Wunderschöne Weihnachtsmärchen -  - E-Book

Wunderschöne Weihnachtsmärchen E-Book

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Beschreibung

Erleben Sie die Märchen und Sagen aus aller Welt in dieser Serie "Märchen der Welt". Von den Ländern Europas über die Kontinente bis zu vergangenen Kulturen und noch heute existierenden Völkern: "Märchen der Welt" bietet Ihnen stundenlange Abwechslung. Ein Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis dieses Buches: Inhalt: Von dem Schneider, der bald reich wurde Schneeblume Der Kamerad Der Schneemann Yingeangeut und der Erdmacher Von den zwölf Monaten Der Haushalt von Fuchs und Bär Die Eisjungfrau Schneeweißchen Der große Narr aus Cuasan Vom langen Winter Der Bär Die Rekkenk Die zwölf wilden Enten Schneeweißchen und Rosenrot Vom großen Ziegenbock Wohl getan und schlecht gelohnt Warm und kalt aus einem Mund Der Wolf und der Fuchs Das sechsfüßige Elentier Caoilte Cosfhada Das Märchen vom Schlaraffenland Die Sonne und der Mond Das Fest der Unterirdischen Der Kantelespieler Von einer Jungfrau, die den Jesusknaben sah Von der heiligen Eufemia Das Ulta-Mädchen Vom Salz im Meer Die Bishorster Die Weihnachtsmesse Von dem Sommer- und Wintergarten Die Geschichte von Steinn Thruduvangi Unter dem Tannenbaum Merkwürdige Reden, gehört zu Krebslingen zwischen zwölf und ein Uhr in der Heiligen Nacht Vom Helljäger Draußensitzen am Kreuzwege Königin und Teufel Der Huldrekönig auf Selö Die denkwürdige Neujahrnacht

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Wunderschöne Weihnachtsmärchen

Inhalt:

Geschichte des Märchens

Von dem Schneider, der bald reich wurde

Schneeblume

Der Kamerad

Der Schneemann

Yingeangeut und der Erdmacher

Von den zwölf Monaten

Der Haushalt von Fuchs und Bär

Die Eisjungfrau

Schneeweißchen

Der große Narr aus Cuasan

Vom langen Winter

Der Bär

Die Rekkenk

Die zwölf wilden Enten

Schneeweißchen und Rosenrot

Vom großen Ziegenbock

Wohl getan und schlecht gelohnt

Warm und kalt aus einem Mund

Der Wolf und der Fuchs

Das sechsfüßige Elentier

Caoilte Cosfhada

Das Märchen vom Schlaraffenland

Die Sonne und der Mond

Das Fest der Unterirdischen

Der Kantelespieler

Von einer Jungfrau, die den Jesusknaben sah

Von der heiligen Eufemia

Das Ulta-Mädchen

Vom Salz im Meer

Die Bishorster

Die Weihnachtsmesse

Von dem Sommer- und Wintergarten

Die Geschichte von Steinn Thruduvangi

Unter dem Tannenbaum

Merkwürdige Reden, gehört zu Krebslingen zwischen zwölf und ein Uhr in der Heiligen Nacht

Vom Helljäger

Draußensitzen am Kreuzwege

Königin und Teufel

Der Huldrekönig auf Selö

Die denkwürdige Neujahrnacht

Wunderschöne Weihnachtsmärchen, Verschiedene Autoren

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849603410

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Frontcover: © Vladislav Gansovsky - Fotolia.com

Geschichte des Märchens

Ein Märchen ist diejenige Art der erzählenden Dichtung, in der sich die Überlebnisse des mythologischen Denkens in einer der Bewußtseinsstufe des Kindes angepaßten Form erhalten haben. Wenn die primitiven Vorstellungen des Dämonenglaubens und des Naturmythus einer gereiftern Anschauung haben weichen müssen, kann sich doch das menschliche Gemüt noch nicht ganz von ihnen trennen; der alte Glaube ist erloschen, aber er übt doch noch eine starke ästhetische Gefühlswirkung aus. Sie wird ausgekostet von dem erwachsenen Erzähler, der sich mit Bewußtsein in das Dunkel phantastischer Vorstellungen zurückversetzt und sich, vielfach anknüpfend an altüberlieferte Mythen, an launenhafter Übertreibung des Wunderbaren ergötzt. So ist das Volksmärchen (und dieses ist das echte und eigentliche M.) das Produkt einer bestimmten Bewußtseinsstufe, das sich anlehnt an den Mythus und von Erwachsenen für das Kindergemüt mit übertreibender Betonung des Wunderbaren gepflegt und fortgebildet wird. Es ist dabei, wie in seinem Ursprung, so in seiner Weiterbildung durchaus ein Erzeugnis des Gesamtbewußtseins und ist nicht auf einzelne Schöpfer zurückzuführen: das M. gehört dem großen Kreis einer Volksgemeinschaft an, pflanzt sich von Mund zu Munde fort, wandert auch von Volk zu Volk und erfährt dabei mannigfache Veränderungen; aber es entspringt niemals der individuellen Erfindungskraft eines Einzelnen. Dies ist dagegen der Fall bei dem Kunstmärchen, das sich aber auch zumeist eben wegen dieses Ursprungs sowohl in den konkreten Zügen der Darstellung als auch durch allerlei abstrakte Nebengedanken nicht vorteilhaft von dem Volksmärchen unterscheidet. Das Wort M. stammt von dem altdeutschen maere, das zuerst die gewöhnlichste Benennung für erzählende Poesien überhaupt war, während der Begriff unsers Märchens im Mittelalter gewöhnlich mit dem Ausdruck spel bezeichnet wurde. Als die Heimat der M. kann man den Orient ansehen; Volkscharakter und Lebensweise der Völker im Osten bringen es mit sich, daß das M. bei ihnen noch heute besonders gepflegt wird. Irrtümlich hat man lange gemeint, ins Abendland sei das M. erst durch die Kreuzzüge gelangt; vielmehr treffen wir Spuren von ihm im Okzident in weit früherer Zeit. Das klassische Altertum besaß, was sich bei dem mythologischen Ursprung des Märchens von selbst versteht, Anklänge an das M. in Hülle und Fülle, aber noch nicht das M. selbst als Kunstgattung. Dagegen taucht in der Zeit des Neuplatonismus, der als ein Übergang des antiken Bewußtseins zur Romantik bezeichnet werden kann, eine Dichtung des Altertums auf, die technisch ein M. genannt werden kann, die reizvolle Episode von »Amor und Psyche« in Apulejus' »Goldenem Esel«. Gleicherweise hat sich auch an die deutsche Heldensage frühzeitig das M. angeschlossen. Gesammelt begegnen uns M. am frühesten in den »Tredeci piacevoli notti« des Straparola (Vened. 1550), im »Pentamerone« des Giambattista Basile (gest. um 1637 in Neapel), in den »Gesta Romanorum« (Mitte des 14. Jahrh.) etc. In Frankreich beginnen die eigentlichen Märchensammlungen erst zu Ende des 17. Jahrh.; Perrault eröffnete sie mit den als echte Volksmärchen zu betrachtenden »Contes de ma mère l'Oye«; 1704 folgte Gallands gute Übersetzung von »Tausendundeiner Nacht« (s. d.), jener berühmten, in der Mitte des 16. Jahrh. im Orient zusammengestellten Sammlung arabischer M. Besondern Märchenreichtum haben England, Schottland und Irland aufzuweisen, vorzüglich die dortigen Nachkommen der keltischen Urbewohner. Die M. der skandinavischen Reiche zeigen nahe Verwandtschaft mit den deutschen. Reiche Fülle von M. findet sich bei den Slawen. In Deutschland treten Sammlungen von M. seit der Mitte des 18. Jahrh. auf. Die »Volksmärchen« von Musäus (1782) und Benedikte Naubert sind allerdings nur novellistisch und romantisch verarbeitete Volkssagen. Die erste wahrhaft bedeutende, in Darstellung und Fassung vollkommen echte Sammlung deutscher M. sind die »Kinder- und Hausmärchen« der Brüder Grimm (zuerst 1812–13, 2 Bde.; ein 3. Band, 1822, enthält literarische Nachweise bezüglich der M.). Unter den sonstigen deutschen Sammlungen steht der Grimmschen am nächsten die von L. Bechstein (zuerst 1845); außerdem sind als die bessern zu nennen: die von E. M. Arndt (1818), Löhr (1818), J. W. Wolf (1845 u. 1851), Zingerle (1852–54), E. Meier (1852), H. Pröhle (1853) u. a. Mit M. des Auslandes machten uns durch Übertragungen bekannt: die Brüder Grimm (Irland, 1826), Graf Mailath (Ungarn, 1825), Vogl (Slawonien, 1837), Schott (Walachei, 1845), Asbjörnson (Norwegen), Bade (Bretagne, 1847), Iken (Persien, 1847), Gaal (Ungarn, 1858), Schleicher (Litauen, 1857), Waldau (Böhmen, 1860), Hahn (Griechenland u. Albanien, 1863), Schneller (Welschtirol, 1867), Kreutzwald (Esthland, 1869), Wenzig (Westslawen, 1869), Knortz (Indianermärchen, 1870, 1879, 1887), Gonzenbach (Sizilien, 1870), Österley (Orient, 1873), Carmen Sylva (Rumänien, 1882), Leskien und Brugman (Litauen, 1882), Goldschmidt (Rußland, 1882), Veckenstedt (Litauen, 1883), Krauß (Südslawen, 1883–84), Brauns (Japan, 1884), Poestion (Island, 1884; Lappland, 1885), Schreck (Finnland, 1887), Chalatanz (Armenien, 1887), Jannsen (Esthen, 1888), Mitsotakis (Griechenland, 1889), Kallas (Esthen, 1900) u. a. Unter den Kunstpoeten haben sich im M. mit dem meisten Glück versucht: Goethe, L. Tieck, Chamisso, E. T. A. Hoffmann, Fouqué, Kl. Brentano, der Däne Andersen, R. Leander (Volkmann) u. a. Vgl. Maaß, Das deutsche M. (Hamb. 1887); Pauls »Grundriß der germanischen Philologie«, 2. Bd., 1. Abt. (2. Aufl., Straßb. 1901); Benfey, Kleinere Schriften zu Märchenforschung (Berl. 1890); Reinh. Köhler, Aufsätze über M. und Volkslieder (das. 1894) und Kleine Schriften, Bd. 1: Zur Märchenforschung (hrsg. von Bolte, das. 1898); R. Petsch, Formelhafte Schlüsse im Volksmärchen (das. 1900).

