Yoga - William J. Broad - E-Book

Yoga E-Book

William J. Broad

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Beschreibung

William J. Broad, führender Wissenschaftsjournalist der New York Times, praktiziert Yoga seit mehreren Jahrzehnten. Im Rahmen einer investigativen fünf Jahre langen Recherche schreibt er hier über Wahrheit und Illusion der beliebten Meditationspraxis und lüftet dabei so manches Geheimnis und Vorurteil. Sehr genau überprüft er – anhand von wissenschaftlichen Forschungsergebnissen und Studien die Vorteile, die Yoga gewöhnlicherweise zugeschrieben werden: Förderung der Gesundheit, der Fitness, Steigerung des emotionalen Wohlgefühls, Hilfe bei Gewichtsverlust, innere Heilung und Steigerung der Kreativität. Er zeigt klar und verständlich, was tatsächlich mit Yoga erreicht werden kann, wo aber auch seine Risiken und Gefahren liegen. Broad beschreibt Yoga als eine prosperierende globale Industrie, die nicht nur neugierige Wissenschaftler anzieht, sondern auch Millionen von Gläubigen und charismatischen Betrügern. Er nimmt den Leser mit auf eine Reise von den alten Yoga-Archiven in Kalkutta bis zu den führenden medizinischen Forschungslabors, von sagenumwobenen Ashrams bis zu schweißtreibenden Yoga-Studios mit ihren selbst ernannten Meistern. Er entschleiert Mythen, entdeckt tatsächlichen Nutzen und entwirft eine Vision für ein Yoga der Zukunft.

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William J. Broad

Yoga

Was es verspricht – und was es kann

Aus dem Amerikanischen von Maren Klostermann

Titel der Originalausgabe:

The Science of Yoga. The Risks and the Rewards

ISBN 978-1-4516-4142-4 (Hardcover)

ISBN 978-1-4516-4143-1 (Paperback)

Die Originalausgabe ist 2012 erschienen bei Simon & Schuster, New York, London, Toronto, Sydney, New Delhi.

© 2012 by William J. Broad

Für die deutschsprachige Ausgabe:

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2013

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlaggestaltung: Chris Langohr Design

Umschlagmotiv: © Chris Langohr Design

E-Book-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

ISBN (E-Book) 978-3-451-81402-0

ISBN (Buch) 978-3-451-03114-4

Für Nancy

In Memoriam

William J. Broad praktiziert Yoga seit 1970. Als Bestseller-Autor und Wissenschaftsjournalist der New York Times gewann er jede größere Auszeichnung für Print und TV. Mit Kollegen erhielt er zweimal den Pulitzerpreis, einen Emmy und einen DuPont für herausragende journalistische Leistungen. Er ist Autor und Ko-Autor zahlreicher Bücher, darunter auch ein Nr. 1 New York Times Bestseller (Germs: Biological Weapons and America’s Secret War).

Inhalt

Liste der Illustrationen

Yoga-Stile

Protagonisten

Vorwort

I Gesundheit

II Fit und vollkommen

III Stimmungen

IV Das Verletzungsrisiko

V Heilung

VI Göttlicher Sex

VII Muse

Epilog

Nachwort

Chronologie

Weiterführende Literatur

Anmerkungen

Bibliografie

Liste der Illustrationen

Kopfstand, Sirsasana

Gestreckter Seitwinkel, Utthita Parsvakonasana

Dreieck, Utthita Trikonasana

Heuschrecke, Salabhasana

Sonnengruß, Surya Namaskar

Hand-unter-Fuß-Haltung, Padahastasana

Totenstellung, Savasana

Schulterstand, Sarvangasana

Herabschauender Hund, Adho Mukha Svanasana

Fersensitz, Vajrasana

Vorwärtsbeuge im Sitzen, Paschimottanasana

Kobra, Bhujangasana

Rad oder Bogenhaltung, Urdhva Dhanurasana

Ausgestreckte Hand zum großen Zeh, Utthita Padangusthasana

Pflug, Halasana

Heldenstellung, Virabhadrsasna

Drehsitz, Ardha Matsyendrasana

Bogen, Dhaurasana

Kopf-Knie-Stellung, Janu Sirsasana

Yoga-Stile

Anusara. Heiter. Legt Gewicht auf den Einklang von Körperbeherrschung und optimistische Denkhaltung. Verwendet Hilfsmittel zur Erleichterung der Positionen.

Ashtanga. Ernst. Umfasst zusammenhängende Stellungen, die ineinanderfließen, wie beim Sonnengruß. Verbindet Atmung mit Haltungsfluss. Körperlich anspruchsvoll.

Bikram. Heiß und schweißtreibend. Geheizte Übungsräume sollen Gelenke und Muskeln geschmeidig machen. Umfasst 26 Positionen und zwei Atemübungen. Herausfordernd.

Flow. Anmutig. Gängiger Name für Stilarten, die zusammenhängende Stellungen umfassen.

Hatha. Althergebracht. Aus dem indischen Mittelalter stammender Vorläufer aller Yoga-Varianten, die auf Körperhaltungen ausgerichtet sind. Moderne Formen sind größtenteils sanft.

Iyengar. Populär und präzise. Konzentriert sich auf die Ausrichtung des Körpers und das Halten von Posen. Nutzt Blöcke, Gurte und Decken, um die Haltungen zu verbessern und Verletzungen zu vermeiden. Anders als bei vielen anderen Stilarten müssen die Lehrer eine mindestens zweijährige Ausbildung absolvieren.

Kripalu. Introspektiv. Legt Gewicht darauf, dass anspruchsvollere Stellungen langsam eingeführt und länger gehalten werden. Betont Bewusstheit.

Kundalini. Intensiv. Ist eher auf Atmung, Gesang und Meditation und weniger auf körperliche Haltungen ausgerichtet. Soll Kundalini-Energie an Rückenbasis wecken. Power. Steroid-Ashtanga. Viele Varianten.

Sivananda. Umfassend. Fördert Lifestyle, der moderate Stellungen, Atmung, Entspannung, vegetarische Ernährung und heitere Einstellung umfasst.

Viniyoga. Sanft. Betont Sonnengruß als Aufwärmung für kraftvollere Streckübungen.

Vinyasa. Fließend. Verbindet Körperbewegungen mit Atmung in einem kontinuierlichen Fluss. Ein Yoga-Ballett.

YogaFit. Athletisch. Zielt auf Fitness- und Sportclubs. Mischt Haltungen mit Sit-ups, Push-ups und anderen Übungen.

Protagonisten

Ezra A. Amsterdam (*1936): Kardiologe an der Medical School of the University of California in Davis. Führte 2001 eine Studie durch, die zu dem Ergebnis kam, dass Yoga die aerobe Konditionierung verbessert.

Basu Kumar Bagchi (1895–1977): In Indien geborener Wissenschaftler von der University of Michigan. Stellte fest, dass fortgeschrittene Yogis ihren Herzschlag verlangsamen, aber nicht anhalten konnten.

Kovoor T. Behanan (1902–1960): In Indien geborener Psychologe an der Yale University. Autor des 1937 erschienenen Buches Yoga: A Scientific Evaluation.

Herbert Benson (*1935): Kardiologe an der Medical School of Harvard University. Stellte fest, dass Meditierende ihre Atmung, ihren Herzschlag und ihren Sauerstoffverbrauch reduzierten. Autor des 1975 erschienenen Buches The Relaxation Response (Gesund im Stress).

T.K. Bera (*1949): Forschungsleiter in Kaivalyadhama, dem wissenschaftlichen Ashram von Gune, südlich von Bombay. Stellte fest, dass fortgeschrittene Yogis ihren Stoffwechsel verlangsamen können.

Glenn Black (*1949): Yoga-Lehrer und Bodyworker. Ausgebildet am Omega Institute in Rhinebeck, New York. Sprach offen über Verletzungsgefahren beim Yoga.

Thérèse Brosse (1902–1991): Französische Kardiologin. Zeigte, dass fortgeschrittene Yogis ihren Herzschlag und Blutfluss verlangsamen können.

Lori A. Brotto (*1975): Sexualitätsforscher an der University of British Columbia. Berichtete 2002 und 2009, dass schnelles Atmen zu sexueller Erregung führen kann.

Mayasandra S. Chaya (*1953): Indische Physiologin. Teamleiterin einer Studie, die 2006 zu dem Ergebnis kam, dass Yoga die Stoffwechselrate im Ruhezustand verlangsamt, und zwar bei Frauen doppelt so effektiv wie bei Männern.

Bikram Choudhury (*1946): Yoga-Unternehmer. Geboren in Kalkutta und wohnhaft in Los Angeles. Begründer des Bikram Hot-Yoga. Hat weltweit Hunderte von lizensierten und auf Franchisebasis vergebenen Studios eröffnet.

Carolyn C. Clay (*1980): Sportwissenschaftlerin an der Texas State University. Leitete eine Studie, die 2005 ergab, dass Yoga wenig Vorteile für Herz und Kreislauf bringt.

Kenneth H. Cooper (*1931): Arzt, der den Begriff Aerobic prägte und für energievolle Sportarten plädierte. Berichtete, dass leichte Gymnastik, isometrische Übungen und sanfte sportliche Betätigungen wenig Vorteile für Herz und Kreislauf bringen.

James C. Corby (*1945): Mediziner an der Stanford University School of Medicine. Leitete 1978 eine Studie, die ergab, dass Personen bei tantrischer Meditation verschiedene physiologische Erregungsstufen durchlaufen.

Indra Devi (1899–2002): Schauspielerin, die zur Yogini wurde. Lernte bei Gune und Krishnamacharya. Lehrte in Hollywood, Russland und Argentinien. Machte Yoga durch ihr 1953 erschienenes Buch Forever Young, Forever Healthy (Für immer jugendfrisch) populär.

Vikas Dhikav (*1974): Arzt am Ram Manohar Lohia Hospital in Neu-Delhi. Leitete eine Studie, die 2010 vermeldete, dass sich das Sexleben von Männern und Frauen, die Yoga machen, erheblich verbessert.

Ctibor Dostalek (1928–2011): Tschechischer Neurophysiologe. Untersuchte fortgeschrittene Yogis und berichtete, dass ihr Gehirn Erregungswellen zeigt, die identisch mit denen von Liebenden sind.

Georg Feuersteien (*1947): Deutschstämmiger Indologe. Autor und Koautor von mehr als 30 Büchern, einschließlich Yoga for Dummies (Yoga für Dummies). War als Herausgeber des International Journal of Yoga Therapy tätig.

Loren Fishman (*1940): Yogi und Mediziner in New York City, dessen Fachgebiet die Rehabilitationsmedizin ist. Wandte Yoga an. Schrieb Bücher über die Wirkung von Yoga auf Arthritis, Rückenleiden und andere Beschwerden.

