wiederherzgestellt - Sharon Brehm - E-Book

wiederherzgestellt E-Book

Sharon Brehm

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Beschreibung

So werden unsere Beziehungen zu einem Kraftort

Auch in glücklichen Beziehungen kann es zu emotionalen Verletzungen kommen. Doch wie können wir uns wieder aufeinander einlassen, wenn wir uns verletzt fühlen?
Egal, ob es um Verlustangst oder Bindungsangst, um Eifersucht, um Trauer oder etwas anderes geht – die Paartherapeutin Dr. Sharon Brehm erklärt wissenschaftlich fundiert und leicht verständlich, wie wir schädliche Selbstschutzmechanismen, falsche Glaubenssätze, Traumata und Trigger erkennen und wie wir diese auflösen können.
In wiederherzgestellt öffnet die Autorin uns die Tür zu emotionaler Heilung: Für uns allein und in der Verbindung zu unserem Herzensmenschen können wir kleine oder auch größere emotionale Wunden heilen. Zahlreiche gut nachvollziehbare Beispiele aus ihrem Praxisalltag zeigen, wo Beziehungsprobleme häufig entstehen, und laden zur Selbstreflexion ein.

»Dr. Sharon Brehm versteht es, in ihrer ebenso klaren wie emphatischen Sprache bei den Leserinnen und Lesern einen Prozess der Veränderung einzuleiten und zu motivieren, diesen auch nachhaltig umzusetzen. Dieses Buch kann das Herz Ihrer Beziehung retten: Ihr eigenes!« – Eric Hegmann, Paartherapeut, »Die Paartherapie« (ARD)

»Einfühlsam und informativ liefert dieses Buch wertvolle Erkenntnisse für den Aufbau sicherer und vertrauter Beziehungen.« – Nesibe Özdemir, Psychologische Psychotherapeutin & Spiegel-Bestsellerautorin

»Dr. Sharon Brehm zeigt uns, dass erfüllte Partnerschaften keine Fantastereien sind, sondern gelebte Realität werden können. Sie gibt uns einen einmaligen Leitfaden für glückliche und sichere Beziehungen an die Hand, die von Liebe, Achtsamkeit und Empathie geprägt sind.« – Sarah Desai, Coachin, Podcasterin & Spiegel-Bestsellerautorin

  • Beziehungskonflikte verstehen, Blockaden auflösen und durch die Kraft der Verbundenheit eine innige Partnerschaft aufbauen
  • Zahlreiche Fallbeispiele aus dem Praxisalltag, Anregungen zur Selbstreflexion und hilfreiche Tools für eine erfüllte, glückliche Beziehung

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Seitenzahl: 303

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DR. SHARON BREHM

Wie emotionale Heilung mehr Vertrauen, Nähe und Lebendigkeit in deine Beziehung bringt

© 2024 by Südwest Verlag, einem Unternehmen der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81637 München

Die Verwertung der Texte und Bilder, auch auszugsweise, ist ohne Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmung und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Hinweis: Die Ratschläge/Informationen in diesem Buch sind von Autorin und Verlag sorgfältig erwogen und geprüft, dennoch kann eine Garantie nicht übernommen werden. Eine Haftung der Autorin beziehungsweise des Verlags und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.

Bildnachweis

Abbildungen Innenteil: © Dr. Sharon Brehm

Projektleitung: Vanessa Silbermann

Textredaktion: Sibylle Duelli, Buch. Konzept & Mehr

Korrektorat: Susanne Schneider

Covergestaltung: Veruschkamia, München

Satz und E-Book-Konvertierung: GGP Media GmbH, Pößneck

Innenlayout & Herstellung: Timo Wenda

ISBN 978-3-641-31399-9V001

www.suedwest-verlag.de

Inhalt

Prolog

Einführung: Das Geheimnis glücklicher Beziehungen ist nicht nur Kommunikation

Emotionale Heilung: Wenn wir uns sicher fühlen, heilen wir auch

1. Herz•Schlag

Emotionale Altlasten: Wie unsere Vergangenheit unsere heutigen Beziehungen beeinflusst

Glaubenssätze: Wie Gedanken unser Verhalten diktieren

Welche Rolle spielt unsere Herkunftsfamilie?

Selbstsabotage: Der Einfluss von Denkfehlern

Warum wir nicht immer dem vertrauen können, was uns vertraut vorkommt

3 Wege, um die Wahrnehmung zu öffnen

Durch unseren alten Schmerz verletzen wir andere unbewusst

Unsichtbare Wunden: Wenn wir Bindungstraumata nicht wahrnehmen, vertiefen wir sie

Bindungstraumata sind so normal, dass sie uns kaum auffallen

Ein Trauma ist die Veränderung in unserem Inneren und nicht das Ereignis

9 emotionale Bedürfnisse: Fehlen sie, können Bindungstraumata entstehen

Schutzmechanismen: Fight, Flight, Fawn und Freeze

Trigger: Wenn die Vergangenheit zum Jetzt wird

9 häufige Trigger, die Beziehungen belasten

Unser Bindungsstil baut auf erlebten Gefahren auf

Erwartungen – ein sensibler Balanceakt Wie wir lieben, ohne uns selbst aufzugeben

7 Gründe für Erwartungen in unseren Beziehungen

Erwartungen entstehen aus Liebe

7 Gründe für Missverständnisse in Beziehungen

Du bist nicht du, wenn du (emotional) hungrig bist

Verschmelzung und übersteigerte Unabhängigkeit: Können wir zu viel des Guten haben?

7 Ursachen für eine übersteigerte Unabhängigkeit

Wie finden wir die Balance zwischen Erwartung und Eigenständigkeit?

