Worst Best Friends - Liebe ändert alles - Dyan Sheldon - E-Book

Worst Best Friends - Liebe ändert alles E-Book

Dyan Sheldon

0,0
10,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Gracie und Savanna sind beste Freundinnen, obwohl sie völlig unterschiedlich sind. Savanna ist hübsch, extrovertiert und hat eine unwiderstehliche Wirkung auf Jungs. Gracie ist schüchtern und nicht gerade erfahren was Jungs betrifft. Gemeinsam sind die beiden ein starkes Team und es scheint, als könne sie nichts auseinanderbringen. Doch langsam beginnt Gracie Savannas Handlungen zu hinterfragen. Die benutzt nämlich gerne Notlügen und manipuliert andere, wenn es ihr nützt. Ist Savanna vielleicht gar nicht so großartig und selbstbewusst, wie es den Anschein hat? Als Gracie einen Jungen trifft, den sie wirklich mag, wird die Freundschaft der beiden auf eine harte Probe gestellt …

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Vollständige eBook-Ausgabe der Hardcoverausgabe

bloomoon, München 2016

Copyright © 2010 Dyan Sheldon

Published by arrangement with Walker Books Limited, London SE11 5HJ.

All rights reserved. No part of this book may be reproduced, transmitted, broadcast or stored in an information retrieval system in any form or by any means, graphic, electronic or mechanical, including photocopying, taping and recording, without prior written permission from the publisher.

Titel der Originalausgabe: My Worst Best Friend

© 2016 arsEdition GmbH, Friedrichstr. 9, 80801 München

Alle Rechte vorbehalten

Text: Dyan Sheldon

Aus dem Englischen von Anne Braun

Umschlaggestaltung: Grafisches Atelier arsEdition unter Verwendung von Bildmaterial von © Thinkstock/​GettyImages

Umsetzung eBook: Zeilenwert GmbH

ISBN eBook 978-3-8458-1806-1

ISBN Printausgabe 978-3-8458-1429-2

www.bloomoon-verlag.de

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Widmung

Früher

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

DANACH

Weitere Titel

Leseprobe zu "Goddess of poison"

Für Chiqui und Judy

Früher

Damals in der Highschool dachte ich, dass es genau genommen nur zwei Arten von Mädchen gibt: DIESE Mädchen und alle anderen ‒ obwohl es natürlich noch Millionen anderer Lebensformen auf unserem Planeten gibt. DIESE Mädchen haben Haare und Zähne und Brüste wie wir anderen auch, doch an ihnen sind es nicht einfach nur Körperteile, die man braucht, damit sie einem den Kopf warm halten, man das Essen kauen oder später mal ein Baby stillen kann. An DIESEN Mädchen sind Haare, Zähne und Brüste so atemberaubend schöne Accessoires, dass sich die Männer auf den ersten Blick in sie verlieben und ihnen mit Blumensträußen nachlaufen.

Savanna Zindle war eines DIESER Mädchen. Ging sie eine Straße entlang, drehten sich Köpfe und Autos hupten. Lächelte Savanna, schmolzen Herzen dahin wie die polaren Eiskappen. Hätte es einem zur Belohnung ein Date mit Savanna Zindle eingebracht, wenn man sich mit Schwimmflossen und einer neonpinkfarbenen Perücke an ein Dach hängte, wäre Crow’s Point die Welthauptstadt der Jungs gewesen, die mit Schwimmflossen und pinkfarbener Perücke von Dächern baumelten. Ich hatte noch nie eine Freundin wie Savanna gehabt. Meine früheren Freundinnen waren alle wie ich gewesen. Fußvolk im großen Heer von Wir anderen. Gewöhnlich. Normal. Eher unscheinbar. Zurückhaltend bis langweilig. Für die Jungs waren wir so gut wie unsichtbar, außer wenn sie Hausaufgaben abschreiben wollten oder wenn man sie gerade in einen Fluss gestoßen hatte. An Savanna dagegen war nichts gewöhnlich oder unscheinbar. Sie war praktisch ein Naturphänomen. So etwas wie ein Sonnenaufgang in den Rocky Mountains oder die nördlichen Polarlichter. Wenn ich ein Naturphänomen gewesen wäre, dann maximal ein Nieselregen. Ich war das Langweiligste an Savanna. Mit Savanna befreundet zu sein, ließ mich wesentlich interessanter erscheinen, als ich war.

Savanna Zindle war die beste Freundin, die ich je hatte. Und das machte sie zu meiner allerallerbesten Freundin, also zu wesentlich mehr als nur zu einer normalen Freundin. Sie war die Schwester, die ich mir immer gewünscht hatte; wir hatten dieselbe Wellenlänge, teilten all unsere Geheimnisse und Träume. Wir waren so gut wie unzertrennlich. Und obwohl Savanna einen Flachbildfernseher mit Kabelanschluss und HBO-Abo in ihrem Zimmer hatte und auch ein breites Bett, war sie an den Wochenenden meist bei mir. Bei uns ging es um einiges ruhiger zu als bei den Zindles. Mein Dad mochte zwar etwas zurückgeblieben sein, wie Savanna es nannte, was die Errungenschaften der modernen Technik betraf (mit zurückgeblieben meinte sie rückständig – denn abgesehen von Strom, Heizung, Waschmaschine und Computer hätte er genauso gut in einer Höhle leben können), doch für einen Vater war er recht umgänglich. Besonders im Vergleich zu Savannas Eltern. Savannas Eltern waren beide ziemlich anstrengend. Und wenn Savanna und ich nicht zusammen waren, telefonierten wir stundenlang miteinander. Mit ihr konnte ich über alles reden: Sex, Jungs, Periode und so weiter. Sie war der einzige Mensch, der mir die Haare schneiden durfte, und ich war der einzige Mensch, dessen Urteil sie vertraute, wenn sie sich etwas Neues gekauft hatte. Wenn eine von uns etwas erlebte – sei es auch nur ein erneuter Krach zwischen Savanna und ihrer Mutter oder wenn ich hörte, dass eine weitere Spezies vom Aussterben bedroht war –, erfuhr die jeweils andere es immer zuerst. Wir konnten die Sätze der jeweils anderen zu Ende führen und begriffen jeden Witz auf Anhieb. Wir standen uns so nah, dass wir in Unterwäsche voreinander herumliefen, mit derselben Gabel aßen, aus demselben Glas tranken, auf demselben Stuhl saßen und manchmal beim Fernsehen auf der Couch einschliefen, zusammengekuschelt wie Leguane.

