Zärtliche Träume von dir - Katherine Garbera - E-Book

Zärtliche Träume von dir E-Book

Katherine Garbera

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Beschreibung

Nur ein leidenschaftlicher Kuss vor zehn Jahren - und noch immer beginnt Gabis Herz zu rasen, wenn sie ihn sieht. Kingsley Buchanan war ihr Mr. Right - bis er in jener Nacht wegen Mordverdachts verhaftet wurde. Sie hat an seine Unschuld geglaubt und zu ihm gehalten. Doch als sie ihn besuchen wollte, schickte er sie weg. Jetzt steht er nach all der Zeit plötzlich vor ihr und bittet sie um Hilfe. Alles in ihr ruft: Lauf, so schnell du kannst, er wird dir wieder das Herz brechen! Doch ihr Verlangen sagt etwas ganz anderes …

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Seitenzahl: 205

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IMPRESSUM

BACCARA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2016 by Katherine Garbera Originaltitel: „His Baby Agenda“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 1987 - 2017 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Johanna Lewes

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 07/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733723835

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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1. KAPITEL

Als der Summton der Gegensprechanlage ertönte, stellte Gabriella de la Cruz ihre Teetasse ab und nahm den Hörer auf. „Was gibt es, Melissa?“

„Es ist jemand hier, der dich persönlich sprechen möchte“, erwiderte ihre Assistentin aufgeregt. Vermutlich war eine der Berühmtheiten, deren Leben Melissa im Internet mitverfolgte, auf der Suche nach einem Kindermädchen in der Agentur vorbeigekommen.

Gabi hatte vor sieben Jahren ihre Nanny-Vermittlung gegründet, nachdem sie für einige Zeit die Kinder des Hollywoodregisseurs Malcolm Jeffers betreut hatte. Er und seine Frau waren so begeistert von Gabi gewesen, dass sie ihr vorgeschlagen hatten, doch eine eigene Agentur zu eröffnen, sobald ihre Kleinen alt genug waren und keine Nanny mehr brauchten.

„Ich habe in dreißig Minuten eine Besprechung“, sagte Gabi. „Kannst du ihm einen Termin geben?“

„Ich bin ziemlich sicher, dass du ihn sofort sehen willst“, erwiderte Melissa.

Gabi bezweifelte das. Sie war wirklich sehr beschäftigt, und es kam ihr so vor, als wollte in den letzten Wochen alle Welt etwas von ihr. Ihre Eltern wollten, dass sie am kommenden Wochenende bei ihnen vorbeikam. Ihre Klienten planten die Sommerferien und hatten wegen der Reisedokumente ihrer Kindermädchen unzählige Fragen. Außerdem musste Gabi ihre Kolumne zu Ende schreiben, die in einem Elternmagazin erscheinen sollte.

„Wer ist es denn?“, fragte sie schließlich. Melissa würde ihn offensichtlich nicht einfach abwimmeln.

„Es ist Kingsley Buchanan, der ehemalige NFL-Quarterback.“

Kingsley.

Natürlich musste er ausgerechnet an dem Tag in ihr Leben zurückkehren, an dem auch sonst alles schieflief. Verdammt. Schon allein sein Name jagte ihr einen Schauer über den Rücken.

„Ich habe jetzt keine Zeit“, sagte Gabi und legte auf.

Sie war Kingsley wirklich nichts schuldig. Ihr erster Liebhaber, oder besser gesagt: One-Night-Stand, hatte sie am Morgen nach ihrer gemeinsamen Nacht verlassen und war noch vor dem Mittagessen verhaftet worden. Gabi hatte ihn anschließend nur noch einmal wiedergesehen, und zwar bei einem Besuch im Gefängnis. Bei dieser Begegnung hatte er ihr eröffnet, sie sei naiv zu glauben, dass zwischen ihnen jemals mehr sein könnte als das, was geschehen war.

Idiot.

