Wolfsbrut - Claudia Praxmayer - E-Book
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Wolfsbrut E-Book

Claudia Praxmayer

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Beschreibung

Die Jäger sind zurück … und werden brutal gejagt: Der mitreißende Thriller „Wolfsbrut“ von Claudia Praxmayer jetzt als eBook bei dotbooks. Ein brutaler Wolfskiller geht in Sachsen um. Die Tiere sind grausam zugerichtet, ihre Köpfe abgetrennt und verschwunden. Die Biologin Lea Winter wird als Sonderermittlerin engagiert: Getarnt als Journalistin, taucht sie in eine Welt voller Vorurteile und Angst ein. Nimmt ein Bauer blutige Rache für den Riss seiner Schafe? Schmückt ein perverser Trophäenjäger seine Wände mit den Wolfsköpfen? Ein junges Mädchen will Lea ein Geheimnis anvertrauen und liegt kurz darauf im Koma, dann kommt der Wolfsbeauftragte des Ortes bei einem ungeklärten Unfall ums Leben. Alles Zufall? Als Lea selbst Ziel massiver Bedrohungen wird, ist klar, dass sie den Täter schnell finden muss – koste es, was es wolle ... Aktuell und packend – ein deutscher Thriller auf internationaler Bühne! Jetzt als eBook kaufen und genießen: „Wolfsbrut“ von Claudia Praxmayer. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 367

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Über dieses Buch:

Ein brutaler Wolfskiller geht in Sachsen um. Die Tiere sind grausam zugerichtet, ihre Köpfe abgetrennt und verschwunden. Die Biologin Lea Winter wird als Sonderermittlerin engagiert: Getarnt als Journalistin, taucht sie in eine Welt voller Vorurteile und Angst ein. Nimmt ein Bauer blutige Rache für den Riss seiner Schafe? Schmückt ein perverser Trophäenjäger seine Wände mit den Wolfsköpfen? Ein junges Mädchen will Lea ein Geheimnis anvertrauen und liegt kurz darauf im Koma, dann kommt der Wolfsbeauftragte des Ortes bei einem ungeklärten Unfall ums Leben. Alles Zufall? Als Lea selbst Ziel massiver Bedrohungen wird, ist klar, dass sie den Täter schnell finden muss – koste es, was es wolle ...

Aktuell und packend – ein deutscher Thriller auf internationaler Bühne!

Über die Autorin:

Claudia Praxmayer ist gebürtige Salzburgerin und hat Biologie studiert. Sie arbeitet in München als selbstständige PR-Beraterin und Autorin mit dem Schwerpunkt Medizin und Naturwissenschaft. Als aktives Mitglied des NABU Deutschland engagiert sie sich seit vielen Jahren ehrenamtlich im Bereich Artenschutz und setzt sich für bedrohte Tierarten ein.

Claudia Praxmayer veröffentlichte bei dotbooks bereits ihre Reihe um Lea Winter mit den Bänden »Spuren aus Eis«, »Wolfsbrut« und »Gefährliche Gier«.

Die Autorin im Internet:

www.praxmayer.de

www.facebook.com/Claudia-Praxmayer-185365548303539

***

Originalausgabe März 2018, August 2022

Copyright © der Originalausgabe 2018 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Redaktion: Dorothée Engel

Titelbildgestaltung: dotbooks GmbH, München, unter Verwendung eines Bildmotivs von Adobe Stock/AB Photography

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (mm)

ISBN 978-3-96148-146-0

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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***

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Claudia Praxmayer

Wolfsbrut

Thriller

dotbooks.

Kapitel 1

Wolf in Sachsen erschossen und geköpft

Dönna – in Sachsen wurde erneut ein verwester Wolfskadaver gefunden. Wie die Polizei mitteilte, wurde das Tier erschossen und sein Kopf abgetrennt. Es handelt sich bereits um den vierten Wolf, der im Laufe dieses Jahres auf diese Weise zu Tode gekommen ist. Bisher konnte kein Täter ausfindig gemacht werden. Die Polizei Bautzen ermittelt wegen des Verstoßes gegen das Artenschutzgesetz und bittet um sachdienliche Hinweise aus der Bevölkerung.

McAllister knallte die Zeitung auf den Tisch.

»Sachdienliche Hinweise aus der Bevölkerung, dass ich nicht lache. Jeder, der in dieser Gegend mit seinem Fifi spazieren geht, ist doch froh, wenn es einen Wolf weniger gibt.«

Lea musste ihm recht geben. Die Anti-Wolf-Bewegung in Sachsen war in den letzten Jahren so beständig gewachsen, wie die Wölfe in diesem Gebiet eingewandert waren. Isegrim hatte sich mit seinen Übergriffen auf die Schafherden dort wenig Freunde gemacht. Nicht einmal Entschädigungszahlungen und Aufklärungskampagnen schienen die Gemüter beruhigen zu können.

»Das ist nicht die einzige Meldung, die ich dir mitgebracht habe. Willst du die anderen auch noch?«

Ian schüttelte den Kopf. »Lese ich später.«

Er schenkte sich noch ein Glas Rotwein ein und verfiel in Schweigen. Lea bereute, dass sie ihm den Zeitungsartikel gegeben hatte. Sie war erst vor ein paar Stunden in London angekommen und hatte sich auf einen schönen Abend mit Ian gefreut. Eine Fernbeziehung zwischen Berlin und London war auch ohne geköpfte Wölfe schon schwierig genug. Aber das hätte sie sich wohl überlegen sollen, bevor sie letzte Woche diesen Werkvertrag unterschrieben hatte: Drei Wochen Wolf-Recherche in Sachsen für die Environmental Crime Unit von Interpol. Sie hatte dafür unbezahlten Urlaub von ihrem Job bei der Wildlife Protection Society genommen. Alles nur, um Ian zu unterstützen. Und jetzt saß ihr Lebensgefährte und Teilzeit-Chef auf der anderen Seite des Tisches und hatte schlechte Laune. So hatte sich Lea ihr gemeinsames London-Wochenende wirklich nicht vorgestellt.

»Hey, sollen wir noch ausgehen? In irgendeine coole Bar?«, versuchte sie, ihn abzulenken.

»Bin heute nicht in der Stimmung. Morgen vielleicht, meine Schöne.«

Er lächelte mechanisch. Aber Lea ließ nicht so schnell locker, stand auf und umrundete den Tisch. Hatte Ian überhaupt schon bemerkt, dass sie sein Lieblingskleid trug? Sie zog den Saum provokant ein Stück höher und setzte sich auf seinen Schoß.

»Na, wie wär’s mit uns beiden?«, gurrte sie, legte ihre Hände um seinen Nacken und lächelte ihn verführerisch an. Noch vor ein paar Wochen hätte er sich nicht lange bitten lassen, sie hochgehoben und ins Schlafzimmer getragen. Oder auf den Küchentresen gesetzt. Oder zum Sofa bugsiert. Der Sex am ersten Tag ihres Wiedersehens war immer der beste. Gierig, zügellos, schweißtreibend. Aber heute sah Ian sie nur aus müden Augen an.