Wenn ich heute erwähne, dass ich früher mit Savanna befreundet war, werde ich meist gefragt, wie es überhaupt dazu kam, dass wir Freundinnen wurden. »Es klingt, als wäre sie ganz anders als du«, sagen die Leute dann. »Hattet ihr eigentlich irgendetwas gemeinsam?«

Fakt ist, dass wir uns kein bisschen ähnlich waren (abgesehen davon, dass wir zur selben Spezies gehörten) und nur sehr wenig gemeinsam hatten: Wir waren gleich alt, wohnten in derselben Stadt und besuchten dieselbe Schule.

Mein Dad behauptete gern, wir seien ein Paradebeispiel dafür, dass Gegensätze sich anziehen (kleine, ruhige Vegetarierin, die auf alte Filme und Reptilien steht und sich für den Umweltschutz engagiert versus groß gewachsene, laute Allesfresserin, die sich nur für Hollywood-Blockbuster und Shopping interessiert und deren Hauptsorge ihren Fingernägeln gilt). Doch bei einer Freundschaft spielt die Vernunft keine Rolle – es ist nicht wie bei einem Autokauf, bei dem man auf den Spritverbrauch achten kann, oder bei der Entscheidung, lieber kein weißes Kleid anzuziehen, weil es innerhalb von zweieinhalb Sekunden schmutzig wäre.

Jedenfalls waren Savanna und ich trotz aller Verschiedenheit Seelenschwestern und kosmische Zwillinge.

»Versprich mir, dass du für immer und ewig meine beste Freundin bleibst, Gracie. Egal, was passiert«, pflegte Savanna mindestens einmal pro Woche zu sagen.

Ich habe dann immer gelacht. »Aber natürlich«, habe ich dann immer versprochen. »Es sei denn, du machst später Jagd auf Babyrobben oder leitest eine Firma, die Wälder abholzt.«

Derartige Berufswünsche lagen Savanna natürlich fern. Folglich konnte eigentlich nichts passieren, was unsere Freundschaft gefährdet hätte.

Dachte ich zumindest …

1. Kapitel

Auf Savanna warten – Teil I

Wie jeden Tag nach der Schule wartete ich neben dem Fahrradschuppen auf Savanna. Wir wohnten zwar in zwei entgegengesetzten Stadtteilen von Crow’s Point, trafen uns aber jeden Morgen an der Old Road und gingen den Rest der Strecke zusammen zur Schule, und nachmittags lief es genau umgekehrt. An diesem speziellen Nachmittag wartete Marilouise Lapinskye mit mir. Sie war Savannas andere beste Freundin – ihre wichtigste Freundin, bevor Savanna mich getroffen hatte. (Marilouise war auch keines von DIESEN Mädchen.) Wir beide mochten einander und alles – ich war schon mit ihr befreundet gewesen, als ich Savanna noch gar nicht kannte –, doch wir sahen uns nie außerhalb der Schule, außer wenn sie etwas mit Savanna und mir zusammen unternahm, und das kam nicht mehr sehr oft vor.

Wir standen schon eine ganze Weile da. So lange schon, dass wir bereits alle Gesprächsthemen durchgekaut hatten, als da wären: wie schrecklich der Sportunterricht gewesen war, dass ihr Hund die Bonbons aufgefressen hatte, die eigentlich für Halloween bestimmt waren, dass wir zu gern noch so jung gewesen wären, um von Haustür zu Haustür zu tigern und um Süßigkeiten zu betteln, und wie froh wir waren, dass wir uns nie schminkten, wegen all der Gifte und Chemikalien in den Make-up-Produkten. Inzwischen waren wir in das verlegene Schweigen verfallen, das sich anfühlt, als würde es ewig andauern – oder bis sie damit anfangen würde, mir davon zu erzählen, was ihre Mutter von Schuhen mit Keilabsätzen hielt, oder bis ich über Chamäleons redete. Ich begriff beim besten Willen nicht, warum Marilouise nicht endlich nach Hause ging.

Sie spielte am Riemen ihrer Tasche herum. »Weißt du, ich wollte dir noch sagen, dass ich mich echt freue, dass du zu meinem Geburtstag kommst, Gracie«, sagte sie. »Es bedeutet mir wirklich viel.«

»Mir auch.« So langsam fühlte ich mich unwohl. Andere Leute sagen zwar auch solche Sachen, doch bei Marilouise wusste man, dass es sehr aufrichtig gemeint war. »Weißt du …« Ich lächelte sie an. »Ich freue mich auch, dass du mich eingeladen hast. Es wird sicher toll.«

»Das hoffe ich«, sagte Marilouise mit einem nervösen Schulterzucken. »Ich meine, es tut mir leid, dass es keine richtige Party oder so etwas wird … Aber meine Mutter hat vorgeschlagen, dass wir zu Anzalone’s gehen.«

Au Mann, wenn sie noch lange an diesem Riemen herumfummelte, würde er reißen!

»Ich weiß, es ist nicht gerade ein Spitzenlokal oder so, aber das Essen dort ist richtig gut.« Ihre Stimme hellte sich auf. »Dort machen sie ein superleckeres Auberginen-Gratin.«

»Oh, das klingt gut.« Bisher war ich nur bei Anzalone’s gewesen, um mit Savanna eine Pizza abzuholen. Zu Dads zurückgebliebener Art in allem, was das moderne Leben betraf, gehörte es, dass er äußerst ungern außer Haus aß. »Für mich ist es spitzenmäßig genug.«

»Ja, aber weißt du, es ist eine ganz kleine Feier – nur du und ich und Savanna. Ist doch okay, oder?« Marilouise lachte nervös. »Klar ist es okay.« Ich hasste Partys. Ich war sowieso eher ein naturverbundener Typ, der lieber durch Flüsse watete und durch die Wälder streifte.

»Wirklich?« Marilouise kniff die Lippen zusammen, als überlegte sie, ob sie lächeln sollte. Doch dann ließ sie es bleiben. »Ich hätte auch gern Jem eingeladen, aber … du weißt schon …« Sie wippte vor und zurück. »Savanna und Jem mögen sich nicht besonders.«

Jemima Satz war Marilouises andere Freundin. Es war allerdings nicht so, dass Jem und Savanna einander nicht mochten; sie hassten sich geradezu. Savanna sagte, Jemima sei eine dicke, manipulative, neidische, falsche Schlange. Und Jemima sagte, Savanna sei eine großnäsige, herrische und ichbezogene Kuh. (Das war noch längst nicht alles, was sie übereinander sagten, aber es reicht wohl aus, um einen Eindruck zu bekommen.) Abgesehen davon, dass Marilouise unglaublich schüchtern war und sich permanent für alles entschuldigte, hatte sie einen echten Hang zu Untertreibungen.