Innere Blockade: Scham hindert uns daran, etwas zu verändern

5 Schutzmechanismen, die aus Scham geboren werden

Wenn wir uns schämen, drehen wir uns um uns selbst

7 Gründe, warum wir uns in Scham verlieren, anstatt Schuld zu empfinden

Fehlerfreundlichkeit: Ein Ausweg aus dem Teufelskreis

7 hilfreiche Wege, um aus Scham und Beschämung auszusteigen

Selbstakzeptanz: Wir sind mehr als unsere Scham, unsere Vergangenheit oder unsere Schutzmechanismen

2. Herz•Rhythmus

Die Sprache des Herzens: Wie Emotionen zu mehr Verständnis führen

Der feine Unterschied zwischen Emotionen und Gefühlen

7 Gründe, warum es sich so anfühlt, als wären Emotionen der Feind

Wir verlieren uns selbst, wenn wir unsere Emotionen unterdrücken

6 Gründe, weshalb Emotionen uns als Wegweiser dienen

Emotionale Probleme brauchen emotionale Lösungen

11 herausfordernde Emotionen und ihre verborgenen Botschaften

Emotionale Granularität: Die Kunst, zwischen Gefühlen zu unterscheiden

7 bewährte Strategien für den Umgang mit Emotionen

Wie Verletzlichkeit zu Mut wird und Mut zur Heilung führt

Co-Regulation: Wie wir unbequeme Emotionen leichter auflösen können

Empathische Resonanz: Eine mächtige Verbindung

7 Wege, um empathische Resonanz zu entwickeln

Empathie ist das Herzstück zwischenmenschlicher Verbindung

Co-Regulation: Warum es leichter ist, gemeinsam Emotionen zu durchleben

Verbundenheit entsteht bereits auf der Ebene unserer Nervensysteme

9 Handlungen, mit denen wir uns mit anderen co-regulieren

Das Paradoxe in der Liebe: Warum wir auch in Beziehungen Grenzen brauchen

9 negative Folgen, wenn Grenzen ständig überschritten werden

Klarheit: Wie Grenzen uns inneren Frieden schenken

Es liegt in unserer Souveränität, Grenzen zu setzen

8 Annahmen über Grenzen

Lichtblick: Warum Grenzen auch immer Nähe bedeuten

Grenzen als Kontaktfläche

Vergebung: Wie wir neue Liebesgeschichten schreiben

10 Gründe, warum uns jemand nicht vergeben kann

Wenn aus Kränkungen Geschichten werden, werden Beziehungsprobleme chronisch

Vergebung: Gesehenes Leid ist halbes Leid

Regeln, die wir mit Beziehungen verbinden

Sich selbst verzeihen

Geben Menschen ihr Bestes?

7 Erkenntnisse, die ich dir über das Verzeihen mitgeben möchte

Schlusswort

Danksagung

Literaturempfehlungen

Quellenverzeichnis

Für mehr Mut.

Mögen wir unser Strahlen zeigen dürfen und uns mit all unseren Facetten gesehen fühlen.

Für mehr Liebe.

Mögen wir uns durch sie lebendig und in ihr sicher fühlen.

Für mehr Wir.

Mögen wir in einer Welt, die manchmal kalt und harsch ist, Wärme und Frieden finden.

Prolog

Ich liebe den Prozess von Heilung. Heilung, ein großes Wort, hinter dem Verletzlichkeit, Mut und vor allem Liebe steht. Zu heilen bedeutet, sich vollständig zu fühlen, bedeutet Raum für all die seltsamen und traurigen Aspekte unseres Selbst zu haben, genauso wie für all die Dinge, die so schön sind, dass wir befürchten, dass andere sie uns nehmen könnten. Um zu heilen, müssen wir allerdings den einen oder anderen Glaubenssatz hinterfragen. Glaubenssätze sind Überzeugungen, die in uns so fest verankert sind, dass wir sie eben nicht mehr infrage stellen. Dieses Buch entwickelte sich aus drei weitverbreiteten Glaubenssätzen: Erstens: Selbstliebe muss uns reichen. Zweitens: Du musst heil sein, um geliebt zu werden. Drittens: In einer Beziehung bist du angekommen und jedes Gefühl von Einsamkeit ist passé.

Ich begann mit diesen Glaubenssätzen irgendwann zu hadern. Nach den Erfahrungen in meinem Leben, als Liebende und als Paartherapeutin, konnte ich sie nicht mehr als unumstößliche Wahrheit gelten lassen.

Mich selbst zu lieben reichte mir nicht. Mir selbst Komplimente zu machen, mich aufzufangen und zu akzeptieren war zwar wichtig. Aber all das war kein Substitut für die Liebe zu einem anderen Menschen. Ich wollte Liebe geben. Und ich wollte jemandem erlauben, mich zu lieben.

Ich dachte auch, ich wäre längst »emotional aufgeräumt«, als ich mich für meine letzte Beziehung entschied. Nur merkte ich, dass manche Themen erst in dieser Beziehung aufkamen. Solange ich alleine und für mich war, hatte ich keine Verlustangst.

Und ich musste lernen: Auch in einer glücklichen Beziehung kommen Ängste, Einsamkeit und andere unbequeme Emotionen vor. Eine Beziehung rettet mich nicht vor meinen Schatten. Aber sie gibt mir die Chance, einen gesünderen Umgang mit ihnen zu finden.

Ich ahnte, dass ich mit diesen Erfahrungen nicht alleine war. Aber erst im Sommer 2022 merkte ich, wie sehr wir es als Gesellschaft satthaben, uns in unseren Beziehungen zu verletzen. Wie wir danach streben, uns verletzlich machen zu dürfen, und darauf hoffen, psychische Verletzungen zu heilen. Es passiert so schnell, dass wir uns verletzen. Und wir alle bringen Verletzungen aus vorherigen Beziehungen oder unserer Vergangenheit mit, die wiederum dazu führen, dass wir Menschen selbst kränken. Doch wie wir diese Verletzungen wirklich auflösen können, haben wir nicht gelernt. Das Interesse daran spiegelte sich auch in zwei Anfragen. Erst klopfte die Süddeutsche Zeitung für ein Interview an. Das Thema war: »Wie können wir gesunde Beziehungen führen?« Worte wie »toxisch« und »narzisstisch« fallen immer häufiger – im Interview ging es um einen Gegenentwurf.

Ein paar Tage später bekam ich eine E-Mail von Laura Malina Seiler. Die spirituelle Influencerin und Autorin lud mich als Expertin für einen Beziehungskurs ein. Dort ging es um die Frage, ob und, wenn ja, wie wir in unseren Beziehungen heilen können. Emotional zu heilen war etwas, das wir nicht gelernt haben, aber anscheinend lernen wollen.