Gabi war nicht sicher, ob sie ihn oder sich selbst meinte.

Warum war er in ihrer Agentur aufgetaucht?

Und warum interessierte sie das?

Sie strich sich das Haar zurück und zog ihren Laptop näher zu sich heran, dann starrte sie auf den Bildschirm und tat so, als lese sie eine E-Mail ihrer Mutter. Doch sie war nicht wirklich bei der Sache.

Was wollte Kingsley von ihr?

Plötzlich öffnete sich ohne Vorwarnung die Tür ihres Büros, und eine breitschultrige Gestalt tauchte im Türrahmen auf. Gabi stockte der Atem. Natürlich hatte sie Kingsley in den vergangenen Jahren immer wieder im Fernsehen gesehen – um dann schnell den Kanal zu wechseln. Verdammt, die Zeit hatte es wirklich gut mit ihm gemeint.

Er trug das dichte braune Haar etwas länger, und seine blauen Augen kamen ihr eisiger vor als zu ihrer Zeit am College. Sein Bart war sorgfältig gestutzt, und er hielt das markante Kinn trotzig nach vorne gereckt.

„Kann ich dir helfen?“

„Deshalb bin ich ja hier.“ Ganz selbstverständlich betrat er den Raum und schloss die Tür hinter sich.

„Ich habe Melissa doch gebeten, dir für diese Woche einen Termin zu geben. Ich bin völlig ausgebucht.“

„Du kannst doch sicherlich einen Moment für einen alten Freund erübrigen?“

Doch es war nichts Freundliches an der Art, wie er auf ihren Schreibtisch zukam und sich lässig gegen die Tischplatte lehnte. Er erinnerte sie an einen Tiger, der seine Beute jagte, und Gabi rief sich ins Gedächtnis, dass sie keinerlei Ähnlichkeit mit einer Maus besaß.

Übernimm die Kontrolle.

Das hatte sie in den vergangenen Jahren mit schwierigen Eltern und aufmüpfigen Kindern gelernt.

Gabi stand auf und streckte Kingsley die Hand entgegen. Höchste Zeit, die Situation auf eine sachliche Ebene zu bringen. Sie würde ihn höflich begrüßen, zur Tür begleiten und hinauskomplimentieren.

Ein guter Plan.

Sie war ein Genie.

„Es ist schön, dich wiederzusehen, Kingsley. Aber ich fürchte, ich habe heute Morgen wirklich keine Zeit.“

Er nahm ihre Hand, doch statt sie zu schütteln, hielt er sie sanft umfasst und strich mit dem Daumen über ihre Fingerknöchel, sodass Gabi eine Gänsehaut bekam. Als sie ihm die Hand entzog und seinen amüsierten Blick bemerkte, hätte sie ihm am liebsten eine Ohrfeige gegeben.

Doch sie war nicht mehr jung und impulsiv, also trat sie einfach einen Schritt zurück. „Warum bist du hier? Ich denke, wir haben alles gesagt, was gesagt werden musste.“

„Ich suche ein Kindermädchen.“

„Ich fürchte, meine Agentur ist nur auf echte Kinder spezialisiert, nicht auf die im Körper eines Mannes.“

Lachend schüttelte er den Kopf. „Ich hatte vergessen, wie schlagfertig du sein kannst.“

Er hatte ja keine Ahnung. „Du kennst mich nicht“, erwiderte sie langsam. „Und so wie ich das sehe, haben wir nichts mehr zu besprechen. Würdest du also bitte gehen?“

„Tut mir leid, aber nein“, erwiderte er. „Und ich bin keiner deiner ungezogenen Klienten, die man mit ruhigem, aber bestimmtem Tonfall kontrollieren kann.“

Sie musterte ihn neugierig. Woher kannte er ihre Methoden? Sie hatte genau diese Worte erst letzten Monat in ihrer Kolumne geschrieben.