»Je weniger Leute, desto besser, wenn du mich fragst«, versicherte ich ihr. »Ich stehe nicht auf große Partys und so.« Ich klimperte mit den Schlüsseln in meiner Tasche. So allmählich wurde ich selbst etwas nervös. Falls außer uns noch andere Schüler auf dem Campus waren, dann mussten sie entweder nachsitzen oder waren in einer Freiwilligen-AG. »Ich weiß dann nie, was ich sagen soll.«

»Geht mir genauso.« Marilouise war mindestens so scheu wie eine Mönchsrobbe. Als sie im Vorjahr in Geschichte vor der Klasse etwas vorlesen sollte, wurde sie ohnmächtig.

»Aber du weißt, Savanna ist da ganz anders. Sie liebt Partys und solche Sachen.« Diesmal lächelte sie, aber nur verhalten. »Ich habe ein bisschen Angst, dass sie … du weißt schon … sich nicht sonderlich darauf freut.«

Ich zog die Augenbrauen hoch. »Ich dachte, du lädst Jemima nicht ein?«

Marilouise kicherte. »Nein, natürlich nicht. Das wäre eine absolute Katastrophe.« Ihr Lächeln wirkte nun etwas weniger gequält. »Aber immerhin hätte sich Savanna dann nicht gelangweilt.«

»Glaub mir: Savanna wird sich nicht langweilen!« Ehrlich gesagt, hatte Marilouise in diesem Moment nicht meine volle Aufmerksamkeit. Mich beschäftigte eher die Frage, wo Savanna gerade steckte, als dass ich mir überlegt hätte, wie viel Spaß es ihr machen würde, Jemima über das Auberginen-Gratin hinweg anzugiften. Hatte ich sie in der Mittagspause unabsichtlich geärgert und war sie deshalb jetzt ohne mich nach Hause gegangen? Ich zückte mein Handy und checkte die Uhrzeit. »Was ist nur mit ihr los?«, fragte ich mich leise. »Sie müsste längst hier sein.«

Marilouise zuckte die Schultern. Gelassen sagte sie: »Ach, du kennst Savanna ja … Wahrscheinlich richtet sie sich noch die Haare oder frischt ihr Make-up auf.« Sie bedachte mich mit einem Blick, mit dem eine Asthmatikerin vermutlich eine Leidensgenossin ansehen würde, wenn diese zum Asthmaspray greift. »Oder sonst etwas.«

»Was sonst?«

Ihr Achselzucken war diesmal mehr nervös als gelassen. »Nun, du weißt ja, dass Savanna sich leicht ablenken lässt, nicht wahr?«

»Ich kann mir nicht vorstellen, dass es zwischen dem Matheraum und hier viel Ablenkung gibt«, argumentierte ich. Nur leere Klassenzimmer und lange Korridore.

»Ja, aber manchmal … du weißt schon … da vergisst sie, was sie eigentlich tun wollte …« Marilouises Schultasche schwang langsam vor und zurück. »Einmal waren wir zusammen im Einkaufszentrum, und ich habe über eine Stunde lang am Brunnen auf sie gewartet, bis mir klar wurde, dass sie vermutlich ohne mich den Bus genommen hat.«

Ich lachte. Savannas Version lautete, dass Marilouise abgedüst war, weil sie noch etwas besorgen wollte, und danach nicht mehr auftauchte. »Das klingt für mich eher nach einem Kommunikationsproblem.« Wenn ich irgendwo auf Savanna wartete, würde sie mich garantiert nicht vergessen!

Marilouise warf einen Blick auf ihre Uhr. »Auweia, schon so spät! Ich muss los, Gracie. Ich habe noch massenhaft Hausaufgaben zu machen.« Sie hievte sich ihren Rucksack auf den Rücken. »Dann bis morgen.«

Ich blickte ihr nach, als sie davonging, ähnlich wie man den Verkehr beobachtet, während man auf den Bus wartet. Da Savanna grundsätzlich davon ausging, dass Regeln für sie nicht galten, begann ich mich zu fragen, ob sie eventuell nachsitzen musste, weil sie im Unterricht gesimst hatte oder etwas Ähnliches – sie war auch in etlichen AGs, ging aber nie zu irgendwelchen Meetings. Ich wollte meinen Warteposten gerade verlassen, um im Karzer – so nennen wir den Nachsitzraum – nach ihr zu sehen, als plötzlich hinter mir jemand wie ein Wirbelwind angerannt kam.

»Ach herrje, Gracie … tut mir echt leid, dass du so lange warten musstest.« Savanna fiel mir so stürmisch um den Hals, dass ihre Tasche an meine Hüfte knallte. »Küsschen-Küsschen-Küsschen. Bitte sag, dass du mir verzeihst!«

»Wo warst du so lange?« Einer meiner Jackenknöpfe hatte sich in ihren Halsketten verhakt und ich nestelte ihn los. »Ich wollte gerade nachsehen, ob du eventuell nachsitzen musst.«

»Nö.« Wenn ich den Kopf schüttle, bewege ich wirklich nur den Kopf. Bei Savanna dagegen sieht man nur noch ihre lange, lockige Mähne und ihre riesigen glitzernden Ohrringe. »Ich musste mich noch schnell von Archie verabschieden.« Savanna und Archie Snell waren seit dem Sommer zusammen. »Du weißt ja, wie das ist …«

Nein, wusste ich nicht. Ich hatte noch nie einen Freund gehabt.

»Ach nee? Und das hat vierzig Minuten gedauert?«

»Ah, das …« Savannas Schulterzucken wirkte kein bisschen verlegen. »Danach stand ich noch ewig hinter dem Fahrradschuppen und habe gewartet, bis Marilouise endlich abdüst.« Savanna klang kein bisschen bedauernd.

»Du hast was?!« Sie war wirklich immer für eine Überraschung gut. Und nicht zuletzt deshalb liebte ich sie. »Soll das heißen, dass du die ganze Zeit da warst?« Immerhin hatte sie mich nicht vergessen.

