Wo der Tod auf Beute lauert - Vanessa Crawford - E-Book

Wo der Tod auf Beute lauert E-Book

Vanessa Crawford

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Beschreibung

In dieser neuartigen Romanausgabe beweisen die Autoren erfolgreicher Serien ihr großes Talent. Geschichten von wirklicher Buch-Romanlänge lassen die illustren Welten ihrer Serienhelden zum Leben erwachen. Es sind die Stories, die diese erfahrenen Schriftsteller schon immer erzählen wollten, denn in der längeren Form kommen noch mehr Gefühl und Leidenschaft zur Geltung. Spannung garantiert! Andrea war eingeknickt, und Ravens trat jetzt hervor. Ein Mensch hätte in ihm einen durchsichtigen Schemen gesehen, der dennoch eindeutig menschliche Umrisse besaß. Sogar die Kleidung wäre erkennbar gewesen. Der Geist trat jetzt dicht an das Sofa und strich mit einer behütenden Geste über den Kopf der Frau. Er spürte, daß sie im Traum wieder bei ihrem toten Mann war. Das war nicht gut. Eine Frau in diesem Alter sollte nicht so sehr der Vergangenheit nachtrauern. Andrea schlug unvermittelt die Augen auf. Ihr Gesicht nahm einen verwunderten Ausdruck an, aber sie machte keine Anstalten zu schreien. Sie holte tief Luft und rührte sich nicht. »Wer sind Sie?« fragte sie dann mit unterdrückter Stimme. »Ich bin der Kapitän. Und Sie sollten jetzt weiterschlafen, meine Liebe…« Die Aussicht war atemberaubend. Das Haus lag hoch oben auf den Klippen, wenige Meter von der Terrassentür entfernt fiel die Küste steil ab, und tief unten brandete das Meer in heftigen Stößen gegen die Felsen. Möwen flogen schreiend umher, die Luft war voller Salz, und der Wind toste unaufhörlich. Das nächste Haus war gut eine halbe Meile entfernt, das Licht aus einem der Fenster wie eine ferne Verheißung. Es dämmerte schon, und in regelmäßigen Abständen flammte das Licht vom Leuchtturm her­über. Andrea Parker stand im Wohnzimmer von Ravens Crest, wie das Haus allgemein genannt wurde, ließ den Blick über die jetzt kahlen Wände und den arg vernachlässigten Parkettboden gleiten und nahm kaum noch auf, was die Immobilienmaklerin erzählte. Das hier würde ihr neues Zuhause werden, ein nettes kleines Haus, weit ab

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Gaslicht – 41 –

Wo der Tod auf Beute lauert

Vanessa Crawford

Andrea war eingeknickt, und Ravens trat jetzt hervor. Ein Mensch hätte in ihm einen durchsichtigen Schemen gesehen, der dennoch eindeutig menschliche Umrisse besaß. Sogar die Kleidung wäre erkennbar gewesen. Der Geist trat jetzt dicht an das Sofa und strich mit einer behütenden Geste über den Kopf der Frau. Er spürte, daß sie im Traum wieder bei ihrem toten Mann war. Das war nicht gut. Eine Frau in diesem Alter sollte nicht so sehr der Vergangenheit nachtrauern. Andrea schlug unvermittelt die Augen auf. Ihr Gesicht nahm einen verwunderten Ausdruck an, aber sie machte keine Anstalten zu schreien. Sie holte tief Luft und rührte sich nicht. »Wer sind Sie?« fragte sie dann mit unterdrückter Stimme. »Ich bin der Kapitän. Und Sie sollten jetzt weiterschlafen, meine Liebe…«

Die Aussicht war atemberaubend.

Das Haus lag hoch oben auf den Klippen, wenige Meter von der Terrassentür entfernt fiel die Küste steil ab, und tief unten brandete das Meer in heftigen Stößen gegen die Felsen. Möwen flogen schreiend umher, die Luft war voller Salz, und der Wind toste unaufhörlich. Das nächste Haus war gut eine halbe Meile entfernt, das Licht aus einem der Fenster wie eine ferne Verheißung.