„Zum letzten Mal, Kingsley, was willst du hier?“

„Das habe ich dir doch gerade erklärt, Gabriella. Ich brauche dich.“

Die Art und Weise, wie er mit tiefer Stimme ihren Namen aussprach, ließ sie ihren Wunsch vergessen, ihn so schnell wie möglich aus ihrem Büro zu befördern. Außerdem hatte er gesagt, dass er sie brauchte … Die Worte, nach denen sie sich vor zehn Jahren so sehr gesehnt hatte.

„Zu schade. Aber ich möchte nicht den Eindruck erwecken, als sei ich eine aufdringliche Frau, die nicht merkt, wenn ihr Liebhaber genug von ihr hat.“

Kingsley hatte gewusst, dass seine Rückkehr nach Kalifornien nicht einfach werden würde, doch er war noch nie vor einer Herausforderung davongelaufen. Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass alles, was einen nicht umbrachte, nur stärker machte. Natürlich war das ein Klischee, doch vor zehn Jahren hatte man ihn sechs Monate lang als Mörder behandelt, bevor das Verfahren aus Mangel an Beweisen eingestellt wurde und man ihn und den zweiten Verdächtigen – seinen besten Freund Hunter Carruthers – freiließ.

Über die Jahre hatte Kingsley gelernt, seine Gefühle hinter einer eiskalten Fassade zu verbergen, sodass niemand ihn aus der Fassung bringen konnte. Doch all das schien sich in Luft aufzulösen, sobald er wieder mit Gabi de la Cruz allein in einem Raum war.

Sie hatte sich zu einer richtigen Schönheit entwickelt. Ihr langes karamellfarbenes Haar fiel ihr in dichten weichen Wellen über die Schultern, und ihre dunkelbraunen Augen gaben nicht mehr wie früher all ihre Gefühle preis, sondern verbargen ihre Gedanken. Nun musterte sie ihn misstrauisch, so als könnte er sich jeden Moment auf sie stürzen.

Er wusste, er verdiente es nicht besser. Und er würde lügen, wenn er behauptete, dass sie ihn nicht immer noch anmachte.

Sie war schon damals anders als alle anderen Frauen gewesen. Deshalb hatte er sich auch so schnell von ihr distanziert, nachdem Stacia Krushnik tot aufgefunden worden war. Doch all das lag in der Vergangenheit. Eine Vergangenheit, die Gabi dank der herzlosen Art, mit der er sie damals aus seinem Leben verbannt hatte, eigentlich nichts mehr anging. Doch er war zurück in Kalifornien, um sich zu rächen, und brauchte jemanden, der seinen Sohn vor dem Pressewirbel beschützte, den er und Hunter Carruthers vermutlich in der Öffentlichkeit auslösen würden.

„Ich bin nicht auf der Suche nach einer Geliebten, Gabi. Ich suche eine Nanny für meinen Sohn.“

„Deinen Sohn?“

„Ja.“ Kingsley hatte Gabis Leben über die Jahre in der Presse und den sozialen Netzwerken verfolgt. Daher verletzte es sein Ego ein wenig, dass sie nicht das Gleiche bei ihm getan hatte. „Conner ist drei und braucht dringend ein Kindermädchen.“

Damit hatte er sie aus dem Konzept gebracht. Sehr gut, denn nun fühlte er sich ihr gegenüber wieder ein wenig im Vorteil.

Gabi ging an ihm vorbei, und der schwache Duft ihres blumigen Parfüms stieg ihm in die Nase. Sie setzte sich an ihren Schreibtisch und griff nach einem Blatt Papier mit ihren Initialen.

„Conner ist drei?“, fragte sie. „Nach welcher Art von Kindermädchen suchst du?“

„Ich will dich. Ich habe mit Malcolm Jeffers gesprochen, und er sagt, du seiest die Beste. Außerdem habe ich deine Artikel über Kindererziehung gelesen – mir gefallen deine Theorien.“

„Danke“, erwiderte sie ein bisschen geschmeichelt. „Nimm doch Platz, während wir das hier besprechen?“

„Ich stehe ganz bequem.“

Sie schenkte ihm ein knappes Lächeln, und er musste sich ein Lachen verkneifen. Er machte sie nervös, und das fand er gut.