Jason K.Y. Fong (*1962): Neurologe am Queen Mary Hospital Hongkong. Leitete 1993 eine Studie, die über den schweren Schlaganfall eines Yoga-Praktizierenden berichtete. Warnte, dass anstrengende Posen zu Behinderungen führen oder tödlich enden können.

Markrand M. Gore (*1960): Leitender Wissenschaftler in Kaivalyadhama, im wissenschaftlichen Ashram von Gune südlich von Bombay. Erforschte, wie lange fortgeschrittene Yogis in einer luftdicht abgeschlossenen Grube ausharren konnten.

Elmer Green (*1977): Psychologe bei der Menninger Foundation. Untersuchte, wie Swami Rama allein durch die Kraft seiner Gedanken den Blutfluss umlenken konnte und wie Yoga-Schüler Entspannungsübungen nutzten, um Zustände kreativen Tagträumens zu fördern.

Jagannath G. Gune (1883–1966): Indischer Yogi und Pädagoge. Initiierte 1924 in seinem Ashram südlich von Bombay ein Projekt, das als weltweit erste große experimentelle Studie über Yoga gilt. War jahrzehntelang die führende Persönlichkeit im Hinblick auf die Weiterentwicklung des Bereichs.

Marshall Hagins (*1957): Physiotherapeut an der Long Island University. Wirkte 2007 bei einer Studie mit, die feststellte, dass Yoga die minimalen aeroben Empfehlungen von medizinischen und staatlichen Organisationen nicht erfüllt.

Steven H. Hanus (*1954): Mediziner an der Medical School of Northwestern University. Leitete Studie, in der 1997 berichtet wurde, dass ein Yoga-Ausübender einen schweren Schlaganfall nach dem Schulterstand erlitten hatte.

B.K.S. Iyengar (*1918): Yogi-Erneuerer. Studierte bei Krishnamacharya. Autor des 1965 erschienenen Buches Light on Yoga (Licht auf Yoga), einem weltweiten Bestseller. Begründer eines präzisen Stils, der auf der ganzen Welt ausgeübt wird.

Edmund Jacobson (1888–1983): Arzt an der University of Chicago. Lehrte Patienten, wie sie durch Muskelentspannung ihre Stimmung heben und Heilungsprozesse fördern können. Autor des 1929 erschienenen Buches Progressive Relaxation.

Virginia E. Johnson (*1926): Sexualitätsforscherin an der Washington University in Saint Louis. Koautorin des 1966 erschienenen Buches Human Sexual Response (Die sexuelle Reaktion). Dokumentierte lange Orgasmen bei Frauen.

K. Pattabhi Jois (1915–2009): Yogi-Erneuerer. Lernte bei Krishnamacharya. Begründer des als Ashtanga bekannten Stils, nach den acht Regeln des spirituellen Lebens in Patanjalis Yoga Sutras.

Carl Jung (1875–1961): Schweizer Psychiater und Begründer der analytischen Psychologie. Leistete bahnbrechende Arbeiten zur wissenschaftlichen Erforschung von Kundalini, einem yogischen Zustand, der durch starke, insbesondere am Rücken aufsteigende Körperströme charakterisiert ist. Warnte 1938, dass die Erfahrung in den Wahnsinn treiben könne.

Sat Bir Khalsa (*1951): Yogi und Neurophysiologe an der Medical School der Harvard University. Leitete zahlreiche Yoga-Untersuchungen, zum Beispiel zu der Frage, wie gut Yoga den Schlaf fördern und Lampenfieber bei Musikern verringern kann.

Barry Komisaruk (*1941): Sexualitätsforscher an der Rutgers University. Forschte über das Wesen des menschlichen Orgasmus und über Frauen, die sich selbst in Ekstasezustände hineindenken können.

Gopi Krishna (1903–1984): Kaschmirischer Mystiker. Sprach und schrieb öffentlich über seine Kundalini-Erregung. Charakterisierte die Erfahrung als vom Wesen her sexuell und als Quelle der Kreativität.

Tirumalai Krishnamacharya (1888–1989): Guru für moderne Gurus. Unterrichtete Yoga im indischen Mysore. Bildete zahlreiche begabte Schüler aus, die das modernisierte Yoga auf der ganzen Welt verbreiteten.

William H. Masters (1915–2001): Sexualitätsforscher an der Washington University in Saint Louis. Koautor des 1966 erschienen Buches Human Sexual Response. Dokumentierte schnelles Atmen als regulären Bestandteil sexueller Erregung.

Timothy McCall (*1956): Arzt und Medizin-Redakteur beim Yoga Journal. Autor des 2007 erschienenen Buches Yoga as Medicine. Drängte darauf, dass man den Kopfstand in allgemeinen Yoga-Kursen vermeiden sollte, weil die Verletzungsgefahr zu groß sei.

Rinad Minvaleev (*1965): Russischer Physiologe an der staatlichen Universität von St. Petersburg. Teamleiter einer Studie, in der 2004 berichtet wurde, dass die Kobra-Position den Testosteron-Spiegel erhöht, ein Hauptsexualhormon bei Männern und Frauen.

Willibald Nagler (*1929): Mediziner in Manhattan am Weill Medical College der Cornell University. Beschrieb 1973 eine Fallstudie, bei der eine anstrengende Position zu einem schweren Schlaganfall führte.

Andrew Newberg (*1966): Neurowissenschaftler am Medical Center der University of Pennsylvania. Berichtete 2009, dass Yoga die rechte Hirnhälfte, die mit Kreativität in Verbindung gebracht wird, aktiviert.

Dean Ornish (*1953): Bekannter Arzt, der sich für Änderungen des Lebensstils einsetzt, die Herzerkrankungen entgegenwirken. Berichtete 2008 von Nachweisen dafür, dass Yoga die Lebensdauer von Zellen verlängern kann, was impliziert, dass es den Alterungsprozess aufhalten könnte.

Patanjali (ca. 400 v. Chr.): Guru des Altertums. Stellte die Yoga Sutras zusammen, eine Sammlung von Aphorismen über das spirituelle Leben. Drängte auf Reinlichkeit, gute Haltung, Atemlenkung, ethische Seltbstbeherrschung, Konzentration und Meditation.

N.C. Paul (ca. 1820–1880): Indischer Mediziner, der seine Ausbildung in Kalkutta absolvierte. Führte eine Untersuchung durch, die als erste wissenschaftliche Studie des Yoga gilt. Autor des 1851 erschienenen Buches A Treatise on the Yoga Philosophy.

Larry Payne (*1944): Yoga-Lehrer und Therapeut in Los Angeles. Fungierte als Gründungspräsident der International Association of Yoga Therapists. Koautor des Buches Yoga for Dummies.

Dale Pond (*1955): Gesundheitsexperte, der sich mit der Erforschung von Mystikern befasste. Unterstützte die Gründung des Institute for Consciousness Research, einer kanadischen Organisation, die Kundalini als Quelle der Kreativität untersuchte.

Paul Pond (*1944): Arzt, der zum Mystik-Erforscher wurde. Trug zur Gründung des Institute for Consciousness Research bei.

John P. Porcari (*1955): Sportphysiologe an der University of Wisconsin. Nahm 2005 an einer Studie teil, die zu dem Schluss kam, dass kraftvolles Yoga relativ geringe aerobe Vorteile brachte.

Swami Rama (1925–1996): Yoga-Berühmtheit. Kam 1969 aus Indien in die USA. Unterzog sich 1970 wissenschaftlichen Tests bei der Menninger Foundation, bei denen festgestellt wurde, dass er seinen Blutfluss mental steuern konnte.

Ramakrishna (1836–1886): Hindu-Mystiker. Beschrieb die körperlichen Empfindungen der am Rücken aufsteigenden Kundalini.

Mel Robin (*1934): Yogi-Wissenschaftler. Arbeitete jahrzehntelang bei den Bell Telephone Laboratories, bevor er sich der wissenschaftlichen Untersuchung des Yoga zuwandte. Autor von in den Jahren 2002 und 2009 erschienenen Büchern über die inneren Auswirkungen.

W. Ritchie Russell (1903–1980): Britischer Neurologe an der Oxford University. Warnte 1972 davor, dass extreme Nackenbeugungen bei anstrengenden Yoga-Stellungen zu Schlaganfällen führen können.

Lee Sannella (1916–2010): Psychiater aus San Francisco. Autor eines 1976 erschienenen Buches, in dem er argumentierte, dass Kundalini eher zur Erleuchtung denn zum Wahnsinn führe. Mitbegründer der Kundalini Crisis Clinic.

Beth Shaw (*1966): Unternehmerin aus Los Angeles. Begründete YogaFit, einen kraftvollen Stil, der Push-ups, Sit-ups und andere repetitive Übungen mit Yoga-Stellungen verbindet.

Ranjit Singh (1780–1839): Maharadscha von Punjab. Schirmherr einer Yogi-Lebendbestattung im Jahr 1837, die zu einer frühen Fallstudie für die Wissenschaft des Yoga wurde.

Swami Sivananda (1877–1963): Guru für moderne Gurus. Unterrichtete Swami Vishnudevananda, Autor von The Complete Illustrated Book of Yoga (Das große illustrierte Yoga-Buch), und machte den Sivananda-Stil populär.

Tara Stiles (*1981): Fotomodell, das zur Yoga-Lehrerin wurde. Eröffnete ein Studio in Manhattan, Strala. Autorin des 2010 erschienenen Buches Slim Calm Sexy Yoga.

Chris C. Streeter (*1957): Psychiater und Neurologe an der Boston University School of Medicine. Leitete Studien, die 2007 und 2010 berichteten, dass das Gehirn von Yogis einen Anstieg bei einem Neurotransmitter zeigt, der als Antidepressivum wirkt.

Jill Bolte Taylor (*1959): Neurowissenschaftlerin an der Indiana University School of Medicine. Berichtete in ihrem 2008 erschienenen Buch My Stroke of Insight (Mit einem Schlag) von ihrer Erfahrung einer rechtshemisphärische Euphorie nach einem Schlaganfall in der linken Hirnhälfte.

Patricia Taylor (*1953): Finanzmanagerin, die zur Sextherapeutin wurde. Studierte Tantra und verfasste das 2002 erschienene Buch Expanded Orgasm.

Shirley Telles (*1962): Indische Ärztin und Forscherin. Leitete Studie, die im Jahr 2011 das Ergebnis veröffentlichte, dass Yoga zur Linderung von rheumatischer Arthritis beitragen kann, einer schmerzhaften Entzündung der Gelenke.

Kevin J. Tracey (*1957): Immunologe am North Shore University Hospital auf Long Island. Berichtete 2002, dass der Vagusnerv – ein Hauptziel der Yoga-Stimulation – Einfluss auf das Immunsystem hat.

Aurel von Török (1842–1912): Leiter des Anthropologischen Museums in Budapest. Führte 1896 eine Studie bei zwei Yogis durch, die behaupteten, sich in eine todesähnliche Trance versetzen zu können.

