Windatem - Luna Day - E-Book

Windatem E-Book

Luna Day

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Beschreibung

Der Wind steht still - die Drachen ringen nach Luft Als nächste Windhüterin trifft Alizee das am schlimmsten. Sie hatte sich dagegen gewehrt, eine Hüterin zu sein, und ist zu den Menschen geflohen. Dort ist sie glücklich und lebt mit Sascha, ihrem Bruder und Beschützer, zusammen. Nichts würde sie ändern wollen. Bis ein Hilferuf aus dem Waisenhaus Sankt Ursula die beiden erreicht. Fenja, die junge Flammenhüterin, braucht ihre Unterstützung. Alizee soll Fenja ihr Wissen und ihr Training zur Verfügung stellen und ihr beibringen, ihr Element zu beherrschen. Ihr Plan, schnellstmöglich wieder nach Hause zu verschwinden, scheitert, als sie erfährt, dass zukünftige Hüter getötet werden. Damit ist die ganze Welt in Gefahr. Plötzlich bleibt Alizee die Luft weg. Kann sie mit Hilfe von Fenja und den anderen jungen Drachen ihre Magie zurückbekommen? Der zweite Teil der Drachenhüter-Reihe.

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Seitenzahl: 155

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Buchbeschreibung:

Der Wind steht still – Die Drachen ringen nach Luft

Als nächste Windhüterin trifft Alizee das am schlimmsten.

Sie hatte sich dagegen gewehrt, eine Hüterin zu sein, und ist zu den Menschen geflohen. Dort ist sie glücklich und lebt mit Sascha, ihrem Bruder und Beschützer, zusammen.

Nichts würde sie ändern wollen.

Bis ein Hilferuf aus dem Waisenhaus Sankt Ursula die beiden erreicht. Fenja, die junge Flammenhüterin, braucht ihre Unterstützung. Alizee soll Fenja ihr Wissen und ihr Training zur Verfügung stellen und ihr beibringen, ihr Element zu beherrschen. Doch Alizees Plan, schnellstmöglich wieder nach Hause zu verschwinden, scheitert, als sie erfährt, dass zukünftige Hüter getötet werden. Damit ist die ganze Welt in Gefahr. Plötzlich bleibt Alizee die Luft weg. Kann sie mit Hilfe von Fenja und den anderen jungen Drachen ihre Magie zurückbekommen?

Der zweite Teil der Drachenhüter-Reihe

Diese Geschichte widme ich denjenigen, die daran glauben, dass es mehr gibt als das, was wir mit bloßen Augen sehen können.

Wie Drachen.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 01

Kapitel 02

Kapitel 03

Kapitel 04

Kapitel 05

Kapitel 06

Kapitel 07

Kapitel 08

Kapitel 09

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Danksagung

Über die Autorin

Lunas Geschichten

1

Ich liebte es, in der Menschenmenge zu sein und mich im Rhythmus der Vibrationen zu bewegen. Wie sich die Töne der Melodie um mich schlangen. Dann fühlte ich mich frei.

Tanzen, das war meine Leidenschaft.

Saschas Blick spürte ich wie einen Lufthauch. Ich wandte mich ihm zu. Mein Bruder stand da, es war, als würden die anderen um ihn herum verschwinden. Seine blauweißen Haare trug er offen und sie hingen ihm locker über die Schultern. Die grünen Augen waren auf mich gerichtet. Er nickte Richtung Ausgang, aber ich drehte mich um und tanzte weiter.

Raue, fremde Hände legten sich von hinten auf meine Hüfte. Mir war klar, dass es ein Mensch war, denn kein Drache würde so übergriffig handeln, es sei denn, wir wären einander verbunden. Aber dieses Glück oder Pech war mir bis jetzt nicht zuteilgeworden. Vielleicht lag das daran, dass mein Beschützer auch mein Bruder war. Genau konnte ich das nicht sagen. Sascha zumindest hatte die Vermutung, dass ich die Nähe und Aufmerksamkeit der Menschen suchte, weil ich nicht verbunden war. Er konnte sich nicht vorstellen, dass es mir einfach gefiel, unter ihnen zu sein.