„Nimmt deine Frau auch an dem Auswahlverfahren teil?“

„Sie ist tot.“

„Oh, das tut mir leid, Kingsley.“

„Schon in Ordnung“, erwiderte er. „Conner erinnert sich überhaupt nicht mehr an sie. Er war damals erst sechs Monate alt.“

„Wie hast du bisher seine Betreuung organisiert?“

Kingsley hatte seine Assistentin Peri eingespannt, doch die arbeitete seit ihrer Heirat im vergangenen Monat nicht mehr für ihn. „Meine Assistentin hat sich um ihn gekümmert. Wie schnell kannst du anfangen?“

„Gar nicht.“

„Wie bitte?“

„Ich arbeite nicht mehr als Nanny. Nächste Woche beenden jedoch einige meiner Kindermädchen ihre Einsätze. Ich kann ein paar Interviews organisieren, wenn du möchtest. Außerdem würde ich gerne deinen Sohn kennenlernen. Wo ist er?“

„Bei Hunter“, antwortete Kingsley. Er und Hunter waren während ihrer Collegezeit auf dem Spielfeld ein großartiges Team gewesen. Als Sohn einer wohlhabenden Familie hatte Hunter nicht für seinen Lebensunterhalt sorgen müssen und in den letzten Jahren stattdessen an seinem Image als Playboy gearbeitet. Die Mordanklage hatte sein Ansehen in der Öffentlichkeit nicht gerade verbessert.

„Hm … darüber müssen wir noch reden. Er hat einen ziemlich schlechten Ruf. Ich kann keines meiner Kindermädchen bei dir im Haus einsetzen, wenn er häufig dort ist.“

„Das dürfte kein Problem sein“, sagte Kingsley. „Ich will keine von deinen Nannys. Ich will dich, Gabi.“

„Ich kann nicht.“

„Warum nicht?“

„Ich arbeite nicht mehr als Nanny.“

„Es wird sich für dich lohnen.“ Wenn er eine Sache von seinem Vater Jeb Buchanan gelernt hatte, dann, dass jeder Mensch einen Preis hatte. Gerüchte besagten, dass sein Vater Kingsleys Freiheit und das Schweigen von Zeugen gekauft hatte. Doch Jeb besaß einen stark ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, dem niemand, nicht einmal sein eigensinniger jüngerer Sohn, entging. Sein Vater war immer noch nicht vollends überzeugt, dass Kingsley an Stacias Tod unschuldig war.

Doch wenn Kingsley mit seinem Rachefeldzug fertig war, würde jeder wissen, wer ihren Tod auf dem Gewissen hatte.

„Ich bin nicht käuflich.“

„Nein? Was, wenn ich dir anbiete, den neuen Kinderspielplatz zu finanzieren, den du errichten willst?“

Gabi würde nichts für sich selbst annehmen, doch er erinnerte sich daran, dass sie ein weiches Herz hatte und alles für einen guten Zweck tat. Er fragte sich, ob sie sich in dieser Hinsicht geändert hatte.

Sie nagte unschlüssig an ihrer Unterlippe und blickte auf das Blatt mit ihren Notizen.

Offensichtlich nicht. Bei dieser Frau konnte er sich immer noch auf sein Bauchgefühl verlassen.

„Wir reden hier von einer sechsstelligen Summe, Kingsley. Ist es dir so viel wert, dass ich Conners Betreuung übernehme?“

Das war es. Sie musste nicht nur auf seinen Sohn aufpassen, sondern er brauchte auch ihre Erinnerungen an die Party und die Nacht, in der Stacia gestorben war. Wenn sie bei ihm wohnte, würde das die Sache sehr erleichtern.