Katil Udupa (1920–1992): Arzt und medizinischer Forschungsleiter an der Benares Hindu University. Berichtete 1974, dass Yoga die Produktion des Sexualhormons Testosteron steigern kann.

Richard Usatine (*1956): Amerikanischer Mediziner. Half bei der Durchführung eines Projekts zur Familienmedizin an der UCLA School of Medicine. Koautor des 2002 erschienenen Buches Yoga Rx.

Amy Weintraub (*1951): Yoga-Lehrerin in Tucson. Autorin des 2004 erschienenen Buches Yoga for Depression. Begründete Life-Force-Yoga, einen Stil, der auf die Stimmungssteuerung ausgerichtet ist.

Carl von Weizsäcker (2012–2007): Deutscher Physiker, der herausfand, was große Sterne wie die Sonne leuchten lässt. Bürgte dafür, dass Gopi Krishna ein echter Mystiker sei, und plädierte für die ernsthaft wissenschaftliche Erforschung von Kundalini.

David Gordon White (*1953): Religionsprofessor an der University of California, Santa Barbara. Argumentierte, dass die Yogis des Altertums einen mentalen Zustand anstrebten, der dem Glücksgefühl des sexuellen Orgasmus entspricht.

Nan Wise (*1957): Sexualitätsforscherin an der Rutgers University. Scannte das Gehirn von Frauen, die sich durch die Kraft ihrer Gedanken in Ekstase versetzen können.

Yogananda (1893–1952): Gefeierter Yogi. Zog 1920 von Indien in die USA. Autor des 1946 veröffentlichten Buches Autobiography of a Yogi (Autobiographie eines Yogi), in dem viel von Supermännern und außergewöhnlichen Heldentaten erzählt wird.

Punjab Yogi (ca. 1837): Mystischer Showman. Ließ sich 1837 lebendig bestatten, um Rajit Singh, dem Maharadscha von Punjab, und dessen Hofstaat seine Fähigkeiten zu demonstrieren. Die Leistung wurde zu einer frühen Fallstudie in der Wissenschaft des Yoga.

Die Wissenschaft des Yoga

Vorwort

Bei den Wohlhabenden und Gebildeten ist Yoga allgegenwärtig. Man muss sich nur ein bisschen umsehen und merkt schnell, dass das Beugen, Strecken und tiefe Atmen zu einer Art Sauerstoff für die moderne Seele geworden sind. Bauprojekte für Eigentumswohnungen locken mit Yoga-Studios. Kreuzfahrtschiffe werben ebenso wie tropische Urlaubsorte mit den Fähigkeiten ihrer Yoga-Lehrer. Seniorenzentren und Kindermuseen bieten ein paar Streckübungen als Extra-Bonus – Hey, Eltern, Fitness kann Spaß machen. Hollywoodstars und professionelle Sportler schwören darauf. Ärzte verschreiben es als Mittel der alternativen Medizin. Krankenhäuser bieten Anfängerkurse an ebenso wie viele Schulen und Colleges. Klinische Psychologen empfehlen ihren Patienten, Depressionen mit Yoga zu bekämpfen. Schwangere Frauen praktizieren es (sehr vorsichtig) als Form der Geburtsvorbereitung. Die Veranstalter von Schreib- und Mal-Workshops lassen ihre Teilnehmer ein bisschen Yoga machen, um ihre kreativen Kräfte zu wecken. Das Gleiche gilt für Schauspielschulen. Musiker nutzen Yoga, um ihr Lampenfieber zu lindern, bevor sie auf die Bühne müssen.

Ganz zu schweigen von all den regulären Kursen. In New York City, wo ich arbeite, stößt man alle Naslang auf ein Yoga-Studio. Man kann aber auch Kurse in Des Moines oder in Duschanbe, Tadschikistan, buchen.

Einst die esoterische Praxis einer auserlesenen Eliteschar, hat sich Yoga inzwischen zu einem globalen Phänomen ebenso wie zu einem universellen Sinnbild der Gelassenheit gewandelt, das ein starkes Echo in gestressten Urbanitäten findet. Die Stadtverwaltung von Cambridge, Massachusetts, bedruckt ihre Strafzettel für unerlaubtes Parken seit 2010 mit beruhigenden Yoga-Posen.

Die Popularität des Yoga beruht nicht nur auf seiner Stressabbauenden Wirkung, sondern seine Traditionen stehen für einen faszinierenden Gegenpol zum modernen Leben. Yoga ist „unplugged“ und natürlich, uralt und zentriert – eine Art Anti-Zivilisationspille, die den zersetzenden Einfluss des Internet und die Flut der Informationen, der wir alle ausgesetzt sind, ausgleichen kann. Die Gelassenheit früherer Jahrtausende bietet eine moderne Form des Trostes.

Ein Zeichen für den sozialen Aufstieg des Yoga ist, dass die großen Zentren häufig in ehemaligen Kirchen, Klöstern und Priesterseminaren in ländlichen und inspirierenden Umgebungen untergebracht sind. Kripalu, auf mehr als 120 Hektar sanfter Hügellandschaft der Berkshires im Westen von Massachusetts gelegen, ist ein ehemaliges Jesuitenseminar. Jedes Jahr werden hier Tausende neuer Yogis und Yoginis (weibliche Yogis) ausgebildet.

Sogar das Weiße Haus hält große Stücke auf Yoga. Michelle Obama machte es zu einem Bestandteil von Let’s Move – ihrem landesweiten Sportprogramm für Kinder, das sich dem Kampf gegen das Übergewicht verschrieben hat. Die First Lady spricht über Yoga, wenn sie Schulen besucht, und betont die Disziplin bei der jährlichen Easter Egg Roll, dem größten sozialen Event auf dem Terminkalender des Weißen Hauses. Seit dem Start 2009 umfasste diese Osterveranstaltung wiederholt einen Yoga-Garten mit bunten Matten und hilfreichen Lehrern. Das Übungsangebot fängt frühmorgens an und wird den ganzen Tag über fortgesetzt.

Im Jahr 2010 nahm ein Erwachsener, der als der „Kater mit Hut“ (eine Figur aus dem Dr.-Seuss-Buch) verkleidet war, auf dem Rasen des Weißen Hauses eine stehende Pose auf einem Bein ein. Bei einer anspruchsvolleren Vorführung waren fünf Yogis zu sehen, die alle gleichzeitig einen Kopfstand machten. Bei dem Event im Jahr 2011 vollführte der Osterhase eine komplizierte Gleichgewichts-Stellung. Die Kinder schauten zu, spielten weiter und nahmen eine klare Botschaft mit nach Hause: Der Präsident und seine Frau halten Yoga für eine gute Methode, um sich in Form zu halten.

Yoga gehört zu den weltweit am schnellsten wachsenden Gesundheits- und Fitness-Aktivitäten. Die in Kalifornien angesiedelte Yoga Health Foundation schätzt die derzeitige Zahl der Yoga-Praktizierenden in den USA auf 20 Millionen und weltweit auf mehr als 250 Millionen.[1] Viele weitere Menschen sind daran interessiert, Yoga einmal auszuprobieren. Um die Kunde zu verbreiten, organisiert die Stiftung den sogenannten Yoga Month – eine jährlich im September stattfindende Feier, die die gesamten Staaten mit kostenlosen Yoga-Kursen, Aktivitäten und Gesundheitsmessen überzieht.

Auf alle Fälle ist die Aktivität zu weit verbreitet und das Klientel zu wohlhabend, als dass die Werbung und die Nachrichtenmedien sie ignorieren könnten. Gesundheits- und Schönheitsmagazine bringen regelmäßig Beiträge dazu. Die New York Times, bei der ich arbeite, hat Hunderte von Artikeln dazu veröffentlicht und seit 2010 erscheint eine regelmäßige Kolumne – „Stretch“ – zu dem Thema. Darin ist alles behandelt worden – angefangen bei Studios, die Hot-Yoga in überheizten Räumen anbieten, bis hin zu einer Versammlung von Tausenden im Central Park, die von den Veranstaltern als größter Yoga-Kurs der Welt bezeichnet wurde. Eine Hauptattraktion dieses Events waren die Unternehmensgeschenke. Die Teilnehmer erhielten Jet-Blue-Yogamatten, SmartWater-Flaschen und ChicoBags gefüllt mit kleinen Leckereien. Der Reiz war so groß, dass viele Menschen in Warteschlangen am Einlass feststeckten, bis ein Regenguss alle verjagte.

Yoga liegt wohl kulturell in der Luft. Doch es ist auch ganz offensichtlich Big Business – ein großer Wirtschaftsfaktor. Händler verkaufen Matten, Kleidung, Magazine, Bücher, Videos, Reisegutscheine, Cremes, heilsame Mittelchen, Schuhe, Soja-Snacks und viele Accessoires, die als unabdingbar für die Praxis – ebenso wie für die Kurse – gelten. Puristen bezeichnen das als den Yoga-Industrie-Komplex. Die großen finanziellen Einsätze haben den traditonellen Ethos in zunehmendem Maße auf den Kopf gestellt. Bikram Choudhury, der Begründer des Hot-Style-Bikram-Yoga, sicherte sich das Urheberrecht auf seine Abfolge von Yogapositionen und ließ seine Anwälte hunderte von Drohbriefen an kleine Yoga-Studios verschicken, die gegen diese Rechte verstießen. Er ist nicht der Einzige. In den USA bemühen sich Yoga-Unternehmer um die Wahrung ihrer Exklusivität, indem sie unzählige Patente, Handelsmarken und Urheberrechte anmelden.

Markt-Analytiker erkennen Yoga als Teil eines demografischen Trends, des sogenannten LOHAS – für Lifestyles of Health and Sustainability. Die besser gestellten, gebildeten Vertreter dieser Strömung fühlen sich von einer nachhaltigen Lebensweise und ökologischen Initiativen angezogen. Sie fahren Hybrid-Autos, kaufen biologisch kontrollierte Produkte und bemühen sich um eine gesunde Lebensweise. Laut Marktstudien neigen sie dazu, die Kleidung für ihre Kinder an solchen Orten wie Mama’s Earth zu kaufen, wo die Waren aus biologischer Baumwolle, Hanf und recycelten Materialien angefertigt werden.

Ein Faktor, der das moderne Yoga von seinen Vorläufern unterscheidet, ist der Wandel von einer Berufung zu einem teuren Lifestyle. Ein weiterer ist, dass Frauen die große Mehrheit der Praktizierenden stellen – eine Tatsache, die das Wesen des Marktes tief greifend beeinflusst. Frauen kaufen mehr Bücher als Männer, lesen mehr, geben mehr Geld für Konsumgüter aus und achten stärker auf ihre Gesundheit und ihr Äußeres.