Von dem Schneider, der bald reich wurde

Ein armer Schneider ging einmal zur Winterszeit über das Feld und wollte seinen Bruder besuchen. Unterwegs fand er eine erfrorene Drossel, sprach zu sich selber: "Was größer ist als eine Laus, das nimmt der Schneider mit nach Haus!", hob also die Drossel auf und steckte sie zu sich. Als er an seines Bruders Haus kam, schaute er erst zum Fenster hinein, ob sie auch zu Haus wären, da sah er einen dicken Pfaffen bei der Frau Schwägerin sitzen vor einem Tisch, auf dem stand ein Braten und eine Flasche Wein. Indem klopfte es an die Haustür, und der Mann wollte herein, da sah er, wie die Frau den Pfaffen geschwind in einen Kasten schloß, den Braten in den Ofen stellte und den Wein ins Bett schob. Nunmehr ging der Schneider selbst ins Haus und hieß seinen Bruder und seine Schwägerin Willkommen, setzte sich aber auf den Kasten nieder, in dem der Pfaffe steckte. Der Mann sprach: "Frau, ich bin hungrig, hast du nichts zu essen?"

"Nein, es tut mir leid, es ist aber heute gar nichts im Hause." Der Schneider aber zog seine erfrorene Drossel heraus, da sprach sein Bruder: "Mein, was tust du mit der gefrorenen Drossel?"

"Ei, die ist viel Geld wert, die kann wahrsagen!"

"Nun, so laß sie einmal wahrsagen." Der Schneider hielt sie ans Ohr und sprach: "Die Drossel sagt, es stünde eine Schüssel voll Braten im Ofen." Der Mann ging hin und fand den Braten: "Was sagt die Drossel weiter?"

"Im Bett stecke eine Flasche Wein." Der fand auch den Wein: "Ei, die Drossel mögt ich haben, die verkauf mir doch."

"Du kannst sie kriegen, wenn du mir den Kasten gibst, worauf ich sitze." Der Mann wollte gleich, die Frau aber sagte: "Nein, das geht nicht, der Kasten ist mir gar zu lieb, den geb ich nicht weg." Der Mann aber sprach: "Stell dich doch nicht so dumm, was nützt dir so ein alter Kasten", gab damit dem Bruder den Kasten für den Vogel.

Der Schneider nahm den Kasten auf einen Schubkarren und fuhr ihn fort. Unterwegs sprach er: "Ich nehm den Kasten und werf ihn ins Wasser, ich nehm den Kasten und werf ihn ins Wasser!" Endlich regte sich der Pfaffe inwendig und sagte: "Ihr wißt viel, was in dem Kasten ist, laßt mich heraus, ich will Euch 50 Taler geben."

"Ja, dafür will ich es schon tun", ließ ihn heraus und ging mit dem Gelde heim. Die Leute wunderten sich, wo er das viele Geld herhabe, er aber sprach: "Ich will euch sagen, die Felle stehen in so hohem Preis, da hab ich meine alte Kuh geschlachtet und fürs Fell soviel gelöst." Die Leute im Dorf wollten auch davon profitieren, gingen hin und schnitten allen ihren Ochsen, Kühen und Schafen die Hälse ab und trugen die Felle in die Stadt, wofür sie aber blutwenig lösten, weil ihrer soviel auf einmal feilgeboten wurden. Da ärgerten sich die Bauern über den Schaden und warfen dem Schneider Dreck und ander schlechtes Zeug vor seine Tür. Der aber tat alles in seinen Kasten, ging damit in die Stadt in einen Gasthof und bat den Wirt, ob er ihm nicht den Kasten, worin die größten Kostbarkeiten wären, eine Zeitlang verwahren wolle, bei ihm wären sie nicht sicher. Der Wirt sagte: "Recht gern", und nahm den Kasten zu sich.

Einige Zeit danach kam der Schneider, forderte ihn wieder zurück und machte ihn auf, um zu sehen, ob noch alles darin wäre. Wie er nun aber voll Dreck ist, so tobte er abscheulich, beschimpfte den Wirt und drohte, ihn zu verklagen, so daß der Wirt, welcher Aufsehen scheute und für seinen Credit fürchtete, ihm gern hundert Taler gab. Die Bauern ärgerten sich wieder, daß dem Schneider alles zum Profit ausschlug, was sie ihm Leides antaten, nahmen den Kasten, steckten ihn mit Gewalt hinein, setzten ihn aufs Wasser und ließen ihn fortfließen. Der Schneider schwieg eine Weile still, bis er eine Ecke fortgeflossen war, dann rief er überlaut: "Nein, ich tu's nicht! Und ich tu's nicht! Und wenn's die ganze Welt haben wollte!" Das Geschrei hörte ein Schäfer und fragte: "Was willst du denn nicht tun?"