»Sorry, ich habe einen echt harten Tag hinter mir. Mein Chef setzt mir wegen der Wölfe zu. Vor allem jetzt, nachdem ich ihm diesen Werkvertrag für dich aus dem Kreuz geleiert habe. Waterman glaubt nicht an meine Theorie, genauso wenig wie die anderen Kollegen. Ich frage mich nur, warum er den Wisch dann überhaupt unterschrieben hat.«

Lea öffnete die obersten Knöpfe seines Hemdes und ließ ihre Hand über seine nackte Haut wandern.

»Vielleicht würde dich ja eine kleine Nummer ein wenig entspannen?«

Er zog ihre Hand weg. »Lea, bitte …«

Lea sprang auf und zog ihr Kleid wütend wieder ein Stück nach unten.

»Was ist eigentlich los mit dir, Ian? Du bist unglaublich verbissen, seit du an dieser Wolfsgeschichte dran bist. So kenne ich dich gar nicht.« Mit einer schwungvollen Bewegung griff sie nach ihrem Weinglas und nahm einen Schluck.

»Du hast doch keine Ahnung.«

»Dann klär mich auf! Immerhin gehöre ich jetzt zum Team, oder nicht? Oder steckt doch jemand anders hinter deiner schlechten Laune?«

Den letzten Satz hatte sie sich einfach nicht verkneifen können. Bestimmt wäre sie nicht die erste Frau, der bei einer Fernbeziehung plötzlich der Kerl abhandenkommt. Wütend ließ sich Lea auf ihren Sessel plumpsen und fixierte Ian auf der anderen Tischseite. Im Licht der Küchenlampe schimmerten seine Bartstoppeln silbrig, eine tiefe Furche hatte sich zwischen seinen Augenbrauen gebildet.

»Lass den Blödsinn, Lea. Du weißt ganz genau, dass es keine andere Frau gibt. Das ist es doch, worauf du anspielst, oder?«

»Was ist es dann?« Lea bemühte sich, ihre Stimme wieder ruhig und sachlich klingen zu lassen.

»Seit letzter Woche haben wir auch einen Fall hier in England.«

»Seit wann gibt es in England Wölfe?«

»Gibt es nicht. Das Tier ist aus einem Freigehege des Wolf Conservation Centers in Reading verschwunden.«

»Er könnte ausgebrochen sein.«

»Unmöglich. Die Anlage ist besser gesichert als Guantanamo.«

»Es wurde also kein geköpfter Kadaver gefunden?«

Ian schüttelte den Kopf.

»Woher willst du dann wissen, dass dieser Fall denen in den anderen Ländern gleicht?«

»Ich weiß es nicht. Aber allein die Tatsache, dass der Wolf überhaupt aus dem Wolf Conservation Center verschwinden konnte, grenzt an ein Wunder.«

Der gereizte Unterton in Ians Stimme war nicht zu überhören.

»Und wäre ich derjenige, der dieses Wunder bewerkstelligt hat, wäre ich auch nicht so lebensmüde, dem Wolf in einem bewachten Gehege den Kopf abzuschneiden.«

»Okay, ich formuliere es anders: Worauf stützt du deine Annahme, dass dieser Fall Parallelen zu den geköpften Wölfen in Deutschland, Norwegen und Schweden aufweisen könnte?«

Sie provozierte ihn mit Absicht. Er sollte selbst sehen, welche Verbissenheit er an den Tag legte.

»Verdammt, Lea, hör auf! Du klingst beinahe wie meine Kollegen.« Ian schnaubte durch die Nase.

»Zudem gab es zeitnah einen Wolfskadaver in der Gegend um Bautzen – wieder einmal. Meine Intuition sagt mir, dass es zwischen den Fällen einen Zusammenhang gibt.«

Heikles Terrain, Ian hatte nichts außer ein paar Datenpunkten und dem Gefühl, dass hinter den geköpften Wölfen mehr steckte als ein paar fanatische Wolfsgegner. Aber keinen einzigen handfesten Beweis, nicht einmal Indizien. Eine ungewohnte Situation für ihn, den Leiter der Environmental Crime Unit bei Interpol. Ian verfolgte die Vorfälle seit geraumer Zeit – in Schweden waren die geköpften Wölfe vor ungefähr zwei Jahren zum ersten Mal aufgetaucht, danach in Norwegen und später in Deutschland. Oft lagen die Funde in den Ländern zeitlich nahe beisammen.

»Aber in Schweden oder Norwegen gab es dieses Mal keine …«

»Nein. Nur diesen einen Wolf in der Nähe von Bautzen und den verschwundenen Wolf aus dem Gehege«, schnitt er ihr das Wort ab. Lea fand die Faktenlage ein wenig dünn. Aber sie würde sich hüten, diesen Gedanken laut auszusprechen. Ian hatte sich in dieses Thema verbissen wie ein Terrier. Ihr war nur noch nicht klar, warum.

»Und was ist mit der Theorie, die von den Zeitungen immer mal wieder aufgegriffen wird?«

»Die perversen Trophäenjäger?«

»Könnte doch sein. Solche Dinge verbreiten sich in einschlägigen Internet-Foren wie ein Lauffeuer und dann sind auch die Trittbrettfahrer nicht mehr weit. Und irgendwo, in schlecht beleuchteten Kellern oder Jagdzimmern, hängen jetzt Wolfsköpfe. Hübsch präpariert und auf Holz montiert.«

»Daran glaube ich nicht.« Ian stand auf und öffnete den Kühlschrank. »Willst du auch etwas Käse?«

Lea nickte und sah ihm zu, wie er die Käsestücke mit ein paar Weintrauben und Nüssen auf einem Teller drapierte. Er schnitt noch etwas von dem Baguette ab, das sie bereits zum Fisch gegessen hatten, und legte die Scheiben in den Brotkorb. Seine Bewegungen hatten etwas Automatisiertes, als ob er mit den Gedanken weit weg wäre. Lea nagte unruhig an ihrer Unterlippe. Da war sie also wieder, diese unsichtbare Wand, hinter die sich Ian gerne zurückzog. Unnahbar, undurchdringlich, unzugänglich – selbst für Zärtlichkeiten. Ihr Herz wurde schwer, sie ahnte, dass dieses Wochenende nicht auf der Best-Ever-Liste landen würde.

Er stellte einen Teller vor sie hin, goss Rotwein nach und setzte sich wieder ihr gegenüber.

»Wir müssen in den nächsten Wochen Beweise sammeln und Fakten schaffen. Du in Bautzen und ich werde hier mein Glück versuchen. Wird natürlich mein Privatvergnügen sein. Waterman wird nicht zulassen, dass ich eine offizielle Ermittlung durchführe.«

»Wirst du ihn über dein ›Privatvergnügen‹ informieren?«

»Ich schätze schon. Ich will nicht riskieren, dass er es hintenherum erfährt. Das würde die angespannte Situation im Büro nicht unbedingt verbessern.«

Lea dachte daran, wie einfach es ihr Dagmar, ihre Chefin bei der Wildlife Protection Society, gemacht hatte. Die drei Wochen unbezahlten Urlaub hatte sie ohne viel Murren genehmigt. Sie schätzte sich glücklich, für Dagmar und nicht für einen Bürokratenverein wie Interpol zu arbeiten. Ian war nicht zu beneiden. Sie schnitt ein Stück Cheddar ab und ließ es zusammen mit einer Traube in ihrem Mund verschwinden.

