Wo geht's denn hier zum Glück? - Maike van den Boom - E-Book
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Wo geht's denn hier zum Glück? E-Book

Maike van den Boom

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Beschreibung

***Eine Frau, 13 Länder und die Suche nach dem Glück*** Warum sind Menschen in anderen Ländern glücklicher als wir? Um das herauszufinden reist Maike van den Boom in die 13 glücklichsten Länder der Erde und spricht vor Ort mit Glücksforschern, Korrespondenten, Auslands-Deutschen und Menschen auf der Straße. Von Australien bis Island entdeckt sie ganz bestimmte Aspekte in der Lebenseinstellung, die dazu führen, dass Menschen mit ihrem Leben zufrieden sind. In einem sind sich alle einig: Glücklich zu sein, ist das Wichtigste im Leben. Und dafür strengen sich diese Menschen täglich an. Von ihnen können wir lernen. Vielleicht einen anderen Umgang mit der Zeit, mehr Vertrauen, mehr Konsens, mehr Gelassenheit, einfach ein stärkeres Wir-Gefühl. Das sind einige der Zutaten zum Glücklichsein, und diese fügen sich zu einem Rezept zusammen, das wir glücksbringend in unserem Leben umsetzen können. Zu Besuch bei den wahren Glücksexperten in: Costa Rica Dänemark Island Schweiz Finnland Mexiko Norwegen Kanada Panama Schweden Australien Kolumbien Luxemburg

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Seitenzahl: 405

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Maike van den Boom

Wo geht's denn hier zum Glück?

Meine Reise durch die 13 glücklichsten Länder der Welt und was wir von ihnen lernen können

FISCHER E-Books

Inhalt

[Widmung]Einleitung Hier sind wir glücklichIsland, Land der Elfen1 Am Anfang war das GlückGlück als EntscheidungMit Disziplin zum GlückTu etwas!Norwegen, du reiches Land2 Der große Schatz VertrauenGerman Angst und MisstrauenCosta Rica – Pura vida!3 Niemand kann alleine glücklich seinUnd die Liebe zu meinem LandDänemark, oh hyggelig, Smørrebrød und Wohlgefühl4 Nimm dir deine Freiheit!Entschuldigung, geht jetzt gerade nichtJammern und JammernSchweden – Nicht zu dick auftragen, ordentlich grüßen5 Hier sind wir MenschenDie Schweizer und der Raum für die anderen6 Die geschmeidige GesellschaftFinnland, Blau wie der See, Weiß wie der Schnee7 Hier tanken Sie aufKanada – Wo das Leben noch einfach ist8 Gut genugHer mit dem Mehr!Immer schön genießenAustralien – Zurücklehnen und genießen9 Rein in die Zeit!Panama, das Herz des Universums10 Ist halt soLuxemburg, du kleines, buntes Land11 Nimm dich mit HumorMexiko, Land der 1000 Farben12 Folge deinem SinnKolumbien – Jeder Tag ein Segen13 Mein Glück ist dein Glück[Karte]Was danach geschahDanksagung

Für meine Tochter Elisa und meine Eltern.

Wenn du im Leben wirklich etwas willst, schaffst du das auch.

Danke für eure Unterstützung.

EinleitungHier sind wir glücklich

»Das Bild ist klasse, dein Ton ist scheiße!« Nee, oder? Das meint der jetzt nicht ernst? Schon seit fünf Tagen bin ich unterwegs! Das ganze Filmmaterial für die Tonne? Ich sitze beim sonntäglichen Frühstück meiner deutschen Gastfreunde mitten in Mexiko-Stadt Thomas gegenüber, Freund des Hauses und Kameramann der ARD. Voller Stolz zeige ich ihm mein Filmmaterial. »Du musst näher an die Leute dran. Kauf dir einfach noch ein Stativ und fünf Meter extra Tonkabel für das Mikrophon dazu«, gibt er mir als Rat für meine weitere Reise mit. Einfach noch ein Stativ und ein paar Meter Tonkabel extra? Witzig!

Blond, zierlich und allein – so reise ich zusammen mit meinem großen orangen Koffer insgesamt neun Wochen lang durch die 13 glücklichsten Länder der Welt. Ich habe eine Menge Termine mit den führenden Glücksforschern der einzelnen Länder, deutschen Korrespondenten und Auslandsdeutschen. Und interviewe jeden Menschen, der mir in diesen Glücksländern von morgens früh bis abends spät sonst noch vor die Linse kommt.

Die One-Woman-Show, die ich hier abziehe, droht jedoch langsam aus dem Ruder zu laufen. In Costa Rica habe ich mir bereits einen sogenannten Wuschel dazugekauft, der die Windgeräusche am Mikrophon dämpfen soll. Den presse ich jetzt schon oben in meinen orangen Fotorucksack zu Reservebatterien, Objektiven, Kopflicht und einer Menge Speicherkarten. An der Außenseite hängt das Stativ für die Kamera. Jetzt kommt also noch ein zweites dazu und ein paar Meter Tonkabel obendrein. Nicht nur mein Rucksack wird immer schwerer, auch das Filmen wird immer komplizierter.

»Hi, I’m Maike. Ich komme aus Germany und würde gerne erfahren, warum ihr hier so glücklich seid. Dürfte ich Sie dazu interviewen?« »Yes sure.« »Klar, warum nicht?« Was all die netten Menschen noch nicht wissen, ist, dass ich die kommende Viertelstunde dazu benötigen werde, Kamera und Mikro zu installieren: Steht das Stativ gerade? Ist das Bild scharf? Die Belichtung okay? »Nicht vergessen, Maike: lieber das Bild zu dunkel als zu hell!«, gibt mir Thomas noch winkend mit auf den Weg. Und jetzt auch noch die Sache mit dem Mikro. Ohne Helfer wird das wirklich kniffelig. »This microphone is killing me!«, lächle ich entschuldigend, als ich zum fünften Mal zwischen Kamera und Mikro hin und her hüpfe, um zu versuchen, den Wuschel so nahe wie möglich an den Sprecher zu bekommen, ihn aber nicht im Bild erscheinen zu lassen. Mal ist er zu hoch, mal zu niedrig, mal kippt er um.

Endlich! Alles steht. Es kann losgehen. Da die Bildkomposition oft am schönsten ist, wenn sich die Kamera auf Brust- oder Bauchhöhe befindet, kauere ich unter mitleidigen Blicken gekrümmt daneben. »Alles okay«, winke ich lachend ab, »das ist mein tägliches Sporttraining!« Ohne meinen Humor wäre ich hier aufgeschmissen. Mein Kopf an die Seite der Kamera gedrückt, rufe ich: »Bitte nicht direkt in die Kamera schauen, sondern auf mich. Und wenn ich kurz wegtauche, bitte nicht irritiert sein. Ich checke nur das Bild.« Ich bin Regisseurin, Kamerafrau, Tonassistentin und Journalistin in einem. Nicht perfekt, aber umwerfend authentisch. Die Wartezeit überbrücke ich mit Smalltalk auf Spanisch, Englisch oder Deutsch. Dass die mir wegen des Wartens jetzt bloß nicht wieder abspringen, denke ich besorgt. Aber – jeder ist geblieben. Am Ende meiner Reise haben um die 300 Menschen geduldig auf meine Fragen gewartet. Danke.

 

Wie um alles in der Welt kam ich nur auf so eine durchgeknallte Idee? Wir spulen zurück auf ungefähr ein Jahr vor Beginn der Reise: Es ist Sommer 2012. Ich finde »Glück« nicht nur ein tierisch spannendes Thema, auch aus professioneller Sicht möchte ich immer auf dem neusten Stand sein. Und daher verschlinge ich jede neue Studie zu diesem Thema. Schließlich will ich die Deutschen durch Vorträge und Seminare ein wenig glücklicher machen. Und auch an diesem Tag sitze ich mit einer Tasse Latte Macchiato am Frühstückstisch und lese in der Zeitung wieder über eine neue Studie: den »How’s Life?«[1]-OECD-Bericht, der unter anderem die Lebenszufriedenheit in 34 Ländern vergleicht. Deutschland ist wieder im hinteren Bereich. Wie kriegen wir das nur immer wieder hin? Bei allen Erhebungen zum Thema Glück landen wir überall, bloß nicht vorne. Sogar weit hinter Mexiko! Und die haben echt nicht viel zu lachen. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Immerhin habe ich selbst zwei Jahre meines Lebens mit Mann und Kleinkind in Mexiko-Stadt verbracht. Dass die Mexikaner trotzdem lachen, ist übrigens ein Teil ihres Glücks.