"Ei", sagte der Schneider, "da ist ein König, der hat die närrische Grille und besteht darauf, daß, wer in diesem Kasten den Strom hinuntergeschwommen kommt, seine einzige Tochter heiraten soll, aber ich hab einmal meinen Kopf darauf gesetzt und tu's nicht, und wenn's die ganze Welt haben wollt."

"Hört einmal, geht das nicht, daß sich ein anderer in den Kasten setzt und die Königstochter kriegt?"

"O ja, das geht auch."

"So will ich mich an Eurer Stelle hineinsetzen." Da stieg der Schneider aus, der Schäfer ein; der Schneider machte den Kasten noch zu, und der Schäfer ging bald unter. Der Schneider aber nahm die ganze Herde des Schäfers und trieb sie heim.

Die Bauern aber wunderten sich, wie das zugegangen, daß er wiederkäme und obendrein die vielen Schafe hätte. Der Schneider sagte: "Ich war untergesunken, tief, tief! Da fand ich auf dem Grund die ganze Herde und nahm sie mit heraus." Die Bauern wollten sich da auch Schafe holen und gingen miteinander hinaus ans Wasser. Den Tag war der Himmel ganz blau mit kleinen weißen Wolken, da riefen sie: "Wir sehen schon die Lämmer unten auf dem Grund!" Da sprach der Schulz: "Ich will erst hinunter und mich umsehen, und wenn es gut ist, will ich euch rufen." Wie er nun hineinstürzte, rauschte es in dem Wasser: plump! Da meinten sie, er riefen ihnen zu: kommt!, und stürzten sich alle hinter ihm drein. Da gehörte das ganze Dorf dem Schneider.

Schneeblume

Eine junge Königstochter hieß Schneeblume, weil sie weiß wie der Schnee war und im Winter geboren. Eines Tages war ihre Mutter krank geworden, und sie ging in den Wald und wollte heilsame Kräuter brechen. Wie sie nun an einem großen Baum vorüberging, flog ein Schwarm Bienen heraus und bedeckten ihren ganzen Leib von Kopf bis zu den Füßen. Aber sie stachen sie nicht und taten ihr nicht weh, sondern trugen Honig auf ihre Lippen, und ihr ganzer Leib strahlte ordentlich von Schönheit.

Der Kamerad

Es war einmal ein Bauernbursch, dem träumte, er werde eine Prinzessin bekommen, weit, weit fort, und sie wäre so weiß wie Milch und so rot wie Blut und so reich, daß ihr Reichtum kein Ende hätte. Beim Aufwachen vermeinte er noch, sie stünde leibhaftig vor ihm, und sie war so schön und lieblich, daß er nicht weiterleben konnte ohne sie. Da verkaufte er alles, was er hatte, und zog aus und suchte sie. Er wanderte weit umher und kam schließlich zur Winterszeit in ein Land, wo alle Straßen geradeaus gingen und keinerlei Krümmung machten. Als er ein Vierteljahr lang geradeaus gewandert war, kam er in eine Stadt. Da lag außen vor der Kirchentür ein großer Eisklumpen, und mitten darin war eine Leiche, und die ganze Gemeinde spuckte im Vorbeigehen darauf. Der Bursche verwunderte sich darüber, und als der Pfarrer aus der Kirche kam, fragte er ihn, was das bedeuten solle. "Das ist ein übler Betrüger gewesen", sagte der Pfarrer, "man hat ihn um seiner Sünden willen hingerichtet und hier zu Spott und Schande aufgestellt."

"Was hat er denn getan?" fragte der Bursche.

"In seinem Erdenleben war er ein Weinhändler", sagte der Pfarrer, "und er hat Wasser in den Wein geschüttet."

So schrecklich kam das dem Burschen nicht vor. "Wenn man ihn doch mit dem Leben hat dafür bezahlen lassen", sagte er, "könnte man ihm jetzt doch ein christliches Begräbnis zukommen und den Toten ruhen lassen!" Aber darauf sagte der Pfarrer, das sei auf keine Weise zu machen. Um ihn aus dem Eis herauszubrechen, brauche man Leute; und man brauche Geld, um von der Kirche das Grab zu kaufen, und der Totengräber wolle Geld für seine Mühe, der Küster für die Glocken, der Kantor für den Gesang und der Pfarrer für die Leichenpredigt.

"Glaubst du, daß es einen Menschen gibt, der all das viele Geld für einen solchen argen Sünder zahlen will?" fragte der Pfarrer.

"Ja", sagte der Bursche, wenn er ihm nur ein Begräbnis verschaffen könne, so wolle er schon den Leichenschmaus zahlen aus seinem schmalen Beutel.

Der Pfarrer wollte erst nichts davon wissen, aber als der Bursche mit zwei Männern wiederkam und ihn in ihrem Beisein fragte, ob er das christliche Begräbnis verweigere, wagte er keinen Widerspruch mehr.

Also befreiten sie den Weinhändler aus dem Eisklotz und legten ihn in geweihte Erde. Die Glocken läuteten, und es wurde gesungen, und der Pfarrer warf Erde auf den Sarg, und sie hielten einen Leichenschmaus, und es gab abwechselnd Tränen und Gelächter. Als aber der Bursche den Leichenschmaus bezahlt hatte, hatte er nicht mehr viele Groschen in der Tasche.

Darauf machte er sich wieder auf den Weg. Aber er war noch nicht weit gegangen, als ein Mann hinter ihm herkam und ihn fragte, ob er es nicht langweilig finde, so allein vor sich hin zu gehen.

"Nein", sagte der Bursche, er habe immer etwas, woran er denken müsse. Der Mann fragte, ob er nicht einen Diener brauche.

"Nein", sagte der Bursche, "ich bin gewöhnt, mein eigener Diener zu sein, deshalb brauche ich keinen, und wenn ich auch noch so gern einen haben wollte, so könnte ich doch nicht, denn ich habe kein Geld für Kost und Lohn."

"Du hast aber doch einen Diener nötig, das weiß ich besser als du", sagte der Mann, "und zwar brauchst du einen, auf den du dich im Leben und Tod verlassen kannst. Wenn du mich aber nicht als Diener haben willst, so nimm mich als Kameraden. Ich verspreche dir, es soll dein Schade nicht sein, und ich werde dich keinen Schilling kosten. Ich reise auf eigene Kosten, und um Essen und Kleider brauchst du dich auch nicht zu kümmern."

Unter diesen Umständen wollte er ihn gern als Kameraden annehmen, und so setzten sie die Reise zusammen fort, und der Mann ging gewöhnlich voraus und zeigte den Weg.

Als sie lang durch die Lande gezogen waren, über Berge und Heiden, standen sie plötzlich vor einer Felswand. Der Kamerad klopfte an und bat um Einlaß. Da tat sich der Fels vor ihnen auf, und als sie ein gut Stück in den Berg hineingegangen waren, kam ihnen eine Hexe entgegen und bot ihnen einen Stuhl an: "Seid so gut und setzt euch, ihr werdet müde sein!"

"Setz dich selbst!" sagte der Mann. Da mußte sie sich setzen und da sitzen bleiben, denn der Stuhl hatte die Eigenschaft, daß er alles festhielt, was ihm nahe kam. Inzwischen wanderten sie im Berg herum, und der Kamerad sah sich um, bis er ein Schwert erblickte, das über der Tür hing, das wollte er haben und versprach der Hexe, er wolle sie von dem Stuhl befreien, wenn sie ihm das Schwert überlasse.