Es dämmerte schon, und in regelmäßigen Abständen flammte das Licht vom Leuchtturm her­über.

Andrea Parker stand im Wohnzimmer von Ravens Crest, wie das Haus allgemein genannt wurde, ließ den Blick über die jetzt kahlen Wände und den arg vernachlässigten Parkettboden gleiten und nahm kaum noch auf, was die Immobilienmaklerin erzählte.

Das hier würde ihr neues Zuhause werden, ein nettes kleines Haus, weit ab von der Zivilisation, abgeschieden, um nur ja wenig Kontakt zu anderen Menschen zu haben.

Andrea wollte allein sein, nachdem sie ihren Mann bei einem schrecklichen Unfall verloren hatte. Er war in ihren Armen gestorben, mit vor Schmerzen verzerrtem Gesicht und unermeßlicher Qual in den Augen. Nie würde sie diese Augen vergessen. Aber auch nie die sensationsgierige Meute, die um sie und Jack herumgestanden hatte.

Ein betrunkener Autofahrer war frontal in Jacks Wagen gerast, und Jack war langsam auf der Straße verblutet.

Viele Menschen hatten herumgestanden, aber nicht einer hatte etwas getan, obwohl Andrea mehrmals um Hilfe gefleht hatte. Die Gaffer sahen seelenruhig zu, wie das Leben aus Jack herausfloß, und von diesem Augenblick an wollte Andrea so wenig wie möglich mit anderen Menschen zu tun haben.

Nach der Beerdigung hatte sie praktisch alle Brücken hinter sich abgebrochen, entgegen den Ratschlägen der wenigen echten Freunde. Sie wollte nur weg, und Ravens Crest schien ihr der richtige Ort zu sein, um sich zurückzuziehen. Arbeiten konnte sie zuhause, sie war Illustratorin, und hatte gute Aufträge für Bücher und Zeitschriften.

Hier draußen konnte sie mit ihrem Schmerz und dem Verlust allein sein und mußte sich vor niemandem rechtfertigen.

»Mrs. Parker, hören Sie mir zu?« fragte die Maklerin jetzt irritiert.

Andrea schrak aus ihren Gedanken auf. »Ja, natürlich«, beeilte sie sich zu versichern. »Ich nehme das Haus. Was sagten Sie gerade?«

Ein verweisender Blick traf sie – wie konnte sie nur so unaufmerksam sein?

Andrea zwang sich zu einem Lächeln. »Verzeihen Sie, ich war mit meinen Gedanken meilenweit entfernt. Sie wollten mir noch etwas über das Haus sagen. Vielleicht, warum es so billig ist?«

Die Maklerin wurde plötzlich puterrot. »Nun, Mrs. Parker, es ist so – ich meine…«

Andrea wurde hellhörig. Irgend ­etwas stimmte doch hier nicht. Die Lage war erstklassig, wenn auch abgeschieden, die Ausstattung schon fast luxuriös. Und eigentlich hätte Andrea ein so großes Haus gar nicht gebraucht. Aber der Preis war ungeheuer günstig. Wo also lag der Haken?

»Das Haus hat einen schlechten Ruf«, kam nun die Erklärung.

»Warum?« fragte Andrea sanft.

»Nun, es gibt Leute, die behaupten, daß es hier spukt. Aber ganz sicher ist das alles nur dummes Gerede.« Die Frau verhaspelte sich fast in dem Bemühen, das Gerede herunterzuspielen.

»Ein Geist? Wie reizvoll«, sagte Andrea und stöhnte innerlich. Das konnte doch wohl nicht wahr sein. Geisterglaube, im ausgehenden 20. Jahrhundert. Aber nun gut, dadurch war das Haus wirklich preiswert, und wenn die Leute daran glauben wollten, dann sollten sie das ruhig tun. Ihr konnte es egal sein.

Ein wenig neugierig war sie aber doch. »Und wer oder was spukt hier herum?« erkundigte sie sie freundlich.