Kann der Deutsche nicht glücklich sein – oder will er nicht? Oder will er schon, traut es sich aber nicht? Passt das nicht zur deutschen Lebenseinstellung? Liegt das Geheimnis des Glücklichseins überhaupt in der Mentalität eines Landes begründet? Gibt es einen kulturellen Anteil am persönlichen Glück eines Individuums? Was macht Menschen in anderen Ländern glücklich? Welcher Blick aufs Leben, welche Gedanken, welche Umstände führen zum Glücklichsein? Fragen über Fragen! Ich bin ein neugieriger Mensch, und Kulturunterschiede fand ich schon immer sehr aufregend. »Weißt du was«, sage ich mir deshalb an diesem Morgen, »ich fahre einfach mal hin und frage nach!«

 

Am Dienstag, den 2. Juli 2013, fast ein Jahr später, geht es los. Um 9.12 Uhr besteige ich den Flieger am Münchner Flughafen mit dem Ziel San José in Costa Rica, dem glücklichsten Land der Welt. Es wird die erste Station auf dem Weg durch die 13 glücklichsten Länder dieser Erde sein. Ein Weg, der mich von Lateinamerika und Europa über Nordamerika bis an die andere Seite der Erde führen wird: Dänemark, Island, Schweiz, Finnland, Mexiko, Norwegen, Kanada, Panama, Schweden, Australien, Kolumbien und Luxemburg, so die Reihenfolge des Rankings, der ich folge. In den Koffer habe ich nebst Kameraausrüstung mein heldenhaftes Ziel gepackt: den Deutschen das Glück dieser Länder ein wenig näherzubringen. Ob in Form eines Buches oder Films, das weiß ich noch nicht. Da ich aber schon einmal da bin, filme ich einfach alles in Fernsehqualität mit. Sicher ist sicher. So einfach, wie ich mir das vorgestellt habe, ist es dann aber leider doch nicht. Der Übergang von Smartphone zu professionellem Film-Equipment gestaltet sich etwas holprig. Als der ARD-Kameraspezialist Thomas meinen leicht verzweifelten Blick sieht, lächelt er mich ermutigend an: »Du machst das schon.«

 

Was soll ich sagen: Ich mache es tatsächlich! Installiere unter relaxtem Smalltalk meine Kamera am Strand von Sydney. Hüpfe im stürmischen Island an die zehnmal zwischen Kamera und Mikro hin und her, sichere spätabends in einem zweifelhaften Restaurant in Panama-Stadt meine Dateien. Die Schätze, welche die Bewohner der Glücksländer mir auf meine Fragen hin anvertrauen, geben mir die nötige Energie. »Würden Sie sich im Allgemeinen als eine glückliche Person beschreiben?«, »Was macht Sie glücklich?«, »Was ist das Wichtigste in Ihrem Leben?«, »Wie lautet Ihr größter Wunsch?«, »Warum denken Sie, dass Ihr Land so gut abschneidet?«, »Wie würden Sie die Seele der Bewohner Ihres Landes beschreiben?«, »Welchen Rat würden Sie uns Deutschen geben?«, »Wie sehen Sie Ihre Zukunft? Positiv? Negativ? Und warum?«, »Wo würden Sie sich als Person auf einer Glücksskala von 0, für sehr unglücklich, bis 10, superglücklich, einschätzen?«

Die monatelange abendliche Vorbereitung nebst Job und der finanzielle Einsatz, der ein tiefes Loch in mein Lebensbudget gerissen hat, haben sich definitiv gelohnt. Vom ersten Tag an. Ich werde getragen durch das Interesse, die Offenheit und den Enthusiasmus der Menschen, die mir doch tatsächlich ihr Innerstes offenbaren. Mitten auf der Straße. Und mehr als das: Ich lande in Montreal mit einem Latte macchiato in Jean-Sébastians Küche, 100 Meter weiter schmiert mir Jan auf ihrer Terrasse ein Frühstücksbrot, Joe fährt mich in Sydney spontan eine halbe Stunde zum Interviewtermin, Bitte verarztet mir in Stockholm bei sich zu Hause erst einmal meine Blasen an den Füßen, Lotte lässt mich in ihrem Apartment über ihrer Scheune in der Nähe von Oslo schlafen, 30 kleine Costa-Ricaner singen in einem Kindergarten ihre Nationalhymne für mich, der Glücksforscher Eduardo begleitet mich bei den Interviews in Bogotá, Nanna hilft mir drei Tage lang als Kamera-Assistentin in Reykjavík … Dafür möchte ich mich an dieser Stelle schon bei allen Mitwirkenden bedanken! Ohne die Mithilfe jedes einzelnen Interviewpartners wäre meine Reise zum Scheitern verurteilt gewesen. Die Reise war ein Risiko, das ich bewusst einging. Aber, so mein Lebensmotto, wenn du wirklich etwas im Leben willst, dann schaffst du das auch.

 

Ich ziehe also los und hoffe, mit einer prall gefüllten Tasche an unterschiedlichen Glückstipps aus allen Ländern nach Hause zu kommen. Aber es kommt anders. Die Länder sind sich größtenteils einig in dem, was sie glücklich macht. Und so füllt sich meine Tasche langsam mit nur einigen gleichen Glücksbringern! Egal ob in tropischer Hitze oder karger Kälte. Mit nordischer Zurückhaltung oder lateinamerikanischem Überschwang. Was das Glück bedingt, scheint viel universeller zu sein, als ich erwartet hatte: »Folge deinem Herzen!« (Australien, Island, Norwegen, Schweden, Dänemark, Schweiz, Kanada) »Das Wichtigste in meinem Leben bin ich. Denn wenn es mir gutgeht, geht es auch den Menschen um mich herum gut.« (Mexiko, Schweden, Schweiz, Dänemark, Kolumbien, Luxemburg, Island, Panama) »Wir sind nur einmal auf der Erde, da sollten wir dafür sorgen, dass wir es gut haben.« (Australien, Costa Rica, Mexiko, Kanada, Luxemburg, Norwegen) »Das Wichtigste in meinem Leben ist meine Familie.« (Alle) Glücksbringer scheinen kulturübergreifend zu gelten. So sehr sich zum Beispiel die Dänen auch von den Australiern unterscheiden mögen, die Schnittmenge ihrer Kultur ist das, was sie glücklich macht. In diesem Fall ihr enormes Freiheitsbewusstsein.

Je länger meine Reise dauert, desto deutlicher schälen sich diese Gemeinsamkeiten hervor. Gespannt hocke ich hinter meiner Kamera und höre immer wieder die gleichen Prioritäten oder Lebensanschauungen, die so erstaunlich anders sind als die typisch deutschen. Ich habe sie für Sie in den nächsten 13 Kapiteln gebündelt.

 

Die Menschen der Glücksländer zeigen uns, wo es zum Glück geht. Keine Angst, Sie müssen nicht alle 13 Wege ablaufen, um glücklich zu sein. Bitte legen Sie hier keinen deutschen Perfektionismus an den Tag. Gut ist genug. Bloß keinen Glücksstress, bitte. Auch ich bin auf manchen Gebieten gut, zum Beispiel wenn es darum geht, mein Leben frei zu gestalten und mich mit anderen Menschen verbunden zu fühlen. Auf anderen Gebieten hingegen scheitere ich kläglich. Im Moment zu leben, zum Beispiel.