"Nein", schrie sie, "bitte mich, um was du willst! Alles andere kannst du haben, nur das nicht, denn das ist mein Dreischwestern-Schwert!" (Es waren nämlich drei Schwestern, denen das Schwert zusammen gehörte.) "Dann kannst du hier sitzen bleiben bis an der Welt Ende!" sagte der Mann. Als sie das hörte, versprach sie ihm doch das Schwert, wenn er sie befreite.

Er nahm das Schwert und ging damit fort und ließ sie doch sitzen. Als sie weit gewandert waren, über nackte Felsen und öde Heiden, kamen sie wieder an eine Felswand. Da pochte der Kamerad wieder und bat um Einlaß. Es ging wie das letzte Mal, der Fels tat sich auf, und als sie tief drinnen im Berg waren, kam ihnen eine Hexe mit einem Stuhl entgegen und hieß sie niedersitzen, sie seien doch müde, sagte sie.

"Setz dich selbst!" sagte der Kamerad. Und es ging ihr wie ihrer Schwester, sie mußte sich setzen und konnte nicht mehr loskommen. Indessen gingen der Bursche und sein Kamerad im Berge umher, und er machte alle Schränke und Schubladen auf, bis er fand, was er suchte, nämlich ein Knäuel Goldfaden. Das wollte er haben und versprach der Hexe, sie von dem Stuhl loszulassen, wenn sie ihm das Knäuel geben wolle. Sie sagte, er könne all ihr Hab und Gut nehmen, aber das Knäuel könne sie nicht hergeben, das sei ihr Dreischwestern-Knäuel. Aber als sie hörte, daß sie bis zum Jüngsten Tag hier sitzen bleiben sollte, wenn sie das Knäuel nicht hergebe, so ging sie doch darauf ein. Da nahm der Kamerad das Knäuel und ließ sie trotzdem sitzen, wo sie saß.

Darauf gingen sie manchen Tag durch Wald und Heide, bis sie wieder an eine Felswand kamen. Es ging gerade wie die beiden vorigen Male, der Kamerad klopfte an, der Berg tat sich auf, und drinnen kam ihnen eine Hexe mit einem Stuhl entgegen und hieß sie sitzen, sie seien wohl müde. Aber der Kamerad befahl: "Setz dich selber!" und da mußte sie sich setzen. Die beiden waren noch nicht durch viele Gemächer gegangen, da erblickte der Kamerad einen alten Hut an einem Haken hinter der Tür. Den wollte er haben. Aber die Alte wollte sich nicht davon trennen, denn es sei ihr Dreischwestern-Hut, wenn sie den hergebe, werde sie todunglücklich. Als sie jedoch hörte, daß sie hier bis an den Jüngsten Tag sitzen bleiben sollte, wenn sie den Hut nicht hergebe, so willigte sie endlich ein. Der Kamerad nahm den Hut und hieß sie dann sitzen bleiben, wo sie saß, wie ihre Schwestern.

Schließlich kamen sie an einen Fluß. Da nahm der Kamerad das Knäuel und warf es so kräftig an den Berg auf der anderen Seite des Flusses, daß es wieder zurückflog, und als es mehrmals hin und wieder geflogen war, stand eine Brücke da. Darauf überschritten sie den Fluß, und als sie auf der anderen Seite ankamen, sagte der Mann zu dem Burschen, er solle so rasch wie möglich den Goldfaden wieder aufwickeln. "Denn wenn wir ihn nicht schnell wegschaffen, so kommen die drei Hexen herüber und reißen uns in Stücke." Der Bursche wickelte so schnell, wie er konnte. Gerade als er am letzten Faden war, kamen die Hexen angefaucht.

Sie stürzten sich ins Wasser, daß der Schaum hoch aufspritzte, und haschten nach dem Ende des Fadens. Aber sie konnten es nicht packen und ertranken im Fluß.

Als sie wieder einige Tage gegangen waren, sagte der Kamerad: "Nun kommen wir bald an das Schloß, in dem sie wohnt, die Prinzessin, von der du geträumt hast, und wenn wir hinkommen, so mußt du ins Schloß hineingehen und dem König sagen, was du geträumt hast und was dein Reiseziel ist."

Als sie hinkamen, tat er das und wurde sehr gut aufgenommen. Er bekam ein Zimmer für sich und eins für seinen Diener, und als es Essenszeit war, wurde er an des Königs eigenen Tisch gebeten. Als er die Prinzessin erblickte, erkannte er sie nach dem Traumgesicht sofort wieder. Er sagte ihr auch, weshalb er gekommen sei, und sie antwortete, sie könne ihn gut leiden und wolle ihn gern nehmen, aber zuerst müsse er drei Proben bestehen. Als sie gespeist hatten, gab sie ihm eine goldene Schere und sagte: "Die erste Probe ist, daß du diese Schere nimmst und aufhebst und sie mir morgen mittag wiedergibst. Das ist keine sehr schwere Probe", sagte sie und lächelte, "aber wenn du sie nicht bestehst, so mußt du sterben, so will es das Gesetz, und dein Körper wird aufs Rad geflochten und dein Kopf auf einen Spieß gesteckt, und es geht dir wie den Freiern, deren Schädel und Gerippe du draußen vor dem Schloß sehen kannst."

"Das ist doch keine Kunst", dachte sich der Bursche. Aber die Prinzessin war so lustig und munter und trieb solchen Schabernack mit ihm, daß er die Schere und sich selbst darüber vergaß, und während sie lachten und scherzten, stibitzte sie ihm heimlich die Schere weg, ohne daß er es merkte. Als er am Abend in die Kammer kam und erzählte, wie es ihm gegangen war, was sie zu ihm gesagt hätte und was es mit der Schere, die sie ihm zum Aufheben gegeben hätte, auf sich habe, fragte der Kamerad: "Hast du die Schere auch noch?"

Der Bursche suchte in allen seinen Taschen, aber es war keine Schere darin, und er war mehr als unglücklich, als er merkte, daß er sie verloren hatte.

"Nun, nun, sei nur ruhig, ich will sehen, ob ich dir sie wieder verschaffen kann", sagte der Kamerad und ging hinunter in den Stall. Da stand ein mächtiger Bock, der gehörte der Prinzessin und konnte viel schneller durch die Luft fliegen als auf ebener Erde gehen. Der Kamerad nahm das Dreischwestern-Schwert und gab ihm damit einen Hieb zwischen die Hörner und fragte: "Wann reitet die Prinzessin heut nacht zu ihrem Liebsten?" Der Bock meckerte und sagte, das traue er sich nicht zu sagen, aber als der Kamerad ihm noch einen Hieb gab, sagte er doch, die Prinzessin werde Punkt elf Uhr kommen. Der Kamerad setzte den Dreischwestern-Hut auf, da war er unsichtbar, und wartete auf die Prinzessin. Als sie kam, schmierte sie den Bock mit einer Salbe ein, die sie in einem großen Horn mitbrachte, und dann rief sie: "Auf! Auf! Über Giebel und Turm, über Land, über See, über Berg und Tal, zum Liebsten, der mich im Berg erwartet!"

