Yoga-Sequencing - Nicole Bongartz - E-Book

Yoga-Sequencing E-Book

Nicole Bongartz

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Beschreibung

Sequencing ist ein wichtiges Instrument für den Yogaunterricht. Je sicherer sich Yogalehrende innerhalb der Struktur der Klasse bewegen können, umso mehr Energie ist frei für Spontanität und echte Verbindung. Nicole Bongartz vermittelt dafür die Schlüsselprinzipien und das nötige Wissen, damit alle, die mit diesem Buch gearbeitet haben, über die Freiheit, Kreativität und ausreichendes Hintergrundwissen verfügen, um intelligente und abwechslungsreiche Übungsreihen für ihren Yogaunterricht zu gestalten. Sie bietet dafür neben einem breit gefächerten Theoriebackground zahlreiche Grafiken mit Beispielen fürs Sequencing zu verschiedenen Themen, Arbeitsblätter zum eigenen Üben und konkrete Praxistipps.

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Haftungsausschluss:

Die im Buch enthaltenen Übungen wurden von der Verfasserin und vom Verlag sorgfältig erarbeitet und geprüft. Eine Garantie kann dennoch nicht übernommen werden. Weder die Autorin noch der Verlag übernehmen die Haftung für Schäden irgendeiner Art. Es handelt sich hierbei um Informationen, die nicht als Diagnose, Behandlung oder Ersatz für eine medizinische Betreuung gedacht sind. Bitte befragen Sie hierzu Ihren Arzt.

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https://www.kamphausen.media/yoga-sequencing/t-9783958835214

© 2022 Theseus in Kamphausen Media GmbH, Bielefeld, [email protected], www.kamphausen.media

Projektleitung und Lektorat: Susanne Klein, Hamburg, www.kleinebrise.net

Layout und Umschlaggestaltung: Tina Agard Grafik und Buchdesign, Esslingen am Neckar, www.tina-agard.deIllustrationen: Ann-Julie Grinat

Je eine Abbildung zu den Chakren (S. 199) und den Vayus (S. 241): Nora FerlFotos (außer ein Foto auf S. 10): Hanna Witte, Köln, www.hanna-witte.de

ISBN Printausgabe: 978-3-95883-521-4

ISBN E-Book: 978-3-95883-522-1

1. Auflage 2022

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Funk, Fernsehen und sonstige Kommunikationsmittel, fotomechanische oder vertonte Wiedergabe sowie des auszugsweisen Nachdrucks vorbehalten.

