken bis hin zu Fragen der Lebensmittelsicherheit und Trends im Konsumverhalten. Aufgrund der Zugehörigkeit der Herausgeber und Herausgeberinnen sowie zahlreicher Autoren und Autorinnen zur Universität für Bodenkultur Wien und der FH Wiener Neustadt fokussieren sich die ausgewählten Fallstudien vorrangig auf den österreichischen Markt. Zeitgleich verdeutlichen die Fallstudien die überregionale bis globale Vernetzung der Lebensmittelvermarktung.

Das Buch nimmt die Lesenden mit auf eine Reise durch einen kulinarischen Tag eines Haushalts: Beginnend mit Marmelade und Kaffee zum Frühstück über einen Restaurantbesuch zu Mittag und Snacks am Nachmittag zu einem gut gefüllten Tisch zum Abendessen. Die zwölf Kapitel gewähren Einblicke in unterschiedliche Herausforderungen und Lösungsansätze, mit denen die ausgewählten Unternehmen der Lebensmittelbranche konfrontiert sind. Durch die Zusammenarbeit von Unternehmen und wissenschaftlichen Autoren und Autorinnen verbinden die Fallstudien konzeptionelles Wissen und praktische Erfahrung. Sämtliche Marketinginstrumentarien werden auf Basis fachlicher Literatur erläutert und am Beispiel der jeweiligen Fallstudien mit Leben gefüllt.

Das Fachbuch liefert auf diese Weise wertvolle Einsichten und Anregungen für die berufliche Praxis und universitäre Lehre und beleuchtet hierfür sämtliche Aspekte des Agrarmarketings. Für Lehrende bietet das Buch am Ende jedes Kapitels 20 Fragen, die Studierende des Lebensmittelmarketings anregen, konzeptionelles Wissen in die Praxis überzuführen und aus Sicht von Unternehmern und Unternehmerinnen Entscheidungen zu analysieren und künftige Strategien zu erarbeiten.

Wir wünschen eine anregende Lektüre und Diskussion über Lebensmittel, ihre Wertschöpfungsketten und unternehmerische Entscheidungen!

Danksagung

Die Herausgeber und Herausgeberinnen möchten an dieser Stelle ihren aufrichtigen Dank an alle Autoren und Autorinnen sowie beitragenden Unternehmen aussprechen, die durch ihre Beiträge und ihre Zeit maßgeblich zum Gelingen dieses Buchs beigetragen haben. Ihre Expertise, ihre Geschichten und ihre Perspektiven haben dieses Buch möglich gemacht. Herzlichen Dank!

Inhaltsverzeichnis

1 STAUD’S WIEN

Ein Traditionsbetrieb mit Qualitätsführerschaft

2 Nespresso

Don’t forget to recycle!

3 SalzburgMilch

Markentreue als Zielgröße

4 Getränkekarton Austria

Innovation in der Getränkekartonindustrie

5 BioBalkan

Handgemachte soziale Verantwortung

6 Swing Kitchen

„Wir lassen die Sau raus“

7 MOGLi

Kommunikationsstrategien

bei Snacks für Kinder in Bio-Qualität

8 Pedacola

Das weiße Cola aus dem Mühlviertel

9 Naturkind

Die Bio-Offensive der Edeka

10 PANNATURA und das Bio-Landgut Esterhazy

Grün und gewinnbringend

11 Die Neuburger GmbH & Co. OG

Vom Fleischverarbeiter zum Pilzzüchter

12 Karmage

Der geilste Käsereiverband

Themen Übersichtsmatrix

1 STAUD’S WIEN

Ein Traditionsbetrieb mit Qualitätsführerschaft

Christine Duenbostl1, Siegfried Pöchtrager2

Einführung

Feinste Verführung. Aus Wien.

STAUD’S WIEN ist ein traditionelles österreichisches Familienunternehmen, das in der Branche „Konfitüren und Sauergemüse“ auf deren Herstellung und Vertrieb spezialisiert ist. Die Produktpalette umfasst Konfitüren, Fruchtsirupe, Kompotte, Alkoholfrüchte und Gemüsekonserven.

STAUD’S WIEN wurde im Jahr 1971 von Hans Staud gegründet. Die Wurzeln des Unternehmens reichen jedoch bereits drei Generationen zurück, der Urgroßvater des Gründers war Obst- und Gemüsehändler. Hans Staud setzte seine Vision um, frisches Obst und Gemüse zu veredeln. Die Produkte wurden von Beginn an im Premiumbereich positioniert. Hohe Ansprüche an die Qualität und Regionalität der Rohstoffe sind zentrale Elemente. Die Produktion erfolgt unter Nutzung traditioneller Handwerkskunst in Verbindung mit modernen Herstellungsprozessen.

Das Qualitätsbewusstsein spiegelt sich in der gesamten Ausrichtung des Unternehmens wider und wird auch von Stefan Schauer und Jürgen Hagenauer, die seit 2015 Geschäftsführer des Unternehmens sind (Abbildung 1-1), getragen. Der Firmensitz im 16. Wiener Gemeindebezirk dient heute der Produktion der süßen Produktpalette. Unweit der Wiener Produktionsstätte befindet sich am ehemaligen Standort des elterlichen Obst- und Gemüsehandelbetriebs der STAUD’S Pavillon, ein unternehmenseigenes Geschäftslokal, in dem das gesamte Sortiment von STAUD’S WIEN sowie Produkte von Partnerbetrieben angeboten werden.

STAUD’S WIEN zählt zu den sogenannten KMU (kleine und mittlere Unternehmen), es beschäftigt derzeit 50 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus über zwölf Nationen.

Als traditionelles Familienunternehmen stand STAUD’S WIEN seit jeher vor der Herausforderung, eine Marketingstrategie zu entwickeln, mit der sich die Werte und die Vision des Unternehmens gemeinsam mit einem wirtschaftlichen Unternehmenserfolg realisieren lassen. Die Entwicklung einer starken Marke war dabei seit der Unternehmensgründung ein großes Ziel und die Basis für den Unternehmenserfolg. Im Rahmen der folgenden Fallstudie wird analysiert, welche strategischen Entscheidungen das Unternehmen in Bezug auf die Produktpolitik und die Preispolitik getroffen hat.