Es gab über die Tatnacht widersprüchliche Informationen, und jeder, mit dem Hunter und er gesprochen hatten, erzählte etwas anderes. Daher war es Kingsley egal, ob es ihn eine sechs- oder neunstellige Summe kostete. Er musste endlich die Geister der Vergangenheit zu Grabe tragen, und Gabi war die einzige Frau, die ihm dabei helfen konnte.

„Ja, das ist es“, sagte er fest. „Ich erwarte dich heute Abend bei mir zu Hause. Ich habe deiner Assistentin schon meine Adresse gegeben.“

„Ich habe zugestimmt, für dich als Conners Kindermädchen zu arbeiten, aber ich werde nicht bei dir wohnen.“

„Doch, für die Summe, die ich dir zahle, wirst du das.“

Er wandte sich von ihr ab und ging auf die Tür zu. Er hatte erledigt, was er sich vorgenommen hatte, und nun wurde es Zeit, dass er sich wieder um seine anderen Aufgaben kümmerte.

So ein arroganter Bastard!

Blitzschnell schoss Gabi hinter ihrem Schreibtisch hervor und schnitt Kingsley den Weg ab, bevor er die Tür erreichen konnte. Sie baute sich im Türrahmen auf und blickte ihn durchdringend an. Sie musste ihn unbedingt in seine Schranken weisen.

„Wir sind noch nicht fertig miteinander.“

„Ich wüsste nicht, was wir noch zu besprechen hätten.“

Kingsley blieb nicht wie erwartet stehen, sondern trat so dicht vor sie hin, bis nur noch wenige Zentimeter Abstand zwischen ihnen bestanden. Dann stützte er die Hände neben ihrem Kopf an der Tür ab.

Er hatte sie regelrecht gefangen. Sie konnte die grünen Flecken in seinen eisblauen Augen und die Narbe an seiner linken Augenbraue sehen, die sie schon damals bei ihrem ersten Kuss bemerkt hatte. Gabis Lippen fühlten sich wie ausgetrocknet an, und das Atmen fiel ihr schwer. Am liebsten hätte sie sich mit einem Klaps zur Besinnung gebracht.

Lass dich nicht von ihm einwickeln.

Das hier war schließlich Kingsley Buchanan, ein Mann, der die Frauen liebte und dann ganz schnell verließ. Bestimmt nicht die Sorte Mann, die für sie infrage kam.

Doch ihr Körper sagte etwas anderes. Jeder Nerv reagierte auf ihn, so als wüsste sie nicht, dass er nichts als Ärger bedeutete. Zu allem Überfluss hatte sie auch noch so gut wie zugestimmt, mit ihm unter einem Dach zu leben. Das war wie ein Pakt mit dem Teufel.

Gabi hatte die vergangenen achtzehn Monate mit der Gemeindeverwaltung herumgestritten, um den Bau des Spielplatzes durchzusetzen. Daher war Kingsleys Angebot einfach zu gut, um es abzulehnen. Doch sie gehörte ihm nicht und durfte nicht die Kontrolle über die Situation verlieren.

Auch wenn sein Rasierwasser noch so gut roch.

„Wir haben eine Menge zu besprechen“, sagte sie und hörte selbst, wie furchtbar atemlos und piepsig ihre Stimme klang.

„Zum Beispiel?“

„Ich werde nicht in deinem Haus wohnen.“

„Das ist nicht verhandelbar.“

„Alles ist verhandelbar“, widersprach sie.

„Dieser Punkt nicht. Ich bin wegen meiner Arbeit viel unterwegs und brauche für Conner eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung.“

„Die kann ich dir nicht garantieren. Ich habe noch eine Agentur zu leiten.“

„Ich kann dir in meinem Haus ein Büro einrichten, und wenn du mit deinen Bürostunden flexibel bist, dann komme ich dir entgegen und gebe dir die Zeit frei, die du benötigst. Aber du musst bei uns wohnen.“

Gabi wusste, dass das unmöglich war. Doch er hatte etwas unglaublich Überzeugendes an sich, und sie merkte, dass sie weich wurde. Außerdem war er ein Klient, und diese Absprache war etwas rein Geschäftliches.