»Ian?«

»Hm?«

»Warum ist dir diese Geschichte mit den Wölfen so wichtig?«

Er rückte ein Stück näher an den Tisch, als ob er ihr ein Geheimnis zuflüstern wollte.

»Ich weiß nicht. Vielleicht weil ich das Gefühl habe, dass sich niemand darum kümmert, wenn ich es nicht tue. Ich habe letzte Woche eine Matrix angelegt und alle Fälle der letzten zwei Jahre eingearbeitet. Zumindest jene, von denen wir wissen. Es gibt eindeutige Hinweise auf Clusterbildung. Bestimmte Wochen, in denen fast immer in allen drei Ländern Wölfe verschwanden oder geköpfte Kadaver aufgefunden wurden. Irgendetwas steckt dahinter. Ich spüre es. Und du weißt genauso gut wie ich, dass es da draußen auch Menschen gibt, die denken, dass Nashorn-Pulver die Potenz steigert und Krebs heilt. Oder dass der Besitz eines Stücks vom Schneeleoparden Glück bringt.«

»Worauf spielst du an? Denkst du, dass die Wolfsköpfe Teil eines Kults oder eines kruden Heilglaubens sein könnten? Ich bitte dich, Ian, wir sprechen von Europa …«

»Ich weiß, Voodoo und Ähnliches ist bei uns nicht gerade en vogue, aber es gibt genug seltsame Strömungen in unseren Breiten, von denen wir als normal denkende Menschen nicht einmal träumen. Wären auch ziemliche Albträume, schätze ich.«

Lea dachte für einen Augenblick darüber nach, was Ian eben angedeutet hatte. Schwer zu glauben, dass es in Deutschland, Schweden oder in einem der anderen Länder ein paar Irre geben sollte, die in einem finsteren Ritual Lebewesen opferten. Das wollte und konnte sie sich nicht vorstellen. Trotzdem breitete sich ein mulmiges Gefühl in ihr aus.

»Und, schon mal überprüft, ob deine Cluster zufällig mit Vollmond zusammenfallen?«, versuchte sie die Situation zu entschärfen.

Ian warf ihr einen Blick zu, der jedes Schutzamulett zum Zerspringen gebracht hätte. »Sehr witzig!«

»Ach komm, ich wollte dich nur ein wenig aufheitern. Hast du schon mit deinen Leuten über diese Idee gesprochen?«

Ian schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht. Im Moment versuche ich, sie mit den Fakten, die ich bisher gesammelt habe, zu überzeugen. Aber egal, mit wem ich spreche – Waterman, die Kollegen in Schweden oder Norwegen –, alle winken ab. Zufall, statistisch nicht relevant, zu kleine Fallzahl.«

Lea nahm eine Weintraube, beugte sich über den Tisch und steckte sie Ian in den Mund. Er lächelte – das erste Mal, seit sie sich in diese hitzige Diskussion verstrickt hatten.

»Sie lassen dich also abblitzen. Warum? Was denkst du?«, hakte Lea nach.

»Unsere Environmental Crime Units in Europa sind allesamt klein und notorisch unterbesetzt. Alle stöhnen unter der Arbeitslast. Da geht es den schwedischen Kollegen nicht anders als uns. Einen schwammigen Fall wie die geköpften Wölfe wollen sich alle vom Hals halten. Außerdem haben die Wölfe keine sehr starke Lobby. Leider. In den USA wird sogar offen darüber diskutiert, wieder ganze Rudel abzuschießen.«

Leas Verstimmung löste sich auf wie Zucker in heißem Tee. Ian, der Idealist. All die Jahre, die er in diesem Job arbeitete, hatten ihn nicht desillusionieren können. Klar, dass sie sich in diesen Mann verliebt hatte. Über ein Jahr war das jetzt schon her. Sie nahm das Rotweinglas und prostete Ian zu.

»Na, dann hoffen wir mal, dass wir bei unseren Recherchen endlich belastbares Material zu Tage fördern.«

Kapitel 2

Langsam brach die Dämmerung herein. Gudfar hatte es sich in seinem Ansitz einigermaßen bequem gemacht und sah durch das Fernglas. Sie würden bald kommen, da war er sich sicher. Seit Wochen beobachtete er das Rudel. Er kannte ihre Wege, er kannte ihre Gewohnheiten. Der Rüde war kräftig und elegant, genau in der richtigen Verfassung. Es war an der Zeit, ihn endlich seiner Bestimmung zuzuführen. Als ob sich seine Gedanken manifestiert hätten, stand der Wolf plötzlich am Rande der Lichtung und hob witternd den Kopf.

»Du weißt, dass heute dein Tag gekommen ist, nicht wahr?«, flüsterte Gudfar und lachte lautlos. »Also gut, ich werde dich erlösen.«

Vorsichtig griff er nach seinem Gewehr. Obwohl er ein guter Schütze war, hatte er ein Dämmerungsglas mit Leuchtpunkt-Absehen mitgebracht; sicher war sicher, einen Fehlschuss konnte er sich nicht leisten, alles musste schnell und sauber über die Bühne gehen. Der Wolf trottete gemächlich weiter – er war jetzt keine 80 Meter mehr von seiner Position entfernt. Als das Tier im Fadenkreuz seines Zielfernrohres auftauchte, beschleunigte sich Gudfars Puls und ein Zittern lief durch seinen ganzen Körper. Er versuchte weiter ruhig zu atmen.

Der Wolf hob den Kopf, sah ihm direkt in die Augen und präsentierte seine mächtige Brust.

»Bist du bereit, dein Leben zu geben?«

Der tödliche, rote Punkt lag jetzt direkt über dem Herzen des Tieres. Gudfar krümmte den Finger. Die Wucht des Schusses fegte den prächtigen Rüden von den Läufen, er fiel und blieb regungslos liegen. Der perfekte Schuss, mitten ins Herz. Nur ein paar Sekunden gab sich Gudfar dem warmen Glücksgefühl, das ihn durchströmte, hin. Er wusste, er musste vorsichtig bleiben, es war noch lange nicht vorbei. Er wartete einen Moment, dann suchte er aus seinem gut getarnten Versteck heraus die Umgebung mit dem Fernglas noch einmal ab. Alles blieb ruhig, wie er es erwartet hatte. Er kannte die Leute hier in der Gegend – um diese Uhrzeit tranken sie für gewöhnlich ihr Feierabendbier oder saßen gemütlich beim Essen. In den Wald zog es um die Uhrzeit kaum jemanden – auch wegen der Wölfe. Aber man konnte nie wissen. Gudfar holte die Wildschleppe aus seiner Tasche, schulterte sein Gewehr und machte sich auf den Weg zu seiner Beute. Er schätzte den Rüden auf 40 Kilo. Leichter als die meisten Schwarzkittel, die er bisher geschossen hatte. Trotzdem, ihn mit der Schleppe an einen geeigneten Ort zu ziehen, um ihm in aller Ruhe mit seinem Jagdmesser den Kopf abzutrennen, war ein schönes Stück Arbeit. Aber er tat es für IHN.