Abb. 1-1: Jürgen Hagenauer, Hans Staud, Stefan Schauer. Quelle: STAUD’S WIEN

Dafür wirft die Fallstudie zunächst einen Blick in das Marketingumfeld des Unternehmens, um dann die Entwicklung des Unternehmens zu betrachten. Darauf aufbauend beschäftigt sich das nächste Kapitel mit den Themen Produkt- sowie Preispolitik des Unternehmens. Das Kapitel wird mit einer kurzen Zusammenfassung und einem Ausblick auf zukünftige Herausforderungen des Unternehmens abgeschlossen.

Das Marketingumfeld von STAUD’S WIEN

Das Marktsegment Marmelade umfasst durch Kochen hergestellte Konfitüren, Fruchtgelees, Marmeladen, Fruchtmus und -pasten. Die Definition der Begriffe, die landläufig unter Marmelade zusammengefasst werden, geht auf die Konfitürenverordnung aus dem Jahr 2004 zurück, die abhängig von Fruchtsorte, aber auch Zuckergehalt und Zubereitungsart in Marmeladen, Konfitüren und Gelees unterscheidet (Konfitürenverordnung 2004, BGBl II 367/2004) (Bundesgesetzblatt, 2004). Der Begriff Marmelade ist laut der Verordnung nur Zitrusfrüchten vorbehalten. Unter die Bezeichnung Fruchtaufstriche, die in der Verordnung nicht geregelt ist, fallen alle Rezepturen, die aufgrund des Zuckergehalts, Fruchtanteils oder sonstiger Inhaltsstoffe keiner der definierten Kategorien zugeordnet werden können. Nur beim direkten Vertrieb auf lokalen Märkten ist es zulässig, die Bezeichnung Marmelade zu verwenden. Im österreichischen Sprachgebrauch ist der Begriff Marmelade im Widerspruch zu allen offiziell zugelassenen Bezeichnungen üblich, daher wird die Bezeichnung Marmelade in dieser Fallstudie für alle Varianten verwendet.

Marmelade gehört zur österreichischen kulinarischen Tradition, sie findet nicht nur im klassischen Frühstück, sondern auch in Mehlspeisen und Gebäck Verwendung und ist noch immer das Frühstücksprodukt mit der größten Käuferreichweite. Pro Kopf wurden in Österreich im Jahr 2023 durchschnittlich 1,54 Kilogramm an Produkten aus dem Marktsegment Marmelade gekauft, was einem mengenmäßigen Gesamtvolumen von 14 Millionen Kilogramm entspricht. Der Pro-Kopf-Verbrauch war von 2018 (1,65 Kilogramm) bis 2023 leicht rückläufig, die Prognose bis 2028 liegt stabil bei 1,54 Kilogramm. Das Umsatzvolumen im österreichischen Marktsegment Marmelade beträgt 2023 etwa 104,8 Millionen Euro (weltweit etwa 49,7 Milliarden Euro), umgerechnet auf die Bevölkerungszahl ergibt das 11,54 Euro pro Kopf (Statista Market Insights, 2023). Diese Daten sind B2C-Daten und berücksichtigen nicht den Anteil der in Haushalten hergestellten Marmeladen. Der tatsächliche Pro-Kopf-Verbrauch in Österreich ist höher, wobei keine aktuellen Zahlen für den Bereich Marmelade vorliegen. Laut der für die österreichische Bevölkerung repräsentativen Umfrage „Einkochen und einlegen: in oder out?“ ist Einrexen in der österreichischen Tradition verankert. Es kochen oder legen 71,9 Prozent der Befragten zumindest einmal jährlich ein (Müller Glas, 2021). Das deckt sich mit der Meinung führender marmeladeproduzierender Betriebe, dass in Jahren mit guter Obsternte immer viel zu Hause eingekocht wird (Krabichler, 2017; Löffler, 2018; Silberer, 2005). Den größten Marktanteil am österreichischen Marmeladenmarkt hat im Jahr 2023 darbo, STAUD’S WIEN nimmt mit ca. zehn Prozent den zweiten Platz ein, gefolgt von Spitz, Unterweger, Meinl, Bonne Maman und Zuegg.

Das wachsende Gesundheitsbewusstsein der Konsumenten und Konsumentinnen spiegelt sich auch im Marmeladenmarkt wider. Es werden zunehmend natürliche Geschmacksstoffe, Konservierungsstoffe und Süßstoffe verwendet bzw. Zucker reduziert (MARKANT AG, 2019; Mordor Intelligence, o. J.). Dem Trend zur „Zuckerreduktion“ begegnen die Hersteller mit dem Einsatz von weniger Zucker bis hin zu Aufstrichen aus 100 Prozent Früchten ohne zugesetzten Kristallzucker. Zuckerersatzstoffe werden von Verbrauchern und Verbraucherinnen weniger präferiert, da sie als unnatürlich empfunden werden (Druck, 2021). Weiters geht der Trend im Marmeladesektor zu naturbelassenen Produkten mit natürlichen Zutaten, hohen Fruchtanteilen, Authentizität sowie zu passierten Konfitüren und Bioprodukten. Ebenso ist ein Trend zu Premiumprodukten festzustellen, die Konsumenten und Konsumentinnen achten beim Einkauf vermehrt auf Qualität und sind auch bereit, mehr dafür zu bezahlen (Druck, 2021).

Das Unternehmen

Das Unternehmen vermarktet seine Produkte unter der Marke STAUD’S WIEN, die als Premiummarke positioniert ist. Es werden zwei Produktkategorien geführt, eine süße (diese umfasst Produkte wie Marmeladen) und eine saure Kategorie (diese umfasst feinsaure Gemüseprodukte). Ein wesentliches Kriterium für die Erzeugung von Premiumqualität ist die Verarbeitung von hochwertigen Rohwaren. Diese werden, soweit möglich, im Inland bezogen. Obst, das in Österreich nur schwer gedeiht oder nicht verfügbar ist, bezieht das Unternehmen primär aus EU-Europa bzw. von dort, wo die Früchte angebaut werden. Himbeer- und Weichselanbau hat etwa in Serbien eine lange Tradition mit dementsprechend hohen Qualitäten, die besten Marillen gibt es hingegen in Österreich und Ungarn. Gesüßt wird mit österreichischem Rübenzucker. Auch für die Bio-Linie wird dem Biozucker, der rund um Wien wächst und raffiniert wird, der Vorzug gegenüber Agavensirup und Rohrohrzucker gegeben, die importiert werden müssten. Der Gedanke der Regionalität umfasst auch Hilfsstoffe wie Gläser, Etiketten und Verpackungsmaterial, diese werden aus Niederösterreich und dem Burgenland bezogen.