„Na gut, wir können es ja mal versuchen. Aber wenn ich das Gefühl habe, dass es nicht funktioniert, dann müssen wir eine andere Lösung finden.“

„Ich bin sicher, es wird funktionieren.“

Natürlich sagte er das.

„War das alles?“, fragte er.

Er kam ihr noch näher, und sein Atem streifte ihre Wange. Sie öffnete die Lippen, und ihr wurde klar, dass ihr Verhältnis nie rein geschäftlich sein würde.

„Da wäre noch etwas“, antwortete sie.

„Ach ja?“

„Ich möchte einen Schlussstrich unter die Vergangenheit setzen“, sagte sie. „Ich möchte nicht, dass du mir noch einmal so nah kommst.“

„Du bist doch diejenige, die mir den Weg versperrt.“

Sie musterte ihn aus schmalen Augen. Dieser Punkt ging an ihn. „Ich meine es ernst. Unsere Absprache ist rein geschäftlich.“

Kingsley strich ihr mit den Fingern durchs Haar, und Gabi spürte ein Prickeln auf der Kopfhaut, das sich langsam in ihrem ganzen Körper auszubreiten begann.

„Wir werden nie eine rein geschäftliche Beziehung haben, Gabi. Die Vergangenheit wird immer da sein, zusammen mit dieser einen Frage.“

Frag nicht.

„Welche Frage?“

Er kam noch näher, und sie musste den Impuls unterdrücken, vor ihm zurückzuweichen. Doch sie würde ihn auf keinen Fall merken lassen, was für eine Wirkung er auf sie hatte. Sie musste standhaft bleiben. Er war nur ein Mann.

Nein, er war mehr als ein Mann. Er war ihr ganz persönlicher Dämon, den sie in all den Jahren nicht hatte vertreiben können.

„Ob diese eine gemeinsame Nacht nur eine Ausnahme war“, sagte er.

Inzwischen war er ihr so nah, dass ihre Lippen nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt waren. Natürlich erinnerte sie sich an ihre gemeinsame Nacht, doch die Bilder waren nach der langen Zeit verschwommen und von Wut und Bedauern gefärbt.

Gabi legte die Hände auf seine Schultern und ging auf die Zehenspitzen, sodass sie auf gleicher Augenhöhe mit ihm war. Es war unmöglich, seinen Gesichtsausdruck zu deuten. Kingsley war schon immer in der Lage gewesen, eine völlig undurchdringliche Miene aufzusetzen, wenn er wollte, doch nun wirkte sein eiskalter Blick wie eine unüberwindbare Barriere.

Sie musste unbedingt versuchen, ihre Beziehung rein geschäftlich zu halten, um nicht verrückt zu werden. Sie war achtundzwanzig Jahre alt und hatte endlich das Gefühl, dass ihr Leben in den richtigen Bahnen verlief. Sie würde nicht zulassen, dass ein Mann wie Kingsley all das wieder zerstörte.

„Oh, ich dachte, du meintest, ob ich dich immer noch will“, sagte sie leichthin.

„Und, tust du das?“

Sie duckte sich unter seinem Arm weg. „Ich mache mir nichts mehr aus bösen Jungs.“

„Ach nein?“

„Das geht allen Mädchen so, wenn sie erwachsen werden“, erwiderte sie. „Melissa wird dir den Vertrag zuschicken. Guten Tag, Kingsley.“

2. KAPITEL

Kingsley war sich nicht sicher, ob er den Kampf mit Gabi verloren oder gewonnen hatte. Sie war schon damals auf dem College in der Lage gewesen, ihn ganz schnell aus dem Konzept zu bringen. Doch er hatte sich in den letzten zehn Jahren verändert. Und so sehr er es auch genoss, mit ihr zu flirten – er war schließlich ein heißblütiger Mann –, war Gabi nicht der Grund für seine Rückkehr nach Kalifornien. Daher musste er sich wieder auf sein Ziel konzentrieren.