Kapitel 3

»Zimmer 302. Ihr Zuhause für die nächsten zwei Wochen«, sagte die freundliche Dame an der Rezeption des Hotels Silberkrug. Ein Schild am Revers ihres Blazers wies sie als Melanie Arndt aus.

»Frühstück gibt es ab 6.30 Uhr und unser Spezialitäten-Restaurant und die Bierstube sind ab 18 Uhr geöffnet.«

Lea lächelte dankbar. Sie war auf ihrer Fahrt nach Bautzen mehr als einmal in einen Stau gerasselt und hatte deutlich länger gebraucht, als das Navi ursprünglich berechnet hatte. Frau Arndt schob ihr den Zimmerschlüssel über den Tresen.

»Sagen Sie, haben Sie von dieser Kundgebung, die heute am Kornmarkt stattfinden soll, gehört?«

»Ach, die Geschichte mit den Wölfen?«

»Genau. Ist das weit von hier?«

Die Dame lächelte nachsichtig. »Sie sind das erste Mal hier bei uns in Bautzen?«

Lea nickte.

»Selbst wenn Sie gemütlich gehen, laufen Sie nicht länger als fünf Minuten.« Sie griff unter den Tresen, holte einen Stadtplan hervor und faltete ihn auf. »Wir sind hier.« Sie zeichnete mit dem Kugelschreiber ein Kreuz ein. »Sie laufen diese Straße entlang, biegen dann in die Reichenstraße und gehen geradeaus, bis Sie die Leute sehen.«

Lea warf einen Blick auf die Uhr. Die Kundgebung würde in etwas mehr als einer Stunde starten. Genug Zeit, um kurz zu duschen und sich umzuziehen. Für Anfang Juni war es ungewöhnlich warm und die Klimaanlage ihres alten Audis taugte bestenfalls als psychologisches Trostpflaster. T-Shirt und Jeans klebten nach der langen Fahrt wie eine zweite Haut an ihr. Sie steckte Schlüssel und Stadtplan in ihre Handtasche und zog ihren Koffer zum Lift. Dritter Stock.

Das Zimmer war einfach, sauber und dank der dicken Wände des alten Hauses angenehm kühl. Lea wuchtete ihren Koffer auf die Ablage, schälte sich aus den verschwitzten Klamotten und stellte sich unter die Dusche. Besser! Das monotone Rauschen des Wassers machte sie müde. Sie war heute Morgen sehr früh aufgestanden, um rechtzeitig zu dieser Anti-Wolf-Demo zu kommen. Jetzt forderte ihr Körper den mangelnden Schlaf ein. Lea beschloss, auf dem Weg zum Kornmarkt noch in einen doppelten Espresso als Erste-Hilfe-Maßnahme zu investieren. Sie schlüpfte in ihr khakifarbenes Sommerkleid und bereitete sich mental darauf vor, auf dem Kornmarkt dem einen oder anderen Wolfshasser zu begegnen. Das Spiel konnte beginnen! Ab jetzt war sie Lea Winter, die Biologin, die ein Buch über die Wölfe in Deutschland schrieb. Sogar ein Notizbuch hatte sie gekauft und ein Aufnahmegerät für »Interviews« lag im Koffer bereit. Wenn schon Tarnung, dann richtig. Langsam fand sie Gefallen daran, für zwei Wochen in eine andere Rolle zu schlüpfen. Ein Blick in den Spiegel – eine Strähne ihrer kurzen, dunklen Haare stand widerspenstig vom Hinterkopf ab. Gerade als sie dem bockigen Haarbüschel mit Wasser und Haargel zu Leibe rückte, klingelte ihr Handy.

»Na, Frau Autorin, gut angekommen? Schon dem ersten Wolfskiller über die Füße gefallen?«

Ian und sein britischer Humor.

»Bis jetzt nicht, aber ich bin auf dem Sprung zu dieser Kundgebung, von der ich dir erzählt habe.«

»Sehr gut! Da hast du bestimmt gleich den richtigen Einstieg. Mach unauffällig ein paar Fotos und versuche, mit den relevanten Leuten Kontakt aufzunehmen.«

»Danke für den Tipp, Chef! Da wäre ich von allein bestimmt nicht drauf gekommen.«

»Bist eben ein schlaues Mädchen. Also, dann viel Glück. Und schick mir danach ein kurzes Memo.«

»Im Ernst?«

»Lea, wir hatten doch schon darüber gesprochen. Nur ein paar Stichpunkte, die wichtigsten Namen, ein paar Fotos …«

»Ich weiß, der Vertrag. Gib mir etwas Zeit, mich an eure Bürokratie zu gewöhnen.«

Das Telefonat hallte noch in ihr nach, als sie aus der Tür des Hotels trat. Bestimmt gab es bei der Environmental Crime Unit Formatvorlagen für Memos. Blassgelb oder rosa Hintergrund. Im Vergleich dazu hielt sich die Bürokratie in ihrem Job als Projektleiterin in einer Naturschutzorganisation noch einigermaßen in Grenzen.

Lea blieb vor dem Hotel stehen und atmete tief ein.

Das Szenario hätte von einem der alten Meister stammen können. Der Himmel, der sich wie ein blaues Tuch über die pittoreske Altstadt von Bautzen spannte, liebevoll sanierte Häuser in Pastellfarben, abgeschliffenes Kopfsteinpflaster, das matt in der Sonne schimmerte. Wie kam es, dass Lea noch nie zuvor in dieser hübschen Kleinstadt gewesen war? Hatte sie sich unbewusst von der Stasi-Geschichte abschrecken lassen? Bautzen II, der »Stasi-Knast« mit seinem menschenverachtenden System. Nein, es waren für sie wohl eher die jüngsten Zeitungsartikel über die rechte Szene, die Bautzen für sie nicht unbedingt attraktiv gemacht hatten.

»Du Arme, ausgerechnet Bautzen«, war der Standardkommentar ihrer Freunde gewesen, als sie von ihrem Projekt erzählt hatte. Hier, mitten auf dem Hauptmarkt, konnte sie das nicht mehr verstehen. Natürlich war das, was sie auf den ersten Blick sah, nur die auf Hochglanz polierte Oberfläche. Aber für gewöhnlich hatte sie feine Antennen für negative Schwingungen und im Moment war davon nichts zu spüren. Aber wer weiß, vielleicht würde sie ihre Meinung schnell ändern, sobald sie auf dem Kornmarkt war. Lea schlenderte durch die Reichenstraße, wie ihr die Rezeptionistin empfohlen hatte. Am Ende der Gasse ragte ein Turm auf. Selbst mit bloßem Auge war die beeindruckende Schieflage des alten Gebäudes zu erkennen. Dahinter befand sich laut Stadtplan der Kornmarkt. Schnell stürzte sie in einem der Cafés noch einen Espresso hinunter, dann fühlte sie sich für ihren ersten Einsatz gerüstet.