Yoga Journal – die führende Zeitschrift auf diesem Gebiet, gegründet 1975 – hat zwei Millionen Leser, von denen 87 Prozent Frauen sind. Das Magazin hat seine wahre Freude an den Eigenschaften seiner weiblichen Leserschaft, verweist auf hohes Einkommen, eindrucksvolle Berufe und hohe Bildungsabschlüsse. Eine Broschüre für potenzielle Werbekunden erwähnt, dass mehr als 90 Prozent ein College besucht haben.

Die bunten Seiten der Zeitschrift bieten ein lebendiges Beispiel dafür, wie Unternehmen den demografischen Trend anvisieren. Hunderte von Anzeigen bewerben Hautpflegeprodukte, Sandalen, Schmuck, biologische Seifen, spezielle Vitamine und Enzyme, alternative Kuren und Therapien, lächelnde Gurus und umweltfreundliche Autos. Jede Ausgabe umfasst ein Register der Werbeträger. Einer meiner Favoriten ist Hard Tail, eine Bekleidungskette, deren Werbung attraktive Frauen in eindrucksvollen Posen zeigt. „Forever“ lautet der minimalistische Werbetext. Zu meinen weiteren Lieblingen zählt Lululemon Athletica, eine hippe Marke für Yogakleidung, die für ihre formgebenden Outfits bekannt ist, insbesondere für die Eigenschaft, den Po vorteilhaft zur Geltung zur bringen. Kürzlich identifizierte ein Marktforscher Lulus Markenzeichen als die Groove-Hose für 98 Dollar – „versehen mit allen möglichen speziellen Einsätzen und flachen Säumen, um eine enge Gesäßeinfriedung von nahezu perfekter Kugelform – wie ein Wassertropfen – zu erzeugen“.

All das steht im Zusammenhang damit, was Yoga (im Gegensatz zu seinen Accessoires) für Körper und Geist bewirkt oder, genauer gesagt, was Gurus, Spas, Bücher, Lehrvideos, Händler, Fernsehsendungen, Magazine, Resorts und Sportclubs ihm an Wirkung nachsagen.

In dieser Hinsicht ist es wichtig, sich daran zu erinnern, dass Yoga keine leitende Körperschaft hat. Das heißt, keine Hierarchie von Funktionären oder Organisationen, die für die Reinheit und für die Einhaltung von allgemein akzeptierten Fakten und Posen, Regeln und Vorgehensweisen, Ergebnissen und Erfolgen sorgen sollen. Das ist anders als bei einer Religion oder in der Medizin, wo strenge Ausbildungsregeln, Zulassungsverfahren und Gremien darauf ausgerichtet sind, einen hohen Grad an Konformität zu erzeugen. Und die staatliche Aufsicht kann man ebenfalls vergessen. Es gibt keine staatlichen Verbraucherschutzverbände oder Ausschüsse in Gesundheitsbehörden, die dafür sorgen, dass Yoga seinen Versprechungen gerecht wird. Stattdessen ist alles offen für alle – und war es immer. Im Laufe der Epochen hat diese Freiheit zu einem Gelärme widersprüchlicher Behauptungen geführt.

„Der Anfänger“, so der indische Gelehrte I.K. Taimni, „fühlt sich wahrscheinlich abgestoßen von dem Durcheinander und den übertriebenen Behauptungen.“ Das schrieb er vor einem halben Jahrhundert. Heute ist die Situation noch schlimmer. Zum einen hat die Explosion von – gedruckten und elektronischen – Veröffentlichungen den Lärm zur Kakophonie verstärkt. Ein weiterer Faktor ist das Profitstreben.

Heute stehen Milliardenbeträge auf dem Spiel, wenn es um die öffentliche Darstellung der Wirkungen geht, die durch Yoga erzielt werden können, und die Versuchung ist groß, dass man seine Erklärungen mit allem Möglichen ausschmückt – von Selbsttäuschung und großzügiger Ungenauigkeit bis hin zur gezielten Fehldarstellung und Verschleierung der Wahrheit. Eine weitere Versuchung besteht darin, jede Erwähnung von Schäden oder negativen Konsequenzen zu vermeiden – ein Schweigen, das häufig in wirtschaftlichen Überlegungen begründet ist. Warum die ganze Geschichte erzählen, wenn die Enthüllung der ganzen Wahrheit die Kunden vertreiben könnte? Warum den Kaufanreiz verringern? Warum die Sache nicht so darstellen, dass sie alles für alle sein kann?

Jeder, der eine Zeit lang Yoga gemacht hat, kann eine Reihe von Vorteilen aufzählen. Es beruhigt und entspannt, erleichtert und erneuert, gibt neuen Schwung und stärkt. Irgendwie sorgt es dafür, dass es einem besser geht.

Doch jenseits dieser elementaren Fakten stößt man auf eine schaumige Melange von öffentlichen Behauptungen und Versicherungen, von Verkaufsslogans und New-Age-Versprechungen. Zu den Themen gehören einige der wichtigsten Lebensziele: Gesundheit, Attraktivität, Fitness, Heilung, Schlaf, Sicherheit, Langlebigkeit, Frieden, Willenskraft, Gewichtskontrolle, Glück, Liebe, Erkenntnis, sexuelle Befriedigung, persönliche Reifung, Erfüllung und die Grenzfragen nach dem Sinn unserer menschlichen Existenz, von Erleuchtung ganz zu schweigen.

Das vorliegende Buch versucht, etwas Ordnung in das Durcheinander zu bringen, das das moderne Yoga umgibt, und zu beschreiben, was die Wissenschaft uns sagt. Es legt die Ergebnisse von gut 100 Jahren Forschung dar, um deutlich zu machen, was real ist und was nicht, was hilft und was schadet, und – fast genauso wichtig – was die Gründe dafür sind. Es wirft Licht auf die verborgenen Mechanismen des Yoga ebenso wie auf die irritierende Realität falscher Behauptungen und gefährlicher Auslassungen. Im Grunde erhellt es die Risiken und die Belohnungen.

Viele davon sind, wie sich herausstellt, unbekannt. Ich bin als sachkundiger Amateur zu diesem Buch gekommen. Während meines ersten Jahres am College, 1970, entdeckte ich meine Begeisterung für Yoga, weil es sich gut anfühlte und mich geistig und körperlich zu stärken schien. Mein erster Lehrer sagte, es sei wichtig, dass man Yoga jeden Tag – und sei es nur ein kleines bisschen – praktiziere. Das war immer mein Ziel trotz des üblichen Kampfes mit guten Vorsätzen. Yoga ist mir ein guter Freund geworden, zu dem ich immer wieder zurückkehre, ganz gleich, welche Kapriolen mein Leben gerade schlägt.

Im Jahr 2006 begann ich mit meinen Recherchen. Mein Plan war einfach. Ich wollte die besten wissenschaftlichen Ergebnisse, die ich finden konnte, zusammentragen und viele Fragen beantworten, die sich im Laufe der Jahre angesammelt hatten – Sachen, über die ich nachgedacht hatte, ohne je Gelegenheit zu finden, ihnen auf den Grund zu gehen.

Als Erstes entdeckte ich zu meiner Überraschung, dass sich Yoga in eine verwirrende Ansammlung von Stilen und Markennamen gewandelt hatte. Ich wusste genug davon, um zu verstehen, dass der Ursprung des Ganzen beim Hatha-Yoga lag – der Spielart, die sich auf Stellungen, Atmung und Übungen konzentriert und Körper und Geist stärken soll (im Gegensatz zu den ethisch und religiös ausgerichteten Yoga-Varianten). Heute sind Hatha-Yoga und seine Abkömmlinge die am häufigsten praktizierten Yoga-Formen auf unserem Planeten und haben vielfältigste Variationen hervorgebracht, angefangen bei den lokalen Varianten, die in fast jedem Land bestehen, bis hin zu allgegenwärtigen globalen Marken wie Iyengar und Ashtanga.

Da ich generell gern Sport treibe und schwimme, hatte ich auch von daher eine gewisse Perspektive darauf, wie sich Yoga von gängigen sportlichen Betätigungen unterscheidet. Im Allgemeinen (mit Ausnahmen, die noch detailliert besprochen werden) ist es eher langsam als schnell, betont statische Haltungen und fließende Bewegungen und weniger die schnellen, kraftvollen Wiederholungen, wie sie etwa beim Drehen oder Laufen im Vordergrund stehen. Sein sanftes Wesen ist körperlich weniger anspruchsvoll als traditionelle Sportarten, was den Reiz für junge Menschen ebenso wie für die älter werdende Baby-Boom-Generation erhöht. Physiologisch gesprochen hat Yoga einen minimalistischen Ansatz, was die Kalorienverbrennung, Muskelkontraktion und die Belastung des Herz-Kreislauf-Systems betrifft. Der auffälligste Unterschied ist vielleicht, dass Yoga großes Gewicht auf die Atemlenkung legt und eine innere Bewusstheit für die Körperhaltung fördert. Fortgeschrittenen-Yoga geht wiederum weiter und regt zur Konzentration auf subtile Energieströme an. Alles in allem lenkt Yoga im Gegensatz zu westlich geprägten Sportarten und anderen Formen körperlicher Betätigung die Aufmerksamkeit nach innen.

Ich ging mit einer gewissen Vorsicht an die Yoga-Literatur heran. Vor langer Zeit, als ich an der University of Wisconsin an einer Studie über Atmungsphysiologie arbeitete, stieß ich auf einen krassen Widerspruch zu einer der zentralen Lehren des modernen Yoga – nämlich dass schnelles Atmen den Körper und das Gehirn mit revitalisierendem Sauerstoff versorgt. Im Gegensatz dazu sagte ein Lehrbuch, das ich damals las, dass das Tempo der menschlichen Atmung „auf die Hälfte fallen oder auf das über Hundertfache des Normalen steigen kann, ohne die Sauerstoffversorgung des Blutes nennenswert zu beeinflussen“. Heute sehe ich, dass ich diesen Abschnitt 1975 ziemlich dick unterstrichen habe.

Leider entsprach meine Durchsicht der Literatur meinen niedrigen Erwartungen. Einige Bücher und Autoren überstrahlen alle anderen (siehe unter „weiterführende Literatur“). Doch alles in allem stellte ich fest, dass die Literatur stinklangweilig und verschroben war, voll von unbelegten Behauptungen und einer überraschenden Zahl von offenkundigen Unwahrheiten. Ich suchte nach Anhaltspunkten für solide wissenschaftliche Grundlagen, aber das Ergebnis war ein einziges großes Kuddelmuddel. Wie sich herausstellte, zeigten alte ebenso wie neuere Werke einen Hang zum Kauzig-Dogmatischen und enthielten bestenfalls ein paar oberflächliche wissenschaftliche Informationen. Vieles davon glich dem, was Richard Feynman, einer der Begründer der modernen Physik, als Cargo-Kult-Wissenschaft bezeichnet hat – das heißt Material, das den Anschein von Wissenschaftlichkeit weckt, aber keinen sachlichen Zusammenhang hat.