Aus der Unternehmensphilosophie lässt sich die Unique Selling Proposition (USP) der Marke ableiten, einerseits im Hinblick auf die Premiumqualität der Produkte, andererseits im Sinne eines Gemeinwohlansatzes. Letzterer geht über den Gedanken der kurzen Transportwege hinaus und zeigt sich in einem fairen und wertschätzenden Umgang sowohl unternehmensintern als auch mit Partnerbetrieben. Dieser von STAUD’S WIEN postulierte faire Umgang mit zuliefernden Betrieben ist für die Marke auch vor dem Hintergrund wichtig, dass so langfristige Kooperationen entstehen. Dies ist in Zeiten von schlechten Ernten essenziell, um gute Qualitäten in ausreichender Menge sicherstellen zu können.

Etwa 80 Prozent der Waren werden über Supermarktketten (SPAR, BILLA), Delikatessgeschäfte (zum Beispiel Meinl am Graben), den STAUD’S Pavillon und den Onlinehandel abgesetzt, wobei dem Vertrieb über den Supermarkt umsatzmäßig die größte Bedeutung zukommt. Seit einigen Jahren gibt es mit SPAR eine Kooperation, hierfür werden ausgewählte Produkte hergestellt. Dazu gibt es langfristige Verträge und die Gewissheit, dass die Zusammenarbeit nicht darin mündet, die Marke STAUD’S WIEN mit der Eigenmarke zu ersetzen, sondern darin, das Angebot um hochwertige Produkte zu erweitern (SPAR, 2019). 20 Prozent werden über die Gastronomie und Hotellerie abgesetzt. Die Exportquote liegt bei etwa 30 Prozent, exportiert wird in 14 Länder weltweit. Die wichtigsten Auslandsmärkte sind Deutschland, die Schweiz und Norditalien.

STAUD’S WIEN erwirtschaftete 2023 einen Umsatz von etwa zwölf Millionen Euro, davon stammen rund zwei Drittel aus dem süßen Sortiment (Jiresch, 2023). Im Rahmen dieser Fallstudie wird vornehmlich auf die süße Produktkategorie eingegangen, da diese der bedeutendere Umsatzträger ist.

Produktpolitik – Wie STAUD’S WIEN Produktentscheidungen trifft

Der grundlegendste Aspekt der Gestaltung des Marketing-Mix betrifft die Produktgestaltung. Produktentscheidungen werden auf mehreren Ebenen getroffen und betreffen Entscheidungen über einzelne Produkte, Produktlinien und die Zusammensetzung des Sortiments (Kotler et al., 2022).

Produktgestaltung

Die Produkte von STAUD’S WIEN sind zwar rein materielle Güter, die Produktentscheidungen gehen aber über die Ausgestaltung des physischen Guts zur Befriedigung des Basisnutzens hinaus und spiegeln sich in den Entscheidungen über das einzelne Produkt wider. Besonders relevant für das Unternehmen zeigen sich in der Produktgestaltung die Aspekte Produkteigenschaften, Verpackung sowie Kennzeichnung und Etikettierung.

Die Qualität als wichtige Produkteigenschaft

Der Qualitätsaspekt dient als Positionierungsinstrument im Marketing, Kotler et al. (2022) unterteilen die Qualität eines Produkts in die Dimensionen Qualitätsniveau und Beständigkeit der Qualität. Beide Aspekte sind bei STAUD’S WIEN umgesetzt, die Marke wurde bereits vom Unternehmensgründer gezielt als Premiummarke mit hohem Qualitätsanspruch positioniert. Die Erzielung hoher Qualität ist demnach ein wichtiger und beständiger Unternehmensgrundsatz, der auch in der Kommunikation im Vordergrund steht (Abbildung 1-2).

Abb. 1-2: Hoher Qualitätsanspruch bei den Premiumprodukten. Quelle: STAUD’S WIEN

Die hohe Qualität der Produkte charakterisiert das Unternehmen durch die Einhaltung folgender Eckpunkte:

▶ Verarbeitung hochwertiger Rohwaren – Die erntereifen Früchte werden vorbereitet. Dies geschieht teilweise manuell, zum Beispiel das Halbieren und Entsteinen von Marille und Zwetschke, wie in Abbildung 1-3 dargestellt. Ein Teil wird tagesfrisch, der andere Teil tiefgefroren und zu einem späteren Zeitpunkt mit moderner Technologie im Vakuumkessel verarbeitet.

▶ Bezug der Rohstoffe nach Verfügbarkeit in der Reihenfolge: Regional – Österreich – EU-Europa

▶ Verzicht auf künstliche Konservierungsstoffe, Haltbarmachung durch klassisches Pasteurisieren

▶ Verzicht auf künstliche Aromen und Farbstoffe

▶ Verzicht auf Zuckerersatzstoffe

▶ Die Marmeladenrezepturen beinhalten hauptsächlich Frucht, Zucker, Geliermittel Pektin und Zitronensaftkonzentrat. Ascorbinsäure wird nur selten und nur dann eingesetzt, wenn der Erhalt der Farbe notwendig ist.

Abb. 1-3: Verarbeitung in der Produktionsstätte. Quelle: STAUD’S WIEN

Die Verpackung und Etikettierung

Das Image der Marke wird auch mit der Verpackung und der Etikettierung transportiert. Entsprechend der Qualitätspolitik setzt das Unternehmen auf Premiumverpackungen. Fast alle Produkte werden in – mittlerweile für STAUD’S WIEN typischen – achteckigen Gläsern angeboten, diese sollen das Produkt unverwechselbar machen. Die Gestaltung von Etiketten und die Deckel werden gezielt für Kommunikationszwecke genutzt. Es wird vorrangig versucht, die Wertigkeit der Marke zu transportieren, dementsprechend ist der Markenname STAUD’S WIEN auf allen Etiketten ganz oben angebracht. Weiters wird am Etikett das jeweilige Kaufmotiv besonders herausgearbeitet (siehe Tabelle 1-1).