In meinem Kopf ähnelst du, mein imaginäres Gegenüber, den Menschen, die ich begleiten darf. Die Menschen, die in meiner Praxis Platz nehmen, interessieren sich für persönliches Wachstum und gelebte Psychologie. Sie sind offen und empathisch und mutig. Sie würden gerne verstehen, wie Beziehungen leichter und lebendiger werden, und sie würden gerne mehr von der Kunst des Liebens lernen, nicht als philosophische Idee oder um darüber eine wissenschaftliche Abhandlung zu schreiben, sondern um die Liebe zu leben, zu feiern und zu genießen.

Dieses Buch ist für all diejenigen, die in ihrer Beziehung sie selbst sein wollen. Für all diejenigen, die einmal das Gefühl hatten, angekommen zu sein. Für all diejenigen, die erlebt haben, wie schmerzhaft es ist, Vertrauen und Verbindung verloren zu haben – und die darauf hoffen, dies wiederzufinden.

In Dankbarkeit

Einführung: Das Geheimnis glücklicher Beziehungen ist nicht nur Kommunikation

»For all of us, the person we love most in the world, the one who can send us soaring joyfully into space, is also the person who can send us crashing back to earth.«

Sue Johnson – Hold me Tight

Manchmal beginnen Beziehungen so unglaublich magisch. Wir entscheiden uns für unser Gegenüber bewusst und nicht, weil wir es müssen. Meistens lassen wir uns auf eine Person ein, weil mit ihr das Leben so leicht und aufregend erscheint, wir ähnliche Träume haben und uns angenommen fühlen. Wir entscheiden uns für eine Person, wenn wir gemeinsam glücklicher sind als alleine. So wie es eben Sue Johnson1, renommierte Paartherapeutin und Begründerin der Emotionsfokussierten Paartherapie, beschreibt: Die Person, die wir am meisten lieben, kann uns auf eine ungeahnte Weise glücklich machen.

Dass die Qualität unserer Beziehungen einen direkten Einfluss auf die Qualität unseres Lebens hat, bestätigt auch die sogenannte »Harvard-Studie«2. Sie ist eine der größten Langzeitstudien, um herauszufinden, was ein gesundes und glückliches Leben ausmacht. Seit 1938, also seit über 85 Jahren, wurden 724 Männer befragt und begleitet. Um das Geheimnis eines glücklichen Lebens herauszufinden, nutzte das Forscherteam nicht nur Fragebögen, es besuchte die Männer auch zu Hause, sprach mit ihren Familien und sah sich ihre medizinischen Akten an. Robert Waldinger, der als Professor für Psychiatrie die Studie lange leitete, kam zu dem Ergebnis: »Gute Beziehungen machen uns glücklicher und gesünder.«3

Das Nächste klingt vielleicht demotivierend und ernüchternd. Trotzdem trifft es wohl auch die Realität, denn wir alle haben schon einmal erlebt, wie aus Traumbeziehungen Trauer und Trennungen wurden. Wir haben erfahren, wie wir wegen alter Verletzungen vorsichtiger in die nächste Beziehung starten, die Handbremse kaum lösen und dann doch wieder Vertrauen schöpfen. Nur um dann wieder verletzt zu werden und nicht zu wissen, wie wir diese Verletzung wiedergutmachen können.

Also ziehen wir uns erneut zurück und verletzen einander unabsichtlich durch unseren Rückzug. Wenn nichts mehr von der Leichtigkeit und Magie des Anfangs da ist, trennen wir uns. Erneut. Es fühlt sich an wie ein Absturz, unser Herz zerbricht in viele Einzelteile. Es ist schmerzhaft genug, dies einmal zu erleben. Doch ohne Wissen über emotionale Heilung wird dies zu einer Endlosschleife.

Emotionale Heilung: Wenn wir uns sicher fühlen, heilen wir auch

Viele wissen heutzutage, dass Beziehungsprobleme durch falsche Kommunikation entstehen. Viele haben auch schon gehört, dass es nicht nur darum geht, was man sagt – sondern auch, wie man es sagt. An Worten und Wissen fehlt es also nicht. Was den Paaren meistens verloren geht, ist die emotionale Sicherheit im Miteinander.

Wenn wir uns miteinander nicht sicher fühlen, dann werten wir schnell jedes Wort als persönlichen Angriff oder beginnen zu schweigen, um nicht noch mehr verletzt zu werden. Wo emotionale Sicherheit fehlt, fehlen auch Erotik und tiefe Gespräche.

Wenn wir emotionale Sicherheit empfinden, können wir uns mit all unseren Seiten zeigen. Selbst oder gerade wenn wir fürchten, dafür verlassen oder verurteilt zu werden. Doch diese Sicherheit ist keine Einbahnstraße. Wenn wir uns sicher fühlen, können wir auch auf andere entspannter, freundlicher und mitfühlender reagieren. Wenn jemand sich verletzlich zeigt, sehen wir das Positive, sind großzügiger und werten Erwartungen nicht als persönlichen Angriff. Emotionale Sicherheit kann wie eine Spirale nach oben sein, die zu mehr Verständnis und Verbindung führt.

Was genau dazu beiträgt, dass wir uns fallen lassen können, ist von Person zu Person unterschiedlich. Manche brauchen Akzeptanz und Freiheit, andere Wertschätzung und Loyalität. Für manche entsteht Sicherheit über körperliche Nähe und bei anderen erwächst sie aus tiefgründigen Gesprächen. Immer aber geht es darum, dass wir aufeinander eingehen und dass unsere emotionalen Bedürfnisse Raum bekommen.

Emotionale Heilung bedeutet, diese Sicherheit wieder empfinden und geben zu können. Wenn wir etwa unseren Fuß gebrochen haben, sprechen wir von Heilung, wenn wir den Fuß wieder strecken, anwinkeln und bewegen können. Wir wissen, dass ein Heilungsprozess Zeit und Übung braucht, und schonen unseren Fuß in dieser Zeit. Doch für immer in einer Schonhaltung zu bleiben, wäre für die meisten von uns keine Option. Dann, wenn unser Fuß wieder funktionsfähig ist, sprechen wir von Heilung.

Das Gleiche gilt auch für emotionale Heilung, nur ist es eben nicht unser Fuß. Wir stellen unsere Psyche und unser emotionales Herz wieder her. Wir sprechen von gelungener emotionaler Heilung, wenn wir die Bandbreite unserer Emotionen voll ausschöpfen und für uns nutzen können. Wenn wir emotional genesen, können wir passender auf Stress reagieren, Herausforderungen besser bewältigen und uns selbst besser verstehen. All das hilft uns, gesunde Beziehungen zu führen.