Wie der Bock aufflog, schwang sich der Kamerad hintenauf, und nun ging es wie der Wind durch die Wolken. Der Weg war nicht lang. Auf einmal waren sie vor einer Felswand, sie klopfte an, und dann ging die Fahrt in den Berg hinein zu dem Troll, der ihr Liebster war. "Jetzt ist ein neuer Freier gekommen, der mich haben will, Schätzchen", sagte sie und tat dem Troll schön. "Ich habe ihm eine Probe auferlegt, und hier ist die Schere, die er aufheben und verwahren sollte. Verwahre du sie jetzt!" Da lachten die beiden, als wäre der Bursche schon aufs Rad geflochten. "Ja, ich will sie aufheben und gut verwahren, und ich will schlafen in Liebchens Arm, wenn den Burschen umkrächzt der Krähenschwarm!" sagte der Troll und legte die Schere in einen eisernen Schrein mit drei Schlössern davor. Aber in dem Augenblick, wo sie die Schere in den Schrein fallen ließen, nahm der Kamerad sie weg. Keiner konnte es sehen, denn er hatte den Dreischwestern-Hut auf. Also schloß der Troll den leeren Schrein sorgfältig zu, und die Schlüssel steckte er in einen hohlen Backenzahn, wo er noch andere Zauberdinge aufhob. Da würde der Freier sie gewiß nicht finden, meinte er.

Nach Mitternacht machte sie sich auf den Heimweg. Der Kamerad schwang sich wieder hintenauf, und der Heimweg war nicht lange.

Am nächsten Mittag wurde der Bursche zur königlichen Tafel geladen. Aber da hatte die Prinzessin ein so hochnäsiges Benehmen und war so stolz und schnippisch, daß sie fast gar nicht nach der Seite hinsah, wo der Bursche saß. Aber nachdem man gespeist hatte, machte sie ein recht feierliches Gesicht und fragte zuckersüß: "Du hast wohl die Schere noch, die ich dir gestern zum Aufheben gegeben habe?"

"Ja, hier ist sie", sagte der Bursche, zog die Schere heraus und schleuderte sie auf den Tisch, daß es nur so klirrte. Die Prinzessin hätte nicht mehr erschrecken können, wenn er ihr die Schere ins Gesicht geworfen hätte. Aber sie machte gute Miene zum bösen Spiel und sagte mit süßer Stimme: "Da du die Schere so gut verwahrt hast, wird es dir nicht so schwerfallen, mein Knäuel Goldfaden aufzuheben. Morgen mittag möchte ich es wiederhaben, aber wenn du es da nicht hast, so mußt du von Rechts wegen sterben", sagte sie. Der Bursche meinte, das sei ja nicht so schwer, und steckte das Knäuel Goldfaden in die Tasche. Aber da fing die Prinzessin wieder an mit ihm zu scherzen und Spaß zu treiben, so daß er sich selbst und das goldene Knäuel dazu vergaß, und während sie mitten im lustigsten Spaß waren, entwendete sie ihm das Knäuel und hieß ihn dann gehen.

Als er hinauf in die Kammer kam und erzählte, was sie gesagt und getan hatte, fragte sein Kamerad: "Du hast doch das Knäuel noch?"

"Ja freilich", sagte der Bursche und griff in die Tasche, in die er es gesteckt hatte. Aber da war kein Knäuel, und da kam er so in Verzweiflung, daß er nicht wußte, was anfangen.

"Sei nur ruhig", sagte der Kamerad, "ich will sehen, ob ich es nicht wiederbekommen kann." Er nahm sein Schwert und seinen Hut und ging zu einem Schmied und ließ an sein Schwert noch zwölf Pfund Eisen anschmelzen. Als er dann in den Stall kam, gab er dem Bock damit einen Schlag zwischen die Hörner, daß er taumelte, und fragte ihn: "Wann reitet die Prinzessin heute nacht zu ihrem Liebsten?"

"Punkt zwölf Uhr", sagte der Bock.

Der Kamerad setzte wieder seinen Dreischwestern-Hut auf und wartete, bis die Prinzessin mit dem Salbenhorn kam und den Bock einrieb. Dann sagte sie wieder wie das erste Mal: "Auf! Auf! Über Giebel und Turm, über Land, über See, über Berg und Tal, zum Liebsten, der mich im Berg erwartet!" Wie nun der Bock auffuhr, schwang sich der Kamerad hintenauf, und nun ging's wie der Blitz durch die Luft. Bald waren sie am Trollberg, und als sie drei Schläge getan hatte, ging es durch den Berg hindurch bis zu dem Troll, der ihr Liebster war.

"Wie hast du denn die goldene Schere verwahrt, die ich dir gestern gab, mein Freund?" fragte die Prinzessin. "Der Freier hatte sie und gab sie mir wieder."

Das sei ganz unmöglich, sagte der Troll, denn er habe sie in einen Schrein mit drei Schlössern eingeschlossen, und die Schlüssel in seinen hohlen Zahn gesteckt. Aber als sie den Schrein aufschlossen und nachsahen, war keine Schere darin. Da erzählte die Prinzessin, daß sie ihm nun ihr goldenes Knäuel gegeben hätte.

"Hier ist es", sagte sie, "ich habe es ihm wieder abgenommen, ohne daß er es merkte, aber was sollen wir nun anfangen, wenn er sich auf solche Künste versteht?"

Der Troll wußte auch keinen Rat. Aber als sie eine Weile nachgedacht hatten, kamen sie auf den Gedanken, ein großes Feuer anzuzünden und das Knäuel zu verbrennen, dann könne der Freier es gewiß nicht wiederbekommen. Aber wie sie es ins Feuer warf, stand der Kamerad auf dem Sprung und fing es auf, ohne daß es jemand sah, denn er hatte den Dreischwestern-Hut auf. Als die Prinzessin eine Weile bei dem Troll gewesen war und es gegen Morgen ging, fuhr sie wieder heim. Der Kamerad saß wieder hintenauf, und die Heimreise ging rasch und gut. Als der Bursche zu Tafel geladen wurde, gab der Kamerad ihm das Knäuel. Die Prinzessin war noch spitzer und spöttischer als das erste Mal, und nachdem man gegessen hatte, kniff sie den Mund ganz schmal und sagte: "Könnte ich nicht vielleicht mein goldenes Knäuel wiederbekommen, das ich dir gestern gab?"

"Ja", sagte der Bursche, "das kannst du haben, hier!", und er warf es auf den Tisch, daß er dröhnte und der König vor Schrecken hoch in die Höhe fuhr.

Die Prinzessin wurde weiß wie eine Leiche, aber sie machte gute Miene zum bösen Spiel und sagte, er habe seine Sache gut gemacht. Nun habe er nur noch eine kleine Probe zu bestehen: "Wenn du mir das, woran ich denke, bis morgen mittag beschaffen kannst, so sollst du mich haben und behalten."

Der Bursche kam sich vor wie ein zum Tode Verurteilter, denn es schien ihm ganz unmöglich zu wissen, woran die Prinzessin denke, und noch unmöglicher, den Gegenstand zu beschaffen. Und als er in seine Kammer kam, konnte ihn der Kamerad kaum beruhigen. Er sagte, er wolle die Sache wie die beiden ersten Male schon in die Hand nehmen. Schließlich beruhigte sich der Bursche und legte sich schlafen. Inzwischen ging der Kamerad wieder zu dem Schmied und ließ sich noch vierundzwanzig Pfund Eisen an sein Schwert anschmieden, und als das geschehen war, ging er in den Stall und hieb den Bock zwischen die Hörner, daß er an die andere Wand flog.

"Wann reitet die Prinzessin heut nacht zu ihrem Liebsten?" sagte er.

"Punkt ein Uhr", meckerte der Bock.