SOS – Schäfer ohne Schafe! Die blutroten Buchstaben auf dem Schild sprangen Lea förmlich an. Hatte sie wirklich geglaubt, dass nur ein paar Menschen zu dieser Kundgebung kommen würden? Sie versuchte sich einen ersten Überblick zu verschaffen. An der Häuserfront war eine provisorische Bühne aus Europaletten aufgebaut worden. Darauf stand ein korpulenter Mann und gestikulierte zornig. Seine Stimme hallte über die Köpfe der Menschenmenge hinweg.

»Uns reicht’s! Wie viele Schafe sollen wir noch verlieren, bis unsere Politiker endlich etwas unternehmen? Die Wölfe sind eine Gefahr. Für unsere Tiere und für uns!«, brüllte er in das Mikro. Um ihn herum hatten sich an die 200 Menschen versammelt. Einige von ihnen hielten Fotos in der Hand. Lea schielte der Frau vor ihr über die Schulter und für einen kurzen Augenblick stockte ihr der Atem. Auf dem Bild, das in einer Klarsichthülle steckte, waren zwei Schafskadaver zu sehen –ausgeweidet und zerfetzt.

»Kein schöner Anblick, nicht wahr?«

Lea zuckte zusammen. »Nein, kann man nicht behaupten«, gab sie zurück.

Der gut aussehende Mann, der sie von der Seite angesprochen hatte, lächelte. »Halten Sie auch Schafe?«, fragte er.

»Nein. Und Sie?«

»Nein. Bin aus reiner Neugierde hier. Wollte mal hören, was unser Großbauer zu sagen hat.«

»Großbauer?«

»Na, Gerd Petersen, der da vorn auf der Bühne wütet und der auch diese Kundgebung organisiert hat. Sind Sie …?«, weiter kam der Mann nicht. Eine untersetzte Frau stürmte auf ihn zu.

»Gut, dass ich dich treffe, Martin. Ich muss dringend mit dir reden.« Resolut hakte sie sich bei ihm unter und zog ihn weg. Lea grinste, als sie das ungleiche Paar davonziehen sah. Die Frau reichte ihm gerade einmal bis zur Brust und hing wie ein nasser Sack an seinem Arm. Bevor die beiden in die Menschenmenge eintauchten, drehte sich der Mann noch einmal zu ihr um und lächelte entschuldigend. Nett, dachte Lea und wandte sich wieder Petersen zu, der gerade einen Schäfer zu sich auf die provisorische Bühne holte. Der Mann trug einen Hut, einen langen, blauen Mantel und hielt einen Schäferstab in der Hand. Sie sah sich um und stellte fest, dass der Schäfer auf der Bühne nicht der Einzige war, der sich für die Kundgebung in Schale geworfen hatte.

»… Missstände im Wolfsmanagement!«, tönte Petersen. Sofort richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Bühne.

»Mehr als 70 Schafe wurden in den letzten Monaten im Einzugsgebiet des Rebenberg-Rudels gerissen! Wir müssen dafür sorgen, dass unsere Politiker endlich beim Umweltministerium einen Antrag auf Entnahme des Rudels stellen!«

Applaus, zustimmendes Gemurmel. Petersen reckte das Kinn kämpferisch nach vorn. Entnahme! Lea schnaubte wütend durch die Nase bei so viel Verharmlosung. Warum nannte er das Kind nicht beim Namen? Abschuss – das wäre die korrekte Bezeichnung. Der Abschuss eines kompletten Wolfsrudels. Wenn sie sich das Gerede hier so anhörte, kamen ihr Zweifel an Ians Theorie. Vielleicht gingen die geköpften Wölfe doch auf das Konto der Anti-Wolf-Bewegung. Aufgebrachte Bürger, angeheizt von einem Scharfmacher wie Petersen. In der Presse war mehrmals von einer »Demonstration« die Rede gewesen. Die geköpften Kadaver waren oft auf einem Feldweg abgelegt worden, als ob jemand sagen wollte: Schaut her, was wir mit den Wölfen machen, wenn sie nicht verschwinden …

Die Dame mit den Horror-Bildern drehte sich zu Lea um. Sie hatte feuchte Augen.

»Es wird wirklich Zeit. Die Biester sind jetzt zum zweiten Mal auf meiner Weide gewesen.«

Mit wem sprach die Frau? Lea sah sich um, konnte aber niemanden entdecken, der außer ihr als Gesprächspartner in Frage kam.

»Haben mir zwölf Schafe gerissen; drei davon trächtig. Und das, obwohl ich einen Elektrozaun gezogen hatte. Was soll ich denn noch tun? Die Kosten fressen mich langsam auf.«

Sie hielt Lea die Bilder unter die Nase. Warum hatte die Frau ausgerechnet sie ausgewählt? Aber als sie in die vom Weinen geröteten Augen blickte, wurde Lea klar, dass es jeden hätte treffen können. Die Frau hatte Redebedarf, sie wollte einfach jemandem ihr Leid klagen. Lea versuchte sich vorzustellen, was in der Frau vorgegangen sein mochte, als sie ihre toten, zerfetzten Schafe auf der Weide gefunden hatte.

Lea tippte mit dem Finger auf die Klarsichthülle. »Wo ist das passiert?«

»In Dönna. Nur ein paar Kilometer östlich von hier.«

»Das tut mir wirklich sehr leid. Haben Sie denn wenigstens eine Entschädigung bekommen?«

»Pah! Die haben gesagt, mein Zaun sei nicht hoch genug. Die Einzigen, die bis jetzt geholfen haben, waren diese Wolfsfreunde.«

Lea tätschelte ihre Schulter. »Na, das ist doch ein Anfang.«

»Mir wäre es lieber, wenn diese Scheißviecher endlich weg wären. Es ist nix Romantisches an den Wölfen, auch wenn ihr Stadtmenschen«, sie maß Lea mit einem abschätzigen Blick, »das nicht sehen wollt. Redet sich leicht, wenn man nicht betroffen ist. Wir können uns diese Form von Romantik jedenfalls nicht leisten.«

Die Breitseite traf Lea unvorbereitet. »Da haben Sie vielleicht recht«, lenkte sie ein, um die Wut der Frau etwas aufzufangen. Argumentieren wäre sinnlos gewesen. Lea wusste um die schwierige Situation. Manche Schafhalter hatte es schwer getroffen, sie mussten aufrüsten; mit hohen Elektrozäunen und im Idealfall mit einem speziell ausgebildeten Hütehund. Derartige Schutzmaßnahmen waren teuer und viele der Betroffenen betrieben die Schäferei nur im Nebenerwerb oder als Hobby. Viel Geld war da nicht drin.

Nein, es war bestimmt nicht einfach, aber in anderen Ländern wie Polen oder Rumänien funktionierte die Koexistenz mit den Wölfen ohne Probleme. Es musste doch auch in Deutschland einen Weg geben, mit den großen Beutegreifern zu leben. Sie gehörten hierher. Lea registrierte, dass Gerd Petersen zu reden aufgehört hatte.

»Entschuldigen Sie mich bitte, aber ich muss weiter«, wandte sie sich an die Frau und schob sich durch die Menge ein Stück weiter nach vorn. Die provisorische Bühne war inzwischen leer, davor hatten sich Grüppchen gebildet, die angeregt diskutierten. Lea erspähte Petersen, in ein Gespräch mit einem Schäfer vertieft. Sie pirschte sich näher an ihn heran und wartete ab.