»Und ich habe wirklich die Sekunden gezählt …«, sagte Savanna mit einem Augenrollen. »Mal ehrlich, Gracie, ich weiß ja, dass du ein weiches Herz hast und alles, aber wie konntest du sie stundenlang weiterlabern lassen?«

»Sie hat nicht rumgelabert.« Ich schloss mein Rad auf und fuhr es raus. »Wir haben uns unterhalten.«

»Über Auberginen-Gratin?«, prustete Savanna. »Au Mann, verschon mich! Zugegeben, Auberginen-Gratins klingen geringfügig interessanter, als wenn sie erzählt, wie sie ihren Hund gebadet hat oder was ihre Mami von Skinny Jeans hält, aber es ist immer noch um Längen weniger aufregend, als einer Farbe beim Trocknen zuzuhören.« Sie seufzte. »Ehrlich, Gracie – ich hatte echt Angst, sie würde nie gehen!«

Ich lachte. »Du bist echt krass, Savanna. Du hast gewusst, dass ich die ganze Zeit auf dich gewartet habe, und dich hinter dem Fahrradschuppen versteckt?«

Im Gegensatz zu uns anderen, die wir sechzehn waren, aber wie zwölf aussahen, war Savanna sechzehn und ging für zwanzig durch. Außer wenn sie schmollte – dann sah sie wie eine Dreijährige aus, die ihren Teddybär verloren hatte. »Jetzt rede mir bitte kein schlechtes Gewissen ein, Süße! Ich habe mich ja nicht vor dir versteckt. Und du weißt, dass ich mich gezeigt hätte, sobald es dunkel geworden oder wenn ein Tornado aufgezogen wäre oder sonst was.« Savanna warf ihre Schultasche in meinen Fahrradkorb. »Aber ich hatte einen total stressigen Tag. Und mit total meine ich unglaublich viel Stress. Die Art von Stress, bei dem man sich fühlt wie Salmonellen in einer Büchse.«

»Sardinen.«

»Gracie, bitte … Sei nicht so streng.« Sie hakte sich bei mir unter. »Ich weiß, dass ich dich gebeten hatte, mich zu korrigieren, wenn ich mal ein Wort verwechsle oder es mir nicht gleich einfällt, aber nach einem Tag wie heute steht linguistische Perfektion nicht wirklich ganz oben auf der Liste meiner Prioritäten.«

Wir gingen auf die Auffahrt zu.

»Glaub mir, du kannst dir echt nicht vorstellen, dass einem einzelnen Menschen so viel Mist auf einmal passieren kann – außer diesem Typen aus der Bibel vielleicht. Wie hieß er noch gleich? Noah?«

»Hiob.«

»Danke. Jedenfalls kommt es mir so vor, als wenn jeder Mensch in meinem Umfeld samt seiner Sippe heute Morgen beim Aufstehen nur einen einzigen Vorsatz gehabt hätte: Wie können wir Savanna Zindle heute das Leben besonders schwer machen? Quälen wir sie mal so richtig schön!«

Ich stieß sie mit dem Ellbogen an. »Es kann nicht jeder gewesen sein, Savanna. Eine Person ist garantiert aufgewacht und hat nur ans Frühstücken gedacht.«

Savanna grinste. »Okay, eine Person ist vermutlich aufgewacht und hat sich nur überlegt, ob sie ein Müsli oder Cornflakes zum Frühstück essen soll – aber alle anderen haben sich überlegt, wie sie mir den Tag verderben können.« Sie knuffte mich zurück. »Dabei zähle ich die superlange Liste der Katastrophen, die vor der Mittagspause passiert sind, noch gar nicht mit, Gray.«

Das konnte nur bedeuten, dass sie Krach mit ihrer kleinen Schwester gehabt hatte oder mit ihrer Mutter … dass ihr Vater sie kritisiert hatte … ihr Toast im Toaster stecken blieb … sie die Englischhausaufgaben vergessen hatte … ihr längster Fingernagel abgebrochen ist, weil MrsPontiac ihr nicht erlaubte, sich vor dem Sportunterricht zu drücken … ein unangekündigter Mathetest …

»Ich rede nur von dem, was seit der Mittagspause passiert ist. Und das sind … mal überlegen … nur ein paar mickrige Stündchen. Das würde nicht mal für eine Maniküre und ein Bein-Waxing reichen, verflixt noch mal! Und weißt du was? In Französisch musste ich mich sogar ans Fenster setzen, weil diese blöde Kira – du weißt schon, die, die wie ein Cockerspaniel aussieht – sich auf meinen Platz gesetzt hatte, nur weil ich eine halbe Sekunde zu spät kam, und du weißt, wie sehr ich es hasse, in der Sonne sitzen zu müssen. Echt, Gracie, falls ich jemals Hautkrebs kriege, werde ich die Schule verklagen! Es ist so was von gemein!«

Das mit dem Hautkrebs ließ mich relativ kalt. Savanna war dank ihrer dicken Make-up-Schicht immer bestens vor der Sonne geschützt.

»Ich versteh’s trotzdem nicht. Marilouise ist doch deine älteste Freundin. Warum bist du –?«

Abwehrend hob Savanna ihre freie Hand. Es war schwer zu sagen, ob sie kapitulierte oder sich abschirmen wollte. »Ich weiß, ich weiß … ich bin ein schrecklicher Mensch, das gebe ich zu. Aber ich hätte sie heute nicht ertragen. Beim besten Willen nicht.« Sie schüttelte energisch den Kopf. »Weißt du, ich mag sie ja und alles.« Sie runzelte die Stirn. »Und das, obwohl sie für eine Freundin relativ wenig verständnisvoll ist und einen kaum unterstützt.« Ihre Locken wippten und ihre Ohrringe blitzten auf. »Weißt du noch, wie die blöde Kuh bei Scissor Sisters mir damals die Haare geschnitten hat und Marilouise hinterher sagte, ich sähe wie ein Eichhörnchen aus?«

»Savanna! Das war als Witz gemeint.«

»Fand ich aber gar nicht komisch, Gracie! Du weißt, wie sensibel ich bin.« Wieder wippten ihre Locken und wieder blitzte es golden auf. »Und was war damals, als sie Zeldas Partei ergriff und sagte, ich müsse netter zu ihr sein?«

Zelda war Savannas Mutter. Die beiden hatten ein ziemlich schwieriges Verhältnis. (Savanna hatte auch ein schwieriges Verhältnis zu ihrer Schwester und zu ihrem Vater, doch das zu ihrer Mutter war mit Abstand am schwierigsten.)