Als es Zeit war, stand der Kamerad mit seinem Dreischwestern-Hut im Stall, und nachdem sie den Bock eingerieben und ihren Spruch wie sonst auch gesagt hatte, ging es wieder durch die Luft davon, und der Kamerad saß hintenauf. Aber diesmal war er gar nicht sanft, sondern gab der Prinzessin bald hier einen Puff, bald dort einen Puff und beutelte sie fürchterlich. Als sie an die Felswand kamen, klopfte sie dreimal an, und der Berg öffnete sich, und sie fuhren hindurch bis zu ihrem Liebsten. Da beklagte sie sich sehr bei ihm und jammerte und sagte, sie hätte nicht gedacht, daß einen das Wetter so mitnehmen könne; es sei ihr vorgekommen, als fliege jemand mit, der auf sie und den Bock losschlüge, und sie sei gewiß am ganzen Leibe braun und blau, so bös sei er mit ihr umgegangen. Und dann erzählte sie, daß der Freier auch das Knäuel wieder gehabt habe. Wie das zugegangen war, konnte sich weder sie noch der Troll denken.

"Aber weißt du, was ich mir ausgedacht habe?" sagte sie. Das konnte der Troll nicht wissen.

"Ja", sagte sie, "ich habe ihm gesagt, er solle mir das, woran ich denke, bis morgen mittag beschaffen, und das war dein Kopf. Glaubst du, lieber Freund, daß er das schaffen kann?" sagte die Prinzessin und tat dem Troll recht schön.

"Das glaube ich nicht", sagte der Troll, und er war seiner Sache ganz sicher und lachte und gluckste vor Vergnügen ganz bösartig, und er und die Prinzessin glaubten steif und fest, eher werde der Bursche aufs Rad geflochten und Futter für die Raben, als daß er den Kopf des Trolles herbeischaffen könne.

Als es gegen Morgen ging, wollte die Prinzessin wieder nach Hause, aber sie hatte Angst, denn sie glaubte, es sei jemand hinter ihr her, und sie traute sich nicht allein zu reiten. Der Troll sollte sie begleiten. Er war auch bereit dazu und zog seinen Bock aus dem Stall – er hatte den gleichen wie die Prinzessin – und rieb ihn ein und salbte ihn auch zwischen den Hörnern.

Als der Troll aufgestiegen war, saß der Kamerad bei ihm hintenauf, und dann ging es durch die Luft dem Königsschloß zu. Aber unterwegs schlug der Kamerad wacker auf den Troll und auf den Bock los und gab ihnen Hieb auf Hieb und Schlag auf Schlag mit dem Schwert, daß sie tiefer und tiefer hinuntergerieten und schließlich fast ins Meer gesunken wären, über das sie die Reise führte.

Als der Troll merkte, wie bös es draußen zuging, begleitete er die Prinzessin bis zum Schloß und machte außen halt, um zu sehen, daß sie wirklich wohlbehalten heimkam. Aber in dem Augenblick, wo sie die Tür hinter sich zumachte, schlug der Kamerad dem Troll das Haupt ab und ging damit hinauf in die Kammer des Burschen.

"Hier ist das Ding, an das die Prinzessin gedacht hat", sagte er.

Da war denn alles in schönster Ordnung, und als der Bursche zu Tafel geladen wurde und sie gegessen hatten, wurde die Prinzessin munter wie eine Lerche. "Hast du vielleicht das, woran ich gedacht habe?" fragte sie.

"Freilich", sagte der Bursche und zog das Haupt unter seinen Rockschößen hervor und schleuderte es hin, daß der Tisch mit allem, was darauf war, umfiel. Die Prinzessin wurde leichenblaß. Aber sie konnte nicht leugnen, daß das das Ding war, woran sie gedacht hatte, und nun mußte sie den Burschen nehmen, wie sie versprochen hatte. Also wurde die Hochzeit gefeiert, und es war große Freude im ganzen Königreich.

Aber der Kamerad nahm den Burschen beiseite und sagte, in der Hochzeitsnacht dürfe er wohl die Augen zumachen und tun, als ob er schliefe, aber wenn ihm sein Leben etwas wert sei und er ihm folgen wolle, so dürfe er so lange kein Auge zutun, bis er nicht die Prinzessin von ihrer Trollhaut befreit hätte. Er müsse sie ihr mit neun neuen Birkenruten lospeitschen und dann noch in drei Milchbädern abstreifen. Erst solle er sie in einem Kübel volljähriger Molke abschrubben, dann in einem Kübel vollsaurer Milch abreiben und schließlich in einem Kübel voll süßer Milch abschwemmen. Die Birkenruten habe er unters Bett gelegt und die drei Kübel mit Milch in die Ecke gestellt. Es sei alles bereit. Der Bursche versprach, er wolle ihm folgen und tun, was er ihm gesagt hatte.

Als sie sich abends ins Bett gelegt hatten, tat er, als ob er schliefe. Die Prinzessin richtete sich auf dem Ellenbogen auf, um zu sehen, ob er wirklich schlafe, und kitzelte ihn unter der Nase. Aber er schlief ganz fest. Da zupfte sie ihn am Haar und am Bart. Aber er schlief wie ein Sack, meinte sie wenigstens. Da zog sie unter ihrem Kopfkissen ein großes Schlachtermesser hervor und wollte ihm damit den Kopf abhacken. Aber da fuhr der Bursche auf, schlug ihr das Messer aus der Hand, packte sie an den Haaren und peitschte sie mit den Ruten und hörte nicht auf, bis keine einzige mehr ganz war. Darauf warf er sie in den Molkekübel, und da sah er, was für ein Tier sie war, denn sie war rabenschwarz am ganzen Körper. Aber als er sie in der Molke abgeschrubbt, in der Sauermilch abgerieben und in der süßen Milch abgeschwemmt hatte, da war die Trollhaut ganz weg, und sie war so wunderschön, wie sie zuvor noch nie gewesen war.

Am folgenden Tag sagte der Kamerad, nun sollten sie reisen. Der Bursche war reisefertig und die Prinzessin auch, denn ihre Mitgift war schon lange bereit. In der Nacht brachte der Kamerad alles Gold und Silber und alle Kostbarkeiten, die der Troll im Berg hinterlassen hatte, ins Schloß, und als sie am Morgen fortreisen wollten, war der ganze Hof so voll, daß sie kaum durchkommen konnten. Diese Mitgift war mehr wert als das ganze Land des Königs, und sie hatten keine Ahnung, wie sie alles heimschaffen sollten. Aber der Kamerad wußte einen Ausweg aus der Verlegenheit. Der Troll hatte auch sechs Böcke hinterlassen, die durch die Luft fliegen konnten. Die belud er so reichlich mit Gold und Silber, daß sie auf der Erde gehen mußten und nicht stark genug waren, um sich in die Luft zu heben. Was die Böcke nicht mehr tragen konnten, mußte im Schloß zurückbleiben. So reisten sie eine lange Zeit, aber schließlich wurden die Böcke so müde und waren so hinfällig, daß sie nicht mehr weitergehen konnten. Der Bursche und die Prinzessin wußten sich nicht zu helfen. Aber als der Kamerad sah, daß sie nicht mehr von der Stelle kamen, nahm er die ganze Mitgift auf den Rücken, legte die Böcke obendrauf und trug das alles, bis man nur noch eine halbe Meile von der Heimat des Burschen entfernt war. Da sagte der Kamerad: "Nun muß ich mich von dir trennen. Ich kann nicht weiter bei dir bleiben." Aber der Bursche wollte von einer Trennung nichts wissen und ihn um keinen Preis weggehen lassen.

Also ging er noch eine halbe Meile mit, aber weiter konnte er nicht mehr, und als der Bursche in ihn drang und ihn nötigen wollte, mit ihm nach Hause zu kommen und dazubleiben oder doch wenigstens die Heimkehr mitzufeiern, da sagte er immer nur, nein, er könne nicht. Da fragte ihn der Bursche, was er denn haben wolle als Lohn für seine Begleitung und Hilfe. "Wenn ich mir etwas wünschen soll, so möchte ich die Hälfte haben von allem, was du in den nächsten fünf Jahren gewinnst", sagte der Kamerad. Das wurde ihm auch zugesagt.