Das Gesicht der Maklerin wurde bleich. »Nun, man sagt, es sei ein Piratenkapitän, der auch das Haus einst hat bauen lassen. So, etwa vor 200 Jahren. Er starb dann unter ungeklärten Umständen, und es heißt, er spukt hier regelmäßig, weil er auf der Suche nach etwas ist. Es scheint allerdings niemand genau zu wissen, was er sucht, aber der letzte Besitzer ist – nun, er hat…«

»Was hat er?« fragte Andrea jetzt etwas ungeduldig. Das hier war doch nun wirklich zu dumm.

»Man fand ihn gefesselt und geknebelt, ohne daß er sagen konnte, wie es dazu gekommen ist. Der Mann ist ausgezogen und hat geschworen, daß er nie wieder einen Fuß über die Schwelle setzt. Ich mache mir nicht gern selbst das Geschäft kaputt, aber ich glaube doch, daß Sie diese Sachen wissen sollten. Und wenn Sie das Haus jetzt nicht mehr wollen, dann will ich gerne etwas anderes für Sie suchen.«

Andrea lachte glockenhell auf. »Das alles ist ein Grund mehr für mich, das Haus sofort zu kaufen. Geister, nein, wirklich, solange ich noch mit den Gespenstern in meinem Herzen fertig werden muß, können mir die hier im Haus nicht besonders gefährlich werden. Es bleibt dabei, ich nehme das Haus, es gefällt mir nämlich.«

Zwei Wochen später zog Andrea Parker um.

*

Der Wind wehte beständig hier oben, und Andrea hatte sich gleich daran gewöhnt, daß es Geräusche im Haus gab, die darauf zurückzuführen waren. Man mußte sich daran ebenso gewöhnen wie an das Licht des Leuchtturms, der mit absoluter Regelmäßigkeit die Nacht erhellte, und genauso wie an die großen Räume, die sie längst nicht alle hatte einrichten können.

Aber bei einem Streifzug durch das Haus war Andrea auf dem Boden über eine Menge sorgfältig abgedeckter Möbel regelrecht gestolpert. Wunderschöne Schränke standen da, ein komplettes Eßzimmer und ein wahres Prachtstück von Himmelbett. Das war eine wunderschöne Idee, fand sie.

Andrea hatte eine nette ältere Frau eingestellt, die das Haus in Ordnung halten sollte und auch kochte, Mrs. Mason.

Und Mrs. Mason hatte zwei erwachsene Söhne, die Andrea nun halfen, die alten Möbel vom Dachboden in die Zimmer zu schaffen.

Mrs. Mason hatte sich zunächst bekreuzigt.

»Das alles hat dem Kapitän gehört, Mrs. Parker. Es ist sicher nicht recht, wenn Sie das benutzen. Wollen Sie nicht lieber alles verbrennen?«

»Nein, bloß nicht«, wehrte An­drea empört ab. »Die Möbel sind schön, und ich werde sie mit Ihrer Hilfe aufpolieren. Sie sollen wieder zu Ehren kommen. Außerdem wären sie heute ein Vermögen wert, wenn ich sie kaufen müßte.«

»Nun gut, es ist Ihr Ärger. Dem Kapitän wird das sicher nicht gefallen, Sie werden schon sehen.«

»Mrs. Mason, Sie reden ja, als würde der Kapitän noch leben. Tun Sie mir den Gefallen und kümmern Sie sich um mich. Lassen wir dem Kapitän seine wohlverdiente Ruhe, ja?«

»Sie reden sehr respektlos, Mrs. Parker«, hatte die ältere Frau verschreckt ausgerufen. »Hüten Sie sich, den Kapitän zu verärgern.«

Nun war Andrea schon selbst fast verärgert, aber trotzdem hatte sie gelacht. »Ich hoffe, es wird nicht allzu schlimm werden. Sagte man den Piraten nicht eine gewisse Ritterlichkeit im Umgang mit Damen nach? Und ich will ja nichts Böses. Aber vielleicht stellt er sich ganz einfach mal vor.«

Heftig vor sich hinmurmelnd über die Unvernunft der jungen Frau war Mrs. Mason in die Küche gegangen, wo sie wild mit Geschirr hantierte, um ihre Erregung abzubauen.