Nicole Bongartz

YOGA SEQUENCING

Dein Arbeitsbuch für einen kreativen Unterricht

Inhalt

Vorwort von Patrick Broome

1.EINLEITUNG

Mein Hintergrund und die Entwicklung des modernen Vinyasa Yoga

Die Idee zum Buch

2.DIE ESSENZ

Sequencing – Ausdruck deiner Kreativität und deiner Erfahrung

Asana-Praxis

Definition einer Sequenz

3.PHILOSOPHISCHER HINTERGRUND

Parinamavada – Lehre von der beständigen Veränderung

Vinyasa Krama – Abfolge hin zu einem klaren Ziel

4.VINYASA KRAMA: VON DER THEORIE IN DIE PRAXIS

Vorbereitung

Auf der Ebene einzelner Positionen

Alignment

Reduktion auf das Wesentliche – vom Groben zum Feinen

Verfeinerte Ansagen

Der Weg in eine Position, das Verfeinern und der Weg aus der Position

Der Atem im Asana

Hilfsmittel/Props

Hands-on/Hilfestellungen

Auf der Basis einzelner Übungseinheiten

Das Ankommen im Raum und im Körper

Der Weg in die Praxis

Das vorbereitende Erwärmen

Sonnengrüße

Standhaltungen

Die Erarbeitung und Erkundung des Übungshöhepunkts

Cool-down, ausgleichende Stellungen und Integration

Shavasana und Meditation

Ablauf der Übungspraxis über einen längeren Zeitraum

5.KUNSTVOLLES SEQUENCING

Die eigene Praxis als Quelle der Inspiration

Schlüsselprinzipien

Vom Einfachen zum Komplexen

Vom Bekannten zum Unbekannten

Vom Leichten zum Fordernden

Wechselspiel zwischen dynamisch und statisch

Mut zur Wiederholung

Aufbaumethoden für komplexe Sequenzen

Addition

Reduktion

Variation

Einschub

Die Baseline – den eigenen Ausdruck finden

Die Kraft deiner Worte und des Ausdrucks

Den Sprachgebrauch trainieren

Eigene Ansagen verfeinern

Ergänzende Tools für deinen Unterricht

Sound

Musik

Pranayama

Mudras

6.DAS UNTERRICHTEN FÜR VERSCHIEDENE LEVELS

Unterricht für Anfängerinnen

Unterricht für Geübte und Fortgeschrittene

7.UNTERSCHIEDLICHE ANSATZPUNKTE ZUR GESTALTUNG EINER KLASSE

Eine Sequenz für eine bestimmte Asana-Kategorie

Standhaltungen

Vorbeugen

Rückbeugen

Twists

Armbalancen

Umkehrpositionen

Anatomisches Sequencing

Peak-Sequencing

Grundprinzipien für das Peak-Sequencing

Beispiele für Sequenzen rundum eine Peak-Position

All-in-Sequencing

Chakra-Sequencing

Der feinstoffliche Energiekörper

Besonderheiten beim Sequencing mit den Chakren

Muladhara Chakra

Svadhisthana Chakra

Manipura Chakra

Anahata Chakra

Vishuddha Chakra

Ajna Chakra

Sahasrara Chakra

All Chakra Flow

Sequencing mit den Vayus

Prana Vayu

Apana Vayu

Samana Vayu

Udana Vayu

Vyana Vayu

Sequencing mit den Bandhas

Mula Bandha

Uddiyana Bandha

Jalandhara Bandha

Themenbezogenes Sequencing

Weaving the Theme

Dharma Talk

Mind-Mapping

Zum Abschluss

Danksagung

Glossar

Literatur

Über die Autorin

Vorwort

Ich kenne Nicole seit fast 20 Jahren. Sie ist eine Kreative. Das steht absolut außer Frage. Ihr Yogaunterricht ist seit ihren Anfängen geprägt von einem erfrischend spielerischen Stil, wie man ihn sonst in Deutschland kaum findet. Im Unterrichten kann sich Nicole voll entfalten, und ihre Begeisterung ist ansteckend. Kein Wunder also, dass sie nach ihrer Jivamukti Yogaausbildung, bei der ich sie 2003 kennen und schätzen gelernt habe, ihre wirkliche spirituelle Heimat in der wunderbar bunten Welt der Laughing-Lotus-Yoga-Gründerinnen Dana Flynn und Jasmine Tarkeshi gefunden hat.

Somit hat Nicole von den absolut Besten gelernt. Niemand sequenziert energetisch so brillant wie die Jivamukti-Gründerin Sharon Gannon, und kaum jemand thematisch so abwechslungsreich, spannend und bunt wie Dana und Yasmin vom Laughing Lotus.

Und diese bunte Yogapraxis war vor 15 Jahren eine Sensation in Deutschland. Zusammen mit ihren Mitstreiterinnen war Nicole eine der Ersten, die diese neue, aufregende, dynamische Yogapraxis aus den USA zu einer Konferenz nach Deutschland geholt haben. Alle waren sie da: Sharon Gannon, David Life, Mark Whitwell, Bryan Kest, John Scott, Dana Flynn und Jasmine Tarkeshi. Einige Mitglieder der hiesigen Yogaszene staunten nicht schlecht, und es gab natürlich auch viel Kritik an dieser neuen dynamischen, bunten und auch lauten „Yogawelt“ aus Amerika, aber Nicole hat sich nicht beirren lassen und ist diesen Yogaweg konsequent weitergegangen. Schon damals waren neben ihrer Kreativität auch ein dickes Fell und ein klarer Wille, ihren eigenen Weg zu gehen, kennzeichnend für Nicole.

Und jetzt mit fast 20 Jahren Erfahrung teilt sie ihr gesammeltes und gelebtes Wissen in diesem wunderbaren Buch. Aus ihrem reichhaltigen Erfahrungsschatz vermittelt Nicole in diesem Buch anatomisch fundierte thematische Sequenzierung so erfrischend, wie sie selbst eben auch ist: spielerisch und freigeistig. Damit ist dieses Buch die perfekte Grundlage für alle, die etwas frischen Wind in den Aufbau ihrer Yogaklassen bringen wollen. Mich persönlich haben vor allem die Kapitel zum energetischen Sequenzieren nach den Chakren, den Vayus und den Bandhas inspiriert. Hier überzeugt Nicole mit fundiertem Wissen, wie es bisher noch in keinem deutschsprachigen Lehrbuch zu finden ist.

Das vorliegende Buch ist somit für Yogalehrende eine wunderbare Ressource für Unterrichtsideen, Bewegungsmuster und Vorschläge, wie bestimmte Asanas mit passenden thematischen Inhalten verknüpft werden. Aber auch interessierte Praktizierende mit etwas Vorerfahrung finden im Herzstück des Buches abwechslungsreiche Übungssequenzen, bei denen es immer wieder etwas Neues in der täglichen Praxis zu entdecken oder zu vertiefen gibt.

Ich wünsche mir, dass dieses Buch noch einmal so viel frischen Wind in die derzeit teilweise etwas „angestaubte“ Yogaszene bringt, wie wir es damals um das Jahr 2006 herum mit den Yogakonferenzen in Köln erleben durften.