Sie müssen auch keine überglückliche Zehn auf der Glücks-Skala erreichen. Eine Acht reicht vollkommen aus für ein gutes und erfülltes Leben. Hauptsache, die Richtung stimmt. Und wenn Sie mich fragen, wo ich mich auf der Glücksskala befinde: Ich gebe mir eine 8,5. Wie Sie später erfahren werden, ist eine Zehn auch nicht erstrebenswert. Wir brauchen den Sand im Glücksgetriebe. Glückliche Menschen können und dürfen auch einmal unglücklich sein.

Eine Zehn auf der Glücksskala empfinden wir meistens nur in kurzen intensiven Glücksmomenten: Zum Beispiel wenn ein Sonnenstrahl durch die Wolken bricht und uns an der Nase kitzelt. Das sind die kleinen Zehner, wie ich sie nenne. Aber sind denn jetzt diese kleinen Zehner nicht das, was wir Glück nennen? Nun, so einfach ist das nicht mit dem Glück. Sie können nicht einfach emsig alle Glücksmomente sammeln, sie wie Perlen auf eine Kette reihen und sich dann umhängen. Nach dem Motto: Fertig ist das glückliche Leben.

Zumindest nicht bei der Art Glück, über das Sie in diesem Buch lesen werden. Das Glück, über das ich rede, ist das Glück, das quasi an Ihre Persönlichkeit andockt und dann unablöslich zum Teil Ihrer selbst wird. Wovon ich spreche, lasse ich vielleicht am besten Professor Robert Cummins, den äußerst vergnügten und renommierten Glücksforscher erklären, den ich in Sydney treffe: »Es gibt einen deutlichen Unterschied zwischen Glücksgefühlen – zufällig, intensiv und vergänglich – und einer Glücksstimmung. Diese Grundstimmung ist eine dauerhafte, der Persönlichkeit zugehörige Eigenschaft des sich im Geiste und Herzen Gutfühlens.« Wie erlange ich auf Dauer dieses tiefe, erfüllte Empfinden, ein gutes Leben zu haben? Das ist die Frage, der ich auf den Grund gegangen bin. Denn Glück ist immer das Resultat dessen, was Sie mit Ihrem Leben als Ganzem anstellen. Und so werden Sie in diesem Buch Anregungen finden, wie Sie Ihre Lebensprioritäten neu ordnen könnten. Ein Hochgefühl kommt vielleicht mal auf eine schnelle Tasse Kaffee vorbei. Möchten Sie lieber, dass das Glück dauerhaft bei Ihnen wohnt? Dann schaffen Sie in Ihrem Leben strukturell den nötigen Platz dafür.

 

Ja – und noch eine Erwartung hat sich nicht erfüllt. Man sieht den Menschen nicht an, dass sie glücklich sind. Der Produzent einer Glücksshow, die Ende 2013 im Fernsehen ausgestrahlt werden soll, bittet mich vorab, eine Frage für ihn mit zu stellen. Er möchte sie eventuell in seiner Sendung verwenden. »Wenn du die Leute fragst, was sie glücklich macht, dann sorge bitte dafür, dass sie auch lächeln, während sie antworten«, gibt er mir mit auf den Weg. Aber die Leute lächeln nun einmal nicht immer.

Schon gar nicht in Finnland. Nach einigen vergeblichen Versuchen, die schüchternen Finnen einzufangen, gelingt es mir endlich, den 19-jährigen Conna vor die Kamera zu bekommen. Er sitzt in Helsinki auf Treppenstufen in der Morgensonne und liest eine Zeitung. Rot-weiß gestreiftes T-Shirt auf grauer Hose mit blondem Kurzhaarschnitt. »Würdest du dich als eine glückliche Person beschreiben?«, frage ich aufmunternd. Conna sieht so aus, als würde er gleich depressiv zur Seite kippen. »Ja, ich bin sehr glücklich«, lautet die monotone Antwort. Er verzieht seine Miene nicht ansatzweise zu einem Lächeln. Aaaaha, denke ich. »Auf einer Skala von Null bis Zehn …?« Er schaut mich an und sagt trocken: »8,5.« Damit liegt er sogar 0,6 Punkte über dem finnischen Durchschnitt von 7,9. Na ja, 0,6 Punkte … was bedeuten schon 0,6 Punkte? Klingt wenig. Der Unterschied im Glücksempfinden, den diese 0,-Zahlen wiedergeben, ist jedoch immens. Stellen Sie sich einmal vor, Sie wären Single und würden neben einem Paar stehen, das gerade frisch verheiratet ist. Dieses Pärchen wäre dann durchschnittlich um 0,4 Punkte glücklicher als Sie. Der Glücksindex für Costa Rica liegt zum Beispiel bei 8,5, der für Deutschland bei 7,1. Das hieße also, jeder Deutsche müsste zur gleichen Zeit mindestens drei Traumpartner ehelichen, um dasselbe Niveau wie ein Costa-Ricaner zu erreichen. Könnte ja auch eine prima Lösung für die deutsche Geburtenrate sein …

 

Es gibt verschiedene Umfragen zum Glück, und die Rangliste variiert immer etwas. Mal ist Dänemark Spitzenreiter, dann wieder Costa Rica oder Kanada. Je nachdem, wann man fragt, wen man fragt und wie man die Frage stellt. Fakt ist aber: Es sind immer dieselben Pappenheimer ganz vorne mit dabei, und es ist immer dasselbe Land, das nie vorne mitmischt: Deutschland eben. Als Basis für meine Reise habe ich die »World Database of Happiness«[2] gewählt, eine Datenbank, welche weltweit die Ergebnisse der Glücksforschung der letzten 100 Jahre sammelt und kategorisiert. Sie befindet sich in der Erasmus-Universität in Rotterdam und wird von ihrem Begründer, Professor Ruut Veenhoven, und seinem Team gepflegt. Hierin werden zurzeit um die 9000 wissenschaftliche Publikationen mit ca. 24000 Ergebnissen darüber, wie glücklich Menschen sind, ausgewertet. Das heißt, diese Database ist nicht nur sehr umfassend, sondern auch wunderbar stabil. Und so kann ich in Ruhe meine Reiseroute planen, ohne sie bei jeder neuen Glücksumfrage ändern zu müssen. Zur Vorbereitung treffe ich Ruut Ende 2012 in seinem Büro in Rotterdam. Dort muss, gemessen am Chaos auf seinem Schreibtisch, ein großer Geist wohnen. Ruut ist »the old man« der Glücksforschung, der schon seit über 30 Jahren das Glück erforscht. Weiße Haare, weißer Bart und schelmisch funkelnde Augen hinter randloser Brille. »Glück«, sagt er, »ist im Prinzip in der ganzen Welt dasselbe. Und ob du glücklich bist, das weißt nur du allein. Deshalb kann man auch in der ganzen Welt einfach danach fragen.« Und von den Antworten, die uns Menschen geben, können wir hier in Deutschland etwas lernen, denkt zumindest auch Professor Christian Bjørnskov, Ökonom und Glücksforscher aus Dänemark: »Die glücklichen Länder sind jedes Jahr dieselben. Das heißt, wir können daraus ableiten, welche Faktoren andere Länder glücklich machen könnten.«

 

Menschen aus der ganzen Welt haben sich – teils unter Tränen – Mühe gegeben, Ihnen ihre Sicht auf das Leben und ihr Glück zu schenken. Trotz meiner Aufbau-Akrobatik haben sie geduldig ausgeharrt und sich für uns Zeit genommen. Ich hoffe, Sie wissen die Anstrengungen zu schätzen. Sehen Sie dieses Buch als eine Anregung, wie Sie Ihr Leben auch gestalten könnten, als eine Option, ein Angebot. Sie müssen weder zu Isländern mutieren noch kleine Kolumbianer werden, um glücklich zu sein, aber vielleicht schneiden Sie sich hier und da eine kleine Scheibe ab und legen sie auf herrlich einzigartig deutsches Brot …