Er stieg in seinen Porsche 911 und fuhr ein wenig schneller als erlaubt zu dem Haus zurück, dass er vor Kurzem gekauft hatte. Das Anwesen befand sich hoch oben auf einer Klippe über dem Pazifik; ein privater Pfad führte zum Strand hinunter. Kingsley wollte ihn so oft es ging mit seinem Sohn Conner benutzen.

Sein Telefon begann zu klingeln, und er nahm den Anruf auf seiner Freisprechanlage entgegen. „Was gibt’s, Hunter? Ist mit Conner alles in Ordnung?“

„Dem kleinen Satansbraten geht es bestens, aber ich bin völlig erledigt. Ich glaube, er hat das Zeug zu einem guten Running Back“, sagte Hunter. „Aber wie lief es bei dir? Hat Gabi zugestimmt?“

Hunter war in Wahrheit nicht der Playboy, als den ihn die Medien darstellten. Kingsley war überzeugt, dass sie auch beste Freunde geblieben wären, wenn man sie nicht gemeinsam wegen Stacias Ermordung angeklagt hätte. Er stand Hunter näher als seinem eigenen Bruder.

„Ja, hat sie. Ich habe Stacia aber nicht erwähnt. Ich möchte Gabi unauffällig ein paar Fragen stellen, wenn sie hier ist“, erklärte er.

„Hey, es ist dein Plan, und du bestimmst das Tempo. Ich will nur endlich ein paar Antworten bekommen.“

Hunter konnte sich kaum an den Verlauf der Mordnacht erinnern. Das war ein bisschen seltsam, da sein Freund im College nie viel getrunken hatte. Daher hegten sie den Verdacht, dass jemand Stacia etwas in den Drink gemischt hatte. Sie und Hunter waren damals ein Paar gewesen, also hatte Hunter im Laufe des Abends eventuell etwas davon abbekommen.

„Wann bist du zu Hause? Ich habe in fünfundvierzig Minuten ein Meeting.“

„Ich bin in zwanzig Minuten da“, sagte Kingsley.

„Klingt gut“, sagte Hunter. „Ich bin froh, dass wir wieder hier sind. Es ist höchste Zeit, dass Stacias Geist zur Ruhe kommt.“

Kingsley beendete den Anruf und versuchte, sich auf den Verkehr zu konzentrieren, doch seine Gedanken schweiften unwillkürlich zu Gabi ab.

Sie hatte sich verändert.

Ach wirklich, du Idiot?

Doch besser konnte er es nicht beschreiben. Sie hatte sich verändert. Sie war nicht nur reifer geworden, sondern besaß viel mehr Selbstbewusstsein als mit achtzehn. Ein Selbstbewusstsein, das es ihr ermöglichte, sich ihm gegenüber zu behaupten.

Das bewunderte er.

Er wünschte … Verdammt, in den vergangenen zehn Jahren war nicht ein einziger Tag verstrichen, an dem er nicht seine grausamen Worte bei ihrer letzten Begegnung im Gefängnis bedauert hatte. Es tat ihm jedoch nur leid, dass er sie verletzt hatte, nicht, dass er sie zum Gehen veranlasst hatte, bevor die Presse vor dem Gefängnis angerückt war. Damit hatte er sie vor dem Skandal bewahrt, der über ihn und Hunter hereingebrochen war.

Kingsley parkte den Wagen auf der großen kreisförmigen Auffahrt vor seinem Haus und schaltete den Motor aus. Als er aus dem Auto stieg, öffnete sich die Haustür.