München, Oktober 2021

Patrick Broome

© Christian Krinninger

1.EINLEITUNG

Seit 18 Jahren unterrichte ich Yoga, seit nunmehr 15 Jahren bilde ich Yogalehrende aus und fort. Dabei habe ich mich auf den Bereich des Sequencings spezialisiert, also auf den sinnvollen Aufbau der Übungsabfolgen im Unterricht. Ist es doch in meinen Augen der kreativste und bunteste Bereich des Yogalehrerinnendaseins und auch der Bereich, der mir nach so langer Zeit immer noch jeden Tag Freude bereitet. Warum das so ist? Sequencing – oftmals als reine Aneinanderreihung von Asanas verkannt – ist für mich das Erschaffen eines Kunstwerks, in dem ich als Mensch und auch meine Sicht auf Yoga sichtbar werden. Sequencing verbindet mein Leben und meinen Alltag mit meinem Unterricht: alles, was mich bewegt und worüber ich reflektiere, all meine täglichen Herausforderungen und meine eigene Yogapraxis. All das und noch viel mehr kann Quelle der Inspiration sein und meinen Unterricht beeinflussen. Dieses Buch ist deshalb ein Herzensprojekt, weil ich der festen Überzeugung bin, dass authentischer und ehrlicher Yogaunterricht das Potenzial hat, Menschen auf den unterschiedlichsten Ebenen des Seins positiv zu beeinflussen, sei es durch einen neuen Blick auf den eigenen Körper, ein verbessertes Körpergefühl, ein achtsameres Sein oder sogar dadurch, dass ein mutiger Prozess der Selbstreflexion und Innenschau damit angestoßen wird. Ich zumindest wäre niemals dort, wo ich jetzt bin, wenn ich nicht vor über 20 Jahren mit Yoga begonnen hätte. Mein Yoga hat mir Boden unter den Füßen gegeben, wenn ich ihn brauchte, und Flügel verliehen in Momenten der Suche nach Vision und Inspiration.

Vor Kurzem habe ich an meinem Geburtstag von meinen liebsten Freundinnen eine wunderschöne Karte bekommen. Unter anderem stand darauf, dass sie mich lieben, weil ich immer einen Lösungsvorschlag bereit habe, wenn sie mir von ihren Problemen erzählen wollen, auch dann, wenn sie nur jammern wollen. Das beschreibt mich und das, was mich antreibt, wohl sehr gut. Ich glaube daran, dass wir uns für unser Glück entscheiden können, ganz ähnlich, wie wir uns dafür entscheiden, nicht mehr zu rauchen oder mehr Sport zu treiben. Wie der Buddha es schon in etwa sagte, ist Schmerz im Leben unvermeidbar, aber Leiden optional. Dies ist mein Credo. In meinen Kursen möchte ich Menschen und vor allem Frauen dazu ermutigen, selbst die Verantwortung zu übernehmen für ihr Glück und ihre persönliche Freiheit. Ich für meinen Teil habe mir für dieses Leben vorgenommen, die freieste und glücklichste Form meiner Selbst zu leben, die möglich ist. So nehme ich Probleme und Schmerz gerne als Wachstumsprozesse an zu mehr innerer Größe und Mitgefühl. Meine Klassen sind geprägt von meiner lebensbejahenden und eigenverantwortlichen Sicht auf die Dinge. Zudem liebe ich Bewegung und weiß aus eigener Erfahrung, wie wichtig es ist, im eigenen Körper zu Hause zu sein und den Körper so anzunehmen, wir er ist. All das spielt in meinen Yogaklassen eine große Rolle.

Und was hat das nun mit Sequencing zu tun? Alles!

Gerne wird auf den Stil geschaut, den eine Yogalehrerin lehrt. Diese Frage ist bei mir nicht so leicht zu beantworten, und damit stehe ich nicht alleine da. Die Yogawelt ist facettenreich und vielfältig. War es noch vor 20 Jahren wichtig, einem Guru und einer Traditionslinie zu folgen, hat sich das glücklicherweise weitestgehend aufgelöst. Meinen Einstieg in das Yogalehrerinnendasein wurde durch meine 2003 absolvierte Jivamukti-Ausbildung bei Sharon Gannon und David Life geprägt. Ähnlich den leiblichen Eltern haben die ersten Ausbilder einen sehr prägenden Einfluss. Daher sollte man diese gut wählen. Viele der Tools, die ich heute noch benutze, habe ich von ihnen gelernt. Jivamukti Yoga ist ein integraler Stil, ein Stil, der Asana mit Methoden wie Pranayama, Meditation, Musik u. v. m. verbindet. Das ist bis heute Teil meines Unterrichts. Noch ein bisschen wilder und bunter durfte es dann durch den Einfluss von Dana Flynn und Jasmine Tarkeshi werden, den Gründerinnen der Laughing-Lotus-Yoga-Methode aus New York. Hier bekam Yoga fast etwas Choreographisches, Tänzerisches und ist gleichzeitig eingebettet in die Chakrenlehre. Mein Lehrer Ramanand Patel hat in mir das Interesse für feines Alignment, für die Nutzung von Hilfsmitteln und eine klare Didaktik geweckt. Katonah Yoga hat mich darüber hinaus darin bestärkt, dass Yoga ein Open-Source-System ist und dass ich alles, was ich möchte, in meine Yogapraxis integrieren darf. Aus all dem und noch viel mehr ist meine Art des Unterrichtens und mein eigener Stil entstanden.

Ich möchte dich dabei unterstützen, deinen Stil zu finden. Das kann innerhalb eines festen Systems sein oder auch gänzlich davon losgelöst. Vielleicht kreierst du sogar dein eigenes System. Deine Möglichkeiten sind grenzenlos. The sky is your limit!