Apropos deutsch. Ich werde nach meiner Rückkehr oft gefragt, ob ich denn nun nicht auswandern wollte in eines der Glücksländer. Ich habe bereits 13 Jahre meines Lebens in den Niederlanden und zwei Jahre in Mexiko verbracht. Beides sind glückliche Länder. Ich bin jedes Mal zurückgekehrt. Ich lebe hier. Hier lebe ich gerne. Wie in einer guten Beziehung liebe ich Deutschland mit all seinen nervigen Macken, seinen hässlichen Narben und seinen liebenswerten Besonderheiten. Also drehe ich den Spieß einfach um: Statt noch einmal auszuwandern, hole ich das Glück einfach zu uns nach Hause. Denn die Verantwortung für unser persönliches Glück und auch das der Gesellschaft liegt in unseren Händen, in Ihren und meinen. Jeder von uns ist der kleinste gemeinsame Nenner der Gesellschaft. Wenn sich jeder Einzelne verändert, ändert sich letztendlich auch die Mentalität eines Landes. Ist das zu visionär? Quatsch, denn wir haben alle gesehen, welches Potential Deutschland in dieser Hinsicht innewohnt. 2006 haben wir uns und den Rest der Welt verzaubert. 2014 auch. Wir haben zusammen gefeiert und gelacht, und sind seitdem der Welt sympathisch geworden.

Nach meiner Reise bin ich nicht mehr derselbe Mensch, der ich vorher war. Zu groß ist der Abdruck, den die Worte der Glücklichsten in meiner Seele hinterließen. Was ich von ihnen gelernt habe, ist, wie ich das Glück dazu überreden kann, mein Leben dauerhaft zu begleiten. Ich wünsche mir, dass es Ihnen nach dem Lesen dieses Buches genauso ergehen wird.

 

Kommen Sie mit auf eine spannende Reise!

Island, Land der Elfen

Landeanflug auf Island. Nach spektakulären Landeanflügen auf Kolumbien und Costa Rica schaue ich jetzt ein wenig enttäuscht aus dem Fenster. So ungefähr muss der Mond von oben aussehen, denke ich. Wie mir später der ehemalige Skandinavien-Korrespondent Tilmann Bünz erzählt, hat Neil Armstrong hier tatsächlich seine Mondlandung geübt.

Aha, die drittglücklichsten Menschen der Welt leben also quasi auf dem Mond. Ich kann es mir gut vorstellen bei einer durchschnittlichen Jahrestemperatur von 5,4 °C und circa 13,3 °C im Juli. In einer völlig spaßfreien Natur: rau, unbeugsam und buchstäblich arschkalt. Das spüre ich am eigenen Leibe und hüpfe gleich am ersten Tag in den nächstbesten »typical« Island-Laden. Zehn Minuten später stehe ich mit hüftlangem und kratzigem Schafswollpullover inklusive Handschuhen hinter der Kamera. An einem schönen, sonnigen Augusttag mit bis zu 5 °C im Schatten. Der Wind rupft an meinen Haaren.

Und dann stehen sie vor mir, die Elfen (Elben) aus Tolkiens »Herr der Ringe«: Dóra Guðrún Guðmundsdóttir, meine Glücksforscherin, und ihre Assistentin Nanna Ingibjörg Viðarsdóttir. Dóra mit reiner, blasser Haut, roten Lippen, dunkelbraunen, langen Haaren und glühenden Augen. Nanna, lockiges, hellbraunes, rückenlanges Haar, Augen so blau und weit wie Islands Blaue Lagune in einem lieblich zarten Gesicht. Volle Wangen, süße Stimme und ein bezauberndes Lächeln. Während ich noch im Märchenland weile, quatscht Dóra mir bereits ganz real das Ohr ab. Sie liebt ihren Job über alles und ist keine Elfe, sondern Mutter von drei Kindern und Präsidentin des Europäischen Netzwerkes für Positive Psychologie. Hauptberuflich ist Dóra allerdings Direktorin des Bereichs »Determinanten für Gesundheit und Wohlbefinden« am Direktorat für Gesundheit in Island, welches unter das Ministerium für Gesundheit fällt und politischen Empfehlungen ausspricht. Im Moment erforscht sie die Auswirkungen der Finanzkrise auf Island. Ich schaue verträumt über die kleinen Straßen Reykjavíks und die niedlichen, bunten Häuschen in Lila, Gelb, Grün … »Glück ist nicht die ganze Zeit lächeln, sondern wie du das Leben im Allgemeinen wertschätzt und das, was dir im Leben widerfährt«, dringen die Worte von Dóra wieder in mein Bewusstsein. Und darin sind die Isländer spätestens seit ihrem Bankenkollaps geübt. »Wir fühlten uns wie die Wikinger, die in die weite Welt hinaussegelten, um fremde Märkte zu erobern!«, so Dóra. »Dann kam die Krise 2008 und der totale Staatsbankrott«, erzählt sie mir lächelnd. Wir sitzen in einem gemütlichen, kleinen Restaurant mit türkis gestrichener, typisch gewellter Aluminiumfassade. Irgendwie ist alles klein hier. Außer den Preisen. Ich bestelle einen Rotwein zum gefühlten Preis eines Gebrauchtwagens. Alkohol gibt es hier nur in staatlich betriebenen Läden, die sich sehr motiviert zeigen, den Bewohnern Islands nebst dem Trinken auch noch das Rauchen abzugewöhnen. Mit Erfolg: 15 Prozent der Erwachsenen und nur drei Prozent der Jugendlichen rauchen hier. Die isländische Regierung kümmert sich um das Wohl der Bürger, und die Bürger wiederum nehmen es dankend an. 2005 erhält deshalb jeder Einwohner Islands vom Staat per Post einen Kühlschrankmagneten zu Weihnachten. Darauf die »10 Gebote des Wohlbefindens«. »Sie sind die Resultate von Studien über Menschen, die beides sind: erfolgreich und glücklich. Aus Sicht des Ministeriums ist es das Ziel, eine Gesellschaft zu kreieren, in der die Menschen nicht nur glücklich sind, sondern auch gut funktionieren«, so Dóra.

Eines der Gebote, »Lerne aus deinen Fehlern«, bekommt 2008 eine tragische Aktualität. Island erleidet mit der Finanzkrise den größten Schiffbruch seiner Geschichte. Aber es erholt sich erstaunlich schnell. »Wir Isländer gehen immer davon aus, dass irgendwie alles ein gutes Ende nehmen wird. Und vielleicht ist das eine Art von Widerstandskraft. Wir waren kreativ und haben nach neuen Möglichkeiten und Lösungen gesucht. Das hat uns durch die Krise geholfen«, erzählt Dóra, während sie nachdenklich in Islands Ferne blickt. Umfragen des Ministeriums zum Thema Glück und Wohlbefinden vor und nach der Krise ergaben, dass das Glücksniveau unterm Strich gleich geblieben ist. Und das, obwohl sich das Leben für einige drastisch geändert hat. Mancher Banker fährt wieder zum Fischen hinaus, wie Arnar Erlingsson, der jetzt die Küche eines großen Frachtschiffs schmeißt: »Vielleicht ist Glück im Geld zu finden, aber in Island haben wir auf die harte Tour lernen müssen, dass wir gar nicht so viel davon brauchen.« Und die Isländer haben aus ihren Fehlern gelernt: »Wir haben überlegt, wie wir uns als Gesellschaft neu definieren wollen«, so Dóra. »Wir sind nicht mehr auf dem hohen wirtschaftlichen Niveau, auf dem wir vorher waren. Aber ich denke, wir wollen da auch gar nicht mehr hin.« Dóra blickt mit einem entspannten Lächeln übers Meer.