Mein Leben war schon vor meinem Schlüpfen vorgeplant worden.

»Alizee, du musst mehr trainieren, um eine richtige Windhüterin zu sein!«, hatte mein Vater jedes Mal zu mir gesagt, wenn er mich anspornen wollte. Wie oft ich diesen Satz gehört hatte! Mein Magen verkrampfte sich immer noch, wenn ich daran dachte, wie hart mein Vater mich und meinen Bruder beim Training rangenommen hatte. Ich wollte einfach nur frei sein, den Wind unter meinen Flügeln spüren und ... ja, was und? Die Frage war gut. Mehr wollte ich gerade gar nicht.

Na ja, im Moment vielleicht noch etwas Spaß mit dem Menschen hinter mir.

»Eines Tages wirst du uns alle auffliegen lassen«, hörte ich Sascha, als ich die Hintertür der Diskothek öffnete.

Die aufgehende Morgensonne blendete mich. Meine Hand gab mir nur wenig Schutz.

»Ich habe keine Ahnung, was du meinst«, brummte ich und zog meinen Bolero über. »Davon abgesehen bin ich erwachsen und kann selber entscheiden.«

»Ich bin kurz vor dir geschlüpft, daher weiß ich, wie alt du bist«, gab er grinsend von sich.

Immer musste er mir unter die Nase reiben, dass er wenige Minuten älter war! Wie ich das hasste!

»Wo warst du eigentlich?«, fragte ich, während ich die Gasse zur Hauptstraße hinunterlief. Die Lichter gingen nach und nach aus, als ob man wollte, dass wir im Dunkeln blieben.

»Ich war in Sankt Ursula«, antwortete er. Das Waisenhaus, das von Olga gegründet worden war. Sie war ein weißer Winddrache und hatte einige Zeit in unserem Clan gelebt. Nach der Eröffnung des Waisenhauses waren Sascha und ich eine Zeitlang so oft dort gewesen, dass wir Olga sogar Tante nannten.

Ich runzelte die Stirn. »Was wolltest du denn da?«

»Olga braucht dich«, sagte Sascha ohne Umschweife.

Ich blieb stehen und musterte sein Gesicht. Nichts deutete darauf hin, dass er mich gerade auf den Arm nahm.

»Mich?«

»Das Feuer wurde erneuert, die neue Flammenhüterin ...«

»Diese Fenja hat es also geschafft«, unterbrach ich ihn und er nickte. »Und was hat das mit mir zu tun?«

»Du bist die einzige Hüterin, die Olga kennt und von der sie weiß, dass sie die Ausbildung bekommen hat.«

Ich schnaubte und ging die Straße weiter in die nächste Gasse. »Ich will damit nichts zu tun haben.«

»Alizee!« Sascha hielt mich am Oberarm fest und gebrauchte seine magische Kraft, sodass ich nicht weitergehen konnte.

Niemand konnte den Wind festhalten, bis auf seinen Beschützer. Es war eine Art Kokon, der sich um meinen Körper legte. Dadurch konnte ich meine Hüterkraft nicht rufen, um zum Wind zu werden.

»Sie ist das Feuer, du der zukünftige Wind, ohne dich wird sie aber nicht überleben.« Er ließ mich los.

Missmutig stampfe ich weiter über die Hauptstraße und in eine schmale, schlecht beleuchtete Seitenstraße hinein.

Jeder Schritt hallte von den Wänden der dunkelgrauen Häuser wider. Der Wind wehte den Geruch von Kaffee zu mir.