Tab. 1-1: Differenzierte Etikettengestaltung bei vier der sieben Marillenmarmeladen

Quelle: STAUD’S WIEN

Je nach Kaufmotiv unterscheidet sich das Design der verschiedenen Produktlinien stark, was am Beispiel der zuckerreduzierten Variante (Tabelle 1-1) verdeutlicht wird. Diese Produktserie heißt „1/3 weniger Zucker“ mit der Nennung der Fruchtsorte. Der Wortlaut ist bewusst gewählt, um die Zuckerreduzierung plakativ hervorzuheben. Die Gestaltung des Etiketts ist bei dieser Linie sehr leicht, sehr transparent, es wird eine Outline-Schriftart verwendet, die in der Druckveredelung etwas erhaben ist. Der sonst übliche schwarze Deckel ist weiß.

Alle Linien sind im STAUD’S Pavillon (Wien Ottakring), im gut sortierten Lebensmitteleinzelhandel sowie bei ausgewählten Online-Partnern erhältlich. Andere Verkaufsstätten bieten einen ausgewählten Teil des Sortiments an. Für Produkte in limitierter Stückzahl gibt es in manchen Fällen alternative Etikettendesigns. So zum Beispiel für die limitierte Marillenmarmelade aus dem Venusberggarten in Willendorf in der Wachau, die für kurze Zeit mit einem Verschluss im Marillenblüten-Look im STAUD’S Pavillon erhältlich war. Eine Sonderedition mit Blumenstreumuster der Manufaktur Augarten ging an einen Liebhaber von STAUD’S Marmelade nach Japan.

Entscheidungen über das Produktportfolio

Das Produktportfolio von Unternehmen kann in Bezug auf Breite, Länge und Tiefe variieren. Im Rahmen der Gestaltung des Produktportfolios sind vor allem Entscheidungen über die Programmbreite und die Programmtiefe zu treffen (Kotler et al., 2022). Produktlinien werden als Gruppen von Produkten verstanden, die aufgrund bestimmter Kriterien in enger Beziehung zueinanderstehen (Kotler et al., 2022). Das Produktportfolio von STAUD’S WIEN ist umfangreich, die Breite der süßen Produktkategorie von STAUD’S WIEN umfasst derzeit 18 Produktlinien mit knapp 200 Rezepturen.

Folgende Produktlinien werden aktuell geführt (Stand 2024):

Bio-Fruchtaufstriche

STAUD’S Limitierte

Frucht und Schokolade

Bio-Röster

Die Beschwipsten

Kompotte

Bio-Honige

STAUD’S Limitierte

Apfelmus & Röster

1/3 weniger Zucker

Oma Staud

Früchte in Alkohol

Ein Reichtum an Früchten

Weingelees

Kandierte Früchte

Die Reine Frucht

Chutneys & Co

Sirup & Punsch

Produktsortimente unterliegen häufigen Veränderungen. Das Produktportfolio von STAUD’S WIEN hat sich über die Jahre in verschiedene Richtungen weiterentwickelt:

▶ Verbreiterung des Produktportfolios (neue Produktlinien)

Das Sortiment ist im Laufe der Unternehmensgeschichte stetig gewachsen und hat die Megatrends im Ernährungssektor (siehe Marketingumfeld) adressiert, einzig der Trend zu Zuckerersatzstoffen wurde nicht aufgegriffen. Mit Beginn der Produktion wurde nach klassischer Rezeptur mit 50 Prozent Frucht und Zucker eingekocht, auch damals schon ohne chemische Konservierung. Meilensteine waren Konfitüren mit 70 Prozent Fruchtanteil, danach die mit Apfelsaft gesüßten Varianten als Alternative zum weißen Zucker. Um zusätzliche Geschmacksnuancen zu erzielen, wurden die „Beschwipsten“ (das sind mit edlen Bränden verfeinerte Konfitüren) ins Sortiment aufgenommen. Seit 1991 wird dem Thema Regionalität mit den „Limitierten“ Fruchtaufstrichen besondere Aufmerksamkeit gewidmet. 2018 wurde die Bio-Linie ins Sortiment aufgenommen, gefolgt von den zuckerreduzierten Fruchtaufstrichen „1/3 weniger Zucker“. Die neueste Konfitürenlinie „Oma Staud“ greift anlässlich des 50-Jahre-Jubiläums von STAUD’S WIEN im Jahr 2021 Rezepturen aus der Frühzeit des Unternehmens mit einem höheren Zuckeranteil auf und konzentriert sich neben den Klassikern Marille und Erdbeere auf damals gängige Sorten wie Stachelbeere, Rote Ribisel, Weichsel oder Powidl.

▶ Verlängerung des Produktportfolios (Erweiterung bestehender Produktlinien)

Die Länge variiert je nach Produktlinie, wobei die Linie „Ein Reichtum an Früchten“ mit 18 Sorten die größte Länge erreicht. Übertroffen wird diese nur von der Linie „STAUD’S Limitierte“, die regional und saisonal verfügbare Früchte verarbeitet, mit einer Länge von 44 Rezepturen. Hier finden sich auch seltene Sorten wie Quitte, Dirndl oder Williams-Christ-Birne. Die „STAUD’S Limitierten“ sind allerdings nur saisonal bzw. in begrenzter Stückzahl verfügbar. Als nächster Schritt der Sortimentserweiterung soll „Oma Staud“ weiter ausgebaut werden.

▶Vertiefung des Produktportfolios (Ergänzende Versionen der Produkte)

Die Tiefe zeigt sich bei „Ein Reichtum an Früchten“ und „Reine Frucht“ durch die Variation der Verpackungsgrößen und bei „Oma Staud“ durch die Varianten „fein passiert“ und „stückig“. Für die Gastronomie gibt es einige Linien in Portionsgläsern oder Großgebinden.

Das Unternehmen steht österreichweit und international für eine einzigartige Sortimentsbreite und -tiefe. Es sieht sich als Spezialist auf dem Gebiet und hat als kleines Unternehmen die Fähigkeit, in Kleinstchargen zu produzieren. Auch wenn nicht für jedes Produkt Wirtschaftlichkeit gegeben ist, wurde, um dem Ruf als Spezialitätenproduzent gerecht zu sein, bislang kein Produkt aus dem Sortiment genommen.