 

Island ist wie eine große Familie, in der dafür gesorgt wird, dass es allen Mitgliedern gutgeht. Vielleicht landet diese kleine Vulkaninsel deshalb zum fünften Mal in Folge im »Global Gender Gap Report«[3] auf Platz eins? Dieser Bericht misst weltweit die Teilhabe von Frauen an Wirtschaft, Politik, Bildung und Gesundheit. Das Thema Familie ist in Island politische Chefsache. »Es gibt viele Plätze für Familien auf dem Uni-Campus, denn man geht selbstverständlich davon aus, dass du Kinder bekommst, während du studierst«, so die 25-jährige Nanna, nebst Elfe auch Psychologiestudentin, Witwe und Mutter eines fünfjährigen Sohns. Und diese Unterstützung macht sich bemerkbar. Die Isländer gehören 2013 in Bezug auf die Geburtenrate zu den Spitzenreitern in Europa. Deutschland ist dahingegen das Schlusslicht.

»Ich werde oft gefragt: Warum sind die Isländer so glücklich? Kann man in so einem Kaltland glücklich sein?« Dora schweigt kurz, dann lächelt sie und nickt bestimmt: »Ich glaube, dass Isländer tatsächlich so glücklich sind, wie sie sagen. Wenn man sich die Faktoren anschaut, die Menschen glücklich machen, dann sind es vor allem die sozialen Beziehungen. Island ist eine kleine Nation. Es ist sehr einfach, mit anderen eng verbunden zu sein. Darüber hinaus nutzen wir einfach das, was wir hier haben, zum Beispiel die Dunkelheit im Winter. Dann zünden wir zu Hause Kerzen an und machen es uns mit Menschen, die wir mögen, gemütlich. Es gibt auf Island viele heiße Quellen, und das sind tolle Orte, um draußen zusammenzukommen. Selbst wenn es stürmt, kannst du in diesen warmen Becken sitzen und dich massieren lassen. Das ist wirklich schön …« Vor ungefähr 20 Millionen Jahren stieg das Land als Folge von unterseeischen Beben aus den Tiefen des Atlantiks empor. Die Erdkruste blieb dünner als bei uns und das Magma dichter an der Oberfläche. Ein vulkanisches Herz, welches das Grundwasser ständig wärmt. 20 Erdbeben pro Tag und heiße, fauchende, blubbernde Quellen zeigen den Herzschlag der Natur. Und der riecht nach Schwefel. Duschen vermeide ich hier, und auch Zähneputzen ist eine Qual, wenn das Wasser nach faulen Eiern stinkt. Bah!

Island ist ein Land der Gegensätze für alle Sinne. Es verändert sich ständig, und den Bewohnern bleibt nichts übrig, als mitzufedern. »Gestern bin ich so weit aus Reykjavík rausgefahren, bis alles dunkel um mich herum war. Ich stieg aus dem Auto und schaute in den Himmel. Grüne, kreisende und flackernde Lichtwürmer schlingerten durch den Raum. Ich fühlte mich wie ein kleines Sandkorn mittendrin. Ich wünschte, du hättest das sehen können«, so schreibt mir Arnar der Schiffskoch später. Kein Wunder, dass die Isländer gerne über Energiefelder sprechen. Und über Elfen, Trolle und andere unsichtbaren Wesen. Irgendwo da draußen sollen sie sein. Immerhin real und wichtig genug, dass das Straßenbauamt sie über Mediatoren bei seinen Planungen miteinbezieht, so schreibt Tilmann Bünz in seinem Buch »Wer die Kälte liebt: Skandinavien für Anfänger«.[4] Die Devise ist: Es kann nicht schaden, an sie zu glauben. Bei nur drei Einwohnern pro Quadratkilometer ist ja auch genügend Platz für alle da.

 

Kein Volk wird so extrem mit der Veränderlichkeit und Endlichkeit des Lebens konfrontiert wie die Isländer. Und deshalb leben die Inselbewohner lieber jetzt. Und hier. Und sofort. Mit allen Sinnen. Draufgängerisch. Phantasievoll. Kreativ. Und mit sehr viel Humor. Welches Volk würde schon den beliebtesten Komiker des Landes zum Bürgermeister der Hauptstadt wählen? Und als im Frühjahr 2010 der Vulkan Eyjafjallajökull ausbricht und die Touristen ausbleiben, drucken sie kurzerhand T-Shirts, auf denen steht: »We may not have cash, but we’ve got ash!« (Wir haben vielleicht keine Kohle, aber dafür Asche.) Isländer warten nicht auf die Zukunft. Wenn Fische da sind, muss man fischen. Warum Angst vor der Zukunft haben? Sie geschieht immer erst morgen, nie heute.

»Komdu sæl/l« (komme glücklich), »Vertu sæl/l« (geh’ glücklich). Mit diesem Wunsch empfangen und verabschieden die Isländer einander und zeigen als drittglücklichstes Land der Welt, dass dieser Wunsch bisher in Erfüllung gegangen ist.

1Am Anfang war das Glück

Es gibt so viele Dinge, die dich glücklich machen können, gutes Wetter, schlechtes Wetter, alles Mögliche.

Sigrún Hjartardóttir, Pferdebesitzerin aus der Nähe von Reykjavík, Island

Was wäre, wenn Glück so natürlich wäre, dass man darüber nicht mehr zu reden bräuchte? Das Streben nach Glück so selbstverständlich wie der Gebrauch von Sonnencreme? Einfach das beste Mittel gegen die Gefahren und Widrigkeiten des Lebens? Kaum einer liest den Beipackzettel durch, um zu wissen, wie Sonnencreme funktioniert.

Sein Glück zu pflegen, das gehört zum Alltag der glücklichsten Menschen einfach dazu. Das gilt für das ausgelassen tanzende Pärchen Anfang 60 am Sonntagmittag auf dem Plaza de la Cuidadela in Mexiko-Stadt, den verhalten lächelnden Jungen auf einer Treppe in Helsinki oder die junge Familie am Strand von Sydney: »Würden Sie sich im Allgemeinen als einen glücklichen Menschen bezeichnen?« Sie werden folgende Antwort erhalten: »Claro que sí«, »Yes, sure«, »Na klar«. Hinter der Aussage steht kein Ausrufezeichen, sondern eine klare und bodenständige Selbstverständlichkeit. Ich bin ein glücklicher Mensch PUNKT. Was denn sonst?

Keine ausladende Armbewegung gen Himmel, keine Überdosis freudestrahlender Augen, kein Zahnpastalächeln? Nein, nicht immer, denn Glück ist eine ernste Sache! Und wenn nicht ernst, dann zumindest ernst zu nehmen. Glück ist mehr als die rosa Glücksbox, die Kleeblatttassen für 1,95 Euro und der Abreißkalender fürs Klo. »Glück ist ein Muskel des Körpers. Das ist die reine Wahrheit! Du kannst es nicht in äußeren Dingen finden. Es ist eine Lebenshaltung!«, so die lebhafte Anwältin Ana María aus Kolumbien. Ich treffe sie in einem In-Café im Herzen Bogotás. Glück ist eine Lebenseinstellung, zu der man sich aktiv entschließt. Gebrauchen Sie Sonnencreme am Strand, einen Regenschirm, wenn es regnet? Klar. Ich bin ja nicht doof!

Und trotzdem, meine Bitte, mir den Satz zu vervollständigen: »Ich bin glücklich, weil …«, bereitet 90 Prozent der Interviewten in den 13 Glücksländern echte Schwierigkeiten. Eine große Lebensfrage sei das. Eine wichtige Frage. Und mitunter die einzige Frage, die meine Interviewpartner mit einem sinnenden Blick in den Himmel, angestrengtem Runzeln der Augenbrauen und einem konzentrierten »Puh – nur in einem Satz, wirklich?« quittieren.

Warum ist diese Frage so schwierig zu beantworten? Weil Glück bis in alle Bereiche unseres menschlichen Daseins hineinreicht. Die unterschiedlichsten Disziplinen der Wissenschaft beschäftigen sich dementsprechend mit diesem Thema: Was macht Menschen glücklich und was bringt uns Glück persönlich und als Gesellschaft? Viele Psychologen, Philosophen, Mediziner, Soziologen, Ökonomen, Politologen und leider auch jede Menge Hobbytherapeuten beschäftigen sich mit dieser Frage.

