Wisting und der fensterlose Raum - Jørn Lier Horst - E-Book
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Wisting und der fensterlose Raum E-Book

Jørn Lier Horst

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  • Herausgeber: Piper ebooks
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2020
Beschreibung

William Wisting bekommt einen äußerst heiklen Auftrag: Im idyllischen Wochenendhaus eines an Herzinfarkt plötzlich verstorbenen Spitzenpolitikers wurden Umzugskisten mit achtzig Millionen Kronen gefunden. Die Kisten standen im innersten, fensterlosen Raum des Hauses. Stammt das Geld etwa aus einem Raubüberfall, der fast zwanzig Jahre zurückliegt? Unterstützung bekommt Wisting von Adrian Stiller, der sich gerade mit dem ungeklärten Verschwinden des möglichen Täters befasst. Doch wie gelangte das Geld in den Besitz des Politikers? Oder stammt es gar aus einer ganz anderen Quelle?

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Seitenzahl: 465

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Inhalt

Cover & Impressum

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In Lines Krug war noch etwas Eistee übrig. Wisting gab ein paar Eiswürfel hinzu und nahm den Krug mit auf die Veranda. Inzwischen war die Sonne untergegangen. Er schob einen Stuhl unter die Außenbeleuchtung und setzte sich mit dem Notizblock und dem iPad hin, das er zu Weihnachten von seinem Sohn Thomas bekommen hatte.

Mithilfe einiger Artikel im Internet konnte er sich schnell einen Überblick über Clausens politisches Leben verschaffen: Er war kurz nach dem Krieg in Oppegård im Regierungsbezirk Akershus in einer Arbeiterfamilie aufgewachsen. Als Jugendlicher begann er, für einen Bauunternehmer zu arbeiten, der Wohnblöcke in Groruddalen errichtete. Durch seine Mitarbeit innerhalb der Gewerkschaft bekam er eine Festanstellung im Gewerkschaftsdachverband und engagierte sich in der Bewegung, die Norwegens Beitritt zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft unterstützte. 1975 wurde er in den Kommunalrat der Region Oppegård gewählt, und nach zwei Legislaturperioden als stellvertretender Abgeordneter war er ab 1982 Mitglied des Stortings.

Nach einigen Jahren im parlamentarischen Gesundheits- und Sozialausschuss trat er zunächst dem Komitee für Außenpolitik und Verfassungsfragen und später dem Verteidigungsausschuss bei. Beim Regierungswechsel 2001 wurde er zum Gesundheitsminister ernannt. Ein Jahr später verstarb seine Frau, und 2003 kam sein Sohn bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Im Zuge von weiteren Regierungsumbildungen gab er sein Amt auf, nahm ab 2005 aber wieder aktiv am Wahlkampf teil und wurde im Herbst desselben Jahres zum Außenminister nominiert. In dieser Eigenschaft war er zeitweilig auch Vorsitzender im Ministergremium des Europäischen Rats. Nach der norwegischen Parlamentswahl 2009 wurde er zum Parlamentspräsidenten gewählt und bekleidete dieses Amt bis zu seiner offiziellen Pensionierung. Den neuesten Artikeln war zu entnehmen, dass er auch weiterhin politisch aktiv sei und den Wahlkampf im Herbst tatkräftig unterstützen wolle.

Eine plötzliche Bewegung am äußeren Rand des Gartens ließ Wisting aufblicken. Line tauchte aus der Dunkelheit auf.

»Wie geht’s denn der kleinen Diebin?«, fragte Wisting und legte sein iPad beiseite.

»Sie schläft«, entgegnete Line und zeigte ihm das Telefondisplay. Eine Kamera im Kinderzimmer sorgte dafür, dass Line ihre Tochter jederzeit sehen und hören konnte.

Wisting wollte etwas über Schlafen und Sündigen sagen, besann sich aber eines Besseren und ging hinein, um seiner Tochter ein Glas zu holen.

»Ich habe mir überlegt, dass ich einen Artikel über Kinder und Diebstahl schreiben könnte«, sagte Line, als er zurückkam.

»Gute Idee«, pflichtete ihr Wisting bei und füllte das Glas.

Line war ausgebildete Journalistin und hatte schon während des Studiums in diesem Beruf gearbeitet. Nach der Geburt von Amalie war sie von Oslo zurück in ihren Heimatort gezogen, und nach einer ausgedehnten Elternzeit hatte sie schließlich bei der VG gekündigt. Jetzt war sie freiberuflich tätig und schrieb Porträts für verschiedene Zeitungen sowie Beiträge in diversen Zeitschriften, in denen sie die praktischen Probleme schilderte, mit denen sie als alleinerziehende Mutter konfrontiert war.

»Das ist vermutlich der einzige kriminalistische Stoff, mit dem ich in letzter Zeit zu tun hatte«, sagte Line und lächelte dabei.