Die Sorte Marille ist das meistverkaufte Produkt – auch im Export nach Deutschland, obwohl in Deutschland klassischerweise dunkle Marmelade (Erdbeere) bevorzugt wird. Dieser Erfolg liegt laut Unternehmen an der Verwendung von geschmacklich unverwechselbaren Marillensorten, zum Beispiel „Klosterneuburger Marille“ und „Ungarische Beste“. Insgesamt zählt das Sortiment derzeit 29 verschiedene Marillenprodukte wie diverse Marmeladenlinien, Beschwipste mit Marillenbrand, Marillenkompotte oder Chutney.

Bezogen auf die Marmeladen wird die Sorte Marille in sieben Produktlinien geführt. Dabei gelingt es, die unterschiedlichen Marillenmarmeladen so geschickt auszudifferenzieren, dass trotz dieser großen Anzahl kein Kannibalismus beobachtet wird. Begründet wird dies auch mit der Tatsache, dass in den meisten Verkaufsstätten nur ausgewählte und oft auch unterschiedliche Linien angeboten werden. Ein weiterer Grund sind schlicht und einfach die geschmacklichen Vorlieben der Kunden und Kundinnen, denen das Unternehmen durch die unterschiedlichen Marillensorten und verschiedenen Rezepturen sowie Süßungsgrade entgegenkommt.

Preispolitik bei STAUD’S WIEN

Der Preis ist ein Indikator für die Qualität eines Produkts. Kundenbindung wird dabei nicht durch einen möglichst günstigen, sondern durch einen angemessenen Preis erzielt, wobei die Kunden und Kundinnen beurteilen, ob der Preis als gerechtfertigt oder nicht gerechtfertigt empfunden wird (Kotler et al., 2022).

Die Produkte von STAUD’S WIEN sind im Allgemeinen höherpreisiger als die des Mitbewerbs angesiedelt. Das rechtfertigt das Unternehmen mit der hochwertigen Qualität der Produkte, der Produktion in Österreich und den fairen Löhnen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sowie den fairen Preisen, die an bäuerliche Betriebe und Lieferbetriebe außerhalb Österreichs bezahlt werden.

Eine Ausnahme bilden die „Oma Staud“-Marmeladen mit 50 Prozent Fruchtanteil. Diese werden als eine etwas preisgünstigere Linie geführt und bieten gute Qualität für preissensiblere Kundschaft. Diese Linie wird auch bewusst als Einsteigermarmelade für Menschen, die zum ersten Mal eine Marmelade von STAUD’S WIEN kaufen, gesehen. So sollen neue Zielgruppen erreicht werden.

Für die Preisfindung fließen bei STAUD’S WIEN sowohl die kostenbasierte Preissetzung als auch die nutzenbasierte Preissetzung mit ein. Einerseits müssen die anfallenden Kosten gedeckt sein und angemessene Gewinnzuschläge einkalkuliert werden, um die Preisuntergrenze der Produkte festzulegen, andererseits wird der Preis aufgrund des von den Kunden und Kundinnen empfundenen Nutzens festgesetzt (Kotler et al., 2022). Das Unternehmen nutzt die Marketinginstrumente wie Verpackung, Werbung und Public Relations, um den USP zu kommunizieren. Da die Kundschaft bereit ist, für eine attraktive Marke und hohe Qualität mehr zu bezahlen, kann sich STAUD’S WIEN im Premiumbereich positionieren. Die Produkte sind höherpreisiger angesiedelt als beim Mitbewerb.

Im Jahr 2023 gab es Preissteigerungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette, bedingt durch die Inflation und die Rohstoffsituation durch schlechtere Ernten. Auch bei STAUD’S WIEN waren Preiserhöhungen notwendig, bedingt durch gestiegene Fertigungs- und Personalkosten in der Produktionsstätte und bei den bäuerlichen Zulieferbetrieben. Bei der Preissetzung achtet das Unternehmen darauf, gewisse Preisschwellen nicht zu überschreiten, da bei Überschreiten der Absatz einbrechen könnte. Problematisch sieht das Unternehmen, dass es immer wieder neue Preisschwellen gibt, da große bzw. internationale Unternehmen immer günstigere Eigenmarken oder Diskontprodukte auf den Markt bringen. Da durch größere Produktionsmengen die Produktion effizienter wird und die Stückkosten deutlich sinken, kleine Unternehmen diesen Kostenvorteil aber nicht nutzen können, wird der Preisunterschied tendenziell größer.

Auf die Preisgestaltung des Supermarkts hat STAUD’S WIEN keinen Einfluss, die Kurantpreise werden wie üblich vom Supermarkt vorgegeben. Daher kann es auch vorkommen, dass die Preise im Supermarkt angehoben werden, ohne dass Preiserhöhung von Seiten des Unternehmens stattgefunden haben. Aktionen werden zwischen Hersteller und Handel abgesprochen, man wird als Hersteller eingeladen oder kann selbst eine Aktion beim Handel vormerken. Dies wird von STAUD’S WIEN genutzt, da Sonderangebote einen zusätzlichen Kaufanreiz bieten und damit nicht nur dem Handel als Instrument zur Bindung oder Akquise von Kunden und Kundinnen dienen, sondern auch dem Unternehmen selbst.

Ausblick

STAUD’S WIEN, ein mittelständisches Unternehmen, gilt als Traditionsunternehmen und hat einige Schlüsselfaktoren, auf die seit Unternehmensgründung vor über 50 Jahren Wert gelegt wird. Hierzu zählen das Streben nach hoher Qualität, die zentrale Lage in Wien Ottakring, ein faires Miteinander in Bezug auf Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sowie Partnerbetriebe. Auch der gezielte Aufbau einer attraktiven Marke, das große Produktportfolio mit durchgängig hohen Qualitäten ist österreichweit und international einzigartig und ermöglicht es dem Unternehmen, ein höheres Preisniveau zu halten. Für ein nachhaltiges Bestehen am Markt muss der gesamte Marketing-Mix abgestimmt sein, die gezielte Auswahl der Vermarktungskanäle und der kommunikationspolitischen Maßnahmen sind ebenso essenziell, um erfolgreich agieren zu können.

Entsprechend dem Credo, die mögliche Vielfalt an Marmeladensorten zu zeigen – abseits der Klassiker Marille und Erdbeere – nimmt STAUD’S WIEN laufend Erweiterungen des Sortiments vor. Vor allem bei den „Staud’s Limitierten“ wird gerne mit saisonalen oder regionalen Sorten experimentiert, Raritäten werden marktfähig gemacht.