»Das ist doch nur, weil Marilouises Vater die Familie verlassen hat. Du weißt, wie Mutter-bezogen sie ist.«

»Kann ja sein.« Savanna zuckte heftig mit den Schultern, als müsste sie etwas abschütteln. »Trotzdem macht sie mir immer ein schlechtes Gewissen, wenn sie mit ihrer Munterkind-Nummer ankommt.«

»Musterkind.«

»Egal. Fakt ist, dass Marilouise nicht mit einem Monster wie Zelda Zindle zusammenleben muss. Sonst würde sie haargenau gleich mit ihr reden wie ich, jede Wette.«

Dieser Ansicht war ich nicht. Abgesehen von der Tatsache, dass Marilouise eher der Typ Salz-der-Erde als der Typ Salz-in-die-Wunde-streuen war, und wenn sie aus Jute gemacht wäre, hätte sie vermutlich als Fußmatte geendet. Sie war nicht direkt für harsche Worte bekannt.

»Du kannst ja recht haben«, räumte Savanna ein. »Aber mal ehrlich, sie ist die menschliche Entsprechung von Dampfkartoffeln, stimmt’s?« Savanna verzog das Gesicht. »Ohne Butter und ohne Salz und definitiv auch ohne eine Prise Pfeffer.«

»Es gibt Schlimmeres.« Ich persönlich mochte Dampfkartoffeln ganz gern.

»Ich habe ja nicht gesagt, dass sie die schrecklichste Freundin aller Zeiten ist, Gracie. Nee, da kenne ich schlimmere.«

Damit meinte sie Lena Skopec. Lena Skopec und Savanna waren als Neunjährige dicke Freundinnen gewesen. Doch dann hatte Lena Savanna überredet, ihr zum Zeichen ihrer Freundschaft die pinkfarbenen Lederstiefel zu schenken, die Savanna gerade erst zu Weihnachten bekommen hatte, und als Savanna diese wegen ihrer Mutter zurückverlangen musste, hatte Lena aus Rache herumerzählt, Savanna hätte Läuse. Meine schrecklichste beste Freundin war Candy Russo.

»Aber Marilouise ist deine älteste Freundin!« Ich glaube, ich empfand für Marilouise dasselbe wie für unseren Planeten – ich musste sie in Schutz nehmen, weil sie es allein nicht schaffte.

»Korrekt!« Savanna schnippte mit den Fingern. »Mit der Betonung auf alt. Seien wir doch mal ehrlich, Gracie. Marilouise und ich haben uns massiv auseinanderentwickelt, seit wir auf der Highschool sind. Das kannst du nicht leugnen. Ich bin praktisch über Nacht erwachsen geworden, während Marilouise immer noch ein richtiges Kind ist. Bei ihr dreht sich alles um Mami hier und Mami da … Du meine Güte, sie hat sogar noch Puppen auf ihrem Bett sitzen! Du hast ihr Zimmer ja gesehen. Dort drin kommt man sich vor, als sei die Zeit stehen geblieben. Puppen auf dem Bett … Tagesdecke mit Rüschen … Hundebilder an der Wand … Ein Wunder, dass sie sich endlich von ihren Vorhängen mit Arielle, der Meerjungfrau, trennen konnte.« Sie seufzte. »Wir haben einfach kaum noch etwas gemeinsam.«

»Ja, aber –«

Doch Savanna war nicht zu bremsen.

»Und wie war das mit dem ›Ist diesmal keine richtige Party oder so?‹ Was für ein megadämlicher Spruch! Als wenn sie jemals eine richtige Party machen würde! Marilouise kennt ja nicht mal genügend Leute, um alle Plätze in einem Geländewagen zu besetzen, ganz zu schweigen davon, eine anständige Party zu machen!«

»Jetzt sei nicht so streng mit ihr.«

»Versuch nicht, mich davon abzubringen, Gracie. Fakt ist, dass sie froh sein kann, uns zu kennen, denn sonst müsste sie ihr Auberginen-Gratin nur in Gesellschaft der bescheuerten Jemima essen. Mal ehrlich, geht’s noch deprimierender?! Da würde ich mich lieber in eine Sträflingskolonne versetzen lassen!«

»Das würdest du nicht sagen, wenn du jemals Der Unbeugsame gesehen hättest!« Savanna hatte etwas gegen alte Filme; sie sah sie sich nie an, und deshalb kannte sie dieses geniale Gefängnisdrama mit Paul Newman aus dem Jahr 1967 natürlich gar nicht.

Sie ließ sich von meinem Einwurf nicht irritieren. »Und außerdem wüsste ich gern, warum sie uns jetzt schon damit nervt«, schimpfte sie weiter. »Wo sie doch erst in … na ja, in einer Ewigkeit Geburtstag hat.«

»In zwei Wochen«, gab ich zu bedenken.

»Genau! Mal ehrlich, Gracie, wen interessiert es schon jetzt, was er in zwei Wochen essen wird?«

Wer es bisher nicht gemerkt hat: Savanna ist ungeheuer temperamentvoll, impulsiv und unberechenbar und so emotional wie die Heldin in einem Katastrophenfilm. Vier weitere Eigenschaften, die ich an ihr liebte. Ich war in unserer Beziehung die Nachdenkliche, Bedächtige und Verlässliche, die Stimme der Vernunft.

»Mensch, Savanna, sie ist doch bloß aufgeregt, weil wir an ihrem Geburtstag essen gehen, das ist alles. Ist doch kein Verbrechen! Und außerdem wollte sie mir vorhin nur Gesellschaft leisten.« Ich stupste sie mit dem Ellbogen an. »Während ich auf dich gewartet habe, wie du weißt.«

»Ja, nur weiter so!«, jaulte Savanna. »Gib’s mir! Ich bin an allem schuld. Sagen eh alle. Aber da musst du dich ganz hinten anstellen in der Schlange. Es gibt mindestens drei Millionen Menschen vor dir.«

»Übertreib nicht so!«, sagte ich kopfschüttelnd. »Es können höchstens zweieinhalb Millionen sein.«

Bis wir endlich aufhörten zu lachen, waren wir schon an der Old Road. Savanna sah mich an. Mit einem schiefen Blick. »Wo willst du hin, Gracie?«

Ich erklärte ihr, dass ich nach Hause gehen würde. »Du weißt schon, dieser Ort, wo ich wohne? Wo ich meine Klamotten und so weiter aufbewahre?«

Savanna sagte, sie wäre davon ausgegangen, dass ich mit ihr käme. »Ich hab dir in der Mittagspause doch gesagt, dass Mom mich dazu verdonnert hat, nach der Schule noch für sie einzukaufen!«

»Na und?«

»Na, du hast versprochen mitzukommen!«

Daran konnte ich mich beim besten Willen nicht erinnern. Ich konnte mich nur daran erinnern, dass sie über ihre Erzeuger, deren andere Tochter und den Toaster im Hause Zindle hergezogen war und dass ich ihr zustimmte, als sie sagte, es sei ein Wunder, dass sie noch kein Magengeschwür hätte, wenn man bedenkt, dass ihre Familie dauernd auf ihr herumhackt und sie nicht mal in Ruhe essen kann.