Emotionale Heilung bedeutet einfach gesagt, dass wir emotionale Verletzungen oder Wunden mithilfe von empathischer Zuwendung heilen. Egal, ob es um Verlustangst oder Bindungsangst geht, um Eifersucht, um Trauer oder etwas anderes – unsere Beziehungen können uns helfen, wieder mehr zu uns selbst zu werden.

Leider haben wir weder gelernt, dass emotionale Sicherheit wichtig ist, noch was emotionale Heilung im Alltag bedeutet. So wiederholen wir oft unsere Fehler: »We repeat, what we don’t repair.« Wenn wir etwa Angst haben, verlassen zu werden, und diese Angst in einer neuen Beziehung nicht auflösen können, werden wir immer unsicherer. Das Gemeine ist, dass wir manchmal meinen, wir hätten unsere Verlustangst aufgelöst, aber sobald wir uns auf jemanden einlassen, ist sie wieder da. Mit unserer Angst melden sich auch so manche Schutzmechanismen.

Das Spektrum an Schutzmechanismen ist groß. Manche nörgeln und kritisieren. Manche errichten eine unüberwindbare Mauer um ihr Herz. Andere sind so freundlich, dass man sie nicht mehr spürt, oder beginnen zu lügen. Wieder andere sprechen direkt die Trennung aus.

Mit diesen Schutzmechanismen verletzen wir leider oft die Menschen, die uns am meisten bedeuten, und das fühlt sich für die andere Seite ebenfalls nach Gefahr an. Und die natürliche Reaktion bei Gefahr lautet Verteidigung oder Flucht und so werden wir verletzt, obwohl wir uns doch eigentlich nur schützen wollten. Die großen Beziehungskrisen wie Vertrauensprobleme, Parallelleben oder ständige Eskalationen sind wie die Spitze eines Eisbergs. Unter der Oberfläche liegen emotionale Verletzungen, die wir nicht heilen konnten.

Uns fehlt das Wissen über sichere Beziehungen

Sicherheit ist ein neues Beziehungsideal – doch bisher haben wir eher gelernt, dass wir Verletzungen vermeiden müssen. Wenn zwei Menschen sich so nah sind, ist es allerdings fast unmöglich, sich nicht auf die Füße zu treten. Auch in glücklichen Beziehungen passieren Verletzungen. Bisweilen reicht eine Kleinigkeit wie ein vergessener Anruf, das falsche Wort zur falschen Zeit oder unterschiedliche Erwartungen bei der Urlaubsplanung, damit wir an der Liebe, dem Charakter oder der Intention der anderen Person zweifeln. Dazu kommt: Viele von uns starten in eine neue Beziehung und ziehen Verletzungen hinter sich her so polternd wie einen Koffer, der über den Gehsteig hämmert. Selten ist es der eine Streit oder das eine böse Wort. Es sind viele kleine Momente, in denen wir – anstatt Vertrauen aufzubauen – uns gegenseitig verletzen. Meist ohne dass wir das gewollt hätten oder es uns gar bewusst wäre. Emotionale Kratzer und Kränkungen kommen selbst in glücklichen Beziehungen vor, also ist es viel wichtiger zu wissen, wie wir erneut Sicherheit finden, Verletzungen heilen und uns selbst wieder öffnen können.

Denn zumeist verbarrikadieren sich viele von uns hinter einem seelischen Schutzpanzer. Was meist auch bedeutet, dass wir das Positive zurückhalten. Doch umso weniger schöne Momente wir miteinander teilen, desto mehr verlieren wir an emotionaler Sicherheit. Und umso weniger emotionale Sicherheit wir haben, desto schwerer fällt es, das Schöne zu leben und zu genießen. Und umso weniger Schönes in der Beziehung ist, desto sensibler reagieren wir auf Verletzungen.

Umgekehrt gilt aber auch: Wenn wir miteinander emotional heilen, entstehen Vertrauen, Verbindung und Nähe fast automatisch. Wenn wir etwa in der Vergangenheit erlebt haben, dass unsere Grenzen nicht respektiert wurden, lässt es uns heilen, wenn nun jemand unsere Grenzen wahrt. Wenn wir in der Vergangenheit erlebt haben, dass wir anderen egal sind, dann lässt es uns heilen, wenn wir merken, dass wir einbezogen werden. Doch warum haben emotionale Verletzungen überhaupt so eine Macht über uns?

Emotionale Verletzungen haben so eine Macht über uns, weil wir uns so ohnmächtig spüren, wenn wir sie erfahren.

Wenn wir uns ein Bein brechen oder das Handgelenk verstauchen, erleben wir Gefühle von existenzieller Not und Zurückweisung seltener, ganz im Gegenteil. Zu meiner Schulzeit wurden Gips und Bandagen bunt bemalt mit Genesungswünschen, Blümchen, später auch mit Meisterwerken pubertärer Freigeister. Insbesondere dann, wenn jemand verletzt war, nahmen wir die Person in unsere Mitte. Man war zwar körperlich eingeschränkt, aber durch die Verbindung fühlte man sich aufgefangen. Diese Wärme erleben wir bei seelischen Verletzungen seltener.

Obwohl wir in einer Zeit leben, in der es immer mehr akzeptiert wird, dass auch unsere Psyche erkranken kann, reagieren Menschen nach wie vor mit mehr Verständnis auf einen Armbruch als etwa auf Bindungsängste. Wenn wir Angst vor Nähe haben und uns eher zurückziehen, schlägt uns bisweilen leichte Wut entgegen: »Sei doch einfach offener. Sag doch mehr.« Wenn wir Zusicherung brauchen, blicken andere, und manchmal auch wir selbst, auf uns herab. Wir fühlen uns bedürftig oder wie eine Belastung.

Zudem wissen wir eher, wie wir auf körperliche Beschwerden reagieren können. Bei einem virtuellen Gespräch mit meiner Assistentin hält mir ihr fünfjähriger Sohn Hustensaft in die Kamera. Er hat sich erkältet und weiß schon in seinem Alter, dass es ein Mittel gegen das kratzende Gefühl im Hals gibt. Er hat sich von seinen Eltern abgeschaut, wie Selbstfürsorge aussehen kann. Bereits ein Fünfjähriger weiß, was bei Husten helfen kann – und wahrscheinlich wüssten Fünfjährige auch, wie sie auf ihre Weise helfen können, wenn jemand sich das Knie aufschlägt.