Als mittelständisches Unternehmen hat STAUD’S WIEN die Wendigkeit, schnell reagieren zu können, sieht sich aber dennoch mit Herausforderungen konfrontiert. Als größte Herausforderung wird zukünftig der Rohstoffzukauf gesehen. Es wird laut Unternehmen immer schwieriger, gute Qualität in ausreichend verfügbarer Menge zu erhalten, weshalb zukünftig der Beschaffungspolitik des Unternehmens eine noch höhere Bedeutung beigemessen wird. Dies ist einerseits bedingt durch die sich verändernden klimatischen Bedingungen der letzten Jahre und die damit verbundenen Ernteausfälle, andererseits durch den steigenden Mangel an Lohnarbeitern und Lohnarbeiterinnen für die arbeitsintensive Ernte. STAUD’S WIEN kann das Problem der Rohwarenverfügbarkeit teilweise durch den angesprochenen Gemeinwohlansatz und die dadurch entstandenen langjährigen und verlässlichen Geschäftspartnerschaften abfedern. Die Werteorientierung, der faire Umgang und die dadurch entstandenen langfristigen Partnerschaften gewährleisten Loyalität mit dem Unternehmen. Ein weiterer Pluspunkt ist die Flexibilität als kleines Unternehmen. Bei entsprechenden Ernteausfällen werden etwa die davon betroffenen Produkte in kleineren Stückzahlen als üblich hergestellt.

In der aktuellen unsicheren wirtschaftlichen Situation zeigt sich, dass gerade diese Flexibilität und Breite bzw. Tiefe in der Produktpalette dazu dienen kann, Lieferengpässe zu überstehen und auszugleichen. Ein höherpreisiges, qualitätsorientiertes Sortiment mit geringeren Stückzahlen befreit vom Druck, große Menge umsetzen und die Anlagenkapazitäten voll ausnützen zu müssen. Auf Seiten der Kundschaft verfügt STAUD’S WIEN über eine loyale Käuferschaft, die sich eng verbunden mit den materiellen und immateriellen Werten der Produkte fühlt. Durch die Bereitschaft, höhere Preise zu zahlen, dürfte eine moderate Preisadaption eher toleriert werden. Alles in allem sind dies gute Voraussetzungen für den weiteren Erfolg des Unternehmens.

Fragestellungen zu Thema 1 – Produktpolitik

1. Beschreiben Sie die drei Dimensionen eines Produkts (Kernprodukt, Reales Produkt, Erweitertes Produkt). Welche der Dimensionen werden bei STAUD’S WIEN verwirklicht?

2. Skizzieren Sie die Produkt-Markt-Matrix von Ansoff mit ihren vier Optionen, wie ein Unternehmen langfristig Wachstumsmöglichkeiten planen kann. Welche Optionen nutzt STAUD’S WIEN? Begründen Sie Ihre Antwort. Wählen Sie danach eine der drei anderen Strategien und machen Sie einen Vorschlag der Umsetzung für STAUD’S WIEN.

3. Kotler et al. (2022) besprechen, dass Produktentscheidungen auf mehreren Ebenen getroffen werden können. Eine Ebene betrifft die Entscheidungen über einzelne Produkte. Erläutern Sie, welche Aspekte bei der Entwicklung einzelner Produkte aus Ihrer Sicht für STAUD’S WIEN besonders treffend sind.

4. Kotler et al. (2022) sprechen von dem Begriff der strategischen Qualität. Demnach müssen Produkte langfristig und zuverlässig in gewünschter Qualität angeboten werden, um einen Wettbewerbsvorteil gegenüber dem Mitbewerb zu haben. Beurteilen Sie, inwiefern bei STAUD’S WIEN mit dem Aspekt der strategischen Qualität gearbeitet wird. Begründen Sie Ihre Meinung.

5. Warum ist die Beständigkeit der Qualität Voraussetzung für die Markenbindung?

6. Erklären Sie anhand von STAUD’S WIEN den Begriff „Unique Selling Proposition“.

7. Kotler et al. (2022) skizzieren den Nutzen einer Marke für Unternehmen und Konsumenten und Konsumentinnen. Nennen Sie die wichtigsten Punkte. Konkretisieren Sie, welchen Nutzen die Marke STAUD’S WIEN für das Unternehmen hat.

8. Die Verpackung ist eng an das Produkt gebunden und dient gleichzeitig auch als Marketinginstrument. Erläutern Sie anhand von STAUD’S WIEN die Funktionen einer Verpackung.

9. Warum legt STAUD’S WIEN besonderes Augenmerk auf die differenzierte Gestaltung der Etiketten? Analysieren Sie ein Verpackungsdesign/Etikett (STAUD’S Klassik/Oma Staud/STAUD’S Limitierte, Tabelle 1-1) hinsichtlich der dahinterliegenden Motivation des Unternehmens.

10. In welcher Phase des Produktlebenszyklus scheint sich das Produkt „Oma Staud“ gerade zu befinden? Begründen Sie Ihre Meinung. Überlegen Sie, welche Marketingmaßnahmen für dieses Produkt in der aktuellen und in künftigen Phasen des Produktlebenszyklus von STAUD’S WIEN zu treffen sind.

Fragestellungen zu Thema 2 – Preispolitik

1. Verbraucher und Verbraucherinnen entscheiden sich typischerweise für das Produkt, das ihnen den meisten Nutzen bringt. Um seine Produkte zu positionieren und damit den Bedürfnissen und Wünschen seiner Zielmärkte gerecht zu werden, wählt STAUD’S WIEN als Gestaltungsmöglichkeit des Preis-Leistungs-Verhältnisses die Strategie „Mehr für mehr“. Was bedeutet das?

2. Welche grundlegenden Strategien der Preisgestaltung gibt es? Welche dieser Preissetzungsstrategien wendet STAUD’S WIEN an?

3. Durch die gedämpfte Kaufkraft, die hohen Energiepreise und die Inflation in den Jahren 2022/23 mussten Kunden und Kundinnen das Verhältnis zwischen Preis und Nutzen überdenken. Wie reagierte STAUD’S WIEN mit seiner Preis-Leistungs-Strategie darauf?

4. Eine Möglichkeit des Unternehmens, Preisanpassungen vorzunehmen, sind Rabatte und Preisnachlässe. Welche Arten kennen Sie? Welche nimmt STAUD’S WIEN in Anspruch?