»Ich will mit ihnen nichts zu tun haben, darum bin ich gegangen.«

»Die Welt verändert sich, und wenn du dich dagegen wehrst, wird sie bald untergehen.«

Ich wandte mich zu ihm. »Was redest du da für einen Haufen Blödsinn?«

»Vater sagte immer: ›Alizee ist die letzte Erbin der Windhütermagie‹.«

Ich also? Das konnte nicht sein. Sicherlich, ich wusste, dass Fenja die letzte Flammenhüterin sein sollte. Der Schnee, der langsam wegtaute, war ein Beweis dafür, dass sie die Flamme neu entzündet hatte. Nur noch an manchen Ecken waren vereinzelte aufgetürmte Schneehaufen zu sehen.

Der Leuchtturm der Flamme, der unsere Welt mit Wärme versorgte, war einer der vier Elementarbauten, die je ein Hüter beschützen musste. Mein Vater war als amtierender Windhüter für das Windrad zuständig. Und wenn das stimmte, was mein Bruder da von sich gab, dann musste ich den Schritt machen und mein Erbe antreten. Was ich gar nicht einsah, um ehrlich zu sein.

»Warum sollte ich die letzte sein?«

Sascha rieb sich über seine Lider. »Olga hat das auch gesagt. Es heißt, eine Gruppe Drachen habe sich zusammengetan, um Eier von Hütern sowie schon geschlüpfte Jungdrachen ...« Er schluckte und kniff kurz seine Augen zusammen. »Hör zu, Alizee, ich bin nicht nur dein Beschützer, sondern auch dein Bruder. Willst du weiter deinen bisherigen Weg gehen, werde ich an deiner Seite bleiben, das weißt du. Aber dann sollte dir auch klar sein, dass du«, er deutete auf mich, »uns alle in unser Verderben reißt.«

Ich zeigte ihm den Vogel und lief weiter, durch einen dunklen Park. Hatte mein Vater das damals gemeint, als er mit seinen Belehrungen ankam, wie wichtig es sei, die Elementarkraft zu beherrschen? Ich solle auf die warnenden Stimmen der Vergangenheit hören. Als ob alles, was sie vor Jahrhunderten gesagt hatten, noch heute die Wahrheit wäre!

Ich wollte ihm nicht zuhören; in meinen Augen sagte er das alles nur, um sein ständiges und anstrengendes Training zu rechtfertigen. Ich schloss lieber die Lider und lauschte dem Wind, wie er mal stärker und mal sanfter Gerüche und leise Töne mit sich trug. Für mich war es schöner, ihnen zuzuhören, als meinem Vater.

»Alizee!«

»Lass mich«, fauchte ich meinen Bruder an. Der Wind reagierte auf meine Emotionen und wehte stärker um mich.

»Ich bin gegangen, weil ich das alles nicht haben wollte.

Dieses scheißewige Training, dieses ständige Misstrauen und das endlose Beobachtet-Werden!«

»Irgendwelche Drachen rotten Hüter aus. Es gibt bloß noch sieben. Ich weiß nur von Olga, dass Papa und du die letzten Windhüter seid. Und Fenja ist die letzte Flammenhüterin. Wenn sie stirbt, war das, was die vergangenen Jahre mit unserer Welt passiert ist, ein Zuckerschlecken.«

»Ich will das nicht!«, schrie ich ihn an und hielt mir die Ohren zu. Bis mein Vater sterben würde, würde ein anderer Windhüter geboren werden, und ich blieb frei. Warum konnte mein Bruder nicht verstehen, dass ich frei sein wollte?

Der kleine Sturm wehte Saschas Haare nach hinten; jeden anderen hätte es von den Füßen gezogen. Aber eben nicht meinen Beschützer. Unbeirrt folgte er mir weiter durch die spärlich belichteten Gassen, als würde er erwarten, dass ich meine Meinung doch noch änderte.

»Dann werde ich es Olga ausrichten«, sagte er auf einmal. Seinen Körper umschlang Wasser, und er wurde zu einem weißblauen Drachen. »Ich musste dir die Konsequenzen mitteilen.«

Bevor ich noch etwas sagen konnte, schoss mein Bruder wie ein Geysir in die Luft und entschwand aus meiner Sicht.

Noch nie hatte mich jemand verstanden, hatte nachvollziehen können, dass ich mit diesem ganzen Hüterzeug nichts zu tun haben wollte.