»Vermisst du es?«, fragte Wisting.

Line gab keine Antwort.

»Was treibt ihr da eigentlich, du und Mortensen?«, fragte sie stattdessen und nahm einen Schluck Eistee.

Wisting drehte sein Glas zwischen den Fingern.

»Wir haben Geld gezählt.«

Line sah ihn abwartend an.

»Wir haben es da mit einem Fall zu tun, bei dem es am besten ist, wenn die Polizei keine Fragen stellt«, sagte er schließlich.

»Was denn für einen Fall?«

»Einen Fall, für den ich ein ausführliches persönliches Porträt einer bekannten Person benötige. Um neue und unbekannte Seiten an ihm herauszufinden.«

»Von wem reden wir denn?«

Wisting schlug nach einer Mücke, die an seinem Ohr vorbeigesaust war.

»Könntest du dir vorstellen, das zu übernehmen?«, fragte er.

Line lächelte.

»Ich bin nicht bei der Polizei«, antwortete sie.

»Ich würde dich mit den nötigen Vollmachten ausstatten«, entgegnete Wisting.

Line lachte, begriff aber, dass ihr Vater es ernst meinte.

»Das geht nicht«, sagte sie dann und schüttelte den Kopf. »Ich kann mich nicht als Journalistin ausgeben und in Wirklichkeit Informationen für die Polizei zusammentragen.«

Wisting lehnte sich zurück und lauschte den zirpenden Grillen.

»Du kannst natürlich veröffentlichen, was du herausfindest, aber es spricht auch nichts dagegen, wenn wir Informationen austauschen. Zusatzinformationen. Was du von mir erfährst, kann ohne Freigabe nicht publiziert werden, aber die Informationen wären exklusiv. Presse und Polizei gehen andauernd solche Vereinbarungen ein. Außerdem bist du keiner Redaktion verantwortlich.«

Wisting brachte seine Tochter in ein presseethisches Dilemma, doch er merkte, dass sie nicht uninteressiert war.

»Was wären denn das für Vollmachten?«, fragte sie.

»Du erhältst begrenzte und nur für den Einzelfall geltende Polizeivollmacht. Und bezahlt wirst du auch.«

»Was ist mit der Schweigepflicht, für den Fall, dass ich etwas veröffentlichen möchte?«

Wisting dachte nach.

»Wenn sich herausstellen sollte, dass dieser Fall aus irgendwelchen Gründen erst mal nicht an die Öffentlichkeit darf, kannst du natürlich nicht darüber schreiben. Andererseits hat die Polizei kein Interesse daran, irgendetwas zu verheimlichen, solange die laufenden Ermittlungen nicht gestört werden.«

»Das heißt also, ich kann schreiben, was ich will, wenn die Ermittlungen abgeschlossen sind?«

»Sofern die Informationen nicht als vertraulich eingestuft sind«, erwiderte Wisting und nickte.

Line blickte aufs Meer hinaus. Der Svenner-Leuchtturm sendete ein träges Signal aus.

»Gut«, sagte sie. »Um wen geht es?«

»Bernhard Clausen.«

»Den Politiker? Der ist doch tot! Gibt es einen Verdacht, dass …«

Wisting schüttelte den Kopf und unterbrach sie.

»Er ist an Herzversagen gestorben«, erklärte er. »Aber er hat ein ungeheures Vermögen hinterlassen. Ich leite eine inoffizielle Ermittlergruppe, die herausfinden soll, woher das Geld stammt.«

Wisting konnte förmlich sehen, wie es in Lines Kopf arbeitete.

»Von wie viel Geld reden wir denn?«, fragte sie.

»Es ist eine gute Story«, sagte er und lächelte. »Er hatte in seiner Hütte bei Hummerbakken etwa achtzig Millionen liegen.«

Line riss die Augen auf und wiederholte den Betrag. Wisting erläuterte, wie sich die Summe auf verschiedene Währungen verteilte, und beschrieb, wie viel Arbeit sie das Zählen gekostet hatte.

»Clausen wird irgendwann in der nächsten Woche beigesetzt«, fuhr er fort. »Daraus ergibt sich ein Zeitfenster, in dem es ganz natürlich wäre, mit Menschen über seine Vergangenheit zu sprechen.«

»Falls er das Geld im Lotto gewonnen hat, darf ich darüber schreiben, wenn es aber etwas mit irgendwelchen amerikanischen Militäroperationen zu tun hat, dann ist es vertraulich?«

Wisting leerte sein Glas und zerbiss den Rest des Eiswürfels.

»In beiden Fällen geht es darum, die Wahrheit zu finden«, sagte er. »Lass uns damit anfangen.«

Lines Handy gab einen Ton von sich. Amalie war wach geworden.

»Ich sollte jetzt gehen.«

Wisting erhob sich und sammelte die Gläser ein.

»Morgenbesprechung um acht Uhr«, sagte er und deutete auf die Küche.