5. Inwiefern wendet STAUD’S WIEN eine Value-added-Preisstrategie an?

6. Erklären Sie anhand von STAUD’S WIEN den Zusammenhang zwischen einer attraktiven Marke, einer nutzenbasierten Preissetzung und Premiumpreisen.

7. Skizzieren Sie, wo STAUD’S WIEN die Good-Value-Preisstrategie verfolgt.

8. Was versteht man unter Preiselastizität? Wie schätzen Sie die Preiselastizität für die Produkte von STAUD’S WIEN ein? Geben Sie mögliche Begründungen dafür an.

9. Kotler et al. (2022) beschreiben vier Grundtypen von Märkten, von denen jeder eine andere Vorgehensweise bei der Preissetzung erfordert. Um welche Marktform handelt es sich beim Marmeladenmarkt? Welchen Stellenwert hat dabei der Preis im Marketing-Mix? Führen Sie das anhand von STAUD’S WIEN aus.

10. Angenommen, wichtige Mitbewerber und Mitbewerberinnen von STAUD’S WIEN senken ihre Preise, es wird ein Rückgang von Absatz und Gewinn vermutet – welche Möglichkeiten hätte STAUD’S WIEN, zu reagieren?

Quellen

Webseite von STAUD’S. https://www.stauds.com/

Bundesgesetzblatt, Pub. L. No. CELEX-Nr.: 32001L0113, 32004L0084 (2004). https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblAuth/BGBLA_2004_II_367/BGBLA_2004_II_367.html. [30.06.2024]

Druck, D. (2021, Mai 18). Frühstücksprodukte-Weniger Zucker-Mehr Umsatz. Lebensmittel Praxis. https://lebensmittelpraxis.de/sortiment/30735-fruehstuecksprodukte-weniger-zucker-mehr-umsatz.html. [30.06.2024]

Jiresch, G. (Hrsg.). (2023). Staud’s setzt auf Genuss. retailreport.at. https://retailreport.at/stauds-setztauf-genuss. [30.06.2024]

Kotler, P., Armstrong, G., Harris, L. C., & He, H. (2022). Grundlagen des Marketing (8. aktualisierte Auflage). Pearson.

Krabichler, S. (2017, Juli 25). Tiroler Frauenpower Teil 4: Michaela Hysek-Unterweger: „Marmelade? Jeden Tag!“. MeinBezirk.at. https://www.meinbezirk.at/tirol/c-lokales/tiroler-frauenpower-teil-4michaela-hysek-unterweger-marmelade-jeden-tag_a2197865. [30.06.2024]

Löffler, A. (2018, April 26). Darbo: Im Wettlauf mit Wetter, Händlern-Und Hausfrauen. Die Presse. https://www.diepresse.com/5412461/marmeladehersteller-darbo-im-wettlauf-mit-wetter-haendlern-undhausfrauen. [30.06.2024]

MARKANT AG (Hrsg.). (2019). Wenig Zucker, viel Frucht. MARKANT Magazin, 2/2019, 36.

Mordor Intelligence. (o. J.). Markt für Marmelade, Gelee und Konserven – Wachstum, Trends, Auswirkungen von COVID-19 und Prognosen (2023–2028). Mordor Intelligence. https://www.mordorintelligence.com/de/industry-reports/jam-jelly-and-preserves-market. [23.09.2023]

Müller Glas. (2021, Mai 5). Müller Glas Studie: Österreicher sind Einkocher. Reichl und Partner Public Relations. https://pressecenter.reichlundpartner.com/News_Detail.aspx?id=132484&menueid=25386&l=deutsch. [30.06.2024]

Silberer, E. (2005, Februar 14). Aus Zentis-Marmelade wird „Landliebe”. Aachener Zeitung. https://www.aachener-zeitung.de/wirtschaft/aus-zentis-marmelade-wird-landliebe/2941500.html. [30.06.2024]

SPAR. (2019). Ich mache nichts halbherzig!. Spar Mahlzeit!. https://www.spar.at/mahlzeit. [30.06.2024]

Statista Market Insights. (2023). Marmelade-Österreich. Statista. https://de-1statista-1com1qcvwia1k1f8a.pisces.boku.ac.at/outlook/cmo/lebensmittel/aufstriche-suessungsmittel/aufstriche/marmelade/oesterreich#umsatz. [30.06.2024]

1 Christine Duenbostl ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Marketing und Innovation an der Universität für Bodenkultur Wien.

2 Siegfried Pöchtrager ist Universitätsdozent am Institut für Marketing und Innovation an der Universität für Bodenkultur Wien.

2 Nespresso

Don’t forget to recycle!

Magdalena Thur1, Laura Maria Wallnöfer2

Einführung

„Kaffee kann Gutes bewirken“ – Mit einem Knopfdruck können sich Kaffeeliebhaber und Kaffeeliebhaberinnen vielfältige Genusserlebnisse nach Hause holen und dabei zu „positiven Veränderungen“ – wie der „Verbesserung der Lebensbedingungen der Kaffeebauern“ und dem „Schutz der Artenvielfalt“ – beitragen. (Nestlé Österreich, 2024).

Mit dieser vielversprechenden Botschaft tritt Nespresso an die Öffentlichkeit. Doch wie erreicht es das Unternehmen seit mehreren Jahrzehnten in der dynamischen und kompetitiven Heißgetränkebranche erfolgreich zu sein?

Nespresso ist eine Marke des Lebensmittelkonzerns Nestlé, die seit 1986 als Tochtergesellschaft unabhängig agiert (Nestlé Nespresso, 2024c; Nestlé Österreich, 2024). Über 14.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in 83 Ländern (Nestlé Nespresso, 2024b), davon rund 350 in Österreich, erwirtschafteten 2022 einen weltweiten Umsatz von 6,86 Milliarden Euro (Nestlé, 2022). Am weltweiten Markt für Röst- und Instantkaffee, zu dem auch portionierte Kaffees gezählt werden, hält Nespresso einen Marktanteil von vier Prozent (Statista, 2024b). Das Kerngeschäft besteht aus Produktion und Vertrieb der Nespresso-Kapseln sowie dem Vertrieb kompatibler Kaffeemaschinen.