Als der Schäfer einen Anruf auf dem Handy entgegennahm, nutzte sie ihre Chance. »Herr Petersen? Entschuldigung, hätten Sie eine Minute Zeit für mich?« Sie lächelte freundlich.

Petersens feistes Gesicht nahm einen misstrauischen Ausdruck an. »Sind Sie Journalistin?«

»Nicht ganz. Mein Name ist Lea Winter und ich schreibe ein Buch über Wölfe.«

Lea hielt ihm die Hand hin, aber Petersen ignorierte die Geste.

»Ah! Dann sind Sie bestimmt eine von denen, die es ganz toll finden, dass es endlich wieder Wölfe hier gibt, nicht wahr?«

»Ich bemühe mich um eine sachliche Darstellung, wenn Sie das meinen.«

»Sachlich. Dass ich nicht lache. Bleiben Sie mir bloß weg. Leute wie Sie brauchen wir hier nicht. Wir haben auch so schon genug Ärger.«

Lea atmete tief durch. Petersen machte es ihr wirklich nicht leicht.

»Dann reden Sie doch mit mir und schildern mir Ihre Sichtweise. Ich lerne immer gerne dazu.«

»Damit Sie mir dann in Ihrem Buch das Wort im Mund umdrehen können? Für wie blöd halten Sie mich? Ich kenne euch Journalisten in- und auswendig, und ich mag euch nicht.«

»Sie sind aber sehr abweisend. Haben Sie etwas zu verbergen?«

Eine Antwort blieb er ihr schuldig. Ohne Lea noch eines Blickes zu würdigen, drehte er sich um und ging zurück zu dem Schäfer, mit dem er zuvor gesprochen hatte.

»So einfach werden Sie mich nicht los!«, rief Lea ihm wütend hinterher.

Na wunderbar, das war ja wirklich gut gelaufen. Warum hatte sie nicht einfach ihre Klappe gehalten? Nicht sehr wahrscheinlich, dass Petersen nach dieser Aktion noch einmal freiwillig mit ihr sprechen würde.

Eine Stimme riss sie aus den Gedanken. »Machen Sie sich nichts draus, Petersen isst wahrscheinlich auch kleine Kinder zum Frühstück.« Ein sympathisch wirkender Mann stand neben ihr und streckte ihr die Hand hin. »Ich bin Kai Weber und leite das Wolfsbüro hier. Ich habe zufällig Ihr Gespräch mit angehört.«

Lea atmete tief durch. Es gab auf dieser Kundgebung also doch auch ein paar normale Menschen.

»Sie schreiben ein Buch über unsere Wölfe hier?«

»Über Wölfe in Deutschland. Das ist zumindest der Plan. Ich muss allerdings zugeben, dass ich noch ganz am Anfang meiner Recherchen stehe.«

»Da haben Sie sich aber einen guten Auftakt ausgesucht. Das hier«, er machte eine ausladende Handbewegung, »zeigt unsere Situation wie unter einem Brennglas.« Er strich sich die blonden Haare aus dem Gesicht. Die Geste ließ ihn jungenhaft wirken, obwohl er vermutlich in Leas Alter war.

»Ist Petersen denn der Kopf dieser Geschichte hier?«

»Ja. Er hat die Anti-Wolf-Bewegung auf die Beine gestellt. Kein einfacher Zeitgenosse, der Mann.«

»Scheint mir auch so. Sagen Sie, hätten Sie in den nächsten Tagen Zeit für ein Gespräch? Ich habe nämlich eine Liste mit Interviewpartnern zusammengestellt und Sie als Wolfsbeauftragter stehen da natürlich ganz weit oben.«

Kai Weber öffnete die Mappe, die er bisher unter seinen Arm geklemmt hatte, und fischte eine Visitenkarte heraus. »Klar, gerne. Jetzt muss ich mich aber erst ein wenig um meine Freunde hier kümmern. Kommen Sie mich in den nächsten Tagen in meinem Büro besuchen, dann können wir in aller Ruhe reden. Sie haben ein Auto, oder?«

»Ein Auto und sogar ein Klappfahrrad.«

»Wunderbar. Der Radweg zu uns ist wirklich schön. Rufen Sie mich vorher an, dann kriegen wir das bestimmt hin.«

Ian klopfte an Watermans Tür und betrat das Büro, ohne auf eine Aufforderung zu warten. Sein Chef saß am Schreibtisch und las. Der Blick, den er ihm über den Rand seiner Brille zuwarf, wirkte genervt.

»Ian! Kommen Sie doch rein.«

McAllister schmunzelte. Über die Jahre war ein Spiel daraus geworden. Ian, immer zu ungeduldig, um draußen zu warten, Waterman, ein Verfechter der guten Manieren. Klassische Antipoden. Bisher waren sie trotzdem immer gut miteinander ausgekommen, doch seit ein paar Wochen hatte Ian ein Störgefühl. Es war mit den Wölfen gekommen, zumindest meinte Ian, es daran festmachen zu können. Wenn er sich Waterman jetzt so ansah, war er sich da nicht mehr so sicher. Das Gesicht seines Chefs war fahl, seine sonst so energische Haltung hatte an Spannung verloren. Er wirkte, als ob jemand seinen Lebenssaft abzapfen würde. Ob ihm der Ruhestand, der nächstes Jahr auf ihn zukam, zu schaffen machte? Andererseits: Man würde Waterman, den verdienstvollen Polizisten, sicherlich mit einer repräsentativen Aufgabe betrauen, schließlich waren seine Kontakte in die Regierungskreise exzellent. Was hatte er also für ein Problem?

»Ich habe nicht viel Zeit. Was gibt es, Ian?«

Der Eindruck von eben verflüchtigte sich, als Waterman ihn herausfordernd ansah.

»Es geht um die Wölfe.«

Waterman verdrehte die Augen. »Ihre Obsession. Ich habe wider besseres Wissen diesen Werkvertrag unterschrieben. Aus reiner Wertschätzung Ihnen gegenüber. Mehr können Sie wirklich nicht von mir verlangen, Ian.«

McAllister spürte, dass er jetzt Kreide fressen musste, wollte er weiterkommen. »Ich weiß, und ich bin Ihnen für Ihr Vertrauen auch sehr dankbar. Ich wollte Sie nur über ein paar Dinge informieren.«

Waterman wirkte plötzlich hellwach. »So? Gibt es schon erste Ergebnisse aus Deutschland?«

Ian schüttelte den Kopf. »Nein, Frau Winter startet erst diese Woche. Aber ich wollte Ihnen mitteilen, dass ich mich auch hier ein wenig in Sachen Wölfe umhören werde. Selbstverständlich privat. Ich dachte, Sie sollten das wissen.«

Waterman nahm die Brille ab und rieb sich die Augen. »Weil dieser Wolf in Reading aus dem Gehege verschwunden ist? Haben Sie nicht genug andere Arbeit auf dem Tisch?« Seine Stimme klang gereizt.