Wie führe ich ein glückliches und erfülltes Leben? Das ist in den Glücksländern die alles entscheidende Frage. Auch für Maria-José, 17-jährige Schülerin und alleinerziehende Mutter von dreijährigen Zwillingen im Armutsviertel nahe San José, Costa Rica: »Es ist nicht gut, traurig zu sein, man sollte immer positiv eingestellt bleiben. Man muss dem Leben einen Sinn geben und sollte nicht mittelmäßig sein. Man muss das Beste von sich geben, damit man mit sich selbst zufrieden ist.« Maria-José hat große Pläne. Sie möchte später studieren.

 

Wie führe ich ein gutes Leben? Eine Frage wie eine Herausforderung, der man sich stellt, mit der sich die Menschen in diesen Ländern intensiv beschäftigen. Tagtäglich. Weil es in ihrem Leben das Wichtigste ist. So erklärt mir die Finnin Liisa, die seit neun Jahren in Deutschland lebt: »Ich glaube nicht, dass man das Glück so einfach vergleichen kann. Ich glaube, wir Finnen finden im Leben einfach andere Dinge wichtig als die Deutschen.« Eben. Finnen finden anscheinend, quasi aus Versehen, das wichtig, was im Leben glücklich macht. Sie haben einfach Glück gehabt, dass ihre Kultur sich so entwickelt hat, dass Finnen glückliche Menschen sein können.

Auch die Dänen, die regelmäßig als die Glücklichsten aus den verschiedenen Umfragen hervorgehen. Dafür hat Michel Birbæk, Wahlkölner, Schriftsteller und Drehbuchautor mit dänischen Eltern und dänischem Herzen, eine einfache Erklärung: »Wenn man einen Deutschen fragt, ob er glücklich ist, sucht er erst einmal fünf Gründe, warum er’s nicht sein könnte. In Dänemark wird das Wort lykke für Glück viel natürlicher verwendet; es ist normaler zu sagen, dass du glücklich bist, dass es dir gutgeht.«

Doch kein Volk stellt sich als Ganzes zur selben Zeit hin, fasst sich an die Hand und sagt: »So, wir sind jetzt mal glücklich!« In den skandinavischen Ländern liegt das Glück in der Mentalität begründet: einem engen Zusammenhalt, einem hohen Vertrauensniveau, einem schier unendlichen Freiheitsbewusstsein und einem großen Respekt vor den Mitmenschen. So treffe ich später Aron mit seinen Freunden auf seiner Yacht im Hafen von Tromsø, einer der nördlichsten Städte Norwegens. Ein fröhlicher Blondschopf von Anfang 30, der mir gerne das Geheimnis der Norweger verrät: »Es ist hier ein Wert, anderen Menschen zu vertrauen und nur das Beste über sie zu denken. Vielleicht kann man sagen, dass dies ein Teil der skandinavischen Kultur ist. Bis jetzt zumindest. Wenn wir gleich von Bord gehen, lassen wir all unsere Sachen im Boot. Wir schließen es nicht ab.« Vertrauen in andere ist eine der Eigenheiten, die teils kulturell, teils historisch zu erklären sind. Und diese Eigenschaften besitzen die Deutschen nun einmal weniger. Als beispielsweise die Skandinavier in rauen, kalten, unbeständigen Zeiten gelernt haben, dass sie nur zusammen überleben können,[5] haben wir uns untereinander noch die Köpfe eingeschlagen. Denn die deutsche Geschichte kennzeichnet sich wie keine andere durch innere Zerrissenheit, geographische Teilung und immer wieder tiefe Brucherfahrungen. Und so schreibt der Niederländer Frits Boterman in seinem Buch »Die moderne Geschichte Deutschlands. 1800 – heute«,[6] dass »wahrscheinlich kein Volk in Europa in den letzten zwei Jahrhunderten so sehr mit seiner nationalen Identität gekämpft hat wie das deutsche. In der deutschen Geschichte ging es andauernd um die Verwobenheit und Unversöhnlichkeit von Einheit, Freiheit und Gleichheit.« Es ist schön, dass unsere Nachbarn uns begreifen.

Aber Kulturen können sich ändern. Und wir sind auf einem guten Weg. Die Bundesregierung hat sich das Wohlbefinden der Bevölkerung auf die Agenda geschrieben. Auch für 2015, so Staatsminister Helge Braun in seiner Rede auf der Konferenz der Internationalen Vereinigung zur Erforschung der Lebensqualität (ISQLS), zu der mich Alex Michalos, der kanadische Glücksforscher, den ich Ihnen später vorstellen werde, Ende 2014 einlädt. Auch die deutsche Regierung merkt, dass die Fokussierung auf das wirtschaftliche Wachstum nicht ausreicht, um die Bevölkerung glücklich zu machen. Sie plant deshalb, den direkten Dialog mit uns anzugehen: Was bedeute für Sie Lebensqualität? Was ist Ihnen wichtig im Leben? Daraus möchte sie Indikatoren für ein »wohlbefindliches« Deutschland entwickeln. Man habe lange nach einem seriösen Wort für »Glück« gesucht, so Helge Braun. »Wohlbefindlich«. Das internationale Publikum schmunzelt und schüttelt verständnislos die Köpfe. Im Ausland spricht man einfach über Glück, wenn man Glück meint. »Die Regierung hofft, eine Zukunft zu kreieren, in der wir alle glücklich sind«, so schließt der Staatsminister seine Rede ab. Geht doch, das mit dem Glück! Veränderung muss gesellschaftlich von oben heruntersickern, wie auch personengebunden von unten emporklimmen. Bei Letzterem sind Sie gefragt. Jeder von uns. Auch wenn unsere Regierung das Wort Glück noch scheut. Vielleicht können wir es ihr erklären?

 

Schweizer, Kanadier und Finnen finden Glück wichtig. »Es ist so, dass du irgendwie dein eigenes Glücklichsein oder Unglücklichsein bestimmst. Und ich denke, ich habe gemerkt, dass glücklich zu sein mir besser gefällt. Also konzentriere ich mich darauf«, überlegt Ole, ein Banker, den ich während seiner Mittagspause in Helsinki treffe.

Es begegnet mir in allen Ländern. Das bedingungslose Bejahen des Glücks, wie auch bei Linda, die ich mit ihrer kleinen Tochter am Strand von Tromsø in Norwegen treffe: »Ich bin ein glücklicher Mensch, weil ich die Dinge positiv sehe und nach Lösungen suche. Wichtig ist mir die Familie, dass wir zusammen glücklich sind und uns auf das, was wir haben, konzentrieren und nicht ständig dem hinterherlaufen, was wir uns wünschen.« Es ist allen gemein, dass jeder sein Leben versucht so einzurichten, dass es seinem Glück zuträglich ist.

Genauso tut es auch María-Teresa, der ich lange fasziniert zugeschaut habe bei ihrem sinnlichen Salsa-Tanz unter Hunderten Mexikanern mitten in Mexiko-Stadt: »Wir sind auf diese Welt gekommen, um glücklich zu sein, und das Glück befindet sich in uns. Du musst es nicht in materiellen Dingen, in Erfolgen, in Eroberungen suchen. Das Erste, was wir erobern müssen, ist unser Geist und unser Herz. Wenn uns das gelingt, sind wir glücklich. Das Glück befindet sich im Herzen.«

Wie sind Ihre Prioritäten im Leben? Was steht bei Ihnen an erster Stelle? Und handeln Sie auch danach? Für Liisa ist das klar: Familie und Zusammensein, Freunde und Geselligkeit, das ist für die Finnen wichtig. Lebensfreude und Genuss für María-Teresa. Und für die Deutschen? Status, Macht, Geld, mein Haus, mein Auto, meine Versicherung? Mit der Erwartung, dass das glücklich machen wird. Irgendwann. Bestimmt. Von selbst sozusagen. Doch von selbst geht leider gar nichts.

