Wismar - Die Straßen meiner Kindertage - Petra Block - E-Book

Wismar - Die Straßen meiner Kindertage E-Book

Petra Block

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Beschreibung

Augen zu und schon schwelgen Sie in Erinnerungen. Pfeffernussduft, Leimgerüche in der Schusterwerkstatt, Kindergeschrei beim Hopsespiel und Gummitwist, oder der Hammerschlag des Werftarbeiters, der die Nieten in den Schiffskörper schlägt. Die Autorin Petra Block erzählt unglaublich humorvoll Episoden ihrer Kindheit, die so oder ähnlich durchaus auch der geneigte Leser erlebt haben könnte. Dazu gibt es wunderbare alte s/w Fotos aus der Hansestadt Wismar, aufgenommen vom Fotografen Hanjo Volster, der schon in vielen Bildbänden seiner Stadt ein Denkmal setzte.

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Seitenzahl: 49

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Petra Block

Wismar - Die Straßen meiner Kindertage

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Zum Geleit

Von Klo-Lektüre und Holzkreiseln

Von Pfeffernüssen und alten Latschen

Von Rollmöpsen und Haarausfall

Von Brüderlein und Schwesterlein

Von Gummistrapsen und Strickstrümpfen

Von fremden Blumen und Regenwürmern

Von Kuchenkisten und bunten Murmeln

Von Sirenen und schwarzen Punkten

Von Bücherturm und Turmbesteigung

Von Hacki und verbotenem Qualm

Von Kirschen und gefährlichen Experimenten

Von Schweinen und gekochtem Huhn

Von Straßen, Plätzen und Geschäften

Impressum neobooks

Zum Geleit

Weißt Du noch damals…? Wer kennt diesen Satz nicht – tja, und weiß man dann wirklich noch, wie es damals war?

In unserem Leben ändert sich eben alles. Selbst Erinnerungen sind nicht beständig, sie bekommen oft eine andere Farbe. Was gestern noch gelb war, ist heute grün und wenn Mutter sagt, das Kleid war blau und ich behaupte es war rot, dann machen Fotos in schwarzweiß die Erinnerungen nicht einfacher.

Ich werde manchmal gefragt, warum ich Geschichten aus meinem Leben schreibe. Ein Grund ist sicher der, dass ich meiner Tochter einmal mehr hinterlassen möchte, als einen »Pott voll Asche« und eine Wohnung, die sie entrümpeln muss. Ein anderer sind die Stunden bei Kaffee oder Wein mit der Familie oder Freunden, glänzende Augen, verklärte Blicke, ein Schmunzeln oder Grinsen und der Satz – Weißt Du noch damals…?

Genießen Sie deshalb mit diesem Büchlein das bunte Leben in schwarzweiß.

Die im Buch verwendeten Aufnahmen des Wismarer Fotografen Hanjo Volster, die übrigens seinerzeit mit dessen erster Kamera zu Privatzwecken entstanden sind und erst kürzlich wieder gefunden wurden, mögen Ihnen dabei einen zusätzlichen visuellen Eindruck der »Straßen meiner Kindertage« vermitteln.

Herzlichst, Ihre Petra Block

Von Klo-Lektüre und Holzkreiseln

Wenn man fünf Jahre alt ist, dann kennt man noch nicht viel von der Welt. Diese besteht im Allgemeinen aus den Mitgliedern der Familie, dem Kindergarten und dem bösen Nachbarjungen. Weil dieser mich eines Tages mit seinem Holzgewehr erschießen wollte, zogen wir fort. Glaubte ich jedenfalls.

Die Aussicht auf ein eigenes Kinderzimmer war sehr angenehm. Von der Aussicht auf einen eigenen Bruder ahnte ich damals noch nichts.

Die Wohnung, in die wir zogen, war klasse, vor allem das Klosett auf dem Korridor. In der alten Wohnung mussten wir eine halbe Treppe tiefer gehen, mit Schlüssel und so. Hier konnte ich auch mal auf den letzten Drücker lossausen, war ja nicht weit. Ob das immer geklappt hat, ist Gott sei Dank nicht überliefert worden.