»Nachdem ich das in meiner Freizeit tun werde, wird es meine Arbeit für die Unit nicht beeinträchtigen.«

»Nennen Sie mir einen vernünftigen Grund, warum Sie diesen Aufwand betreiben wollen.«

»Weil in diesem Wolf Conservation Center nicht nur ein Wolf verschwunden, sondern auch ein Wachmann ums Leben gekommen ist.«

Der Blick, mit dem Waterman ihn bedachte, war der eines Vaters, der seinem Sohn sein Missfallen demonstrieren will. Darin hat er schließlich eine Menge Übung, dachte McAllister. Ian wusste von Watermans Schwierigkeiten mit Liam, dem aufmüpfigen Junior. Der lieferte sich gerne Prügeleien, bevorzugt mit Immigranten, und stand immer wieder mal im Verdacht, mit Drogen zu dealen. Nichts, womit sich ein Polizeichef gerne brüstete.

»Ich dachte, die Gerichtsmedizin ging bei dem Wachmann von einem Unfall aus?«

»Das ist korrekt. Er soll bei einem seiner nächtlichen Rundgänge gestürzt und unglücklich gefallen sein. Aber ausgerechnet in der Nacht, in der ein Wolf verschwindet? Ich weiß nicht, mir persönlich ist das ein wenig zu viel Zufall.«

»Das heißt, Sie zweifeln die Kompetenz unserer Kollegen und der Gerichtsmedizin an?«

Wenn Waterman leise wurde, musste man auf der Hut sein. Ian schaltete einen Gang zurück.

»Keineswegs. Aber die Bewertung von Ergebnissen hängt auch immer von der Perspektive des Betrachters ab.«

»Sie erzählen mir also, dass Sie eine andere Perspektive auf die Vorfälle in Reading einnehmen als die Kollegen?«

»Möglicherweise.« Ian beschloss, einen Versuchsballon steigen zu lassen. »Was, Tom, wenn es da draußen irgendeine kranke Szene gibt, für die das Köpfen eines Wolfes eine Mutprobe oder eine Art perverses Aufnahmeritual ist?«

Waterman keuchte und Ian stellte konsterniert fest, dass sein Chef versuchte, einen Lachanfall zu unterdrücken.

»Jetzt geht Ihre Fantasie aber mit Ihnen durch, finden Sie nicht?«

Reglos fixierte Ian seinen Chef. Er würde ihm nicht den Gefallen tun, seinen Unmut über diesen Kommentar zur Schau zu stellen. »Wie auch immer. Wie gesagt, ich wollte Sie nur darüber informieren, dass ich mich in meiner Freizeit ein wenig umhören werde.«

»Wenn Sie keine anderen Hobbys haben … Tun Sie, was Sie nicht lassen können, aber halten Sie mich darüber auf dem Laufenden. Verstanden?«

Waterman sah auf die Uhr und setzte die Brille wieder auf. »Und jetzt muss ich mich wirklich auf meinen Vortrag vorbereiten.«

Auf dem Weg zurück in sein Büro hatte Ian Mühe, seine Gefühle zu sortieren. Niemand schien seine Arbeitshypothese, das mögliche Big Picture, in Betracht zu ziehen. Nicht einmal bei Lea war er sich da zu hundert Prozent sicher. Trotzdem irritierte ihn Watermans Ignoranz. Er hatte seinen Chef für einen kritischen Geist gehalten. Hinterfragen und abwegige Theorien zumindest in Betracht zu ziehen, war immer explizit gewünscht gewesen. Hatten ihn die vielen Dienstjahre müde gemacht?

Kapitel 4

Gudfar stellte sicher, dass ihm niemand gefolgt war, dann öffnete er den Kofferraum und hob den in eine alte Decke gewickelten Wolfskopf heraus. Dunkle Flecken hatten die Wolle an einigen Stellen verklebt. So viel Blut – verschenktes Blut. Er nahm sich vor, beim nächsten Mal eine Plastikplane zu verwenden. Vorsichtig trug er den Kopf zum Haus, schloss die Tür auf und stieg die Treppe in den Keller hinab. Eigentlich hatte Gudfar damit bis morgen warten wollen, aber die ungewöhnlich hohen Temperaturen erlaubten keinen Aufschub. Schon jetzt meinte er einen strengen Geruch wahrzunehmen, der dem Bündel entwich. Es waren noch ein paar Tage bis zur Zeremonie am Dienstag, seinem Tag. Wie gut, dass er vorgesorgt hatte. Das Brummen der Tiefkühltruhe riss ihn aus den Gedanken. Er schlug die Decke auseinander und konnte dem Impuls nicht widerstehen, das weiche Fell zu liebkosen. Ob der Wolf im Augenblick seines Todes gespürt hatte, welch wichtige Aufgabe ihn erwartete? Ein unwürdiges Tier, das ein würdiges Ende finden würde. Sie, SEINE Söhne, würden es ihm bereiten. Ihm, dem Sohn des Fenris. Er nahm eine Plastiktüte und ein Stück Holz aus seiner Umhängetasche. Langsam zog Gudfar die Lefzen des Wolfs nach oben und zwang das Gebiss auseinander; so lange, bis er dem Tier das Holzstück zwischen die Zähne schieben konnte. Das sollte reichen. Er lächelte. Jetzt sah er aus wie ein großer Hund, der mit einem Stöckchen spielte. Der Schädel wirkte jetzt noch gewaltiger, nur mit Mühe gelang es Gudfar, die Plastiktüte darüberzuziehen.

Vier Neue würden sie an SEINEM Tag, dem Dienstag, aufnehmen. Vier Neue, die den Bund stärken würden. Sie wuchsen langsam, aber beständig. Schon jetzt konnte er die wachsende Kraft des Bundes spüren. Und das war erst der Anfang. Gudfar hob den Wolfskopf in die Kühltruhe, verriegelte sie mit einem Vorhängeschloss und verließ das Haus.

Kapitel 5

Melanie Arndt war also Rezeptionistin und Restaurantleiterin in Personalunion. Lea überschlug, wie viele Stunden sie täglich schuftete, und war sicher, dass jede Gewerkschaft bei der Anzahl ihrer Arbeitsstunden aufjaulen würde.

»Sie sind ja immer noch hier.«

Die Frau lächelte. »So ist das eben, wenn man ein Hotel besitzt. Aber es macht mir Spaß, sonst hätte ich den Laden längst verkauft.«

Sie führte Lea durch das gut besetzte Restaurant und wies ihr einen Tisch an einem Fenster zu.

»Ich habe Ihnen ein schönes Plätzchen reserviert. Ist der Tisch in Ordnung für Sie?«

»Ganz wunderbar, danke!«

Lea ließ sich müde auf die Bank fallen und starrte aus dem Fenster. Regen prasselte gegen die Fensterscheibe und ließ die Altstadt vor ihren Augen verschwimmen. Der warme Tag hatte sich mit Gewitter und Starkregen verabschiedet. Wie passend, dachte sie und beschloss, ihre Nerven mit einem Pils zu beruhigen. Nach dem Telefonat mit Ian hatte sie das bitter nötig. Schon allein der Gedanke an das Gespräch ließ ihren Blutdruck wieder in den roten Bereich steigen. Sie so abzukanzeln! Als sei sie ein kleines Schulmädchen. Die Kellnerin brachte die Speisekarte und das Bier. Lea nahm einen großen Schluck und beobachtete die kleinen Rinnsale, die sich auf der Fensterscheibe ihren Weg nach unten bahnten. Dieser ganze Zirkus, nur weil sie es gewagt hatte, seine Theorie anzuzweifeln. Idiotisch.