Als der Kamerad fort war, versteckte der Bursche seinen ganzen Reichtum und zog spornstreichs nach Hause. Da feierten sie ein Heimkehrfest, daß man in sieben Königreichen davon sprach, und als das vorbei war, mußten sie den ganzen Winter lang mit den Böcken und mit den zwölf Pferden, die der Vater hatte, hin- und herfahren, um alles das Gold und Silber nach Hause zu schaffen.

Nach fünf Jahren kam der Kamerad wieder und wollte sein Teil haben. Da schied der Mann seine ganze Habe in zwei gleiche Teile.

"Aber ein Ding hast du nicht geteilt", sagte der Kamerad.

"Was wäre das?" fragte der Mann. "Ich glaubte, ich hätte alles geteilt."

"Du hast doch ein Kind bekommen", sagte der Kamerad. "Das mußt du auch in zwei Teile teilen."

Ja, so war es wirklich. Er nahm also das Schwert, aber als er es aufhob und das Kind teilen wollte, packte der Kamerad die Schwertspitze, so daß er nicht zuschlagen konnte.

"Freust du dich nicht, daß du nicht zuschlagen mußtest?" sagte er.

"Ja, so froh war ich noch nie", sagte der Mann.

"So froh war auch ich, als du mich aus dem Eisklumpen befreitest", sagte der Kamerad. "Behalte alles, was du hast. Ich brauche nichts, denn ich bin ein schwebender Geist." Und er erzählte, er sei der Weinhändler, der in dem Eisklotz vor der Kirchentür lag und den alle anspien. Und er sei sein Kamerad geworden und habe ihm geholfen, weil der Bursche seine Habe drangegeben habe, um ihm Frieden und ein christliches Begräbnis zu verschaffen. Er habe ihn ein Jahr lang begleiten dürfen, und das sei bei ihrem ersten Abschied abgelaufen gewesen. Nun habe er ihn nochmals besuchen dürfen, aber jetzt müßten sie sich für immer trennen, denn nun riefen ihn die Himmelsglocken.

Der Schneemann

"In mir knackt es ganz prächtig, es ist so wunderbar kalt!" sagte der Schneemann. "Der Wind kann schon Leben in einen beißen! Und die Glühende da, wie sie glotzt!" Damit meinte er die Sonne, die gerade unterging. "Die soll mich nicht zum Blinzeln bringen, ich kann meine Brocken wohl festhalten!"

Das waren zwei große, dreieckige Ziegelbrocken, die ihm als Augen dienten; sein Mund war ein Stück von einer alten Harke, deshalb besaß er Zähne.

Er war unter dem Hurra-Geschrei der Jungen geboren worden, Glöckchenklang und Peitschenknall hatten ihn von den Schlitten begrüßt.

Die Sonne ging unter, der Vollmond ging auf, rund und groß, hell und herrlich in der blauen Luft.

"Da haben wir sie wieder von einer anderen Seite!" sagte der Schneemann. Er glaubte nämlich, die Sonne erschiene von neuem. "Ich habe ihr das Glotzen abgewöhnt! Jetzt darf sie da hängen und leuchten, damit ich mich selbst sehen kann. Wenn ich nur wüßte, wie man es anstellt, daß man von der Stelle kommt! Wie gern würde ich mich fortbewegen! Könnte ich das, dann rutschte ich auf dem Eis herum, wie ich es bei den Jungen sah; aber ich kann nun einmal nicht laufen!"

"Weg! Weg!" kläffte der alte Kettenhund. Seit der Zeit, als er Stubenhund gewesen war und unter dem Kachelofen gelegen hatte, war er etwas heiser. "Die Sonne wird dir schon Beine machen! Das habe ich voriges Jahr bei deinem Vorgänger gesehen und bei dessen Vorgänger auch. Weg! Weg! Und weg sind sie alle!"

"Ich verstehe dich nicht, Kamerad!" sagte der Schneemann. "Soll die da oben mir Beine machen?" Er meinte den Mond. "Ja, als ich sie starr ansah, da ist sie wirklich gelaufen, jetzt schleicht sie sich von der anderen Seite heran."

"Du hast keine Ahnung!" sagte der Kettenhund. "Aber du bist ja auch gerade erst zusammengeklatscht! Was du da siehst, das nennt man Mond; was weggegangen ist, das war die Sonne, sie kommt morgen wieder, sie wird dir schon beibringen, wie man in den Wallgraben läuft. Wir bekommen bald anderes Wetter, das kann ich in meinem linken Hinterbein merken, da sticht es. Das Wetter schlägt um!"

"Ich verstehe ihn nicht!" sagte der Schneemann. "Aber ich habe so ein Gefühl, daß er etwas Unangenehmes sagt. Sie, die da glotzte und unterging, die er Sonne nennt, die ist auch nicht meine Freundin, das habe ich im Gefühl!"

"Weg! Weg!" kläffte der Kettenhund, lief dreimal um sich selbst herum und legte sich dann in seine Hütte, um zu schlafen.

Das Wetter änderte sich wirklich. Ein Nebel, ganz dick und feucht, legte sich in der Morgenstunde auf die ganze Gegend. Als es dämmerte, kam ein eiskalter Wind auf, der Frost biß ordentlich zu. Doch was für ein Anblick bot sich dar, als die Sonne aufging! Alle Bäume und Sträucher waren mit Rauhreif bedeckt, das war wie ein ganzer Wald von weißen Korallen; alle Zweige schienen wie mit strahlend weißen Blüten übersät. Jede einzelne der unendlich vielen und feinen Verzweigungen, die man im Sommer wegen der vielen Blätter nicht sehen kann, kam nun zum Vorschein; es war ein Spitzengewebe, so leuchtend weiß, als strömte aus jedem Zweig ein weißer Glanz. Die Hängebirke bewegte sich im Wind, so lebendig wie die Bäume zur Sommerzeit – es war eine unvergleichliche Pracht! Und als dann die Sonne schien, nein, wie funkelte das Ganze, als wäre es mit Diamantenstaub überpudert, und auf dem schneebedeckten Boden glitzerten die großen Diamanten, oder man konnte sie auch für unzählige, winzig kleine Lichter halten, noch weißer als der weiße Schnee.

"Das ist wunderschön!" sagte ein junges Mädchen, das mit einem jungen Mann in den Garten kam und just neben dem Schneemann stehenblieb, um die schimmernden Bäume zu betrachten. "Etwas Schöneres gibt es im Sommer nicht zu sehen!" sagte sie mit leuchtenden Augen.

"Und so einen Burschen wie den da gibt es dann gar nicht!" sagte ihr Begleiter und zeigte auf den Schneemann. "Das ist ein Prachtkerl!"

Das junge Mädchen lachte, nickte dem Schneemann zu und tanzte dann mit ihrem Freund über den Schnee, der unter ihren Füßen wie Wäschestärke knirschte.

"Wer waren die beiden?" fragte der Schneemann den Kettenhund. "Du bist schon länger auf dem Hof als ich, kennst du sie?"

"Gewiß!" sagte der Kettenhund. "Sie hat mich doch gestreichelt, und er hat mir einen Fleischknochen gegeben; die beiße ich nicht."

"Aber was stellen sie hier vor?" fragte der Schneemann.

"Brrrrr-rautleute!" sagte der Kettenhund. "Sie wollen in eine Hundehütte ziehen und zusammen Knochen nagen. Weg! Weg!"

"Haben die beiden genausoviel zu bedeuten wie du und ich?" fragte der Schneemann.