»Und du weißt genau, dass ich nicht allein einkaufen gehen kann«, sagte Savanna mit Nachdruck.

»Warum nicht? Es ist ja nicht so, dass du dir deine Schneeschuhe anschnallen und losstiefeln müsstest, um einen Elch zu erlegen, Savanna. Du musst lediglich zu Food First gehen und ein paar Lebensmittel kaufen.«

Savanna schüttelte den Kopf. »Aber doch nicht ganz allein, Gracie! Du weißt, wie sehr ich es hasse, Lebensmittel zu kaufen. Mal ehrlich: Gibt’s etwas Stinklangweiligeres auf der Welt? Da würde ich lieber mit Marilouise in einem Kohlenbergwerk sitzen! Ich brauche moralische Unterstützung. Und deshalb musst du mitkommen!«

»Sorry, aber das geht nicht. Ich muss für Spanisch noch eine Übersetzung machen. Das allein dauert schon Stunden.«

Savanna wollte wissen, warum ich immer alles so tierisch ernst nehme und mich unnötig anstrenge. Ob ich noch nicht gemerkt hätte, dass wir inzwischen im 21. Jahrhundert lebten.

»Das kriegst du doch in maximal zwanzig Minuten hin. Online gibt es massenhaft Übersetzungsmaschinen.«

Nein, das kam für mich nicht infrage.

»Aber es wäre doch –«

»Nein, ist es nicht«, widersprach Savanna, ohne dass ich es ausgesprochen hätte. »Schummeln wäre es, wenn du von jemandem abschreibst! Hier geht es nur darum, die verfügbaren Ressourcen zu nutzen. Was, wie jeder sagt, nur ein Zeichen von Intelligenz und Begabung ist.«

Ihr Lächeln strahlte wie die Sonne vom wolkenlosen Himmel. »Außerdem ist es nicht schlimmer, als einen Taschenrechner zu benutzen. Und das soll man ja tun.«

Ich hatte das dumpfe Gefühl, dass mein Spanischlehrer, Señor Pérez, die Sache etwas anders sah. Señor Pérez war noch ziemlich tief im 20. Jahrhundert verwurzelt.

»Ich wollte nicht sagen, dass es schummeln wäre, Savanna. Ich wollte sagen, dass diese Seiten nur etwas für –« Es lag mir auf der Zunge, dass diese Websites nur etwas für Schwachköpfe sind, doch ich trat gerade noch rechtzeitig auf die Bremse. Savanna benutzte sie garantiert. »Diese Websites taugen nichts. Nicht für eine anspruchsvolle Übersetzung. Sie übersetzen viel zu wortwörtlich und manchmal schlichtweg falsch.« Ich hatte Spanisch als Leistungskurs – also auf College-Niveau. Wortwörtlich ließ Señor Pérez einem nicht durchgehen.

»Außerdem geht es darum, die Sprache zu lernen, nicht darum, eine Website zu finden, die einem die Hausaufgaben abnimmt.«

Savanna machte ein Gesicht, das normalerweise den Strafpredigten ihrer Mutter vorbehalten war. »Oh, verzeiht, heilige Gracie. Ich wollte Euch nicht überreden, Euer heiliges Gelübde zu brechen. Ich habe nur gemeint, du solltest es mal etwas lockerer angehen lassen. Ich glaube nicht, dass es dich umbringt, wenn du zur Abwechslung mal einen Gang zurückschaltest.«

»Aber nicht heute.« Ich umklammerte die Lenkstange. Fest entschlossen. »Außerdem bin ich heute Abend mit Kochen dran.« Dad und ich wechselten uns immer ab.

Savannas Gesicht wurde lang vor Enttäuschung. »Oh, Gracie, bitte …« Sie umklammerte meinen Arm. Zum Glück hatte ich eine Jacke an, sodass sich ihre mörderischen Nägel nicht direkt in mein Fleisch bohren konnten. »Du und deine krankhafte Arbeitsmoral. Ich habe dich den ganzen Sommer über kaum gesehen, nur weil du dauernd Schmetterlinge pflanzen musstest!«

Manchmal war sie echt der Brüller. »Sav, ich habe keine Schmetterlinge gepflanzt.« Ich hatte bei einem Projekt im Nationalpark mitgearbeitet, bei dem es darum ging, kleinen Kindern von unserer Umwelt zu erzählen und die Lebensräume wild lebender Tiere zu erhalten. Aber nicht jeder von uns war der Meinung, dass es besser war, als sich am Strand in der Sonne zu aalen. »Ich habe einen Schmetterlingsgarten angepflanzt.«

Sie verdrehte die Augen. »Egal.«

Savanna teilte mein Engagement für die Umwelt nicht – so wenig wie meine Besorgnis, dass wir über kurz oder lang keine lebenswerte Umwelt mehr haben würden. Savanna war durch und durch Optimistin. Sie sagte, so schlimm könne es gar nicht um die Umwelt stehen, sonst würde sicher jemand etwas tun. Und wenn es ganz schlimm kommen würde, würde den Wissenschaftlern schon eine Lösung einfallen. Schließlich leben wir im 21. Jahrhundert! Ich dagegen fand, das wäre so ähnlich, als würde man von einem Mörder erwarten, sein Opfer wieder lebendig zu machen.

»Fakt ist, dass ich gestern den ganzen Abend kein einziges Wort mit dir reden konnte!«

Ich schnappte empört nach Luft. »Hallo!? Und warum? Weil du keine Zeit hattest!«

»Und heute war ich den ganzen Tag über gerade mal eine halbe Sekunde mit dir allein …«

Ha, als würden meine Freunde uns in der Mittagspause belagern!