Dieses WC fiel dann auch prompt in meinen Verantwortungsbereich. Ich war zuständig für das popogerechte Zuschneiden und Auffädeln von Zeitungspapier.

Als ich lesen gelernt hatte, waren diese zerschnippelten Seiten die erste Bibliothek, zu der ich ungehinderten Zugang hatte. Hier konnte ich nachlesen, wovon Vater und Mutter sprachen, wenn sie mich vor die Tür schickten. Die dollsten Geschichten, unzensiert. Wo konnte man als Kind schon mehr von der Welt erfahren, als auf dem Klo? Einen Fernseher hatten wir damals noch nicht. Bis ich endlich Mitglied in allen Büchereien der Stadt werden konnte, holten mich meine Eltern öfter vom Lokus, weil

sie glaubten, ich sei eingeschlafen.

Nun wohnten wir also zwei Treppen hoch in der Nummer eins der Breiten Straße.

Alles, was der Mensch zum Leben brauchte, gab es hier, sogar der Bus fuhr hindurch, in beide Richtungen. Doppelstöckig damals noch und mit Schaffner. Wir Kinder durften freilich selten nach oben, jedenfalls nicht ohne Begleitung. Hatte der Schaffner aber erst einmal einen dieser knisternden Fahrscheine aus dünnem Papier von seinem Block abgerissen und uns für einen Groschen in die Hand gedrückt, dann suchten wir uns einen Weg nach oben und fanden auch manchmal, im Gedränge der Fahrgäste, eine Möglichkeit zu entwischen.

Statt dass wir uns setzten und an der schönen Aussicht freuten, juchzten wir natürlich jedes Mal, wenn der Bus ruckelte. Bei zuviel Geschrei wurden wir manchmal rausgeworfen. Das war natürlich bitter, wenn man zum Schwimmunterricht nach Wendorf wollte und von Lübsche Burg an laufen musste.

Aber lassen wir den Bus fahren und bleiben in der Straße.

Kaufen konnte man hier fast alles, sogar lose Milch. Das Milchholen war übrigens lange Zeit meine Lieblingsbeschäftigung. Zu gerne ging ich mit der Aluminiumkanne in den Milchladen von Walter Klasen, immer in der Hoffnung, dass Mutter nicht merken würde, wenn ich ein paar kleine Schlückchen abtrinken oder wenigstens mit dem Finger im Schaum gerührt hatte.

Diese schöne Angewohnheit behielt ich auch Jahre später bei, wenn ich

im Glaskrug loses Bier für den Vater holen sollte.

Zur frischen Milch brauchten wir natürlich auch etwas zu essen. Kaufläden

gab es reichlich.

Gleich neben uns an der Ecke befand, und befindet sich noch heute, der

Kaufmann Ballentin. Wir nannten ihn ja immer »Ballerbüx«. Ob sich daran

was geändert hat?

Manchmal ging ich auch zu Laude, der war nur ein paar Häuser weiter.

Ein dritter Laden befand sich an der Ecke zur Neustadt.

Als Kind war man darauf bedacht, das wenige Taschengeld in möglichst viel Süßes umzusetzen. So wurden also Gummischlangen und Maiblätter für einen Groschen bei Ballentin, Seidenbonbons und kleine Mohrenküsse bei Laude gekauft. Ecke Neustadt gab es große Mohrenküsse, lang und eckig, ein bisschen so wie Donauwellen sahen sie aus. Teuer waren die, 45 Pfennig das Stück, die kleinen bei Laude bekam man schon für 20 Pfennig.

Wenn ich heute durch die Straße gehe und mir die alten Gehwegplatten ansehe, dann kommt manchmal Wehmut in mir hoch. Auch ohne teures Spielzeug wussten wir uns immer zu beschäftigen. In die Ritzen der Platten haben wir Kinder unsere bunten Holzkreisel gesteckt, um dann mit einer Schnur, die an einem Stock befestigt war, auf den bedauernswerten Gesellen einzudreschen. Bei diesem Spielzeug gab es große Qualitätsunterschiede.