Das Buch beginnt mit einer Einbettung in einen philosophischen und theoretischen Kontext und wird dann sehr schnell sehr praxisorientiert. Wir arbeiten vom Kleinen zum Großen, vom Bekannten zum Unbekannten und vom Simplen zum Komplexen. Ein ausführliches Kapitel beschäftigt sich damit, wie wir unsere Fähigkeit, einzelne Positionen zu unterrichten, verfeinern können. Von dort geht es in das Unterrichten von kompletten Übungseinheiten und deren Sequenzierung. Dabei unterstützt uns die Idee, dass der Aufbau jeder Klasse eine Art Netzcharakter hat. Dieses Netz gibt dem Unterricht Struktur und Sicherheit und gleichzeitig macht es den Unterricht kreativ und facettenreich. Ein Netz ist mehr als ein roter Faden, es ist mehrdimensionaler und vielschichtiger – so wie guter Yogaunterricht auch.

ANREDE

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit und der Gleichstellung haben wir im Buch weitgehend die weibliche Anrede verwendet. Die männliche Form wird dabei explizit eingeschlossen.

Mein Hintergrund und die Entwicklung des modernen Vinyasa Yoga

Als ich im Jahr 1999 mit Yoga begann, sah die Yogaszene in Deutschland noch ganz anders aus. Es gab kaum Yogastudios, Yogaunterricht im Fitnessstudio war eine Seltenheit. Ich war damals selbst Aerobic-Lehrerin und liebte es, mich auszupowern. Die gesamte Sport- und Fitnessszene folgte bereits jahrelang dem Motto „No pain, no gain“, doch langsam, aber stetig begann diese Sicht auf Gesundheit und Fitness sich zu verändern. Mehr und mehr Teilnehmerinnen und vor allem auch Trainerinnen sehnten sich nach ganzheitlichen Programmen. Eine der Pionierinnen der deutschen Yogaszene, Luna Schmidt, entwickelte das Konzept Mind Body Spirit, eine Kombination aus Yoga, Tai-Chi und Entspannungsübungen. Dies wurde von der Fitnessszene mit offenen Armen aufgenommen. Der Wunsch nach Achtsamkeit, Entspannung und meditativem Bewegen war geweckt. Damals arbeitete ich als Lehrerin in einem Fitnessstudio, das von einem amerikanischen Konzern geschluckt wurde, und als großes Talent wurde ich auf Seminare und Ausbildungen geschickt, damit ich dann Yoga und Pilates im Rahmen des Studiounterrichts und an andere Lehrerinnen weitergeben konnte. Schon bald hatte mich das Yogafieber gepackt und ich suchte in Köln nach einem entsprechenden Kurs. Diesen fand ich bei Beata Korioth, die gerade frisch aus Los Angeles nach Köln gezogen war und in L. A. bei Bryan Kest ihre Ausbildung zur Power-Yoga-Lehrerin absolvierte. Schnell kamen wir in Verbindung, und sie fragte mich, ob ich gemeinsam mit ihr und einer anderen ihr bekannten Yogalehrerin ein Yogastudio eröffnen wolle. Intuitiv sagte ich Ja und kündigte meine Festanstellung. Wir flogen gemeinsam nach New York, um uns die dort bereits etablierte Yogaszene anzuschauen. Unser Plan war, uns verschiedene Yogastudios anzuschauen, um so eine klare Vision für unser zukünftiges Studio zu finden. Allerdings kamen wir nicht weit. Wir entdeckten das Laughing Lotus Studio, das damals noch ganz klein und auf der Christopher Street gelegen war, und ich hatte mein spirituelles Zuhause gefunden. Was mich an den Klassen dort begeisterte, war die tänzerische Leichtigkeit, mit der selbst die herausforderndsten Positionen intelligent und schrittweise vorbereitet wurden.

Zurück in Deutschland eröffneten wir im Februar 2003 unser Yogastudio, Lord Vishnus Couch, umgangssprachlich auch „die Couch“ genannt. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits jahreslange Erfahrung als Trainerin, aber eben noch keine abgeschlossene Yogalehrerausbildung. Dies war nun der nächste Schritt. Ich entschied mich für die Jivamukti-Lehrausbildung in Österreich, die damals noch von Sharon Gannon und David Life persönlich geleitet wurde. Hier kam ich das erste Mal mit dem Konzept von Vinyasa Krama in Berührung und verstand, was es genau gewesen war, was mich an den Klassen bei Dana und Jasmine vom Laughing Lotus Studio in New York City so begeistert hatte: der schrittweise und intelligente, dazu hochkreative Aufbau des Unterrichts. Außerdem verhalf mir meine langjährige Erfahrung als Aerobic-Lehrerin dazu, sehr schnell einen didaktisch gut aufbereiteten Unterricht zu gestalten. Seitdem ist Vinyasa Krama und die damit einhergehende Unterrichtsgestaltung meine große Leidenschaft im Rahmen meiner Tätigkeit als Yogalehrerin, vor allem aber auch als Ausbilderin von Yogalehrenden.

Jetzt, mehr als 18 Jahre später, bin ich alleinige Geschäftsführerin der 2003 gegründeten Yogaschule Vishnus Couch, deren Teilhaberschaft ich mir mit Frank Schuler teile. Schon oft als Liebespaar verkannt, sind wir zwei langjährige gute Freunde und Kollegen.