Doch selbst als sogenannte Erwachsene – denn welcher Erwachsene fühlt sich denn wirklich erwachsen? – wissen wir nicht immer, wie wir das Vertrauen einer Person gewinnen können, die in der letzten Beziehung betrogen wurde. Auch als Erwachsene fällt es uns schwer, mit Schuld souverän umzugehen. Auch als Erwachsene sind wir damit überfordert, wenn uns jemand von seinen emotionalen Schmerzen erzählt. Aus unserer Unwissenheit fallen Sätze wie »Lach doch mal« oder »Mach dir keine Sorgen«.

Außerdem erlauben wir uns bei äußerlichen Verletzungen Hilfe und Unterstützung. Sehen wir, wie jemand stürzt und nicht mehr aufstehen kann, würden wir anbieten, ärztliche Hilfe zu holen. Selbst wenn die Person nur wenige Minuten am Boden lag. Professionelle Hilfe ist kein Tabu. Wenn wir hingegen aus psychischen Gründen nicht mehr aufstehen können und uns etwa Erwartungsdruck lähmt, warten wir Monate bis Jahre, bevor wir uns überhaupt erlauben, an Unterstützung zu denken.

Doch es sind nicht nur das Gefühl von Ohnmacht oder unsere gesellschaftlichen Normen, weswegen wir uns von emotionalen Verletzungen schwerer erholen. Auch die Verarbeitung in unserem Gehirn sieht anders aus. Physische Wunden sind darauf ausgelegt, zu heilen, und wir sind darauf programmiert, sie zu vergessen. Dass ich mir in der Grundschule irgendwann mal in den Finger geschnitten habe, war wahrscheinlich so. Ich kann mich nur nicht mehr daran erinnern. Dass ein Klassenkamerad mich als Heulsuse bezeichnete, als ich sieben Jahre alt war, weil ich meine Sportsachen vergessen hatte, weiß ich hingegen immer noch, als wäre es gestern gewesen. (Keine Sorge, heute bin ich längst mit mir und meinen Tränen im Reinen.) Beides sind Verletzungen, die niemals lebensbedrohlich waren. Sie sind unbequem und alltäglich. Und doch kann ich mich an die eine bildhaft erinnern und an die andere nicht.

Die Neurowissenschaftlerin Elizabeth Phelps untersucht die Verbindung zwischen Emotion und Erinnerung. In ihren Studien4 konnte sie nachweisen, dass sehr emotionale Ereignisse dazu führen, dass sich unsere Gehirnstruktur so verändert, dass wir uns die Details besser und länger einprägen als die eines neutral bewerteten Ereignisses.

Diese starken Erinnerungen führen dazu, dass wir bewusst oder unbewusst unsere Sicht auf die Welt, auf uns selbst und auf andere verändern. Wenn wir emotional verletzt wurden und sich ein negatives Muster wiederholt, kreieren manche von uns ein herrlich ungnädiges Selbstbild. Manche beschließen, dass sie niemandem vertrauen können und besser alleine dran sind. Wieder andere machen sich zum Opfer: Die Welt ist ihnen per se nicht wohlgesonnen.

Nichts davon, so würde ich behaupten, machen wir mit Freude. Niemand sabotiert sich absichtlich selbst und nimmt sich die Chance auf eine glückliche Beziehung. Niemand verletzt gerne die Menschen, die ihm wichtig sind – und trotzdem passiert es.

Verbundenheit ist der erste Schritt, um zu heilen – und zu heilen bedeutet, sich zu verbinden

Es liegt in unserer Verantwortung, zu heilen. Natürlich ist es wichtig zu lernen, wie wir uns selbst besser verstehen: indem wir fürsorglich gegenüber uns selbst sind, Mitgefühl mit uns haben oder unseren inneren Kritiker in die Schranken weisen.

Doch in diesem Buch möchte ich an einige unserer wertvollsten Ressourcen erinnern, wenn es um persönliches Wachstum geht: Verbindung, Gemeinschaft und Liebe. Wir alle wissen, wie viel mehr Energie und Lebensqualität wir haben, wenn wir in einer gesunden Partnerschaft sind, und wie stark uns Beziehungskrisen mitnehmen. Beziehungen sind genauso ein Tool, um persönlich zu heilen und zu wachsen und ein glückliches Leben zu führen. Mehr noch, glückliche Beziehungen sind ein Katalysator für Transformation.

Heilung geschieht dann, wenn wir uns verbunden fühlen und jemand mit uns gemeinsam durch die dunklen Seen unserer Seele schwimmt. Denn wirklich zu heilen bedeutet, sich noch einmal durch den Schmerz zu tasten und sein Herz aufzumachen. An der Hand einer Person, die uns hört, die uns sieht. Im Ohr die Stimme einer uns liebenden Person, die sich gegen all die veralteten Glaubenssätze abhebt.

In diesem Buch geht es darum, wie Beziehungen wieder zu einem Kraftort werden können. Es soll uns dazu inspirieren, aufeinander zuzugehen, anstatt sich im eigenen Schmerz zu begraben. Es gibt dir Ideen mit, wie wir Verbindung kreieren, auch dann, wenn wir uns verletzt haben; wie wir mit Triggern umgehen können; wie wir Erwartungen kommunizieren können; wie wir raus aus der Hilflosigkeit kommen; wie wichtig körperliche Nähe ist; wie wir jemanden aufbauen, ohne uns wie dessen Therapeut: in zu fühlen; welche Schätze in unseren Emotionen liegen; wie Co-Regulation – die Kunst, jemanden emotional aufzufangen und sich von dessen Emotionen nicht überschwemmen zu lassen – funktioniert; wie wir Grenzen setzen können, ohne zu verletzen; wie wir vergeben können, ohne vergessen zu müssen.