Conner kam lachend die Treppe hinuntergelaufen.

„Daddy!“

Kingsley nahm seinen Sohn auf den Arm und drückte ihm einen Kuss auf den Scheitel. Conner hatte Kingsleys blaue Augen, aber Jades rotblondes Haar geerbt.

„Komm zurück, du kleiner Teufel“, rief Hunter und blieb abrupt in der Tür stehen.

„Warum läuft mein Sohn hier draußen herum?“, fragte Kingsley.

„Weil er ein verwöhnter Bengel ist“, erwiderte Hunter.

„Das bin ich“, sagte Conner stolz.

Kingsley war davon überzeugt, dass Conner keine Ahnung hatte, was verwöhnt bedeutete. Doch sein Sohn und Hunter standen sich sehr nah, und Conner stimmte seinem Lieblingsonkel in den meisten Dingen zu.

„Was hat denn das eine mit dem anderen zu tun?“, fragte Kingsley.

„Nichts. Aber er ist wirklich schnell. Ich habe ihm nur eine Sekunde lang den Rücken zugedreht …“

Kingsley lachte. Sein Sohn war ihm auch schon häufig genug auf die gleiche Weise ausgebüchst. Der Junge würde eines Tages wirklich einen guten Footballspieler abgeben. Doch das war nur dann eine Option, wenn es Kingsley gelang, den Mord an Stacia aufzuklären. Schließlich wollte er nicht, dass Conner irgendwann bei einer Pressekonferenz mit Fragen über seinen Vater konfrontiert wurde.

„Und du machst dich jetzt auf den Weg?“, fragte er Hunter.

„Ja, ich wohne die nächsten Wochen in meinem Strandhaus in Malibu. Doch sobald du neue Informationen hast, komme ich her.“

„Ich halte dich auf dem Laufenden. Gabi wird bei uns wohnen, und ich vermute, wir wissen schon bald mehr.“

„Gut. Je eher wir dieser Geschichte mit Stacia auf den Grund gehen, desto besser.“

Hunter fuhr zu seinem Meeting, und Kingsley sah seinem Freund nach, bis Conner ihn an der Hand zog.

„Wer ist Stacia?“

„Eine alte Freundin von Daddy. Ich habe gute Neuigkeiten, Conner. Wir bekommen eine Nanny, die bei uns wohnen wird.“

„So wie Peri?“

Nein, ganz bestimmt nicht wie Peri. Die Aussicht, dass seine ehemalige Assistentin bei ihm einzog, hätte Kingsley niemals so in Erregung versetzt.

Nachdem Kingsley gegangen war, lief Gabi einen Moment lang unruhig in ihrem Büro auf und ab. Sie wusste nicht, wie es dazu gekommen war, aber scheinbar würde sie nun wieder als Nanny arbeiten. Obendrein würde sie einen Dreijährigen betreuen, den sie noch nie getroffen hatte, und dabei im Haus des Mannes wohnen, den sie nie hatte vergessen können.

Großer Gott!

„Melissa, bitte setze einen Vertrag für Mr. Buchanan auf“, sagte Gabi zu ihrer Assistentin.

„Ich wette, du bist froh, dass ich ihn nicht abgewimmelt habe“, sagte Melissa. „Der ist ja im richtigen Leben noch aufregender als im Fernsehen.“

Das stimmte. Eine Fernsehkamera würde niemals in der Lage sein, Kingsleys Anziehungskraft einzufangen.

„Sehr aufregend“, erwiderte sie trocken. „Und er will, dass ich noch heute Abend anfange.“

„Du? Aber du übernimmst doch keine Einsätze mehr“, sagte Melissa. „Was ist in deinem Büro passiert?“

Das kam davon, wenn man zu freundschaftlich mit seinen Angestellten umging. Melissa hatte keinerlei Hemmungen, sie nach allen möglichen Sachen zu fragen.