Mittlerweile steht die Entwicklung des deutschen Yogamarktes dem amerikanischen in nichts mehr nach. Die Yogabranche boomt, und das nun schon seit Jahren. Früher so etwas wie eine Untergrundbewegung, gehört sie heute zum Mainstream. Nicht nur die Quantität des Yoga ist gewachsen, auch die Qualität hat sich meines Erachtens verbessert. Die gesamte Yogaszene ist weltweit vernetzt. Frischgebackene Yogalehrende können per Mausklick Workshops und Fortbildungen bei den erfahrensten Lehrerinnen und Lehrern besuchen. Yogalehrausbildungen haben sich weiterentwickelt, und viele trauen sich, neben dem traditionell überlieferten Wissen neueste wissenschaftliche Erkenntnisse und westliche Methoden zu integrieren. Manch einer mag dies bedauern, da so möglicherweise die Tradition verwässert wird. Ich persönlich begrüße die Entwicklung, die der Yoga in den letzten Jahren gemacht hat – von einem patriarchalischen und sehr strengen System hin zu einem Open-Source-System, das sich der verschiedensten Quellen und Inspirationen bedient.

Betrachten wir das Ganze von einer weiteren Perspektive, so trägt jeder einzelne Lehrer, jede einzelne Lehrerin mit ihrem Unterricht zu der Entwicklung des Yoga bei. Was uns zunächst vielleicht „nur“ wie eine Klasse oder ein Workshop vorkommt, bestimmt mit, wie der Yoga sich weiterentwickelt. In unseren Kursen haben Yogaübende die Möglichkeit, Erfahrungen zu machen in Bezug darauf, was Yoga alles sein kann. Diese Erfahrungen prägen die innere Haltung zum Yoga und werden die nächsten Schritte beeinflussen. So inspirieren und bewegen wir als Yogalehrende Hunderte von Menschen und sind maßgeblich an der Entwicklung des Yoga beteiligt. Dies ist eine große Chance und gleichzeitig eine große Verantwortung.

Neben den traditionellen Stilen, wie etwa die Rishikesh-Reihe im Sivananda Yoga oder auch die Serien des Ashtanga Yoga, die eine feste Klassenstruktur und den immer gleichen Ablauf haben, gibt es viele sehr kreative Stile, die für Lehrende einen großen Gestaltungsraum bieten.

Vinyasa Yoga ist eine solche Übungsform. Umgangssprachlich versteht man unter Vinyasa Yoga eine dynamische Art, Yoga zu praktizieren. An der ursprünglichen Bedeutung geht dies jedoch vorbei. In meinen Augen umfasst Vinyasa Yoga (ähnlich wie auch Hatha Yoga) viele verschiedene Stile. Maßgeblich dabei ist, dass die Praxis den Prinzipien des Vinyasa Krama folgt. Wie dynamisch oder nicht dies dann unterrichtet wird, ist eher eine Stilfrage sowie abhängig vom jeweiligen Kurs und Thema. Vinyasa Yoga muss nicht per Definition sehr dynamisch, fließend oder schnell sein.

Vinyasa Yoga ist mittlerweile eine der am weitesten verbreiteten Yogaformen in Deutschland. Darunter fallen auch Unterformen wie Jivamukti Yoga, Prana Flow, Spirit Yoga etc.

Während es damals, als ich mit Yoga begonnen habe, noch üblich war, einer Stilrichtung oder sogar einem Guru treu zu bleiben und sich in diesem einen Stil immer weiter fortzubilden, ist es heute gang und gäbe, sich von verschiedenen Stilen und unterschiedlichen Lehrenden beeinflussen zu lassen. Natürlich hat das Vor- und Nachteile, die hier aber nicht diskutiert werden sollen. Einig sein kann man sich wohl darüber, dass der Yogaweg dadurch an Freiheit und Kreativität gewinnt. Ob es der leichtere oder schnellere Weg ist, sei dahingestellt.

Die Idee zum Buch

Warum dieses Buch? Wenn ich auf mein bisheriges Leben zurückschaue, kann ich erkennen, dass ich es mag, Dinge ins Leben zu bringen, die es bis dato nicht gab. So wie wir damals vor 16 Jahren die erste Yoga Conference Germany ins Leben gerufen haben, bevor es an jeder Ecke Yogafestivals gab. Lange Zeit kam mir die Idee, ein Yogabuch zu schreiben, abwegig vor, gibt es doch Yogabücher wie Sand am Meer. Doch ein praxisorientiertes Buch über das Sequencing für Yogalehrende fehlte meiner Ansicht nach. Da Sequencing seit Jahren mein Steckenpferd ist und ich sowohl in Ausbildungen darüber referiere als auch das Thema in Workshops anbiete, hat mich diese Idee, einmal in meinem Kopf, sofort gepackt und nicht mehr losgelassen.