»Wenn du wirklich glücklich sein möchtest, dann musst du darauf abzielen. Du kannst nicht einfach viel kaufen und dann erwarten, dass es dich glücklich macht«, so Dóra aus Island, die Sie gerade kennengelernt haben. Sie lächelt und hebt kurz die Augenbrauen an. Und damit sagt sie nicht mehr als die Abiturientin Mille aus Århus in Dänemark: »Ich bin ein glücklicher Mensch und finde, dass man selbst Herr über sein Glück ist. Man sollte selbst dafür sorgen, dass man es gut hat.« Und dafür, dass sie es gut haben, strengen sich die Menschen an. Auch Heidi, Physiotherapeutin aus der Schweiz: »Ich glaube schon, dass ich etwas für mein Glück machen muss. Denn so geht’s ja nicht, dass man einfach nur dasitzt und motzt.« – »Und vergiss nicht, das Glück findet sich nicht von selbst ein«, schreibt Kirsten, eine 71-jährige Dänin am Abend nach unserem Interview auf meine Facebookseite, »Du musst es dir selbst erschaffen!« Olivia wiegt den Kinderwagen ihrer Kleinsten. Zusammen mit ihrem Mann und dem fünfjährigen Sohn Alex sitzt sie auf einer Parkbank in Montreal, Kanada: »Wir versuchen immer noch glücklicher zu sein. Das ist eine Menge Arbeit. Es ist ein Prozess, um das höchste Glück zu erreichen. Ich weiß noch nicht, was das genau ist«, sie schaut lachend zu ihrem Mann, »aber ich bin mehr glücklich als traurig.«

Es geht nicht darum, dass wir auf die Frage »Wie glücklich sind Sie auf einer Skala von 0 (total unglücklich) bis 10 (superglücklich)?« alle eine Zehn erreichen. Ruut, Begründer der »World Database of Happiness«, warnt sogar davor: »Es gibt Indikatoren dafür, dass Menschen, die sich immer eine Zehn geben, doch ein wenig zu glücklich sind. Es ist tatsächlich so, dass du die Neigung hast, immer die positive Seite der Sache zu sehen, wenn du so glücklich bist. Und dann unternimmst du zwar mehr, aber du hast auch ein erhöhtes Risiko, gegen die Mauer zu laufen. Die Achter und Neuner sind im Allgemeinen Menschen, die glücklich sind und trotzdem noch bei Verstand.« Da muss Ruut selbst lachen. Wir sollten also nicht danach streben, wie unter Drogen verklärt, aber glücklich gen Himmel zu starren. Ganz sicher nicht!

 

Sich zu entscheiden und zu handeln im Sinne des Glücks macht die Bewohner der Glücksländer zu glücklichen Menschen. Da hat auch Deutschland gute Karten, im Treffen von Entscheidungen und diszipliniertem Handeln sind wir Weltmeister. Und für den Perfektionismus und die Effizienz, die daraus hervorgehen, werden wir im Ausland sehr geachtet. »Das Surren eines deutschen Motors im Gegensatz zum Brummen anderer Automarken«, so beschreibt es Jean-Sébastian aus Montreal mit glühenden Augen. »Die perfekte Art, Dinge zu bauen«, fügt er anerkennend hinzu. Lars, Leiter eines Ingenieurbüros in Dänemark, nickt anerkennend: »Ihr seid marktführend mit Firmen wie Siemens oder in der Automobilindustrie. Man kann es wirklich nicht anders sagen: Die Deutschen haben Erfolg. Das sieht man auch in der Krise. Deutschland bezahlt wirklich viel für andere Länder im Moment.« Raphael nickt zustimmend, während er mich vom Flughafen in San José, Costa Rica, zum Hotel fährt: »Sie lösen stets ihre Schwierigkeiten und entwickeln sich weiter. Es ist ein Volk, das immer gestärkt aus seinen Problemen hervorkommt.«

Dieses Buch will Ihnen also Ihre Erfolge gönnen, Ihr Streben nicht bremsen. Sie dürfen von Herzen die Besten sein. Es möchte nur dafür sorgen, dass Sie sich keinen Sonnenbrand holen. Damit Sie nicht irgendwann auf Ihr Leben zurückblicken, auf das, was Sie getan und unterlassen haben, und dann denken: »Hätte ich mal mehr Zeit mit meinen Freunden verbracht! Wäre ich mal öfter ins Konzert gegangen.« Kurz: Hätte ich mich mal öfter eingecremt, ein wenig mehr aufs Glück geachtet.

Glück als Entscheidung

Dass die meisten der Glücksländer bereits über Jahrhunderte hinweg eine glücksorientierte Kultur haben, mag uns Deutschen unfair erscheinen. Doch was man nicht geschenkt bekommt, das muss man sich selbst erarbeiten. Das gilt für alles im Leben. Das ist weder ein Grund, sich lässig zurückzulehnen und schulterzuckend an den Nägeln zu kauen, noch sich im Selbstmitleid zu suhlen. Vielmehr geht es darum, sich kontinuierlich zu verbessern und von denen zu lernen, die etwas schon exzellent beherrschen. Der kleine verstohlene Blick über den Tellerrand zum Nachbarn. Warum nicht? Ohne Neid, aber mit dem Anspruch, es ihm gleichzutun. Nur – welche Idee könnten wir anderen vom Teller klauen? Und was rät man uns?

»Wer sind wir schon, dass wir den Deutschen etwas raten könnten? Was würdest du denn den Mexikanern raten?« Das war ja irgendwie klar. Interviewe eine Journalistin, und du bekommst prompt eine Gegenfrage. Ich sitze in Mexico City im gemütlichen, aber kleinen Wohnzimmer bei Marta Durán de Huerta, einer mexikanischen Redakteurin einer politischen Zeitung und Korrespondentin für »Radio Nederland«. Darüber hinaus spricht sie nahezu perfekt Deutsch. Sie zwinkert mir aufgeweckt zu.

Ihr Haus steht in einer »normalen« mexikanischen Straße, in einem »normalen« mexikanischen Stadtteil und ist hermetisch abgeriegelt. Ich muss an den Schriftsteller Eduardo Galeano denken, der in seinem Buch »Die offenen Adern Lateinamerikas«[7] schreibt, Lateinamerika sei eine verkehrte Welt. Hier würden sich die Reichen einschließen, und die Verbrecher liefen draußen frei herum. So ganz stimmt das allerdings nicht, denn hier schließen sich auch die Armen ein. Die Fenster jeder noch so kleinen Hütte werden von rostigen Gitterstäben bewacht, die oftmals das einzig Stabile am ganzen Haus sind.

Wie jeden meiner Interviewpartner hatte ich Marta am Ende unseres Gesprächs gefragt: »Und was würdest du den Deutschen raten?« Mit ihrer Gegenfrage erwischt sie mich auf dem falschen Fuß. Sie schaut mich herausfordernd an. Was soll ich einem Land raten, das bereits ein Schwellenland ist und Mitglied der OECD? Einem Land, das trotz allem erhebliche Probleme kennt, wie Armut, Gewalt und Korruption. Einem Land, dessen Bewohner trotzdem glücklich sind? Seid pünktlicher, arbeitet mehr und strengt euch halt mal ein wenig an, damit ihr es so weit bringt wie euer deutsches Vorbild? Dann seid ihr eventuell etwas unglücklicher, ein wenig verbissener und tendentiell spaßfreier, aber wen interessiert’s? Immerhin wäret ihr dann erfolgreicher: respektiert, stark und wachstumsorientiert. Sprich: Ihr sollt andere Dinge wichtiger finden!