Im Gegensatz dazu erwies sich mein Ausflug in die wissenschaftliche Literatur als ermutigend. Die Bundesverwaltung der National Institutes of Health in Bethesda, Maryland, betreibt eine wunderbare elektronische Bibliothek mit internationalen medizinischen Beiträgen, das sogenannte PubMed (für Public Medicine). Ich stellte fest, dass Wissenschaftler nahezu 1000 Aufsätze geschrieben hatten, die sich auf Yoga bezogen – wobei die Zahl der Beiträge Anfang der 70er Jahre anstieg und dann noch einmal in jüngerer Vergangenheit in die Höhe schnellte, als quasi alle paar Tage neue Veröffentlichungen hinzukamen. Die Skala reichte von exzentrischen und oberflächlichen Studien bis hin zu gründlichen und präzisen wissenschaftlichen Untersuchungen. Zu den Autoren gehörten Wissenschaftler von der Princeton, Duke, Harvard und Columbia University, doch auch Forscher aus Schweden oder Hongkong haben ernsthafte Beiträge veröffentlicht, was das weltweite Interesse an dem Thema widerspiegelt.

Ein genauerer Blick auf die Literatur zeigte allerdings, dass die Informationen eher begrenzt waren. Einige allgemeine Themen waren recht gut abgedeckt – zum Beispiel die entspannenden und heilenden Wirkungen des Yoga. Doch viele andere wurden ignoriert und ein Großteil der Veröffentlichungen erwies sich als eher oberflächlich. So erfordern zum Beispiel Studien für die Zulassung eines neuen Medikaments die Teilnahme von Hunderten, wenn nicht Tausenden von Probanden, weil die große Zahl die Verlässlichkeit der Ergebnisse erhöht. Im Gegensatz dazu hatten an den Untersuchungen zum Yoga teilweise weniger als ein Dutzend Personen teilgenommen. Bei einigen sogar nur eine einzige Person.

Die Oberflächlichkeit hatte ziemlich offensichtliche Ursachen. Die Yogaforschung war häufig ein Hobby oder eine Nebenbeschäftigung. Sie hatte keine großen Unternehmenssponsoren (weil keine Aussicht auf Entdeckungen bestand, die zu teuren Pillen oder medizinischen Geräten führen könnten) und relativ wenig finanzielle Unterstützung von staatlicher Seite. Staatliche Stellen neigen dazu, sich auf fortgeschrittene Formen exotischer Forschung zu konzentrieren und auf drängende Fragen der öffentlichen Gesundheit und lassen ihre Untersuchungen typischerweise von Instituten und Universitäten durchführen. Kurz – die moderne Wissenschaft schien wenig Interesse an Yoga zu haben.

Als Ausnahme erwiesen sich die Bereiche, in denen Yoga sich mit anderen Disziplinen überschneidet oder kühne Behauptungen aufstellt, die in krassem Widerspruch zu herkömmlichen Überzeugungen stehen. Solche Schnittstellen führten zu fruchtbaren wissenschaftlichen Untersuchungen. So haben etwa Wissenschaftler, die sich für Sportmedizin und Bewegungsphysiologie interessieren, viel Aufmerksamkeit auf die Fitness-Thesen des Yoga gerichtet. Ähnlich hat auch die Sicherheit, die Yoga für sich in Anspruch nimmt, das Interesse von Medizinern geweckt.

Die Grenzen der gegenwärtigen Fachliteratur veranlassten mich dazu, mein Netz weit auszuwerfen, und ich machte sofort einen großen Fang: ein sehr altes Buch – A Treatise on the Yoga Philosophy, geschrieben von einem jungen indischen Arzt und erschienen im Jahr 1851 in Benares (heute Varanasi), der alten Stadt am Ganges, die für das spirituelle Herz des Hinduismus steht. Ich wurde darauf aufmerksam, weil einige westliche Wissenschaftler es quasi im Vorbeigehen erwähnt hatten.

Ich hatte Glück und stellte fest, das Google-Books kürzlich die Harvard-Ausgabe in sein elektronisches Archiv aufgenommen hatte, sodass ich das ganze Ding auf einen Schlag herunterladen konnte. Die Sprache war archaisch. Doch der Autor hatte die Wissenschaft des Yoga mit großen Geschick in Angriff genommen und einen wichtigen Aspekt der Atmungsphysiologie beleuchtet, den viele anerkannte Experten auf dem Gebiet bis heute missverstehen.

Das Buch überraschte mich, weil ich gehört hatte, dass die indische Yoga-Forschung zwar bahnbrechend, aber normalerweise von geringer Qualität sei. Doch ich fand ein Juwel nach dem anderen und entdeckte zahlreiche wissbegierige Forscher, häufig in Indien geboren oder dort tätig, die irgendein Rätsel des Yoga in Angriff genommen und wichtige Entdeckungen gemacht hatten. Das galt nicht nur für die Atemphysiologie, sondern auch für Psychologie, Kardiologie, Endokrinologie und Neurologie. Diese Wissenschaftler waren häufig mit großer Hartnäckigkeit vorgegangen und gegen den Strom der Zeit geschwommen.

Fasziniert reiste ich nach Indien, um mehr über diese frühen Forscher zu erfahren, und verstand sie letztlich als eine Art intellektueller Vorhut. Ihre Beiträge gingen den elektronischen Archiven von PubMed meistens zeitlich voraus, was sie unsichtbar für moderne Forscher machte. Doch ihre Entdeckungen waren von zentraler Bedeutung für die Entwicklung des Bereichs.

Als ich meine Recherchen ausweitete, hatte ich das Riesenglück, bei Mel Robin, einem erfahrenen Yoga-Lehrer und Star der Yoga-Wissenschaft, in die Lehre gehen zu dürfen. Mel hatte fast 30 Jahre lang für die Bell Telephone Laboratories (den Geburtsort des Transistors, dem Herzen des Computerchips) gearbeitet, bevor er sich der Erforschung des Yoga zuwandte. Seine liebevolle Arbeit brachte zwei dicke, fast 2000 Seiten umfassende Bücher hervor. Das Einzigartige an Mels Ansatz war, dass er weit über die Grenzen der Yoga-Literatur hinausging, um zu zeigen, wie die allgemeinen Entdeckungen der modernen Wissenschaft mit der Disziplin zusammenhängen. Sein Beispiel ermutigte zu der Art unabhängigen Denkens, das ich an der Universität von Wisconsin kennengelernt hatte.

Im Laufe der Jahre brachte die Erweiterung meiner Recherchen mich außer mit Mel auch in Kontakt mit einer wunderbaren Vielzahl von Wissenschaftlern, Heilern, Yogis, Ärzten, Mystikern, Staatsbediensteten und anderen Menschen, die sich dafür interessieren, was die Wissenschaft uns über Yoga sagen kann. Wenn die Wissenschaft das Rückgrat dieses Buches bildet, so sind diese Menschen das Fleisch und Blut.

Mein Fokus ist praktischer Art. Gelegentlich berührt das Buch Themen östlicher Spiritualität – Meditation und Achtsamkeit, Befreiung und Erleuchtung –, macht aber nicht den Versuch, ihnen auf den Grund zu gehen. Es konzentriert sich vielmehr konsequent auf die Frage, was die Wissenschaft uns über das Stellungs-Yoga sagt. Das ist keine Respektlosigkeit gegenüber der hinduistischen Religion oder spirituellen Traditionen, die auf auf den großen Zusammenhang ausgerichtet sind. Doch wenn dieses Buch erfolgreich ist, dann weil es sich auf einen kaum bekannten Bereich reduktionistischer Ergebnisse beschränkt. Gleichwohl sollte ich anmerken, dass ich wie jeder wahre Gläubige den wissenschaftlichen Erkenntnisprozess für begrenzt halte und nicht der Ansicht bin, dass er die Hauptfragen des Lebens beantworten kann. Der Epilog erforscht, was jenseits dieser Grenzen liegen könnte.

Am Ende ergab meine Untersuchung nicht nur eine Fülle von Entdeckungen, sondern auch einen auffälligen Mangel an Wissen bei Yogis, Gurus und Praktizierenden im Hinblick auf die Untersuchungen und Abhandlungen. Es ist reine Spekulation, aber ich wäre überrascht, wenn die Gemeinschaft ein Hundertstel oder Tausendstel dessen wüsste, was Wissenschaftler im Laufe von eineinhalb Jahrhunderten herausgefunden haben.

Dieses Buch erzählt diese Geschichte. Im Grunde bietet es eine unparteiische Bewertung eines wichtigen sozialen Phänomens, das vor Jahrtausenden seinen Anfang nahm. Und es ist, mit Verlaub, das erste Projekt dieser Art.

Ich habe das Buch so aufgebaut, dass es mit Themen von allgemeinem Interesse beginnt und mit Themen endet, die weniger vertraut sind. Dieser Fluss gleicht, wie sich herausstellt, der historischen Entwicklung des wissenschaftlichen Interesses. Von daher ist das Buch auch locker chronologisch geordnet.

Das sich abzeichnende Bild vom Yoga unterscheidet sich in wichtigen Hinsichten von den üblichen Behauptungen. In einigen Fällen bietet es positive Überraschungen.

Eine Reihe von Lehrern schreibt Yoga zum Beispiel eine belebende Wirkung auf die Sexualität zu. Die Wissenschaft bestätigt diese These nicht nur, sondern zeigt auch, wie bestimmte Haltungen als Aphrodisiaka wirken können, die zur Ausschüttung von Sexualhormonen und zu Hirnwellenaktivitäten führen, die identisch mit denen von Liebenden sind. Allgemeiner gesprochen untermauern neuere wissenschaftliche Studien die Vorstellung, dass Yoga das Sexleben von Männern und Frauen verbessern kann, und belegen, dass Yoga-Anfänger nicht nur von einer Steigerung ihrer sexuellen Lust und Befriedigung berichten, sondern auch von größerer emotionaler Nähe zu ihren Partnern.

Auch die gesundheitlichen Vorteile sind beträchtlich. Obwohl viele Gurus und Ratgeberbücher Yoga als den Königsweg zum ultimativen Wohlbefinden beschreiben, bleiben die Ausführungen in der Regel vage. Die Wissenschaft bringt die Vorteile auf den Punkt.

Jüngere Studien deuten zum Beispiel darauf hin, dass Yoga körpereigene Substanzen im Gehirn freisetzt, die eine starke antidepressive Wirkung haben, was große Möglichkeiten für die Förderung des persönlichen Wohlbefindens verheißt. Weltweit leiden mehr als 100 Millionen Menschen unter Depressionen. Die empfundene Hoffnungslosigkeit führt jedes Jahr zu fast einer Million Suizide.