Klar, das Ableben von Aieda, der letzten Flammenhüterin, war eine Warnung an uns alle gewesen, was passieren konnte, wenn keiner der vier Hüterdrachen mehr existieren sollte. Auch, dass da mehr im Gange sein musste als mein Vater ahnte. Doch für mich fühlte sich die ganze Hütersache wie ein Gefängnis an. Selbst meinen Bruder hätten mir meine Eltern noch vor dem Schlüpfen genommen, hätte sich nicht in jenem Moment das Windzeichen auf der weißblauen Schale seines Eis gezeigt.

Darum war es ein Rätsel für mich, warum er mich nicht verstand. Er hatte alles miterlebt, manches hatte er sogar am eigenen Leib erfahren, wie etwa das stundenlange schmerzvolle Training. Ich fragte mich, was mit ihm los war.

Ich sperrte die Wohnung auf, die mein Bruder und ich angemietet hatten. Besser gesagt, war es eher ein großer Lagerraum mit kahlen, hellgrauen Wänden und vier Pfosten in der Mitte. Bis auf ein paar Decken war er leer. Mehr brauchten wir eben nicht. Ich schloss meine Augen und ließ eine sanfte, warme Brise über mich gleiten, um mich in meine Drachengestalt zu verwandeln. Dann schüttelte ich meine weißgrauen Schuppen. Bei jedem Schritt, den ich machte, klackerten meine Klauen auf dem Lehmboden. Als ich die samtige, beige Decke unter meinen Pfoten spürte, legte ich mich hin und rollte mich ein.

Ich vermisste meinen Bruder. Er war schon so lange nicht mehr in unserer Wohnung gewesen, dass seine Aura schwach war. Hier war dieses Gefühl der Einsamkeit am stärksten. Seufzend blickte ich zu seinem Nachtlager.

Einsam und verlassen lag dort zusammengeknäult eine dunkelblaue Decke. Ich blies durch meine Nüstern und ließ seine Decke wie einen fliegenden Teppich über den Wind zu mir gleiten. Während ich meinen Kopf darauf legte, dachte ich über das nach, was er zu mir gesagt hatte.

Als wir Kinder waren, hatte es nur mich und ihn gegeben. Mit den anderen Hüterinnen oder sonstigen Drachenkindern, die bei uns im Clan lebten, durfte ich nie spielen. Ich musste mein Element immer im Griff haben.

Meinem Vater war es nie genug, egal, wie gut ich den Wind beherrschte. Ich war in seinen Augen nie würdig gewesen, eine Hüterin zu sein, zumindest vermittelte er mir das immer. Ich fühlte mich, als ob er mir die Luft zum Atmen nähme, und das sagte ich als Winddrache. Darum waren Sascha und ich gegangen.

2

Drei Tage hatte ich nichts von Sascha gehört oder gesehen.

So langsam machte ich mir Sorgen, was eigentlich unnötig war, da ich wusste, dass es ihm gut ging. Dummes Beschützer-Hüter-Verhältnis.

Die Vibration der Boxen, die die Luft schwingen ließ, brachte mir nicht das sonstige Vergnügen. Auch wenn ich die Augen schloss und mich zu dem Beat bewegte, war es ein komisches Gefühl. Die Hände, die mich berührten, stieß ich von mir und schüttelte meinen Kopf.

»Was trinken?«, vernahm ich.

Es war zwar eine gute Idee, trotzdem verneinte ich.

Doch vielleicht würde das Brennen des Alkohols mich etwas ablenken. Also drängte ich mich alleine durch die Massen der Menschen an die hinterste Bar und war erstaunt, dort ein bekanntes Gesicht zu sehen. Es war Enzo, einer der Drachen aus meinem Clan. Es war bestimmt zwei Jahre her, dass ich ihn gesehen hatte. Kurz nach der letzten Begegnung mit ihm waren mein Bruder und ich von dort abgehauen.