Das Ziel dieses Buches ist zu zeigen, wie wir uns verbundener fühlen können. Sich verbunden zu fühlen, bedeutet, sich körperlich, geistig, emotional und vielleicht sogar spirituell nahe zu sein, ohne miteinander zu verschmelzen. Die norwegische Paartherapeutin Sissel Gran beschreibt Verbundenheit in ihrem Buch Ich verlasse dich, weil ich leben will folgendermaßen:

»Und wenn wir beim Gedanken an den anderen nicht nur euphorisch werden – was ja ein typisches Merkmal der Verliebtheit ist –, sondern uns ganz im Gegenteil von der Gegenwart des anderen oder beim Gedanken an den oder die andere beruhigt fühlen, kann man davon sprechen, dass zwischen uns ein emotionales Band entstanden ist. Das Gefühl, dass der andere in uns integriert ist, führt dazu, dass wir uns in der Begegnung mit den Herausforderungen des Lebens gestärkt fühlen. Das ist es, was als Liebe bezeichnet wird und was der Zweck einer modernen Paarbeziehung ist – dass wir den anderen stützen, einander halten und dazu beitragen, dem Leben Richtung und Sinn zu geben.«

Wenn wir uns verbunden fühlen, fühlen wir uns emotional sicher und können, wie es Gran ausdrückt, uns entspannt fallen lassen. Nur wenn wir uns verbunden fühlen, können wir heilen und uns so zeigen, wie wir eben sind, mit all dem Schönen, dem Schmerzhaften, dem Zweifelnden. Wenn wir uns verbunden fühlen, dann wollen wir uns sogar von unseren alten Mustern loslösen: Wir suchen nach einer neuen Erfahrung.

Überblick über den Buchinhalt

Orientierung ist ein wichtiger Baustein, wenn es um Sicherheit geht. Also gebe ich einen ganz kurzen Überblick über den Aufbau von wiederherzgestellt. Dieses Buch möchte an unsere Ressourcen erinnern und die sind – zum Glück – ganz unterschiedlich verteilt.

Vielleicht möchtest du dich zunächst selbst verstehen. Wenn du den Wunsch nach einer gesunden Beziehung schon lange hegst und reflektierst und ihn trotzdem nicht umsetzen kannst, empfehle ich dir den ersten Teil. Wenn wir uns nach etwas sehnen, aber es nicht umsetzen können, liegt es oft an unbewussten Blockaden oder an fehlendem Wissen. Was wir dabei oft vergessen: Durch unsere inneren Mauern, Projektionen oder Altlasten verletzen wir andere oft. Doch durch diese Gefahr ziehen sich auch unsere Herzensmenschen zurück. Die wenigsten von uns können ruhig durchatmen, wenn sie sich unsicher fühlen. Und wenn wir selbst ein Risiko darstellen, wollen sich andere natürlich nicht so einfach von uns in den Arm nehmen lassen. So geht es im ersten Teil um all das, was uns davon abhält, aufeinander zuzugehen und selbst zu einem sicheren Ort für andere Menschen zu sein.

Vielleicht bist du auch so voller Tatendrang und Mut, dass du direkt in die Verbindung gehen möchtest. Du willst verstehen, was emotionale Sicherheit bedeutet und wie wir sie umsetzen können. Im zweiten Teil dieses Buches geht es genau darum: Emotionen, Co-Regulation, Verbindung durch Grenzen und Vergebung. Denn all das sind Bestandteile, durch die wir emotionale Sicherheit und damit Vertrauen schaffen können. In dem Moment, in dem wir emotionale Sicherheit erleben, heilen wir. Wenn etwa jemand gelassen darauf reagiert, dass wir Anerkennung brauchen, und sogar dieses Bedürfnis erfüllt, kann uns das innerlich ruhiger werden lassen. Wir lernen, dass wir unsere Verlustangst nicht verbergen müssen, und können sie so früher kommunizieren.

Vielleicht beginnst du auch mit dem zweiten Teil und gehst dann zurück zum ersten. Auch das wäre möglich. Denn Heilung ist nicht linear, sie hat kein klares Ende und keinen wirklichen Anfang.

Dieses Buch ist kein Ratgeber, der dir eine genaue, schrittweise Anleitung mitgibt. Auch wenn ich dir natürlich gerne ein Rezept mitgeben würde, das auf jede Situation und zu jeder Person passt. Stattdessen findest du im Text immer wieder Reflexionsfragen. Sobald wir uns besser verstehen, können wir eher Verantwortung für unser Verhalten übernehmen. Nimm dir Zeit, um die Fragen ehrlich zu beantworten, und ein Notizbuch gibt dir die Möglichkeit, deine Antworten festzuhalten. Vielleicht liest du irgendwann deine Antworten und freust dich über deine Entwicklung. Vor allem aber: Nutze die Fragen, um deine Beziehungen zu vertiefen. Diese Fragen tragen dazu bei, dass ihr euch näherkommt. So stärkst du auch die Beziehung zu dir selbst: Sei dir selbst gegenüber so neugierig, wie du es anderen gegenüber bist.

Daneben finden sich immer wieder Geschichten. Denn auch Geschichten lassen uns unser Wirken und Handeln überdenken. Die Geschichten und Gedanken, die ich teile, sind Teil meines Erfahrungsschatzes als Paartherapeutin. Es sind echte Geschichten und doch – auch um meine Klient: innen zu schützen – habe ich Namen verändert und ihre Hintergründe ausgeklammert. Denn es geht weniger um die eine Geschichte. Es geht um Beziehungsmuster, die wir alle mehr oder minder kennen und durchbrechen wollen.

Zuletzt möchte ich noch auf drei Dinge hinweisen, denn Heilung beginnt mit Ehrlichkeit.

Erstens: Es gibt Traumata, die einen geschulten Blick brauchen. So wie wir unseren Küchentisch nicht zum OP-Tisch umfunktionieren, sollten wir das eigene Bett nicht als Chaiselongue zu einer Psychoanalyse nutzen.

Emotional Erste Hilfe zu leisten, ist hingegen immer möglich. Empathie, Mitgefühl und liebevolle Klarheit sind das Fundament, damit wir uns verbunden und verstanden wissen. Wenn uns dann auch noch bewusst ist, durch welche Unachtsamkeit wir jemanden verletzen, verhindern wir weitere Kränkungen.

Nichtsdestotrotz kann es immer eine gute Idee sein, sich professionelle Unterstützung zu holen. Im Übrigen kann es bereits ein Schritt im Heilungsprozess sein zu lernen, um Hilfe zu bitten.