Amy Weintraub, eine der Hauptfiguren in diesem Buch, berichtet, wie Yoga ihr das Leben rettete, indem es die dunklen Wolken der Niedergeschlagenheit vertrieb.

Auch wenn einige Ergebnisse die Unmenge kühner Behauptungen und angebotener Heilwirkungen bestätigen, gibt es doch auch andere, die ihnen widersprechen.

Nehmen wir das Körpergewicht – ein ungeheuer sensibles Thema für jeden, der gut aussehen möchte. Seit Jahrzehnten haben Yogalehrer die Disziplin als großartige Methode zum Abnehmen angepriesen. Doch es stellt sich heraus, dass Yoga den Stoffwechsel so prima herunterfährt, dass – bei ansonsten gleichen Bedingungen – Personen, die die Praxis aufnehmen, weniger Kalorien verbrennen, was dazu führt, dass sie an Gewicht zulegen und neue Fettpolster anlegen. Und man hat wissenschaftlich nachgewiesen, dass Frauen besonders gut darin sind, ihren Stoffwechsel zu verlangsamen, wobei dahingestellt bleibt, ob dies etwas Gutes oder etwas Schlechtes ist. Andere Elemente des Yoga wirken den überflüssigen Pfunden natürlich durchaus erfolgreich entgegen. Die Disziplin erhöht das Bewusstsein für den Körper und ihr beruhigender Einfluss kann die Neigung zu Fressattacken bei Stress verringern. Die meisten Yogalehrer sind schlank, nicht pummelig. Wissenschaftliche Studien deuten allerdings darauf hin, dass eine erfolgreiche Gewichtsreduzierung beim Yoga trotz – nicht wegen – seiner grundlegenden Wirkung auf den Stoffwechsel zustande kommt.

Das ist eines der schmutzigen kleinen Geheimnisse des Yoga. Wie sich herausstellt, gibt es noch viele weitere und einige recht bedeutsame.

Yoga hat Wellen von Verletzungen ausgelöst. Dazu gehören zum Beispiel Schlaganfälle, zu denen es kommt, wenn verstopfte Gefäße den Blutfluss im Gehirn behindern. Mediziner haben festgestellt, dass bestimmte Haltungen zu Hirnschäden führen können, die Yoga-Praktizierende in Behinderte mit hängenden Augenlidern und gelähmten Gliedmaßen verwandeln.

Ein weiteres dunkles Geheimnis ist, dass einige Koryphäen Yoga mit drohendem Wahnsinn in Verbindung bringen. So warnte etwa C.G. Jung davor, dass fortgeschrittenes Yoga „eine Quelle von Leiden eröffnen kann, von denen man sich in gesunden Sinnen nicht hätte träumen lassen“. Viele Yoga-Bücher berufen sich anerkennend auf C.G. Jung, scheinen aber dieses Zitat regelmäßig zu übersehen. Trotzdem gibt es die wohldurchdachte Meinung wieder, zu der Jung nach zwei Jahrzehnten gründlicher Beschäftigung und Reflexion gelangt war.

Alles in allem erwiesen sich die Risiken und Vorteile als wesentlich größer, als ich es je für möglich gehalten hätte. Yoga kann töten und verstümmeln – oder Ihr Leben retten und Ihnen das Gefühl geben, ein Gott zu sein. Das ist eine ganz schöne Bandbreite. Verglichen damit wirken die meisten anderen Sportarten und körperlichen Betätigungen wie Kinderkram.

Meine Recherchen haben mich dazu veranlasst, meine eigene übliche Praxis zu verändern. Auf bestimmte Stellungen lege ich weniger Gewicht oder habe sie ganz aufgegeben, während ich andere hinzugefügt habe, und ich gehe ganz generell mit größerer Vorsicht und Sorgfalt vor. Ich hoffe, dass Sie auf ähnliche Weise von den Ausführungen profitieren werden.

Ich betrachte dieses Buch als eine Art gut informierte Einwilligung – so ähnlich wie bei den Informationen, die man Probanden bei medizinischen Experimenten und neuen Therapien gibt, um sicherzustellen, dass sie die Risiken, das Für und Wider der Behandlung verstehen.

Für mich überwiegen die Vorteile eindeutig gegenüber den Nachteilen. Alles in allem bewirkt die Kunst der Ausgewogenheit mehr Positives als Negatives. Dennoch ergibt Yoga nur Sinn, wenn man es auf kluge Weise anwendet, um sich selbst so wenig wie möglich zu gefährden. Ich bin überzeugt, dass schon moderate Vorsichtsmaßnahmen Wellen des Schmerzes, der Reue, des Kummers oder der Behinderung abwenden können.

* * *

Die Helden dieses Buches sind Hunderte von Wissenschaftlern und Medizinern, die sich im Laufe der Jahrzehnte ohne großes Aufhebens bemüht haben, die Wahrheit aufzudecken, obwohl sie kaum finanzielle Unterstützung erhielten und gegen gleichgültige Institutionen kämpfen mussten. Ihre frühen Untersuchungen haben nicht nur den Erkenntnisprozess im Hinblick auf Yoga in Gang gesetzt , sondern auch eine bemerkenswerte Nebenwirkung gehabt. Sie haben dazu beigetragen, das Wesen der Lehre zu verändern.

Anfangs war Yoga ein obskurer Kult, tief getränkt in Magie und Erotik. Am Ende war es auf Gesundheit und Fitness fixiert.

Zu meiner Überraschung stellte sich heraus, dass die Wissenschaft eine wichtige Rolle bei dieser Modernisierung gespielt hat. Als die Forscher allmählich natürliche Erklärungen für die scheinbaren Wunderwirkungen des Yoga aufdeckten, hat die Disziplin hart daran gearbeitet, sich selbst neu zu erfinden. Eine neue Generation von Gurus spielte das atemberaubende und magische Element herunter und konzentrierte sich stattdessen auf das materielle Wohlbefinden. Im Grunde stellten sie Yoga auf den Kopf, indem sie das Körperliche über das Spirituelle stellten und damit dazu beitrugen, die weltliche Lehre zu schaffen, die heute rund um den Globus praktiziert wird.

Das erste Kapitel befasst sich mit dieser Umwälzung. Es ist eine wichtige Geschichte, nicht nur, um die Urspünge der Gesundheitsagenda zu verstehen, sondern auch, um Hauptcharaktere und -themen einzuführen. So stellt sich beispielsweise heraus, dass mehrere angebliche Wunderwirkungen des Yoga zwar nachweislich unwahr sind, aber dennoch bedeutsame physiologische Veränderungen umfassen, die eine Fülle echter Vorteile produzieren können. Sie können die Stimmung heben. Sie können Herzerkrankungen entgegenwirken. Neueste Studien deuten darauf hin, dass sie möglicherweise sogar die biologische Uhr verlangsamen.

Was nicht heißt, dass die Wissenschaft alle Antworten hätte.

Im Gegenteil – die Erforschung der Lehre begann in Reaktion auf ein erstaunliches Spektakel vor fast zwei Jahrhunderten, das auch heute noch eine Reihe von grundlegenden Fragen aufwirft.

Die Wissenschaft des Yoga enthüllt nicht nur Geheimnisse. Sie trägt auch dazu bei, echte Mysterien aufzuklären.

I Gesundheit

Ranjit Singh war ein hässlicher kleiner Mann, der sich gern mit wunderschönen Frauen umgab. Als Kind war er an Pocken erkrankt, wodurch er sein linkes Augen verloren und schwere Narben im Gesicht zurückbehalten hatte. Er war ungebildet. Doch Singh baute ein Imperium durch Charakterstärke auf und einte die kriegführenden Stämme Westindiens. Er wurde Maharadscha von Punjab und sammelte ein riesiges Vermögen an, zu dem auch der Koh-i-Noor, damals der größte Diamant der Welt, gehörte. Er konnte großzügig sein. Obwohl selbst ein Sikh, spendete er einem Hindu-Tempel eine Tonne Gold. Singh war ein militärisches Genie und ein Despot. Vor allem kannte er die Menschen.

Im Jahr 1837 erfuhr Singh, dass ein umherziehender Yogi an den Hof gekommen war und den Vorschlag unterbreitet hatte, sich lebendig begraben zu lassen, um seine spirituellen Kräfte unter Beweis zu stellen. Der König willigte ein, das Begräbnis zu unterstützen, ergriff aber einige Vorsichtsmaßnahmen. Der heilige Mann sollte in einem kleinen Gebäude in der Nähe des Palastes bestattet werden. Zu den Vorkehrungen gehörte, dass Singh die vier Türen mit Ziegelsteinen und Mörtel versiegeln ließ, was das offene Gebäude – positiv ausgedrückt – in eine Art Gefängnis und – negativ ausgedrückt – in eine Krypta verwandelte.

Militäroffiziere ebenso wie europäische Ärzte schauten zu, als der Yogi sich in eine sitzende Position brachte. Wahrscheinlich handelte es sich um einen vollen Lotus mit übereinandergeschlagenen Beinen und den Füßen auf den Oberschenkeln. Ein Beobachter verglich die Stellung mit der eines „Hindu-Götzenbildes“. Anschließend wickelten die Teilnehmer den Yogi in weiße Tücher und setzten ihn in eine Holzkiste. Sie stand in einer flachen Grube im Boden des Gebäudes. Auf Erde wurde verzichtet, weil der Yogi die Sorge geäußert hatte, dass Ameisen seinen Körper angreifen könnten. Die Männer des Maharadscha sicherten die Kiste allerdings mit Schloss und Riegel. Dann verschlossen sie die Eingangstür zu dem Gebäude und schütteten einen Erdwall auf, um die improvisierte Zelle von der Außenwelt abzuschotten.

Nach allgemeiner Einschätzung gab es an dem Gebäude keine Öffnungen, die eine Luftzufuhr oder das Durchreichen von Nahrungsmitteln ermöglicht hätten. Posten hielten Tag und Nacht Wache. Ein älterer Offizier des Hofes kam regelmäßig vorbei, um die Sicherheitsvorkehrungen zu überprüfen und dem Maharadscha Bericht zu erstatten.

Die Bestattung dauerte 40 Tage und Nächte – ein Zeitraum, der seit biblischen Zeiten für Vollständigkeit und ungebrochene Zyklen steht. Dann kam der König auf einem Elefanten angeritten, stieg vor seinem versammelten Hofstaat ab und nahm die Ergebnisse in Augenschein.

Die weißen Tücher sahen schimmelig aus, als ob sie seit langer Zeit unberührt gewesen wären. Die Arme und Beine des Yogis waren kalt und steif, die Haut blass und verschrumpelt. Es war kein Puls mehr zu fühlen.

Dann öffnete er die Augen.

Der Körper des Yogi wurde von einem wilden Zucken erfasst. Seine Nasenflügel blähten sich auf. Ein schwacher Herzschlag war jetzt vernehmbar. Nach einigen Minuten weiteten sich die Augen. Die Haut nahm wieder Farbe an.