"Sie gehören doch zur Herrschaft!" sagte der Kettenhund. "Man ist wirklich sehr unwissend, wenn man gestern geboren wurde! Das kann ich dir anmerken! Ich habe Alter und Weisheit, ich kenne alle auf diesem Hof. Und ich habe eine Zeit gekannt, da stand ich nicht in der Kälte und an der Kette. Weg! Weg!"

"Die Kälte ist herrlich!" sagte der Schneemann. "Erzähl, erzähl! Aber du darfst nicht mit der Kette rasseln, dann knackt es nämlich in mir!"

"Weg! Weg!" kläffte der Kettenhund. "Ein Hündchen war ich, klein und niedlich, sagten die Leute. Da lag ich dort im Haus auf einem Samtstuhl, lag auf dem Schoß der höchsten Herrschaft, sie küßten mich auf die Schnauze und wischten mir die Pfoten mit einem gestickten Taschentuch; ich hieß ›Allerliebst‹ und ›Wauwilein‹, aber dann wurde ich ihnen zu groß! Da haben sie mich der Haushälterin gegeben, und so bin ich in die Kelleretage gekommen.

Du kannst von deinem Platz aus hineinsehen, du kannst in die Kammer sehen, wo ich die Herrschaft war, denn das war ich bei der Haushälterin. Hier war es zwar kärglicher als oben, aber dafür auch angenehmer; ich wurde nicht gedrückt und von Kindern herumgeschleppt wie dort. Mein Futter war genauso gut wie vorher und viel reichlicher! Ich hatte mein eigenes Kissen, und dann war da ein Kachelofen, der ist zu dieser Zeit das Schönste auf der Welt! Unter den bin ich gekrochen, bis ich ganz verschwunden war. Oh, von diesem Kachelofen träume ich heute noch – weg! weg!"

"Sieht ein Kachelofen so schön aus?" fragte der Schneemann. "Sieht er mir ähnlich?"

"Der ist genau das Gegenteil von dir! Kohlschwarz ist er, hat einen langen Hals mit einer Messingtrommel. Er frißt Brennholz, daß ihm das Feuer aus dem Maul steht. Man muß sich an seine Seite halten, ganz dicht, und unter ihn kriechen, das ist überaus angenehm! Da, wo du stehst, mußt du ihn durchs Fenster sehen können."

Und der Schneemann sah, und tatsächlich sah er einen schwarzen, blankpolierten Gegenstand mit einer Messingtrommel, aus dem unten das Feuer leuchtete. Dem Schneemann wurde ganz sonderbar zumute; er hatte eine Empfindung, die er sich selbst nicht erklären konnte; etwas kam über ihn, das ihm unbekannt war, das aber alle Menschen kennen, sofern sie nicht Schneemänner sind.

"Und warum hast du sie verlassen?" fragte der Schneemann. Er spürte, daß dies ein weibliches Wesen sein müsse. "Wieso konntest du einen solchen Ort verlassen?"

"Dazu war ich wohl gezwungen", sagte der Kettenhund. "Sie haben mich hinausgeworfen und hier an die Kette gelegt. Ich knabberte gerade an einem Bein, und der jüngste Junker stieß mich weg, dafür habe ich dann in sein Bein gebissen – Bein um Bein, denke ich! Aber das haben sie mir verübelt, und seit dieser Zeit bin ich angekettet und habe meine klare Stimme verloren, hör nur, wie heiser ich bin. Weg! Weg! Das war das Ende davon!"

Doch der Schneemann hörte nicht mehr zu; er schaute noch immer in die Kelleretage, in die Stube der Haushälterin, wo der Kachelofen auf seinen vier Eisenbeinen stand und ihm an Größe ebenbürtig war.

"In mir knackt es so seltsam!" sagte er. "Soll ich denn niemals zu ihr kommen? Das ist ein unschuldiger Wunsch, und unsre unschuldigen Wünschen werden doch sicher erfüllt. Es ist mein innigster Wunsch, mein einziger Wunsch, und es wäre fast ungerecht, wenn er unerhört bliebe. Ich muß dorthin, ich muß mich an sie lehnen, und müßte ich dafür das Fenster zerschlagen!"

"Da kommst du nie hin!" sagte der Kettenhund. "Und wenn du zum Kachelofen kommst, dann bist du weg! weg!"

"Ich bin so gut wie weg!" sagte der Schneemann. "Ich glaube, ich gehe kaputt!"

Den ganzen Tag stand der Schneemann da und schaute ins Fenster. In der Dämmerung wurde die Stube noch einladender; aus dem Kachelofen leuchtete es so mild, wie nicht der Mond und nicht die Sonne, nein, wie nur der Kachelofen leuchten kann, sofern etwas in ihm ist. Wenn seine Tür geöffnet wurde, schlug die Flamme heraus, das war so ihre Gewohnheit; das weiße Gesicht des Schneemanns glühte ordentlich rot, der rote Schein reichte ihm bis zur Brust.

"Das ertrage ich nicht!" sagte er. "Wie gut es ihr steht, die Zunge herauszustrecken!"

Die Nacht war sehr lang, doch nicht für den Schneemann, er war in seine eigenen schönen Gedanken versunken, und die froren, daß sie knackten.

Am Morgen waren die Kellerfenster zugefroren und mit den schönsten Eisblumen geschmückt, die ein Schneemann jemals verlangen konnte, doch sie verdeckten den Kachelofen. Die Scheiben wollten nicht auftauen, er konnte seine Dame nicht sehen.

Es knackte, es knisterte, es war just ein Frostwetter, das einen Schneemann freuen mußte, aber er war nicht froh; er hätte sich so glücklich fühlen können und sollen, aber er war nicht glücklich, er hatte Kachelofen-Sehnsucht.

"Das ist für einen Schneemann eine gefährliche Krankheit!" sagte der Kettenhund. "Ich habe auch daran gelitten, aber ich habe sie überstanden. Weg! Weg! – Und jetzt schlägt das Wetter um!"

Und das Wetter schlug um, es kam Tauwetter.

Es taute immer mehr, und der Schneemann wurde immer weniger. Er sagte nichts, er klagte nicht, und das ist das rechte Zeichen.

Eines Morgens fiel er zusammen. Wo er gestanden hatte, steckte etwas wie ein Besenstiel, um den herum hatten die Jungen ihn einmal gebaut.

"Jetzt kann ich das mit seiner Sehnsucht verstehen", sagte der Kettenhund. "Der Schneemann hatte einen Feuerhaken im Leib! Das also hat sich in ihm gerührt, jetzt ist es überstanden; weg, weg!"

Und bald war auch der Winter überstanden.

"Weg, weg!" kläffte der Kettenhund. Doch die kleinen Mädchen auf dem Hof sangen:

"Waldmeister, komm aus deinem Haus, Du, Weide, häng die Handschuh raus, Singt, Kuckuck, Lerche, in diesem Jahr Ist Frühling schon Ende Februar! Ich singe mit euch, daß es schallt! Komm, liebe Sonne, komme bald!" Und niemand denkt an den Schneemann!

Yingeangeut und der Erdmacher

Einst gingen Yingeangeut, Tschanaingaut, Kilu und Kitschimengeut, die Nieren-Frau, aus, um Beeren zu pflücken und Wurzeln zu graben. Sie schlugen in der Wildnis ein Zelt auf und lebten dort. Eines Morgens gingen die Mädchen Beeren lesen, und Yingeangeut trennte sich von ihren Freundinnen. Sie ließ ihren Korb auf der Erde liegen, entfernte sich, pflückte Beeren und kehrte zu ihrem Korbe zurück. Als sie ihren Korb sah, erblickte sie etwas Mark vom Beine eines Rentiers darin; dies aß sie.