Herausgekommen ist nun ein Arbeitsbuch speziell für Yogalehrende, das die Sicherheit im eigenen Stundenaufbau und die Kreativität fördert. Nicht umsonst heißt es, dass Yoga zu 99 Prozent aus Praxis und nur zu 1 Prozent aus Theorie besteht. Themen wie Ausrichtung, Meditation und Pranayama sind meines Erachtens nur sehr begrenzt über Literatur erlernbar; es gilt, sie zu praktizieren – wieder und wieder. Gerade in Zeiten von Youtube und Instagram vertiefen doch die meisten Yoginis ihr Wissen über eine Position eher über ein Online-Tutorial als über ein Buch, einfach weil es das bessere Medium für etwas Praktisches ist. Daher die Idee eines Arbeitsbuches. Neben einem breit gefächerten Theoriebackground wird es viele Arbeitsblätter zu verschiedenen Themenbereichen geben, außerdem kleine Inspirationen aus der Yogaphilosophie und immer wieder ganz konkrete Praxistipps. In meinen kühnsten Träumen hältst du jetzt ein Buch in den Händen, welches dich als Yogalehrerin oder angehende Yogalehrerin auf deinem Weg begleitet, unterstützt und inspiriert.

2. DIE ESSENZ

Was ist nun überhaupt Sequencing innerhalb einer Yogastunde? Unter Sequencing versteht man die Auswahl aller Übungen, die dafür gewählte Reihenfolge und die Art und Weise, wie diese unterrichtet wird. Sequencing gibt einer Yogaklasse Struktur und Sinn und lässt einen persönlichen Stil zum Ausdruck kommen. Eine durchdachte Übungsfolge zeichnet sich aus durch Harmonie und Effizienz. Der Aufbau solcher Übungsfolgen ist eine Kunst, aber auch eine Wissenschaft, die auf klaren und erlernbaren Prinzipien basiert. Manche mögen anmerken, dass Sequencing gar nicht Bestandteil aller Yogalehrausbildungen ist und deshalb wohl auch nicht so wichtig sein wird oder dass es einige Yogastile gibt, die sogar feste Übungsreihen vorschreiben und da Sequencing gar nicht möglich und auch nicht nötig sei. Nun, bei feststehenden Abfolgen ist der eigene Spielraum tatsächlich begrenzter, aber dies macht die wenigsten Yogastile aus. Für alle anderen ist Sequencing ein wichtiges Instrument. Je sicherer und damit freier eine Yogalehrerin sich innerhalb der Struktur der Klasse bewegen kann, umso mehr Energie ist frei für Spontanität und echte Verbindung.

Hier zunächst ein Überblick über die ersten Schritte, um uns dem Sequencing zu nähern:

DIE AUSWAHL DER ÜBUNGEN

Da es eine unendliche Anzahl an Übungen und Asanas im Yoga gibt, ist einer der ersten und vielleicht sogar herausforderndsten Schritte die Auswahl. Welche Übungen integriere ich in mein Klassenkonzept? Diese Auswahl erfolgt vereinfacht gesagt unter anatomischen, energetischen und thematischen Gesichtspunkten.

DIE REIHENFOLGE DER ÜBUNGEN

Habe ich mich einmal für die Übungen entschieden, gilt es, sie in eine logische Reihenfolge zu bringen. Hierbei verfolge ich bis zum Erreichen des Übungshöhepunkts drei Prinzipien: von einfach zu herausfordernd, von simpel zu komplex und von bekannt zu unbekannt. Danach nehmen sowohl die Intensität als auch die Komplexität ab.

DIE DIDAKTIK – DIE ART UND WEISE, WIE DIE SEQUENZ UNTERRICHTET WIRD

Hinzu kommt die Entscheidung des „How to“, also wie die gewählten Übungen konkret unterrichtet werden. Hier geht es um verschiedene Ansätze und Möglichkeiten: Demonstriere ich die Asanas oder leite ich „nur“ durch meine Worte? Assistiere ich und/oder nutze ich Partnerübungen dabei? Diese und weitere Fragen gilt es hier zu klären, und all diese Entscheidungen verändern die Atmosphäre, den Vibe, meines Unterrichts.

Diese drei Aspekte werden im Laufe des Buches immer wieder genauer erläutert. Die vielen Übungsfolgen sollen dabei als Beispiele dienen und den Spielraum der Möglichkeiten aufzeigen, den wir als Yogalehrende haben. Die Übungsfolgen sind nicht als verbindliche Vorgabe, sondern eher als Anschauungsmaterial gedacht.

Sequencing – Ausdruck deiner Kreativität und deiner Erfahrung

Sequencing ist in meinen Augen eines der stärksten Werkzeuge, das uns Yogalehrende zur Verfügung steht, und geht weit über das Aneinanderreihen von Asanas hinaus. Stell dir jedes Asana vor wie einen einzelnen Ton auf der Tonleiter. Je nachdem, wie du die Töne kombinierst, in welchen Rhythmus du sie bringst, mit welchem Instrument du sie spielst, entstehen komplett andere Melodien und somit für die Zuhörenden jeweils neue Erlebnisse und Gefühlswelten. Die Vielfalt ist unendlich. Asana-Sequencing hat das gleiche Potenzial.

Nehmen wir eine weitere Perspektive ein, bezieht sich Sequencing nicht nur auf Asanas, sondern auch auf die Auswahl, die Reihenfolge und das „How to“ des Unterrichtens von Atemübungen, Meditationen, Mantren und allen anderen möglichen Inhalten einer Yogaeinheit.