»Alizee«, begrüßte mich der Winddrache.

»Enzo«, sagte ich erstaunt.

Er hatte mir immer gut zugeredet, als ich jünger war, 16 und versucht, mir die Sicht meines Vaters näherzubringen.

Mein Vater misstraute ihm jedoch. Seine Freundlichkeit sei nicht normal, hatte er damals oft geknurrt. Ich mochte Enzo aber, vor allem seine witzigen Geschichten gefielen mir, die er mir erzählte, um mich von meiner Wut abzulenken.

»Wo ist dein Bruder?«, fragte er mich gleich.

»Du kennst ihn doch. Er ist nie weit weg.« Nur etwa einen halben Tag von hier entfernt.

Enzos Blick schweifte über die Menschen. »Und sonst?

Hast du noch Kontakt zu anderen aus dem Clan?«

Der spöttische Tonfall entging mir nicht. Schon damals hatte er es lächerlich gefunden, dass mein Vater unser Zuhause so nannte. Für Enzo hatten wir in einem Nest gelebt. Ich hingegen mochte den Begriff Clan.

»Nein«, knurrte ich, »darüber bin ich auch froh.«

Er wandte sich wieder mir zu. »Auch nicht zu Soley oder Dee?«

An meine beiden Hüterfreundinnen erinnert zu werden, war ein kleiner Stich. Ich wollte nicht an sie denken.

»Warum sollten sie?«, zischte ich zwischen den Zähnen hindurch und hob meine Hand, um den Barkeeper zu rufen.

Dass Enzo nach Sascha fragte, war schon komisch, aber sich nach der Erd- und Wasserhüterin zu erkundigen, war mehr als seltsam.

»Ja?«, fragte der Barkeeper und lenkte mich ab.

»Einen Jacky pur«, bestellte ich und holte einen Zehner heraus, den ich auf den Tresen legte.

Ein fliegender Wechsel entstand, Schein gegen ein gefülltes Glas. Ich musterte Enzo, als ich einen Schluck nahm. Er sah aus wie immer, mit seinen grauen Haaren und den blaugrünen Augen. Auch von der Statur her wirkte so, wie ich ihn kannte. Aber irgendetwas sagte mir, ich solle auf der Hut sein.

»War dein Vater vielleicht hier?«

Fast hätte ich mich verschluckt. »Was soll er denn hier?«

Enzo drehte sich zu dem Barkeeper. »Ich nehm auch einen.«

»Bekomme ich eine Antwort?«, drängte ich ihn.

»Weil er dich eventuell zurückholen will?«

Ich runzelte die Stirn. Mir gefiel es nicht, dass er jetzt auch noch über meinen Vater sprechen wollte. Ich hatte das Gefühl, dass er mich ausfragen wollte, aber warum? Hatte mein Vater vielleicht doch recht gehabt mit seiner Einschätzung Enzo betreffend?

»Wann reist du weiter?«, fragte ich und versuchte, so nebensächlich wie möglich zu klingen.

»Heute noch, wollte nur nach euch sehen.«

Ich nickte und trank aus. »Dann alles Gute. Meld dich mal wieder.«

»Hey, Alizee«, rief er mir hinterher, als ich bereits ein paar Schritte gegangen war.

»Ja?«

»Lügst du mich an?«

»Warum sollte ich?«

»Weil sich die Luft verändert hat.«

»Enzo, du kennst meinen Vater und mich. Ich wäre nicht mehr hier, wenn er mich aufgesucht hätte.«

Er nickte, nahm das Glas und leerte es in einem Zug. Ich wusste, dass ich aufpassen musste. Kurz winkte ich und versuchte, mit ruhigen Schritten wieder auf die Tanzfläche zu kommen. Mein Kopf sagte mir, dass er mir irgendetwas verheimlichte, doch mein Herz meinte: Er war dir ein Freund. Wer hatte nun recht?

Noch im Dunkeln trat ich aus der Hintertür. Enzo war schon vor Stunden gegangen. Ich blickte in den Himmel.