»Ich würde dich bitten, vorschnelle Schlussfolgerungen zu unterlassen.«

Der hatte sie doch nicht mehr alle. Nur, weil sie sich nach den Erlebnissen auf der Kundgebung eine eigene Meinung erlaubte? Anders als Ian konnte sie sich nach dem heutigen Tag sehr wohl vorstellen, dass Petersen und seine Anhänger bei den geköpften Wölfen ihre Finger im Spiel hatten.

»Objektivität hat in unserem Job oberste Priorität, Lea …«

Oberlehrerhaft. Trotzdem hatte sie einen zweiten Anlauf gewagt.

»Vielleicht irren wir uns, Ian. Du hättest die Leute auf der Kundgebung hören sollen, dann würdest du vielleicht meine Meinung teilen. Hier ist richtig Druck auf dem Kessel. Diesem Petersen traue ich zu, dass er selbst in den Wald geht und Wölfe abknallt. Vielleicht ist die Sache ausnahmsweise ganz einfach.«

»Lea, bitte …« Die beiden Worte hallten immer noch in ihren Ohren nach. Er hatte ziemlich entnervt gewirkt.

»Haben Sie schon etwas ausgewählt?«

Die Kellnerin stand mit gezücktem Block vor ihr und sah sie erwartungsvoll an.

»Was würden Sie mir empfehlen?«

»Nun ja, wir sind bekannt für unsere Spezialitäten aus der Oberlausitz, Polen und Tschechien und …«

»Okay, anders gefragt: Was würden Sie denn bei so einem Sauwetter essen?«

»Teichelmauke.«

»Ist das Karpfen?«

Die Kellnerin brach in schallendes Gelächter aus. »I wo! Gekochtes Rindfleisch mit Kartoffelbrei und Sauerkraut.«

»Gut, dann einmal Teichelmauke und noch ein Pils.«

»Darf es auch eine Vorspeise sein?«

Lea winkte ab. Teichelmauke klang, als ob ihr Magen einiges zu tun bekäme. Die Kellnerin nickte und verschwand Richtung Küche.

»Teichelmauke – eine gute Wahl!«

Lea drehte sich um. Am Tisch hinter ihr saß der gut aussehende Mann, der sie heute bei der Kundgebung angesprochen hatte und dann so resolut von einer Frau weggeführt worden war. Er prostete ihr zu.

»Dann habe ich wohl Glück gehabt. Wo haben Sie denn Ihre Begleiterin gelassen?«

Seine Augenbrauen wanderten nach oben. »Warum interessiert Sie das?«

Lea registrierte den belustigten Zug um seine Lippen. Sie hätte rot werden können, aber der Alkohol im Blut sorgte dafür, dass sie ihn anlächelte.

»Weil ich bedauert habe, dass sie unser Gespräch unterbrochen hat.«

Der Satz war ihr einfach über die Lippen gerutscht. Erstaunt stellte sie fest, dass er der Wahrheit entsprach. »Und jetzt hat uns der Zufall wieder zusammengeführt. Wenn das nicht Schicksal ist.«

Ein Strahlen erschien auf seinem Gesicht, warm und herzlich, und Lea hatte für einen kurzen Moment das Gefühl, diesen Mann zu kennen.

»Stört es Sie, wenn ich mich zu Ihnen setze? Dann könnten wir unser Gespräch fortsetzen.«

Lea machte eine einladende Geste mit der Hand. »Gerne.«

Sie beobachtete ihn dabei, wie er Besteck, Serviette und Bierglas nahm und sich von der Bank erhob. Er war ein wahrer Riese, in seinen Händen wirkte alles wie Spielzeug. Trotzdem bewegte er sich geschmeidig und elegant.

»Also, dann fangen wir doch einfach noch einmal von vorn an. Ich bin Martin.«

Er streckte ihr seine Pranke entgegen. Leas Hand verschwand fast vollständig darin. Sein Händedruck war vorsichtig, fast so, als ob er Angst hätte, ihr wehzutun.

»Lea. Freut mich.«

Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und lächelte. »Also, Lea, wenn du keine Schafe hältst, was hat dich dann heute Nachmittag auf den Kornmarkt getrieben? Oder bist du zufällig in die Kundgebung hineingestolpert?«

Ohne viel Aufsehen war er zum »Du« übergegangen. Es störte Lea nicht. Im Gegenteil, seine direkte Art gefiel ihr.

»Nein, kein Zufall. Ich bin aus Recherchegründen hier.«

Lea meinte, eine Mischung aus Neugierde und Vorsicht in seinem Gesichtsausdruck auszumachen.

»Interessant. Was für eine Art Recherche ist das?«

Lea lehnte sich zurück und taxierte ihn. Suchte Martin nur nach einer Gesprächseröffnung oder interessierte ihn wirklich, was sie tat?

»Erst du. Warum warst du auf der Kundgebung? Du scheinst ja dort einige Menschen gekannt zu haben.«

»Das ist nicht schwer. Schließlich bin ich in Bautzen aufgewachsen und außerdem im Jagdverband aktiv.«

Lea zuckte innerlich zusammen. Ausgerechnet!

»Du bist Jäger? Das ist interessant. Wie stehst du denn zu den Wölfen?«

»Nein, nein, so läuft das nicht.« Er lächelte sie spitzbübisch an. »Du eine Frage, ich eine Frage. Oder habe ich das Spiel falsch verstanden?«

Lea wollte gerade etwas sagen, aber genau in diesem Moment näherte sich die Kellnerin mit zwei Tellern.

»So, einmal Teichelmauke, einmal Krautwickel. Guten Appetit!«

Lea starrte auf das, was da vor ihr dampfend auf dem Tisch stand. Ein riesiger Teller, in der Mitte gewürfeltes Rindfleisch, umkränzt von Sauerkraut und Kartoffelbrei.

»Oh mein Gott! Ich hätte wohl besser den Kinderteller bestellen sollen.«

»Das schaffst du schon! Guten Appetit.«

Martin griff zum Besteck und stach beherzt in seinen Krautwickel. Eine Weile aßen sie schweigend. Lea musste zugeben, dass Teichelmauke besser schmeckte, als es aussah.

»Okay, ich bin dran mit Fragen. Recherche. Welches Thema?«, nahm Martin den Gesprächsfaden wieder auf.

Lea schaufelte etwas Kartoffelbrei auf ihre Gabel und antwortete, ohne aufzusehen: »Wölfe. Ich schreibe ein Buch über Wölfe in Deutschland.«

»Wirklich? Spannend. Ich habe noch nie eine Schriftstellerin kennengelernt.«

»Jetzt bin ich dran. Also: Wie stehst du als Jäger zu den Wölfen?«