Andrea hatte den beiden jungen Männern Anweisungen gegeben, und so nahm die Einrichtung der Zimmer Formen an.

Ganz besonders hatte es Andrea ein altes Fernrohr angetan, das auf einem Dreibein fest verankert im Wohnzimmer aufgestellt werden sollte. Andrea wollte damit eigentlich über das Land blicken, obwohl es vorher im Eßzimmer gestanden hatte, wo es einen herrlichen Blick über die Küste gab.

Doch kaum stand das gute Stück in einer Position, die Andrea gefiel, da stürzte es auch schon zu Boden, als fege ein kalter Wind durch den Raum.

»Ja, da soll doch gleich dieser und jener dreinschlagen«, schimpfte Andrea, nachdem sie zum dritten Mal versucht hatte, das Fernrohr vernünftig aufzustellen.

Einer von den Masons kratzte sich am Kopf. »Tja, Mistreß, da kann man wohl nicht viel machen. Das Ding gehört ganz einfach nicht hierher. Also stellen Sie’s doch einfach zurück, da wo’s hingehört.«

Andrea hörte mit Grausen, wie der junge Mann mit der Sprache umging, das hatte für sie etwas Erschreckendes. Aber dann seufzte sie.

»Nun gut, stellen wir es zunächst zurück, ich will sehen, was mir dazu einfällt.«

*

Noch sah es im Haus wüst und durcheinander aus, als die drei Masons nach Hause gingen. Das gutgemeinte Angebot Andreas, in dieser Nacht doch hier zu bleiben, war unter erregten Handbewegungen und vielfachen Bekreuzigungen abgelehnt worden.

Kopfschüttelnd schloß sie die Tür. Das war schon ein seltsames Völkchen hier oben an der schottischen Küste. Einerseits gastfreundlich und hilfsbereit, andererseits schien es, als wären die Menschen noch immer im dunkelsten Aberglauben gefangen.

Nun gut, für diesen Tag war es müßig, noch einen Gedanken daran zu verschwenden. Andrea ging durch den Flur und sah sich dann selbst für einen Augenblick im Garderobenspiegel. Sie war Anfang dreißig, hatte kurzgeschnittenes, jetzt ziemlich verstrubbeltes Haar und eine schlanke, aber sportliche Figur. Der Kummer über Jacks Tod hatte sich nicht in ihrem Gesicht abgezeichnet, nein, sie war eine attraktive Frau. Und wie Peter, ihr brüderlicher Freund, festgestellt hatte, war sie noch viel zu jung, um sich jetzt in der Einsamkeit zu verkriechen.

Aber Andrea wollte es so, und all die langen Diskussionen hatten sie in diesem Beschluß eher bestärkt.

Jetzt, da sie sich im Spiegel sah, mußte sie Peter zumindest zugestehen, daß er in einem Punkt recht hatte. Sie sah immer noch gut aus. Und im roten Licht der untergehenden Sonne nahm ihre Haut einen warmen goldenen Farbton an, der ihr Gesicht fast überirdisch erschienen ließ.

Eine Bewegung lenkte plötzlich ihre Aufmerksamkeit auf sich. Eine Bewegung? Es war doch niemand hier! Aber im Spiegelbild schienen plötzlich die Konturen zu verschwimmen, zu einem anderen Gesicht zusammenzufließen, zu einem fremden Gesicht, männlich, markant und mit einem etwas grausamen Zug um die Lippen.

Das Bild blieb seltsam unscharf, so als würde jemand versuchen, aus Andreas Gesicht ein anderes zu machen.

Erschreckt blinzelte die Frau auf und schaute erneut in den Spiegel. Aber jetzt war da nichts anderes als ihr eigenes Abbild.

»Jetzt fange ich auch schon an zu spinnen. Muß wohl an der Luft liegen«, murmelte Andrea vor sich hin und lachte dann über sich selbst.

Da hatte Mrs. Mason sie wohl schon mit dem Gerede über den Kapitän angesteckt.

Andrea schüttelte noch einmal den Kopf und ging in die Küche, um etwas zu essen, aber ein merkwürdiges Gefühl trieb sie ins Eßzimmer.