Zweitens: Wenn Menschen sich uns gegenüber öffnen und damit verletzlich machen, tragen wir die Verantwortung, mit ihren Offenbarungen sorgsam umzugehen. Menschen das Gefühl zu geben, sie wären emotional bei uns sicher, nur um ihre Geheimnisse oder Ängste gegen sie zu verwenden, ist Missbrauch. Emotionale Sicherheit ist kein Mittel zu dem Zweck, Menschen zu benutzen. Emotionale Sicherheit ist die Basis für eine Beziehung auf Augenhöhe. Andere Menschen haben natürlich andere Wünsche und Bedürfnisse als wir selbst, und das gilt es auch zu akzeptieren.

Drittens würde ich niemandem empfehlen, sich in einer gewaltvollen Beziehung abzuarbeiten und aufzuopfern. Mit den Worten der Literaturwissenschaftlerin und Autorin Bell Hooks ausgedrückt: »Liebe und Missbrauch können nicht nebeneinander bestehen. Missbrauch und Vernachlässigung sind per Definition das Gegenteil von Pflege und Fürsorge.«

In wiederherzgestellt geht es darum, sich verletzlich zu machen und aus alten Schutzmechanismen auszubrechen. Doch in einer gewaltvollen Beziehung brauchen wir intakte Schutzmechanismen. Würde jemand auf deine beste Freundin einprügeln, würdest du ihr auch nicht raten, jetzt ihre Deckung aufzugeben und zu bleiben.

Wie antwortet dein Bauchgefühl auf diese Fragen?

Geht es deinem Gegenüber genauso wie dir darum, konstruktiv und liebevoll miteinander umzugehen?Geht es deinem Gegenüber darum, dass ihr euch beide sicher fühlt?Will die andere Person Konflikte deeskalieren oder ernährt die Person sich von deinen Krisen?Möchte dein Partner oder deine Partnerin etwas verändern oder sieht sie die Schuld nur bei dir? Und lässt sie ihren Worten Taten folgen?

EINSHerz•Schlag

Was uns verletzt, wie wir verletzen und was uns daran hindert, damit aufzuhören.

Auch ein Herzschlag kann ein Schlag sein. Schmerzhaft wie eine Faust, die die Magengrube trifft. In Beziehungen passiert das manchmal so schnell, dass wir nicht einmal blinzeln können.

Wir alle haben schon einmal das Herz einer anderen Person getroffen. Und wurden selbst mitten ins Herz getroffen. Solange unser Herz schlägt, solange sind wir lebendig. Doch lebendig zu sein, trägt auch immer das Risiko für Verletzungen.

Einstimmung – um zu heilen, müssen wir auch dem Unbequemen Platz machen

Wer sehnt sich nicht danach, glücklich zu sein? In Frieden mit sich und der Welt? Frei von Angst? In den sozialen Medien hören wir oft, dass wir uns einfach auf das Gute fokussieren sollten: good vibes only. Glücklich zu sein – so wird es uns verkauft – erreichen wir am besten, indem wir das Unbequeme und Negative ausschließen.

Viele wissen inzwischen, dass es auch kontraproduktiv sein kann, jemanden zu einem Lächeln zu zwingen oder Ängste kleinzureden. Doch die wenigsten wissen, dass es sogar einen positiven Effekt haben kann, wenn wir uns erlauben, unsere »negativen Vibes« auf eine passende Weise auszudrücken.

Dafür gibt es viele Beispiele aus der Forschung und aus der Therapie, doch eine Studie fand ich besonders spannend. Leider empfinden insbesondere Jungs Scham, wenn sie weinen. In einer Studie an der Indiana University Bloomington mit Football-Spielern5 fand ein Forscherteam heraus, dass diejenigen Spieler, die sich und anderen nach einer Niederlage erlaubten zu weinen, besser mit Druck umgehen konnten. Außerdem hatten sie ein höheres Selbstwertgefühl. Manche Emotionen bauen in uns einen unangenehmen Druck auf, weil wir uns für sie schämen. Doch wenn wir aufhören, uns selbst zu zensieren, können wir sie besser verarbeiten.

Der Weg zu Glück und Zufriedenheit führt auch durch emotionale Täler: Wir sind nur dann mutig, wenn wir uns unseren Ängsten stellen. Wir können nur etwas anders machen, wenn wir uns unserer Vergangenheit, unseren Triggern und unseren Mustern bewusst sind.

In diesem ersten Teil geht es um die inneren Blockaden, die uns zurückhalten und sabotieren. Manchmal verletzen wir andere, indem wir blockieren; doch aus meiner Erfahrung liegen in diesen Blockaden auch Lernaufgaben und Ressourcen für gesunde Beziehungen. Wir haben die Wahl, ob wir uns durch unsere Vergangenheit, unser Unwissen oder unsere Schuldgefühle gegenseitig verletzen, oder ob wir sie nutzen, um mehr übereinander zu erfahren und ehrlichere Verbindungen zu kreieren.

Emotionale Altlasten: Wie unsere Vergangenheit unsere heutigen Beziehungen beeinflusst

In Vergiss mein nicht! durchleben Kate Winslet und Jim Carrey die Liebesgeschichte von Clementine und Joel. Der Film zeigt sowohl das ungezwungen-romantische Kennenlernen als auch das Beziehungsende. Aber er geht sogar über die Trennung hinaus. Um mit Clementine leichter abschließen zu können, unterzieht sich Joel einer besonderen Prozedur. Er will die Beziehung, ja sogar Clementine, aus seinem Gedächtnis löschen. Dazu schluckt Joel eine Pille, redet sich seinen Frust von der Seele und verkabelt sein Gehirn. Als Clementine das erfährt, ist sie so beleidigt, dass sie ebenfalls jede Erinnerung an ihn vernichten möchte. Doch wie es der Zufall so will, lernen Joel und Clementine sich erneut kennen und verbringen eine Nacht miteinander. Ohne zu wissen, dass sie eine ganze Beziehung inklusive Trennung hinter sich haben.

Manche kennen den Wunsch, die Vergangenheit einfach hinter sich lassen zu können. Kulturelle Vorgaben, veraltete Erwartungen und unsere Kindheit prägen unsere Liebesbeziehungen. Doch auch Misserfolge, Enttäuschungen und Fehler in vorherigen Partnerschaften haben einen Einfluss darauf, wann wir uns sicher fühlen und was wir brauchen, um emotional zu heilen.