All dies greift ineinander. Wir erschaffen als Yogalehrende Klassen, in denen durch das Einbeziehen von Anatomie, Philosophie, Poesie und Musik, durch das Finden des richtigen Wordings und Tempos, passend gewählte Meditationen und Atemübungen zusammen ein Stück Kunst entsteht. Alles ist miteinander verwoben, ähnlich einem Netz. Dieses Stückchen Kunst verpufft nicht nach dem Ablauf der Stunde, sondern wird im Körper der Übenden einen Abdruck hinterlassen haben, der sie nachhaltig verändert. Jede Yogastunde nimmt die Schülerin mit auf eine innere Reise, und das Sequencing bestimmt, wohin und wie tief die Reise geht. Das Netz aus ineinander verwobenen Übungen schafft eine einmalige Erfahrung und gleichzeitig schenkt es den Übenden wie auch den Lehrenden Struktur und Halt. Aufgrund dieser Sicherheit, ähnlich einem Sicherheitsnetz, können wir Lehrenden uns trauen, unserer Kreativität freien Lauf zu lassen und wagemutig „neue“ Klassenabläufe und Sequenzen auszuprobieren. Das Netz hält uns und stattet uns mit der Logik aus, die es braucht, um komplexe Klassenabläufe zu gestalten.

Asana-Praxis

Bevor wir uns der Erstellung von Sequenzen widmen, schauen wir uns zunächst die einzelnen Bestandteile an, aus denen Sequenzen sich zusammensetzen.

Jede Übungseinheit folgt zwangsläufig einem Sequencing, sei es bewusst oder unbewusst. Dieses setzt sich zusammen aus einzelnen Sequenzen. Und eine Sequenz setzt sich wiederum zusammen aus verschiedenen Übungen und Asanas. Es gilt also zu entscheiden, welche Übungen und welche Asanas in eine Yogaeinheit einfließen und in welcher Reihenfolge sie vorkommen. Meist wird Asana als „Yogaposition“ übersetzt, aber wörtlich übersetzt meint es „Sitz“. Das lässt sich einfach begründen, da die ersten Asanas sitzende Positionen waren, in denen Meditation praktiziert wurde. Viele der unterschiedlichen Asanas, die wir heute kennen, wurden entwickelt, um den Körper so zu öffnen und zu stärken, dass er auf das lange Sitzen während der Meditationen vorbereitet wird.

So definiert Patañjali in den Yogasutren: „Sthira sukham asanam.“ (YS 2:46)

Das bedeutet: „Das Asana (der Sitz, die Verbindung zur Erde) soll stabil und angenehm sein.“

Die Yogasutren des Patañjali sind heute für viele Praktizierende das wichtigste überlieferte Werk, wenn es um Yoga geht. Es bietet spannende Erkenntnisse zu den Themen Freiheit und Meditation und erläutert, dass vor allem der Verstand ein Hindernis ist auf dem Weg der Befreiung und wie der achtgliedrige Pfad uns darin unterstützen kann, den Verstand neu zu trainieren. Asana wird dabei nur in 2 bis 3 Sutren behandelt, und es liegt im Rahmen des klassisch-philosophischen Yoga kein Fokus auf den körperlichen Übungen. Die Befreiung, um die es letztendlich geht, wird über die Meditation erlangt.

Im Zuge der zeitlich späteren Entwicklung des Hatha Yoga und dem damit einhergehenden Konzept des feinstofflichen Körpers oder „subtle body“ war Erleuchtung nicht mehr nur noch ein Zustand, der innerhalb der Meditation erreicht werden konnte, sondern wurde auch möglich, indem Energien im Körper deblockiert und gelenkt wurden. Dafür wurden zahlreiche noch heute praktizierte Asanas entwickelt. Die Begrifflichkeiten von Nadis, Chakren, Bandhas und Granthis gehören zu dieser Tradition des Hatha Yoga.

Das heißt, wir haben es hier mit einem ganz „neuen“ und erweiterten Konzept von Asana zu tun. Asana ist nicht mehr nur der Sitz, in dem man meditiert, es ist nun weitaus mehr. Im Hatha Yoga gingen die Yogis davon aus, dass durch das korrekte Praktizieren von Asana, Mudra, Pranayama und Bandha die Energien durch Sushumna Nadi bis zur Krone des Kopfes gelenkt werden können und dass damit Erleuchtung passiert. Erleuchtung ist hier also eine körperliche und energetische Erfahrung und findet in diesem Leben statt. Hatha Yoga ist demnach eine lebensbejahende und körperbetonte Form des Yoga. Allerdings ist der traditionelle Hatha Yoga in meinen Augen nicht darauf ausgerichtet, dass wir mit unseren Gefühlen in Kontakt kommen. Es geht sehr deutlich um die Kontrolle des Körpers, der Gedanken und Gefühle. Dabei bleibt wenig Raum für eine spielerische Herangehensweise, bei der Neugierde und Intuition die antreibenden Faktoren sind. Wobei ich der festen Überzeugung bin, dass die ersten Yoginis und Yogis genau so praktiziert haben, nämlich aus dem inneren Gefühl heraus und in Verbindung mit der Natur. Und ja, da der angestrebte Zustand des Yoga ein Zustand der Einheit und der Verbundenheit ist, liegt es nahe, sich von der Natur inspirieren zu lassen und von ihr zu lernen. So tragen viele Asanas Namen wie der Baum, der Berg, der Hund oder auch der Tänzer.