Erfolgsgrundlage für Nespresso ist ein 1976 patentiertes Zubereitungssystem, das eine in der Aluminiumkapsel vorportionierte Kaffeemenge mittels Hochdruck und optimierter Wassertemperatur aufbereitet (Brem et al., 2016; Nestlé Nespresso, 2024d). Das darauf aufbauende Nutzenversprechen lautet, die besten aromatischen Eigenschaften des Kaffees zur Entfaltung zu bringen (Nestlé Nespresso, 2024d; Tanzer, 2021). Durch seine aufmerksamkeitswirksamen TV-Werbungen mit Markenbotschafter George Clooney (siehe Abbildung 2-1) gelang es Nespresso in den 2000er-Jahren, sich als Lifestyleprodukt am europäischen und später am nordamerikanischen Markt zu etablieren (Handelszeitung, 2015).

Nespresso versteht sich als Kaffee-Avantgarde, die durch optimierte Kaffeekultivierungsverfahren und einzigartige Zubereitungsmethoden neue Maßstäbe für außergewöhnlichen Genuss setzt (Nestlé Nespresso, 2024b). Servicekultur und Qualität gehören ebenso zum Selbstbild der Marke wie das verantwortungsvolle Management der Lieferkette hinsichtlich des Umgangs mit Kaffeefarmern und Kaffeefarmerinnen sowie endlichen Ressourcen (Nestlé Nespresso, 2024b; Nestlé Österreich, 2024).

Abb. 2-1: George Clooney in der Advertainment-Kampagne „Compostable“. Quelle: Nestlé Nespresso, 2023c

Gleichzeitig beanstanden kritische Stimmen seit den 2010er-Jahren verstärkt einen im Vergleich zu anderen Zubereitungsmethoden hohen Ressourcenverbrauch des Nespresso-Systems (Brem et al., 2016; Wikipedia, 2023). Zudem setzte ein 2020 an die Öffentlichkeit gelangter Vorfall von Kinderarbeit auf einer für Nespresso produzierenden Kaffeefarm das Unternehmen unter Druck (ORF.at, 2020).

Die vorliegende Fallstudie beleuchtet daher einerseits, welche kommunikationspolitischen Marketingmaßnahmen Nespresso einsetzt, um auf kritische Stimmen zu reagieren und ihnen vorzubeugen und zugleich positive Markenassoziationen zu betonen. Andererseits wird thematisiert, welche Merkmale aus Sicht des Konsumverhaltens dem Erfolg der Marke zugrunde liegen und welche Maßnahmen Nespresso setzt, um den Nutzen für Konsumenten und Konsumentinnen zu steigern.

Die Kaffeebranche

In Österreich werden täglich etwa 16 Gramm Röst- und Bohnenkaffee verbraucht (Statista, 2024d). Das entspricht rund drei Nespresso-Portionen oder etwa zwei Tassen Filterkaffee. Personen in Österreich sind mit einem Verbrauch von 5,73 Kilogramm pro Kopf und Jahr im europäischen Vergleich deutlich überdurchschnittliche Kaffeetrinker und Kaffeetrinkerinnen (Statista, 2024d). Im Jahr 2023 wurden hier rund 93 Euro pro Kopf für Kaffeeprodukte zum Verzehr zu Hause ausgegeben (Statista, 2024a). Der Kaffee wird dabei laut einer Umfrage unter 500 Personen in Österreich im Jahr 2018 bevorzugt mit dem Kaffeevollautomaten zubereitet (27 Prozent), Filterkaffee wird von 26 Prozent der Befragten getrunken, wohingegen 18 Prozent Kapseln und zehn Prozent Pads verwenden (MAKAM Research GmbH, 2018).

Der weltweite Gesamtmarkt für Röst- und Instantkaffee zum Heimverzehr (ohne Gastronomie und Fertiggetränke) wird auf ein Volumen von 80 Milliarden Euro geschätzt (Statista, 2023). Die umsatzstärksten Marktregionen sind Europa (37 Prozent des weltweiten Umsatzes), Amerika (30 Prozent) und Asien (26 Prozent) (Statista, 2024c). 2023 war der Nestlé-Konzern mit insgesamt 13 Prozent Marktanteil am weltweiten Kaffeehandel der einflussreichste internationale Akteur. Nespresso machte mit vier Prozent Marktanteil am Röst- und Instantkaffeemarkt (inklusive des Markts für portionierten Kaffee) etwa 30 Prozent dieses Erfolgs aus (Statista, 2023, 2024b). Als Marke für Kaffeeprodukte für den Heimverzehr ist Nespresso bei 68 Prozent der in Österreich lebenden Personen bekannt, damit liegt die Marke auf dem vierten Platz hinter Eduscho (77 Prozent), Jacobs (74 Prozent) und Tchibo33 (72 Prozent) (IMAS International, 2023).

Länder wie Italien, Frankreich, das Vereinte Königreich und Deutschland haben ebenso wie Österreich mit seiner von der Unesco als „Immaterielles Kulturerbe“ geschützten „Wiener Kaffeehauskultur“ eine stark historisch und kulturell verankerte Kaffeetradition (UNESCO-Kommission, 2024). Kaffeetrinken als soziale Aktivität und Freizeitbeschäftigung erfreut sich großer Beliebtheit in diesen Ländern (Rühle, 2022) – insbesondere mit zunehmendem Alter (BAT Stiftung für Zukunftsfragen, 2021).

Der Anbau von Kaffeebohnen nahm 2022 rund 12,2 Millionen Hektar in Anspruch – das entspricht etwa 1,5-mal der Fläche Österreichs (FAO, 2023). In der Saison 2022/23 wurden weltweit 4,7 Millionen Tonnen Robusta- und 5,4 Millionen Tonnen Arabica-Kaffee geerntet (USDA, 2023b, 2023a). Ein LKW-Konvoi würde lückenlos von Wien bis nach Tokio reichen, um diese Menge an Kaffee zu transportieren.

In etablierten Märkten, zu denen Zentral- und Westeuropa sowie Nordamerika zählen, macht sich in den letzten Jahren ein Trend nach besonderen Spezialitätenkaffees, Premiumisierung und alternativen Zubereitungsmethoden bemerkbar (Statista, 2024b). Hier steigt die Nachfrage nach Kaffee aus zertifiziertem Anbau (zum Beispiel Fairtrade, Bio, Rainforest Alliance) (Statista, 2024c, 2024b). Auch E-Commerce bestimmt zunehmend die globale Kaffeebranche: International hat sich der Anteil online bezogener Waren innerhalb von fünf Jahren von 2,8 Prozent (2018) auf 8,2 Prozent (2023) erhöht (Statista, 2024c).