An welchen Fehlern, Misserfolgen und Enttäuschungen hältst du noch fest?Was machen kulturelle Vorgaben oder etwa dein Geschlecht mit deiner Beziehung?Und was ist der Preis, den du zahlst, um daran noch festzuhalten?

Glaubenssätze: Wie Gedanken unser Verhalten diktieren

Unsere Vergangenheit kann in vielfältiger Form in unserem Jetzt auftauchen: kulturelle Prägungen, gesellschaftliche Vorgaben, Vorstellungen davon, wie sich Männer und Frauen, Väter und Mütter zu benehmen hätten. All das hat einen Einfluss auf unsere heutigen Beziehungen. Doch manchmal passen diese vergangenen Skripte nicht mehr zu uns. Sie sind uns nicht mehr dienlich und zeitweilig führen sie uns sogar in die gegensätzliche Richtung: Sie sabotieren unseren Wunsch nach einer sicheren Bindung.

Unsere Glaubenssätze stehen in einem engen Zusammenhang zu unserem Geschlecht, unserer Herkunft oder unserem Alter. Und genauso prägen diese Kategorien, wie wir uns zu verhalten haben – und welche Erfahrungen wir aufgrund dieser Normen machen werden. Wir haben etwa andere Vorstellungen von einer jungen Frau aus Mitteleuropa als von einem älteren Herrn aus Südostasien. In unserem Kopf gehen beide auch unterschiedlich mit Krisen um. Meist haben wir sehr früh gelernt, dass bestimmte Geschlechter nur bestimmte Gefühle auf eine bestimmte Weise ausdrücken dürfen. Das klassische Beispiel dafür ist, dass Männer nicht weinen, aber wütend werden dürfen. Frauen hätten hingegen immer nett und freundlich zu sein. Wir haben gelernt, dass Emotionalität und Rationalität Gegensätze sind. So wie Schwarz und Weiß, kalt und warm, Tag und Nacht. Und wir lernen das seit Jahrhunderten.

Die Welt in Gegensätzen zu sehen, verdanken wir in der westlichen Welt zum großen Teil der Aufklärung. Auch wenn es dem heutigen Zeitgeist nicht mehr entspricht, war diese Gegenüberstellung (im wahrsten Sinne des Wortes) ein Fortschritt. Denn aus einer Weltsicht, in der Männer als die Spitze der Evolution galten, entstand ein Modell, das von Gegensätzen und Polaritäten sprach. So wie Mann und Frau, waren Emotion und Verstand Gegenpole. Männer galten als vernünftig und stark, während Frauen als emotional und schwach bewertet wurden. Die negative Bewertung von Emotionalität als »verrückt«, »manipulativ« oder »hysterisch« ist ein Teil unserer westeuropäischen Ideengeschichte. Doch an diesem Dualismus festzuhalten, bringt unnötige Probleme in unsere romantischen Beziehungen.

Bei unterschiedlichen Glaubenssätzen fällt es schwer, Verbindung zu kreieren

Ich muss an ein junges Paar denken, das die Sitzung mit der Aussage begann, dass sie sehr unterschiedlich seien, besonders in der Art und Weise, wie sie ihre Gefühle ausdrücken. Die Frau teilte ihre Innenwelt intensiv und impulsiv. Ihm hingegen konnte man seine Emotionen kaum ablesen.

Der Mann, nennen wir ihn Emil, stand unter einem enormen Erwartungsdruck. Nicht nur wollte er Karriere machen, er wollte auch ein großartiger Sportler sein, ein guter Freund und vor allem der perfekte Partner. In vielen Bereichen wurde er all dem auch gerecht. Den Preis, den er dafür zahlte, war enormer Druck und schließlich auch Frustration. Emil jammerte selten und so schluckte er oft seine Frustration zumindest so lange herunter, bis es aus ihm herausbrach: »Du hast so hohe Erwartungen«, »Du machst auch nicht alles richtig«, »Du kannst keine Dinge von mir fordern, die du selbst nicht umsetzen kannst«. Diese Sätze klangen in Leylas Ohren wie schmerzhafte Anschuldigungen. Sie sei das Problem: Die Beziehungskrise liege an ihr und ihren überzogenen Erwartungen. Natürlich würde sie sich dagegen wehren, denn das stimmte so einfach nicht.

Zu Hause konnten die beiden sich daran aufhängen, wer mehr in die Beziehung, den Haushalt oder die Urlaubsplanung investierte. Doch diese Quid-pro-quo-Aufrechnung brachte weder Nähe noch Freude noch Verbindung.

In der Sitzung konnte Emil ruhig und offen erzählen: Vom Erwartungsdruck, der ihm manchmal keine Luft zum Atmen ließ. Dem Gefühl zu versagen. Einer tieferliegenden Erschöpfung, denn er war es so leid, so viel zu geben und trotzdem nicht zu genügen.

Emil öffnete sich und machte sich verletzlich, und dies berührte Leyla. Sie ahnte längst, dass ihr Partner sich so fühlte, doch es war etwas anderes, es auch zu hören. Dass Leyla so verständnisvoll reagierte, anstatt wie sonst in den Gegenangriff zu gehen, war eine neue Erfahrung für Emil. Verständnis war die bessere Grundlage, um gemeinsam dieses Druckgefühl zu erkunden.

Hinter dem Druck stand nämlich der Wunsch, die Menschen um sich herum stolz machen. Vor allem wollte er Leyla zufrieden sehen, denn sie war ihm wichtig, und er sah durchaus, dass sie oft für ihn zurücksteckte.

Während Emil dies erzählte, merkte ich, dass Leylas Anspannung etwas anderem wich. Dass er sich selbst den Druck machte, um sie glücklich zu machen, stimmte Leyla mitfühlend und traurig. Sie wollte auf keinen Fall wie jemand wirken, der nie zufrieden war oder zu anspruchsvoll. Erst recht wollte sie ihn nicht zusätzlich belasten.

Dann blickte Leyla ratlos zu Boden, denn wie sollte sie denn dann ihre Bedürfnisse kommunizieren? Sollte sie sich einfach zufriedengeben, denn es war ja gut gemeint? Sollte sie ihre Bedürfnisse runterschlucken?