Sollte ich es wagen zu fliegen? Doch irgendetwas war anders, meine Haut prickelte und ich konnte dieses beunruhigende Gefühl nicht abschütteln. Als ich die Gasse verließ, waren die Straßen leer, was mich wunderte. Der Bass hämmerte immer noch von drinnen, der Geruch von schwitzigen Menschen wehte auch zu mir. Warum war also keiner mehr unterwegs?

Der Wind verriet mir, dass ein fremder Drache an der nächsten Ecke stand. In Menschenform hatte er es anscheinend auf mich abgesehen, hatte aber offensichtlich keine Ahnung, mit wem er sich da anlegen wollte. Ich war zwar jung, aber ich war eins mit meinem Element.

Erhobenen Hauptes lief ich an ihm vorbei. Wasser umspülte meine Füße. Wie lachhaft.

»Dein Ernst?«, fragte ich und blickte über die Schulter zu dem blauhaarigen jungen Mann.

Langsam zog er sein Schwert. »Na, komm schon, kleine Hüterin!«

Ich lief weiter. »Du beeindruckst mich nicht. Deine Wasserspiele können mir nichts anhaben.«

»Meinst du?«, fragte er in einem Ton, als würde er sich über mich lustig machen. Wie aus dem Nichts wurde ich von Wasser umschlungen, wie eine Wasserkugel. Dieser Drache war stärker, als ich vermutet hatte, und hatte sein Element unter Kontrolle, aber eins war er damit nicht.

Ich breitete meine Arme aus, ließ den Wind das Wasser wegwehen, als ob es nur ein paar Spritzer wären. Er hatte sich in seine Drachengestalt verwandelt, die dunkelblau schimmerte wie die Schuppen meines Bruders.

»Geh lieber, bevor du es bereust«, knurrte ich zwischen den Zähnen hindurch. So langsam wurde ich sauer.

»Du wirst mich nie besiegen«, hörte ich in meinem Kopf.

Und jetzt war ich richtig wütend. Ich wurde zu einem Teil meines Elements, indem ich die Luft tief in mich hineinsog und sie meinen Körper übernehmen ließ. Ich war der Wind, der Wind war ich und wir schlangen uns um den Hals des blauen Wasserdrachen und drückten ihn nieder. Er japste nach Luft. Immer fester pressten wir ihn auf die Steine.

»Leg dich nicht mit mir an«, zischte ich und wurde wieder zu einem Menschen. »Ich kann mit meinem Element umgehen und scheue mich nicht, es zu gebrauchen!«

Schon bevor ich einen schwarzroten Schwanz zu sehen bekam, verriet mir ein Windzug, dass ein zweiter Drache auf mich zukam. Ich wich aus. Fluchend ließ ich die warme Brise über mich gleiten, um mich in meiner Drachengestalt zu verteidigen. Ich schlug mit meinen Flügeln fest auf und ab. Die Böe, die dabei entstand, schleuderte den zweiten Drachen weit in den Himmel hinauf.

Meine Klauen bohrten sich in das Fleisch des Wasserdrachen auf dem Boden. »Ruf deinen Kumpel zurück, sonst bist du tot!«

Verwundert nahm ich da den Geruch von Meer wahr – den Geruch meines Bruders.

»Ich habe euch gesagt, dass meine Schwester euch locker niedermacht.«

Verwirrt blickte ich zu ihm.

Lässig kam Sascha um die Ecke und sah mich herausfordernd an. »Lass ihn los, sie sind keine Gefahr.«

Ich spürte, wie meine Schuppen meinen Körper verließen. »Was sollte der Mist?« Ich war kurz davor, meinem Bruder eine zu verpassen. Meine Hände ballte ich immer wieder zu Fäusten.

»Sie dachten, sie könnten dich so überreden, Fenja zu helfen.«

»Die beiden?« Indem sie mich angriffen? Lachhaft.

Sascha nickte. »Darf ich dir Calom vorstellen? Und nimm deinen Fuß von seinem Hals.«