Als der Yogi sah, dass der König neben ihm stand, fragte er mit leiser, kaum vernehmbarer Stimme: „Glaubt Ihr mir jetzt?“

Yoga war in den vergangenen Jahrhunderten ein mystisches Wunderland, in dem die Praktiken sich von den unseren auf eine Weise unterschieden, die vom Weltlichen bis zum fast Unvorstellbaren reichte. Grundlegend war, dass man es eher im privaten Rahmen als in Gruppen praktizierte. Noch wichtiger war, dass es relativ wenige Frauen beim Yoga gab. Das war verständlich angesichts der chauvinistischen Ausrichtung der alten Gesellschaften. Der radikalste Unterschied betraf die Lebensweise der Männer.

Yogis waren häufig Vagabunden, die sich auf rituellen Sex einließen, oder Showmänner, die ihren Körper verrenkten, um Almosen zu erhalten – auch wenn sie ihr Leben einem hohen spirituellen Ziel verschrieben hatten. Der Punjab-Yogi bildete da keine Ausnahme. Chronisten berichten, dass er seine Bestattungsfeiern immer „gegen gutes Entgelt“, wie einer es formulierte, ausführte. Nachdem er seine vierzigtägige Einkerkerung überlebt hatte, erhielt er eine Perlenkette, goldene Armreifen, Seidenstoffe und Schultertücher von jener Art, wie sie von „den indischen Prinzen normalerweise nur an Personen von hohem Rang verliehen wurden“.

Yogis waren Zigeuner ebenso wie Zirkuskünstler. Sie lasen aus der Hand, deuteten Träume und verkauften Zaubersprüche. Die besonders Strenggläubigen saßen oft nackt da – mit ungestutzten Bärten und verfilztem Haar – und schmierten sich mit Asche von Begräbnisfeuern ein, um die Vergänglichkeit des Körpers zu unterstreichen.

Die Kanphata-Yogis, Anhänger einer große Sekte, standen in dem Ruf, Kinder zu entführen. Um neue Mitglieder zu gewinnen, adoptierten sie Waisen und stahlen oder kauften Kinder, wenn sich die Gelegenheit bot. Gute Familien fürchteten verständlicherweise ihre Anwesenheit. Manchmal machten Yogi-Banden Jagd auf Handelskarawanen und überfielen Kaufleute, um Geld und Nahrung von ihnen zu erpressen. Wenn sie als Wachleute eingestellt wurden, bildeten sich gewalttätige Gruppen, die man heutzutage als Schutzgelderpresser bezeichnen würde.

Manche Yogis rauchten Ganja und kauten Opium. Einige trugen Bettelschalen. Wieder andere waren vermutlich Heilige. Doch die britische Beamtenschaft ebenso wie gebildete Inder entwickelten einen Widerwillen gegen die heiligen Männer, die sie nicht nur als potenziell gefährlich einstuften, sondern auch als wirtschaftliche Belastungen für die Gesellschaft. Bei einem britischen Zensus zeigte sich die herablassende Haltung sehr deutlich daran, dass die Yogis unter der Überschrift „Verschiedenerlei zwielichtige Landstreicher“ einsortiert wurden.

Ein nicht geringer Teil der Zwielichtigkeit hing mit Sex zusammen. Spirituell war es das Ziel des Yogi, einen glückseligen Bewusstseinszustand zu erreichen, in dem die männliche und weibliche Seite des Universums zur Erkenntnis der Einheit verschmelzen. Diese Vereinigung (das Wort „Yoga“ bedeutet Vereinigung) führte zur Erleuchtung. Doch ein Hauptweg dorthin war sexuelle Ekstase – ein verschleierter Teil der Agenda, den die moderne Forschung in jüngerer Zeit freilegte. David Gordon White, einer der herausragenden Gelehrten auf diesem Gebiet, der an der University of California lehrt, wies in einem 2006 erschienenen Buch darauf hin, dass die alten Yogis einen göttlichen Bewusstseinszustand anstrebten, der dem Glückserleben beim sexuellen Orgasmus entspricht.

Der Weg zur ekstatischen Vereinigung war als Tantra bekannt. Dieser ungeheuer populäre Ansatz lehnte das Kastensystem ab, fuhr Wagenladungen von Konvertierten ein und gab religiösen Autoritäten Aufschwung, die Tausende von Texten und Kommentaren verfassten. Er schwelgte in Magie, Zauberei, Wahrsagerei, ritueller Verehrung (vor allem von Göttinnen), kultischen Rites de Passage oder Übergangsriten und geheiligter Sexualität.

Im Westen ist Tantra vor allem als Auslöser sexueller Riten bekannt. Und Riten gab es zuhauf – genug, um Proteste von orthodoxen Vertretern des Hinduismus und Buddhismus auszulösen. Der Hauptvorwurf lautete, dass Tantriker sich unter dem Vorwand der Spiritualität sexuellen Ausschweifungen hingaben.

Das galt auch für den Punjab-Yogi, einen guten Tantriker. Als sein Ansehen wuchs, wurde sein Verhalten so schlecht, dass der Maharadscha in Erwägung zog, ihn aus seinem Reich zu verbannen. Doch der Yogi ging aus eigenem Antrieb. Er tat es bester Laune – brannte mit einer jungen verheirateten Frau durch und verschwand in den Bergen.

Im Laufe der Jahrhunderte durchlief Tantra verschiedene Degradierungen, die ihren Tiefpunkt mit den Aghori erreichten – einer Kannibalen-Sekte, die das Fleisch menschlicher Leichen verzehrte, Urin und Flüssigkeit aus menschlichen Schädeln trank, auf Leichenverbrennungsgeländen und Misthaufen lebte und alle sozialen Konventionen verunglimpfte, angeblich um die Ablehnung der Öffentlichkeit herauszufordern und auf diese Weise ihre Demut auf die Probe zu stellen. Die ursprünglichen Asketen praktizierten auch rituelle Grausamkeit und jahreszeitlich bedingte Orgien. Religionsgelehrte neigen dazu, die blutigen Details zu vermeiden, erwähnen aber solche Dinge wie ein Inzest-Faible der Aghori. Auf alle Fälle waren die schlimmsten Verhaltensweisen, die mit Tantra verbunden waren, so extrem, dass die allgemeine Praxis als Bedrohung für die Gesellschaft betrachtet und verdammt wurde.

Eine weitere Hinsicht, in der sich das alte Yoga von unseren heutigen Ausprägungen unterscheidet, betraf das Verständnis von Hatha – oder vom körperbezogenen Yoga. Die Prinzipien wurden in einem frühen Werk – Hatha Yoga Pradipika – beschrieben. Das heilige Buch aus dem 15. Jahrhundert repräsentiert den frühesten noch vorhandenen Text der Lehre.

Das Buch lenkte die Aufmerksamkeit auf Körperteile, die nichts mit dem modernen Fokus gemeinsam haben, einschließlich Penis, Vagina, Skrotum und Anus. Immer wieder werden sitzende Positionen empfohlen, die Druck auf das Perineum ausüben sollen – auf den Bereich zwischen Anus und Genitalien, der sensibel für erotische Stimulation ist. „Drücken Sie mit der Ferse gegen das Perineum“, rät der Text. „Es öffnet die Türen der Befreiung.“

Heute lautet der Fachbegriff für eine Yoga-Stellung Asana. Im Sanskrit bedeutet das Wort allerdings schlicht Sitz – ein Nachklang aus jener Zeit, die mehr als tausend Jahre zurückliegt und in der das Stellungs-Yoga ganz einfach bedeutete, dass man eine entspannte Sitzhaltung zum Meditieren einnahm. Hatha Yoga Pradipika legte ganz neues Gewicht auf Sitzpositionen und stimulierende Bewegungen. Hingegen sagte es nichts von stehenden Haltungen oder über die Art von fließenden Bewegungen, die in zeitgenössischen Yoga-Kursen so populär sind.

Der Text erklärte auch, wie man die Dauer des Liebsaktes verlängern konnte – und richtete seine Ratschläge an Männer, was die alte Voreingenommenheit des Yoga widerspiegelt. Im Text wird ein weiblicher Partner verlangt, allerdings eingeräumt, dass eine bereitwillige Gespielin etwas ist, das nicht jeder problemlos bekommen kann.

In einer Anweisung wird behauptet, dass sich mit einer speziellen Technik eine derart eiserne Kontrolle in sexuellen Beziehungen erzeugen lasse, dass der Yogi keinen Samen ergieße, nicht einmal „in den Armen einer leidenschaftlichen Frau“. Das Ziel war, den Grad der Erregung allmählich zu steigern und sich dem Orgasmus anzunähern, aber ihn nie ganz zu erreichen, sodass die Ekstase des Paares sich immer weiter fortsetzt und die beiden eins werden und alle Gegensätze aufheben.

Wenn diese Darstellung des Hatha-Yoga dem modernen Leser bizarr erscheint, liegt es daran, dass zeitgenössische Bücher und Lehrer selten auf die Ursprünge der Praxis eingehen. Doch in Wahrheit ist Hatha ein Zweig des Tantra. Es wurde entwickelt, um die tantrische Agenda zu beschleunigen, um Erleuchtung durch den präzisen Einsatz der Willenskraft und die Umlenkung libidonöser Energie zu erreichen anstatt durch irgendeine nebulöse Mischung aus Frömmigkeit und Kontemplation. Der Sanskrit-Ursprung von Hatha ist hath – „mit Gewalt behandeln“, zum Beispiel eine Person an einen Pfahl fesseln, wie der Monier-Williams-Sanskrit-Dictionary eines Oxford-Professors erläutert. Hatha bedeutet also auch Gewalt oder Kraft. Die Disziplin erwuchs aus einer sorgfältig aufgebauten Kampagne kraftvoller Aktivität, die das schnelle Erreichen der Erleuchtung durch Ekstase fördern sollte.

Deshalb übersetzen einige Gelehrte Hatha-Yoga als „gewalttätige Vereinigung“. Andere Experten bezeichnen es als „Vereinigung durch Kraft oder Gewalt“, um die Betonung auf die Erleuchtung zu legen anstatt auf das Mittel, durch das sie erreicht wird. In beiden Fällen tauchen solche Definitionen selten – wenn überhaupt – in der modernen Literatur auf. Der New-Age-Ansatz besteht darin, die Poesie des Sanskrit aufzugreifen und Hatha in ha und tha – für Sonne und Mond – zu teilen. Diese Interpretation macht das Wort als solches zu einer esoterischen Vereinigung von Gegensätzen und lässt typischerweise jeden Hinweis auf Kraft oder Gewalt weg.