Wieder bedachte sie mich mit ihrem Mein-Teddy-ist-verschwunden-Blick. »Bitte, Gracielein, sei ein Schatz! Ich brauche wirklich ganz, ganz dringend etwas Quality-Time mit meiner Gracie! Bitte-bitte-bitte. Soll ich mich vor dir auf die Knie werfen? Komm, sei kein Frosch. Nur ein paar mickrige Minuten! Du kannst mich jetzt nicht im Stich lassen.«

»Ich würde ja gern mitkommen …« Ich war wirklich gespalten. Meine »krankhafte Arbeitsmoral« zog mich in die eine Richtung, mein Wunsch, Savanna nicht zu enttäuschen, in die andere. »Aber ich sollte dringend …«

»Bitte-bitte-bitte …« Savanna faltete die Hände. Jetzt fehlte nur noch ein Kopftuch auf ihrem Haupt, und es hätte ausgesehen, als würde sie beten. »Du kannst mich nicht im Stich lassen, Gracie«, wiederholte sie. »Du kannst mich nicht allein dorthin gehen lassen. Du weißt, wie sensibel ich bin. Und wie ich im Supermarkt immer leide.«

Ich bin tendenziell ein sehr nachgiebiger Mensch. »Ich weiß nicht …«

»Stell dich nicht so an, Gracie. Es ist wirklich kein Ding. Eher wie ein Tropfen Ameisenpipi im großen, weiten Ozean. Und wenn wir zu zweit sind, geht’s sowieso blitzschnell, oder?«

Ich wusste aus Erfahrung, dass das nicht stimmte. Dinge, die wir einzeln in maximal einer Stunde schafften – zum Beispiel Brownies backen oder den Rasen mähen –, dauerten mindestens einen halben Tag, wenn wir zu zweit waren. Vermutlich sogar länger. Doch ich sagte nur: »Hmmm …«

»Au ja, komm.« Sie drückte meinen Arm. Liebevoll. »Damit machst du mich echt glücklich, Süße. Und du kommst höchstens zehn Minuten später nach Hause als sonst.«

Das war natürlich auch nicht wahr. Ich verdrehte die Augen. »Zehn Minuten?«

»Okay, zwanzig. Maximal dreißig.« Wäre ich größer gewesen, hätte sie vor Erleichterung den Kopf auf meine Schulter gelegt. So aber konnte sie nur ihren Kopf auf meinen legen. »Bitte-bittebitte, Gracie! Auf wen kann ich mich sonst noch verlassen in dieser kalten, grausamen Welt, wenn nicht auf dich?«

»Na schön, aber wir gehen hinterher nicht noch etwas trinken oder so –«

»Natürlich nicht!« Savanna fiel mir um den Hals. »Aber zuerst muss ich noch kurz in die Drogerie. Dauert echt nicht lange.«

2. Kapitel

Eines DIESER Mädchen

»Du meine Güte, sieh dir das an!« Savanna fuchtelte in der Obstabteilung mit Zeldas Einkaufsliste herum. »Sie hat nur Orangen aufgeschrieben. Orangen! Was soll das bitte schön heißen? Es gibt mindestens ein Dutzend verschiedene Orangensorten!«

Zu viel Auswahl hat auch seine Schattenseiten. Man begreift, warum Savanna zum Anziehen jeden Morgen Stunden braucht!

»Navelorangen, Blutorangen, Valencia, Bitterorangen …«, zählte Savanna auf und sah sich hektisch um. »Satsumas, Clementinen, Mandarinen …« Die Einkaufsliste flatterte. »Ich komme mir vor wie bei den Vereinten Nationen der Zitrusfrüchte. Und sie haben alle denselben Nachnamen, Gray. Alle heißen sie hinten Orangen. Und welche genau soll ich jetzt bitte schön kaufen?«

Ich lehnte mich an den Einkaufswagen. Nach mehreren Zwischenaufenthalten hatten wir es endlich bis ins Food First geschafft, doch es sah schwer danach aus, als würden wir hier in der Obst- und Gemüseabteilung noch eine ganze Weile festhängen. »Was für Orangen esst ihr denn normalerweise?«

»Mann, woher soll ich das wissen, Gracie?« Savanna warf ihre Haare zurück und seufzte. »Kein Mensch hat mir je gesagt, dass diese blöden Dinger verschiedene Namen haben!«

»Okay, welche Sorte kauft ihr normalerweise? Große? Kleine? Dunkle? Helle? Kernlose? Oder –?«

»Na, orangefarbene, Gray. Mehr kann ich dazu nicht sagen.« Sie sah mich an. »Ich weiß echt ni …« Sie fixierte etwas hinter meinem rechten Ohr.

»Was ist?«

Savanna schaute in unseren Einkaufswagen. »Nicht umdrehen!«, zischte sie. »Aber drüben beim Salat steht ein Typ, der zu uns herstarrt.«

Ich brauchte mich nicht umzudrehen. Mich starrte er garantiert nicht an! Außer mir wäre plötzlich ein Geweih gewachsen.

»Er ist so was von total süß«, berichtete Savanna weiter. »Groß und schlank, aber echt gut gebaut. Dunkelhaarig.« Sie griff in den Einkaufswagen und schob den Beutel mit den Kartoffeln von einer Seite auf die andere. »Mann, so was von schnuckelig!«

»Ist er an unserer Schule?«

»Nie im Leben.« Savanna schüttelte den Kopf. Bedächtig. »Weißt du was? Such du doch die Orangen aus, Gracie! Ich hole noch schnell ein paar Tomaten.«

Klar doch! Und gleich im Anschluss würde sie die Welt retten!

Ich seufzte. »Du meinst, du gehst rüber und flirtest mit dem Typen?«

»Quatsch, ich hole nur ein paar Tomaten.« Savanna lächelte mich an. »Aber was kann ich machen, falls er mit mir flirtet?«

Mit mir hat noch nie jemand geflirtet – das nur am Rande bemerkt. Savanna behauptete, das läge daran, weil ich in Jungsklamotten herumlaufe. Ich glaube, es ist eher eine Art Naturgesetz: Was man hochwirft, kommt irgendwie auch wieder runter; zwei Objekte können nicht gleichzeitig am selben Platz sein – und kein Mensch flirtet mit Gracie Mooney. Aber jedes männliche Wesen flirtet mit Savanna Zindle. Und Savanna flirtet immer fröhlich zurück. Sie ist ein Naturtalent.