Wir praktizieren Yoga-Asana und andere Techniken, um die Einheit in allem zu finden, was existiert. Yoga-Asana ist ein Weg hin zu mehr Mitgefühl und Verbundenheit und findet demnach auch jenseits der Yogamatte statt. Wir finden den Teil in uns, der allem, was existiert, gemeinsam ist: Prana, die Lebensenergie oder auch das Bewusstsein. Der Weg zu einem höheren Bewusstsein führt über das Embodiment, also das Einnehmen der Formen des physischen Reiches. Durch das Üben von Asana verbessern wir unsere Beziehungen mit allen Aspekten und Lebensformen von Mutter Erde. Wir suchen den Weg zurück zu unserem natürlichen Zustand, der ungebundene und endlose Freude ist und in dem alles, was existiert, miteinander verbunden ist. Das Praktizieren von Asanas im 21. Jahrhundert ist unglaublich facettenreich. Dieses Buch würde nicht ausreichen, um die unterschiedlichen Einflüsse zu beschreiben, durch welche sich dies in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat. Für mich ist jede Körperhaltung ein Asana, das ich mit Achtsamkeit, Neugierde und einem Gespür für die unterschiedlichen Ebenen meines Seins übe. Nur weil eine Körperhaltung ursprünglich aus einem anderen „System“ stammt, heißt das nicht, dass ich sie nicht mit der inneren Haltung einer Yogini ausüben kann.

Natürlich hat das Üben von Asanas für die meisten Menschen auch ganz pragmatische Gründe. Nicht alle Yogaübenden streben nach Erleuchtung oder der großen Freiheit. Manche wollen einfach etwas für ihre Gesundheit tun oder haben das Ziel eines starken und flexiblen Körpers vor Augen. Yoga kann all das und noch viel mehr. Damit unsere Schülerinnen und Schüler ihre Ziele erreichen, ist wichtig, dass wir Lehrenden Asanas anatomisch korrekt unterrichten und über ein Grundwissen von biomechanischen Abläufen verfügen.

Definition einer Sequenz

Eine Sequenz ist eine in sich vollendete Abfolge von Asanas, die in einer überlegten Art und Weise angeordnet sind. So ist jede Yogastunde eine in sich geschlossene Sequenz, die wiederum aus vielen einzelnen Untersequenzen besteht. Verbinden wir die Positionen mithilfe fließender Übergänge miteinander, statt sie „einzeln“ zu üben, entsteht ein Flow-Gefühl. Die gesamte Erfahrung der Haltungen verändert sich. Während bei „einzeln“ ausgeübten Positionen oft das Augenmerk auf die Ausrichtung innerhalb der Position gerichtet ist, spielt bei Sequenzen auch der Raum zwischen den Übungen, also die Verbindung, der Übergang, der Flow, eine große Rolle. Viele Yogaübungsbücher konzentrieren sich darauf, einzelne Asanas zu beschreiben. So bleibt ein großer Teil des Potenzials von Asana unentdeckt. Als Sequenzen verbunden können einzelne Positionen, ähnlich einem Mantra, verschiedenste Wirkungen mit sich bringen. Sie können beruhigend sein, belebend, tänzerisch, sie können ganze Geschichten erzählen und somit die unterschiedlichsten Qualitäten in den Übenden wecken.

„Nur eine statische Position zu erlernen offenbart nicht das unglaubliche Potenzialvon Asana. Wenn einzelne Asanas korrekt in einer Sequenz miteinander verbunden werden,ist das Ergebnis ein physiologisches Mantra, ein satter Strudelaus sich überschneidenden Flüssen von allem.“SHARON GANNON UND DAVID LIFE IN: JIVAMUKTI YOGA – PRACTICES FOR LIBERATING BODY AND SOUL

Wenn wir einzelne Positionen und ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten Asanakategorie in ihrer Energie und Anatomie verstehen, dann wird Sequencing ein kreativer Akt und die Möglichkeiten für uns als Lehrende sind endlos. In diesem Buch geht es mir also nicht darum, fertige Sequenzen zu präsentieren, sondern so viel Wissen zu vermitteln, dass jede, die dieses Buch bis zu Ende durchgearbeitet hat, über Freiheit, Kreativität und ausreichend Hintergrundwissen verfügt, um intelligente und abwechslungsreiche Übungsreihen zu gestalten. Sequencing ist der Moment, in dem das Wissen und die Erfahrung der Lehrenden lebendig wird und sich ein eigener unverwechselbarer Stil zu entwickeln beginnt. Mit diesem Buch möchte ich Yogalehrende auf ihrem Weg zu einem eigenen persönlichen Stil unterstützen.

Ich vergleiche die Kunst des Sequencings gerne mit der Kunst des Kochens. Jede einzelne Zutat für sich gesehen hat einen eigenen Charakter, aber nur in der Gesamtheit und ihrem Zusammenspiel können komplexere Geschmackserlebnisse entstehen. Jede Zutat ist wichtig für den einzigartigen und unverkennbaren Geschmack, und gleichzeitig gibt es nicht das eine wahre Rezept. Es gibt viele Möglichkeiten.

3.PHILOSOPHISCHER HINTERGRUND