Es schien, als wäre ein Sturmwind im Raum, der sich um das Fernrohr zu konzentrieren schien, und doch war keine Luftbewegung zu spüren.

»Jetzt reicht es aber«, sagte Andrea energisch und laut.

Sie ging zum Teleskop, schaute es sich an und blickte dann hindurch. Da war die See, in regelmäßigen Abständen aufgehellt durch das Licht des Leuchtturms, nichts weiter.

Eine kalte Hand schien plötzlich die ihre zu erfassen, aber da war doch niemand. Und die Berührung war auch gar nicht einmal unangenehm, fast wie ein sanftes Streicheln. Ach, das war ganz einfach ein Wunschtraum, eine erhoffte Berührung von Jack.

»O Jack, du fehlst mir so«, seufzte Andrea. »Warum mußtest du so früh sterben?«

Ihr Kopf sank auf das kühle Metall, und heiße Tränen bahnten sich einen Weg aus den brennenden Augen. Wieder war es, als fühle sie eine kalte Berührung, so als streiche Jacks Hand über ihre Haare, tröstend und doch irgendwie verloren. Andrea schniefte laut und wischte sich mit einer trotzigen Geste die Tränen aus dem Gesicht. Es hatte keinen Zweck mehr Tränen zu vergießen und dem Vergangenen nachzutrauern. Sie war extra hergekommen, um alles hinter sich zu lassen und neu anzufangen. Und genau das würde sie tun.

Und jetzt hatte sie Hunger. An­drea ging in die Küche, um den Kühlschrank zu plündern. Aber soweit kam es nicht. Als sie das Licht anmachte, fiel ihr Blick auf den Tisch. Dann schrie sie in heller Panik auf.

*

Sidney Buchanan lebte seit mehreren Jahren allein in dem alten Haus.

Es war aus Bruchstein gebaut, hatte nur zwei Räume, einen Schlafraum und ein kombiniertes Wohn-, Eßzimmer, in dessen Nische auch gekocht wurde, und einen riesigen Kamin.

Bu­chanan besaß Vermögen, lebte aber äußerst bescheiden, und er vermied engen Kontakt zu Menschen.

An diesem Abend hatte er einen langen Spaziergang an der Steilküste entlang gemacht, die Dunkelheit war sein liebster Begleiter, und nun war er auf dem Rückweg nach Hause.

Plötzlich zerriß ein gellender Schrei die relative Stille des Abends.

Da befand sich jemand in höchster Not. Sidney mied zwar die Menschen, aber er würde nie jemanden die notwendige Hilfe verweigern.

So schnell seine Füße ihn trugen, rannte er auf das einzige Haus in der Nähe zu, von wo er den Schrei hörte, Ravens Crest.

Ach ja, erinnerte er sich, er hatte beim Einkaufen im Ort gehört, daß jemand dorthin ziehen wollte. Die Spukgeschichten über den Kapitän hatten ihn nie geschreckt, aber das Haus war ihm damals zu groß gewesen, als er selbst ein Anwesen suchte.

Eine hastende, offensichtliche zutiefst in Panik geratene Gestalt stürmte aus dem Haus und rannte blindlings davon, geradewegs auf die Klippen zu.

»He, halten Sie an!« brüllte Sidney, aber die Gestalt hörte nicht.

Er stieß einen Fluch aus und rannte hinterher. Sidney war durch lange Wanderungen und Kletterpartien gut durchtrainiert und erreichte die Gestalt recht schnell. Er griff danach und stellte fest, daß es sich um eine Frau handelte, die sich in blanker Panik heftig gegen ihn wehrte.

Er sprach laut auf sie ein, aber keines seiner Worte drang zu ihr durch, bis er sie unsanft schüttelte. Langsam klärte sich ihr Blick, doch die Panik verschwand noch nicht vollends, wie er im vorbeihuschenden Licht des Leuchtturms sehen konnte.

»Was ist los? Warum rennen Sie wie eine Wilde durch die Gegend? Wollen Sie sich umbringen?«