»Mann, Savanna. Tomaten stehen doch gar nicht auf deiner Liste!« Wir hatten bereits eine halbe Stunde in der Drogerie verplempert, weil sie unbedingt mehrere Lippenstifte auf dem Handrücken ausprobieren musste. Aus Erfahrung wusste ich, dass es noch länger dauern konnte, wenn sie erst mal am Flirten war. »Ich muss heute noch nach Hause, erinnerst du dich?«

Ihr leidgeprüftes Gesicht sprach Bände. »Wie könnte ich das vergessen? Du erzählst es mir ja alle fünf Minuten!«

Ich schob den Einkaufswagen ein paar Zentimeter weiter, um sie zum Weitergehen zu ermuntern. »Savanna –«

Sie tätschelte meinen Arm. »Bleib cool, Gracie. Bin gleich wieder da.«

Okay, falls jemand noch nicht genau begriffen hat, was es bedeutet, eines DIESER Mädchen zu sein, hier ein Beispiel. Ein Klassiker. In einer Situation, in der jemand wie ich rot werden und dreißig bis vierzig Orangen auf den Boden fallen lassen und sich mit dem Einkaufswagen über die eigenen Zehen fahren würde, warf Savanna nur den Kopf in den Nacken, lächelte – und steuerte die Tomaten so siegessicher an wie ein Kriegsschiff, das sich anschickte, ein Dingi zu überholen. Sie war noch nicht am Wurzelgemüse vorbei, als sie auch schon am Flirten war. Ich gestehe: Ein Teil von mir hätte nicht beeindruckter sein können, wenn sie mit bloßen Händen Stahl verbogen hätte.

Mister »total süß« inspizierte die Tomaten, als suchte er nach Fingerabdrücken. Aber nur mit einem Auge. Er blickte sofort auf, als Savanna neben ihm andockte. Sie verschränkte die Arme vor dem Oberkörper und wiegte sich sachte hin und her. Er lächelte. Savanna lächelte zurück. Sie hatte ein Lächeln drauf, mit dem sie Eskimos Eiswürfel verkaufen könnte. Dann wandte sie sich ab, um eine Plastiktüte von der Rolle zu reißen. Ihre Haare fielen nach vorn wie ein Vorhang, der von einem Luftzug bewegt wurde. Mister »total süß« sagte etwas. Savanna sah ihn an. Sie sagte etwas. Er erwiderte etwas. Er nickte so heftig mit dem Kopf wie einer dieser Wackeldackel, die manche Leute hinten in ihrem Auto haben. Es war das erste Mal, dass ich einen jungen Kerl rot werden sah, echt wahr. Savanna hielt eine Tomate hoch und reichte sie ihm. Er drückte darauf. Sie sagte etwas. Er sagte etwas. Sie boxte ihn spielerisch in den Arm. Abgesehen von ihrem Wenn du etwas in deinem Iglu brauchst, dann ist es ein großer Eisblock-Lächeln hatte sie ein Lachen drauf, nach dem sich die meisten Leute umdrehten, um zu sehen, was los war – für den Fall, dass sie gerade angegriffen wurde oder jemand eine Gans strangulierte. Mister »total süß« lachte mit. Alle Köpfe drehten sich in ihre Richtung.

Es war nicht zu übersehen, dass Savanna Spaß hatte – na ja, wenigstens eine von uns beiden. Jemandem beim Flirten zuzusehen, ist noch langweiliger, als jemandem dabei zuzusehen, wie er, beziehungsweise sie auf dem Handrücken Lippenstift testet. Seufzend wandte ich mich wieder den Orangen zu und entschied mich für ein Netz Navelorangen. Dann nahm ich eine der Gratis-Rezeptkarten vom Ständer. Ich war noch in das Rezept einer Zitronensauce vertieft (passt hervorragend zu Hähnchen, Fisch und Gemüse), als Savanna mit den Tomaten zurückkam, die ihre Mutter gar nicht aufgeschrieben hatte.

»So!« Zufrieden ließ sie ihren kleinen Beutel in den Einkaufswagen fallen. »Hab ich’s nicht gesagt? Hat nicht lange gedauert, oder?«

Ich musste lachen. »Du übertreibst echt, weißt du das?«

»Und du klingst fast wie meine Mutter.« Sie lächelte, ich nicht. »Mach hier keinen auf blöde Leberwurst!«

»Beleidigte Leberwurst.«

»Egal. Ich habe mich doch nur ein bisschen unterhalten.«

»Ach nee? Und was ist mit Archie?«

Savanna machte große Augen. Noch unschuldiger hätte sie nur ausgesehen, wenn sie Flügel und einen Heiligenschein gehabt hätte! »Was soll mit ihm sein?«

»Du und Archie seid doch quasi zusammen.«

»Quasi ist nicht dasselbe wie in echt, Gray. Ich meine, wenn man quasi eine Million Dollar geerbt hat, hat man noch lange keine Million Dollar in der Tasche, oder?«

»Na ja …« Abgesehen davon, dass sie einem Eskimo Eiswürfel oder einen Kühlschrank verkaufen könnte, würde sie ihm vermutlich auch seine letzte Decke abschwatzen!

»Und außerdem hab ich rein gar nichts gemacht. Ich habe lediglich mit einem anderen Jungen geredet. Mit einem anderen Jungen zu reden, gilt meines Wissens nicht als Straftat, oder?« Sie warf erneut einen Blick auf ihren Einkaufszettel und rümpfte die Nase, als wäre der nächste Punkt etwas total Abartiges wie zum Beispiel das noch warme Herz eines neugeborenen Lämmchens.

»Frühstücksflocken. Was zum Teufel meint sie mit Frühstücksflocken, Gracie?«

Ich konnte nur hoffen, dass sie zumindest wusste, was die Zindles zum Frühstück aßen! Es gab entschieden mehr Sorten Frühstücksflocken als Orangen. Suchend sah ich zu den Schildern hoch, die am Ende jedes Gangs hingen. »Gang vier.« Ich zeigte nach links. »Dort drüben.«

Savanna stürmte los. Murrend. »Ich würde lieber jeden einzelnen Tag bei McDonald’s essen, egal wie dick man davon wird, als mich freiwillig dieser Tortur hier zu unterziehen. So in etwa stelle ich mir die Hölle vor!«

»Es ist nicht die Hölle«, widersprach ich, während ich mit dem Einkaufswagen hinter ihr herrannte. »In der Hölle gibt es Feuer und Schwefelgestank. Keine Neonlichter und Kühlregale. Das hier kann maximal das Fegefeuer sein.«

Savanna gluckste vor Lachen. »Siehst du? Deshalb wollte ich, dass du mitkommst! Du machst sogar das hier erträglich.« Sie fuchtelte mit den Armen. »Aber eines sag ich dir – wenn wir erst mal unsere eigene Wohnung haben, lassen wir uns jeden Abend was vom Lieferservice kommen, sofern wir nicht von unseren attraktiven, reichen Verehrern zu einem fürstlichen Abendessen ausgeführt werden. Aber diesen Stress hier tue ich mir bestimmt nicht jede Woche an!«