Costa Rica, Mexiko und Panama sind aber nicht bereit, den Preis für unsere Interpretation von Erfolg zu zahlen. Mariano Rojas, der führende Experte zum lateinamerikanischen Glück, sieht eine Gefahr darin, unser Konzept für Fortschritt auf Lateinamerika anzuwenden. »Wenn du dich auf das ökonomische Wachstum konzentrierst, besteht das Risiko, dass dies auf Kosten einiger Dinge geht, die den Menschen wichtig sind. Zeit für soziale Beziehungen zum Beispiel. Letztendlich hast du mehr ökonomisches Wachstum und weniger Glück, und deshalb sagen wir: schau, wir müssen eine andere Idee davon entwickeln, was Fortschritt ist.«

Der Preis wäre tatsächlich hoch. Mexikos grelle Farben würden verblassen, die heitere Mariachi-Musik geordnet und die betörenden Gerüche wegpoliert. Es gäbe Richtlinien für Geruchs-, Lärm- und Farbbelastung. Das, wofür es sich wirklich lohnt zu leben, verschwände im Leben. Was finden wir wichtig? Geht nur glücklich oder erfolgreich oder auch beides? Müssen wir uns immer entscheiden? Oder müssen wir nur die Prioritäten neu ordnen?

Die meisten anderen Länder haben ihre Entscheidung gefällt, zumindest was die Reihenfolge der Lebensaufgaben angeht. Erst einmal kommt das Glück, und alle anderen Wünsche müssen sich bitte schön hinten anstellen! Sie laden uns ein, es ihnen gleichzutun, wie Maurice, ein Nachtschwärmer, den ich mit seinen Freunden im Ausgehviertel Bogotás treffe: »Kommt nach Kolumbien. Reist um die Welt. Lernt! Macht euch keine Gedanken um materielle Sachen oder um politische oder religiöse Themen, sondern darüber, wie man glücklich sein kann und wie man seine Träume wahr machen kann.«

»Und dafür muss man sich das ganze Leben einsetzen«, findet auch Professor Eduardo Wills Herrera, der kolumbianische Kollege Marianos. »Das Wichtigste ist, dass die Menschen ihre Freiheit benutzen, um glücklicher zu werden, indem sie ihre Lebensqualität und den Zustand der Gesellschaft und der Familie verbessern. Es geht nicht um Schicksal, Gott oder ob ich hier oder dort geboren bin. Ich muss daran arbeiten, zufrieden mit meinem Leben zu sein. Ich muss das Beste von mir geben und die negativen Aspekte überwinden.«

Ich bin glücklich, weil das Leben phantastisch ist. Es gibt so viele Möglichkeiten. Du musst dich auf sie stürzen und sie dir nehmen.

Rob, Arzt, Sydney, Australien

 

Wenn wir wirklich auf unser Leben schauen und es hinterfragen, finden wir alle etwas, das uns glücklich macht. Wir müssen manchmal einfach daran arbeiten, mehr Zeit mit den Dingen zu verbringen, die uns glücklich machen.

Wes, Handwerker, Brandon, Kanada

 

Man wird, was man denkt, wenn man das so sagen darf. Wenn man immer die negativen Seiten sieht, dann wird man auch negativ. Aber kann man selber daran arbeiten? Also ich glaube, ich bin glücklich, weil ich das möchte. Und weil ich dafür arbeite.

Lars, Leiter eines Ingenieurbüros, Åalborg, Dänemark

 

Mein Vater hat immer gesagt, dass es das Ziel des Menschen ist, glücklich zu sein. Man kann es durch Arbeit oder durch Wohltätigkeit erreichen, aber man muss immer versuchen, glücklich zu sein, egal wie.

Juan Sebastián, Ingenieur, Bogotá, Kolumbien

Und auch die Deutschen haben sich entschieden: Erst kommt die Arbeit, dann das Vergnügen. Ohne Fleiß bekommst du keinen Preis, denn schließlich ist das Leben kein Ponyhof. Reichtum, Ruhm und Macht. Danach streben die Deutschen, und dafür werden sie respektiert. Und in den Eigenschaften, die sie dazu benötigen, sind sie Weltmeister: Perfektionismus, Effizienz, Gründlichkeit. Und ja – sie kommen selten zu spät. Im Gegensatz zu den Bewohnern vieler Glücksländer.

Jede Entscheidung führt zu Veränderungen. Sie erinnern sich? Glück ist das Resultat dessen, was wir mit unserem Leben anstellen. Und wer sich dazu entscheidet, glücklich zu sein, der wird seine Haltung zum Leben und seine Prioritäten ändern müssen, wollen und können. Das bedeutet nicht, dass die Deutschen jetzt alle zu spät kommen sollten, denn dann würde unser Gesellschaftssystem kollabieren. Ein wenig mehr Flexibilität und gegenseitiges Verständnis würde aber sicherlich zu etwas mehr persönlichem Freiraum führen. Vielleicht auch zu weniger Effizienz und Perfektion. Ist das schlimm? Für unseren heutigen Ruf sicherlich. Ich glaube aber, dass wir seit dem Sommermärchen 2006 bereits an einer Alternative arbeiten: Deutschland ist fair, offen und gastfreundlich. Einfach zum Gernhaben eben.

Mit Disziplin zum Glück

Glück ist ein Muskel des Körpers, wie Ana María, die Anwältin aus Bogotá, zu Anfang behauptet. Dr. Melanie Davern, die wissenschaftliche Mitarbeiterin in der australischen Glücksliga aus Melbourne, stimmt dem zu: »Geistige Gesundheit ist das Gleiche wie körperliche Gesundheit. Du kannst nicht erwarten, dass du ohne Training einen Marathon gewinnst. Auch für dein Glück musst du dich anstrengen. Dir zum Beispiel eine Auszeit nehmen, dich an kleinen Dingen erfreuen. Oder einfach innehalten, um den Duft einer Rose zu genießen.«

Wie trainieren wir aber neue Lebenshaltungen? Wie arbeitet man am Glück? Das Team des Wissenschaftlers Roy F. Baumeister kam Mitte 2013 zu der Schlussfolgerung, dass Disziplin die Lebenszufriedenheit steigert.[8] Denn man kommt logischerweise seinen eigenen Zielen ein gewaltiges Stück näher, wenn man sich von nichts ablenken lässt. Und das macht glücklich. Disziplin ist in diesem Fall nichts weiter als die Fähigkeit, sich zu merken, was man will. Und sein Leben dementsprechend konsequent zu führen. Der Trick – so fand das Team heraus – ist ganz einfach: Selbstdisziplinierte Menschen sind vielleicht gut im Widerstehen, noch besser sind sie aber darin, ihr Leben so schlau einzurichten, dass sie der Versuchung gar nicht erst begegnen. Auf diese Weise können sie sich besser auf das konzentrieren, was sie wirklich erreichen wollen. Sie kaufen erst gar nicht die Schokolade ein, der sie dann bei jedem Blick in den Küchenschrank widerstehen müssen. Vielleicht schieben sie ihren Einkaufswagen gar nicht erst durch die Süßwarenabteilung. Bleibt nur noch die Kasse. Sie nutzt mit ihren einladenden Leckereien und anderen Dingen, die Sie nicht brauchen, die Erkenntnis, dass Ihre Willenskraft am Ende dieses Supermarkt-Marathons leider am Ende ist. Denn wie unsere körperliche Kraft, ist auch unsere Willenskraft beschränkt. Wenn Sie also vorher schon allen Verlockungen aus dem Weg gegangen sind und keine Willenskraft verbraucht haben, knicken Sie auch am Ende nicht vor den niedlichen kleinen Butterkeksen ein.

Wegschauen, nicht zu viel zu wichtig finden, nicht alles akribisch wissen müssen, vor allem nicht alles Unglück der Welt, das sind einige der Tricks der glücklichen Menschen. Und damit stoßen sie vor allem in Deutschland auf vehementen Widerstand und großes Unverständnis. Wo bleibt denn da der Tiefgang? Wo bleiben die scharfe Intelligenz, das unerschöpfliche Diskussionsvermögen und die ausufernde Kritikfähigkeit? Wir hopsen doch nicht in einer schillernden Seifenblase durch das Leben? Man muss heutzutage informiert sein!

Nur da, wo vor 50