Ein weiteres Merkmal, durch das sich das alte Yoga von unserer heutigen Form unterscheidet, war schließlich die Betonung des Wunderbaren. Jahrhundertelang hatte die heilige Literatur Indiens den Yogis Zauberkräfte zugeschrieben. Sie konnten fliegen, schweben, ihren Herzschlag und ihre Atmung aussetzen, verschwinden, durch Wände gehen, sich selbst in andere Körper versetzen, den Mond berühren, sich lebendig begraben lassen und diese Bestattung überleben, sich unsichtbar machen, nach Belieben sterben, auf Wasser gehen und – wie Jesus von Nazareth – Tote zum Leben erwecken. Sie wurden als Wundertäter gepriesen. Ihre ungewöhnlichen Fähigkeiten hatten einen Namen – siddhis. Dieses Sanskrit-Wort bedeutet Erfolg oder Perfektion und ist ein yogischer Fachausdruck für übernatürliche Kräfte. Patanjali, der indische Weise, der vor etwa sechzehn Jahrhunderten die Grundlagen des mystischen Yoga einführte, widmete ein gesamtes Kapitel seiner Aphorismen den überirdischen Heldentaten, einschließlich solcher Begabungen wie Gedankenlesen und Hellsehen.

Erstaunliche Behauptungen füllen die Seiten des Hatha Yoga Pradipika-Textes. Er besagt, dass Praktizierende Gifte neutralisieren, alle Krankheiten vertreiben, hohes Alter aufheben, Böses vermeiden und Unsterblichkeit erlangen können – ganz zu schweigen von der Fähigkeit, Verstopfungen, Falten und graue Haare zum Verschwinden zu bringen.

Yogi-Krieger stellten laut William Pinch, einem Gelehrten der Wesleyan University, Behauptungen über Wundertaten auf, um ihr Image auf dem Schlachtfeld aufzumöbeln. Yoga, so Pinch, verlieh den Ruf der Unbesiegbarkeit. „Man hatte einen klaren taktischen Vorteil, wenn man glaubte – und den Feind glauben machte –, dass man unsterblich war.“

Die Grundleistung, die dem einfachen Yoga-Praktizierenden solche Wundergaben verlieh, war die Erlangung von Samadhi – dem Zustand transzendenter Glückseligkeit, in dem der Yogi eins mit dem Universum wurde. Dies gelang dem Meister, nachdem er gelernt hatte, wie man alle Prana-Ströme – die Körperenergie – das Rückgrat hinauf zum Gehirn strömen lässt. An diesem Punkt wurde der Yogi – laut Hatha Yoga Pradipika – „wie tot“.

Einige Yogis versetzten sich in diesen euphorischen Zustand, um spirituelle Erleuchtung zu finden. Andere – wie der Punjab-Yogi – taten es getreu der Vielfalt der tantrischen Gemeinschaft aus Gründen des Amüsements und Profits.

Der spektakuläre Erfolg der Lebendbestattung versetzte viele Menschen in Erstaunen – und nicht nur am Hof von Ranjit Singh. In Wien, London und New York erschienen Bücher, die diese Glanzleistung beschrieben. Die gebildete Welt staunte über die Leistung und suchte nach einer Erklärung. Claude M. Wade, der britische Kontaktmann zum Hof des Maharadschas und Augenzeuge der Yogi-Exhumierung, wies seinesgleichen warnend darauf hin, dass es „anmaßend wäre, den Hindus die mögliche Entdeckung oder Erlangung einer Kunst zu verwehren, die den Forschern der europäischen Wissenschaft bislang entgangen ist“.

Zum Zeitpunkt der Bestattung nahm N.C. Paul sein Medizinstudium in Kalkutta (dem heutigen Kolkata) auf und war als angehender Wissenschaftler brennend an dem Ereignis interessiert. Immerhin schien das Spektakel die Naturgesetze aufzuheben. Seine Wissbegierde veranlasste ihn, ein Buch zu schreiben – A Treatise on the Yoga Philosophy.

Es berichtete über die Lebendbestattung und markierte damit, wie sich herausstellte, die Geburt einer neuen Wissenschaft.

Wer war Paul? Kein Gelehrter und kein Buch schenkten ihm mehr als eine flüchtige Erwähnung. Ich wusste wenig, bis ich nach Kalkutta reiste – einer Stadt, die trotz der Monsunhitze vor Energie knisterte.

Lautes Gehupe und dickster Verkehr empfingen mich, als ich mit dem Taxi zu Pauls medizinischer Fakultät fuhr – ein Ort, von dem ich erwartete, dass er von der Ordnung seiner britischen Gründer geprägt sein würde. Stattdessen erwies sich der Ort als einziges Chaos. Streunende Hunde, Patienten und Studenten wuselten in einem Labyrinth von zerfallenen Gebäuden und umgestürzten Bäumen herum. An den Mauern hingen verblasste Poster. Ein bisschen besorgt und mit wachsendem Unbehagen näherte ich mich der Bibliothek, war aber immer noch begierig, mehr über den ersten Wissenschaftler der Welt zu erfahren, der sich bemüht hatte, Yoga von seiner mythischen Vergangenheit zu befreien.

Ich stieg eine Wendeltreppe hinauf, vorbei an losen Kabeln, Spinnennetzen und zerbrochenen Betonstücken. Die hohen Wände und die dunkle Holzvertäfelung der Bibliothek zeugten von einer vornehmen Vergangenheit. Doch der Zerfall hatte eingesetzt. Glasvitrinen hielten Reihe um Reihe alter Bücher – der Staub darauf so dick, dass er die Titel verdeckte. Erschrocken wurde mir klar, dass die Bücherschränke zu Mausoleen geworden waren. Von der Decke hingen hauchdünne Spinnennetze wie Requisiten in einem Horrorfilm. Die lächelnde Bibliothekarin in ihrem bunten Sari wirkte ein bisschen verlegen – aber nicht sehr. Wie sich herausstellte, wusste sie – wie alle anderen – nichts über Paul und wenig von den Anfängen der Fakultät. Das Bengal Medical College war im Jahr 1835 als erste Ausbildungsstätte für europäische Medizin in Asien gegründet worden; der rote Backstein und die weiße Verkleidung sollten eine neue Ära symbolisieren.

In Panik hastete ich durch die Stadt zur National Library, einem Relikt aus der Kolonialzeit auf einem grünen Campus. Tagelang durchforstete ich alte Bücher und Berichte. Nichts. Keine Spur. Einige Nachschlagewerke waren so brüchig, dass sie unter meinen Händen auseinanderfielen. Würmer hatten Fressgänge durch viele der Bücher gegraben und zahlreiche Buchstaben und Wörter dabei verschlungen. Ich errichtete kleine Trümmerhaufen auf meinem Schreibtisch. Buch um Buch. Nichts.

Schließlich wurde ich beim allerletzten Band fündig und stieß auf einen kurzen Abriss von Pauls Leben. Er tauchte in einer Liste von Absolventen der Bengal Medical School auf, die in den kolonialen medizinischen Dienst eingetreten waren. Daten. Seine erste Arbeitsstelle. Was er verdient hatte. Nach Tagen nervöser Schweißausbrüche endlich ein Durchbruch in meinen Recherchen.

Mein Glück setzte sich fort, als ich P. Thanappan Nair traf, einen kleinen, schmächtigen Mann von 74 Jahren, der wie Gandhi aussah. Er hatte Dutzende von Büchern über Kalkutta geschrieben und erwies sich als wahre Schatztruhe an Ideen, Liebenswürdigkeit, Energie und gesundem Menschenverstand. Nair ließ Journalismus als etwas Respektables erscheinen.

Wir besuchten Historiker, Archive, literarische Gesellschaften und andere Organisationen, fuhren mit dem Bus, der U-Bahn, der Fahrrad-Rikscha und dem Zug (offene Türen, die einen Ausblick auf Dörfer und rauchige Morgenfeuer freigaben). Er lehnte es ab, Geld von mir anzunehmen. Nair erklärte, dass er solche Dinge aus einem Gefühl bürgerlicher Verantwortung tue.

Paul war gebürtiger Bengale (sein Taufname lautete Nobin Chunder Pal oder – in einigen Abwandlungen – Navina Chandra Pala oder Nobin Chundra Pal), der die soziale Leiter mittels einer guten Ausbildung erklommen hatte. Die britischen Herrscher über das Indien des frühen 19. Jahrhunderts beuteten das Land skrupellos aus. Doch sie gründeten auch Schulen für die einheimischen Kinder, in denen der Stundenplan europäisch und die Umgangssprache Englisch waren. Dahinter stand die Absicht, eine gesellschaftliche Schicht von kompetenten Handlangern aufzubauen, die man für die Verwaltung des Empire einsetzen wollte.

Paul erwies sich in dieser Hinsicht als ein frühes Erfolgsprojekt. In Kalkutta, der ersten Hauptstadt von Britisch-Indien, schrieb er sich an der medizinischen Hochschule ein und widmete sich dem geistigen Leben in der Stadt. Bei der Society for the Acquisition of General Knowledge, einem Hotspot der Aufwärts-Mobilität, hörte er Vorträge zu so gewagten Themen wie „Die Interessen des weiblichen Geschlechts“.

Paul machte seinen Abschluss im Jahr 1841 und stellte hinter seinem Namen voll Stolz die Buchstaben G.B.M.C. aus – Graduate of Bengal Medical College. Sie kündeten ebenso wie die Europäisierung seines Nachnamens von seinem Elite-Status.

Sein großer Durchbruch kam, als er nach Benares versetzt wurde. Für Hindus war das die heiligste Stadt Indiens, gelegen an den Ufern des Ganges, dem heiligsten aller Flüsse. Pauls Posten gab ihm einen guten Überblick über das yogische Leben. Hunderte von Tempeln säumten den Fluss und von überallher kamen Pilger, um zu baden oder um die Leichen von nahestehenden Menschen einzuäschern, eifrig bestrebt, ihre Sünden abzuwaschen und Erlösung zu finden. Auch Mystiker kamen in Scharen zu den Ghats – den breiten Steinstufen -, um ein kurzes reinigendes Bad zu nehmen, Yoga zu praktizieren und zu meditieren. Mindestens einer schlief auf einem Nagelbett. Buddha hatte ganz in der Nähe seine erste Predigt gehalten. Seit ewigen Zeiten galt Benares als das Herz des Hinduismus und spielte etwa dieselbe Rolle wie Mekka für die Moslems und der Vatikan für römischkatholische Christen. Viele Hindus betrachten es noch immer als den heiligsten Ort der Erde.

Pauls Treatise on the Yoga Philosophy erschien 1851. In jenem Jahr fand in London die Weltausstellung statt. Sie sollte die Aufmerksamkeit auf Großbritannien als führende Macht der industrialisierten Welt lenken.

Der Regimentschirurg schien unbedingt zeigen zu wollen, dass auch die Kolonien am Fortschrittsmarsch teilnehmen konnten.